Wunder-glauben der damaligen Menschen führten zum großen Anwachsen der Jakobus­Pilgerströme aus Frankreich, England und Deutschland. Der östlichste europäische Ausgangspunkt einer Pilgerreise zum Jakobusgrab war Riga in Lettland. Der islamische Berichterstatter Emir All Ben schrieb ll2l über Massen von Pilgern, die nach Santiago unterwegs waren und die Straßen undWege geradentverstopften. Ab der 2.Hälfte des l l.Jahrhunderts wurde den Wall-fahrern der gleiche Ablass zugesagt wie den Jerusalem­pilgern. Ablasserteilung gab es für tödliche Sünden und für kleine lässliche Sünden. Nach einer Bußordnung wurden auch Strafwallfahrten verhängt, denn eine böse Tat konnte nur durch eine gute gesühnt werden. Wer Geld hatte, konnte allerdings auch angedingte für sich wallfahren lassen. Unzählige Gläubige, Arme und Reiche, ergriffen den Pilgerstab. Im Hochmittelalter war es üblich, dass man mindestens einmal imLeben eine Pilgerfahrt zu einem nahen oder fernen Heiligtum unternahm. Eine besondere Rolle spielte dabei der deutsche Südwesten mit seinen ausgebauten Heer- und Handelswegen nach Frankreich und nach der Schweiz. Die Pilger wanderten auf den Wegen zwischen dem Schwarzwald und der Schwäbischen Alb und vereinigten sich ab Rottweil und Villingen. Aneinandergereiht würden die Jakobswege mindestens 8000 km Länge ergeben. Je weiter man von Santiago de Compostela entfernt ist, um so zahlreicher, verschlungener und netzartig au s gebrei tet sind die Jakobswege angelegt. Das Kennzeichen der Jakobspilger ist die Muschel, der magische Wirkung zugeschrieben wird; sie sollte Kranke heilen und Glück bringen. Am 25.Juli ist der Jakobustag, mit dem die Erntezeit eröffnet wird. Die Pilger aus ganz Europa wurden auf ihrer langen Wanderschaft in Klöstern be­herbergt und auch in Kirchen und deren Vorhallen untergebracht. Die Blütezeit der Jakobus-Pilgerfahrten war vom 12. bis zum l4.Jahrhundert. Ein erster Rückzug stellte sich im 15. Jahrhundert ein. Der Humanismus und die Reformation haben zum weiteren Nach­lassen der Pilgerbewegung beigetragen. Die Protestanten kritisierten den Legenden­und Reliquienglauben; sie hielten sich an Martin Luthers Rat, lieber daheim zu bleiben als einen so mühsamen und gefahrvollen Marsch zu unternehmen. Luther sagte auszugsweise; ,,Da haben wir nu nichts gewiss von dem: etliche sagen, er liegt in Frankreich zu Tholosa, aber sie seind ihrer Sach auch nicht gewiss. Drumb lass man sie liegen und lauf nit dahin, denn man weiJ3 nit, ob Sant Jakob oder ein toter Hund oder ein tots Ross da liegt". Auf dem langen und mühsamen Weg kamen damals nicht wenige Pilger zu Tode. Davon zeugen nicht nur die vielen Friedhöfe längs des Camino (so nennen die Spanier den Jakobsweg), sondern auch Einträge in den heimatlichen Kirchenbüchern wie dieser:,,Blieb auf Jacobs Straß". Manche katholischen Landesfürsten ­auch Kaiserin Maria Theresia ­versuchten daher, die Jakobspilger auf regionale Wallfahrtsorte umzuleiten. Anzumerken ist, dass im 177-seitigen Buch von Wolfgang W. Meyer ,,Jakobwege in Württemberg, Baden, Franken, Schweiz" viele Jakobswege in Südwestdeutschland beschrieben sind. Allerdings ist dort ein Jakobsweg von 4l