mit dem Bürgermeister war für die Einweisung und Unterbringung der Vertriebenen zuständig. Dass es dabei zu Protesten seitens der be­troffenen Einheimischen kam, war natürlich und nicht zu verhindern. Die räumliche Enge führte zu vielenAuseinandersetzungen und es dauerte lange, bis sich die verschiedenen Lebensarten der Menschen einander anglichen! Trotz aller Reibereien haben Vertriebene und Einheimische von einander gelernt und sich gegenseitig angenommen. Die Unterschiede sind verschwunden. Heute fühlen sich die Vertriebenen und ihre Nachkommen zu Recht als eingesessene Gechinger. Auszüge aus den Akten Der Landrat schrieb am lO.November 1945 an die Gemeinden: ,,Vorbereitung für die Ostflüchtlinge. Bis heute steht noch nicht fest, ob, wann und wieviele Flüchtlinge im Kreis eintreffen. Nach Er­fahrungen in anderen Kreisen muss damit gerechnetwerden, dass auf etwa l0Einwohner 1 Flüchtling kommen wird, was sich teilweise auf bis zu 4 Flüchtlinge auf 10 Einheimische erhöhen kann". ,,Jeder Bürgermeister muss sich sofort Gedanken machen, wo und wie er die Ver­triebenen unterbringen kann. Da keine Massen­quartiere vorhanden sind, muss Privatraum bereitgestellt werden. Über die Schwierigkeiten ist sich das Landratsamt bewusst. In dieser furchtbaren Not müssen alle Bedenken der Gemeindenund des Einzelnen zurücktreten. Bis ztm IJ.ll.l945 wird dringend um Bericht gebeten, wieviele Personen, bei Anlegung des strengsten Massstabs, untergebracht werden können." Der Bürgermeister antwortete am 16.tt.t945: ,,Bei Anlegung eines strengen Massstabes können in hiesiger Gemeinde etwa 80 Personen untergebracht werden." Im April 1946 sandte das Landratsamt Anweisung und Richtlinien zu Aufnahme von Flüchtlingen. Darin heisst es unter anderem: ,,Es wird angenommen, dass abApril 1946 etwa 100 000 Flüchtlinge kommen. Mit einer Zuteilung von lU%o der Einwohner ist zu rechnen. Die Bevölkerung ist weitestgehend zur Mitarbeit heranztziehen und dient der Herstellung eines lebendigen Kontakts zwischen Einheimischen und Vertriebenen. Das Problem der Unter­bringung kann gemeistert werden, wenn alle ihre Phantasie und Aktivität dafür einbringen. Die Ernährung und Verpflegung der Vertriebenen ist Sache des Landesernährungs­amtes, der Kreise und der Gemeinden. Familien mit Kinder sollen in Privatquartieren unter­gebracht werden. Jugendliche ab 14 können gegebenfalls in Nachbarhäuser eingewiesen werden. Die Vertriebenen werden im Saal einer Gaststätte begrüsst, verpflegt, und in die Ortsverhältnisse eingewiesen. Sie bekommen Lebensmittelkarten und werden dann auf die Quartiere verteilt. Das innere Widerstreben seitens der einheimischen Bevölkerung gegen die Aufnahme von Vertriebenen ist zum Teil sehr deutlich zu spüren. Deshalb wird auf folgendes hingewiesen: 1. Die Zuweisung der Flüchtlinge erfolgt auf Anordnung des alliierten Kontrollrates in Berlin. Keiner kann sich dem entziehen, je hilfreicher der Einheimische ist, desto leichter macht er es sich selbst. 2.Die Zuweisung stellt auch einen Schutz der Einheimischen dar. Ein unorganisierter Druck von Ost nach West würde das Land in einen Elendszustand mit Raub, Hunger, Epidemien und Plünderung stürzen. 3. Ein jeder soll nach seinen Kräften dem Flüchtling so begegnen, wie wenn er an dessen Stelle wdre. 4. Es liegt im Interesse aller, dass Ver­triebene und Einheimische allmählich mit­einander verschmelzen. Die Vertriebenen müssen nach einiger Zeit die gleichen Rechte und Pflichten haben. 5. Wo aber Freiwilligkeit bei der Aufnahme nicht ausreicht, muss mit Zwartg das Ziel erreicht werden. Dazu gehört die Beschlag­nahmung von Wohnraum und Einrichtungs­gegenständen. 6. Uber den Plan, die Evakuierten aus der amerikanischen Zone wieder in ihre Heimat zurückzuführen, .wird noch Weisung ergehen. Es handelt sich nur um die amerikanisch besetzten Gebiete Nord-Württemberg, Nord­baden, Bayern und Hessen." 26