Fischlein. Ein andermal waren wir wieder unten am Kanal, versteckt im Gebüsch, das reichlich am Ufer wucherte. Wir fischten wieder einmal mit den Händen, wobei es galt, flugs zuzupacken. Da läutete plötzlich die Glocke, und wir mußten in die nahe Kirche. Die Fische versteckten wir in der Jacke und legten diese hinter die Orgel. Doch gerade dahin setzte sich der Organist, unser Lehrer. Es war Kindergottes­dienst. Uns sah er ohne Jacken, sah diese aber da liegen und durchsuchte sie. Diesen Blick zu uns habe ich bis heute nicht vergessen. Zu Hause schimpfte meine Mutter sehr über die ver­schmutzte Jacke. Und am an­dern Tag galt es, dem Lehrer Rede und Antwort zu stehen. Die Fische von den Fischern geschenkt bekommen zu ha­ben, nahm er uns nicht ab. Da Fischen für jeden Unberech­tigten verboten war, gab es pro Mann 4Tatzen, eine Tor­tur die mittels Schlagen auf die Hände mit einem Stock absol­viert wurde. Dazu mußte ver­sprochen werden, solchen Fischfrevel nicht mehr zu be­treiben. Wenigstens aber schmeckten die Fische, die zu Hause bekömmlich zubereitet wurden. Ein weitererSport war es für uns, Frösche zu fangen, die es in einem Wiesen-Weiher reich­lich gab. Das war nur im März, wenn es dunkel wurde, mög­lich. Da machten wir aus Pa­pier und Stroh ein kleines Feu­er am Ufer und lockten so die Frösche an. Wir schnappten sie mit den bloßen Händen, faßten zuweilen auch tief ins Wasser und töteten die Frösche, die nicht zu jung und nicht zu alt sein durften. Wir schnitten ih­nen die Beine ab und verkauf­ten diese als besondere Delika­tesse. Dies war nicht verboten. Wo vom Fluß ein Kanal zur Mühle abzweigte, war eine In­sel von ovaler Form, bedeckt mit feinem roten Sand. Drei hohe Pappeln wuchsen darauf. Für uns war das ein schöner Spielplatz und zum Turnen ge­eignet. Auf diese Insel führten drei kleine Brücken. Auch der Gänsestall befand sich dort, denn es war üblich, dort von morgens bis abends die Gänse zu verwahren, damit sie in den Gärten und Feldern keinen Schaden anrichteten. Abends fanden sie alle wieder von selbst nach Hause. Unterhalb dieser Insel überquerte eine große Brücke den Fluß, und der Weg führte in die Dorfmitte. Im Winter war der Fluß oft zuge­froren, und die Fuhrwerke fuh­ren in der Furt neben der Brük­ke über den zugefrorenen Fluß. Für uns gab dies eine herrliche Eisbahn. Zum Schlittschuhlau­fen hatten wir verschiedene Plätze, auch gab es Schlitten­bahnen von den Bergen und Hügeln herunter. Oft mußte im Winter der Bahn­schlitten fahren, bespannt mit vielen Pferden. Häufig kamen auch Flöße den Fluß herunter, die über Nagold, Calw, Pforz­heim, in die Enz, den Neckar und Rhein hinunter nach Hol­land fuhren. Die Größe eines Floßes bestand aus ca. 60 Stämmen, und 4-5 Männer führten das Floß mit langen Stangen durch die Windungen des Flusses. Das war auch für uns Buben eine große Zeit: Wir sprangen auf das Floß und fuh­ren einige Meilen mit. Oft war der Wasserstand zu niedrig, und die Flößer mußten warten, bis wieder genügend Wasser angestaut war. Da hatten wir Buben großen Spaß. Nun will ich noch einiges von meinem Heimatdorf erzählen, damit alle meine Nachkommen wissen, aus welch schönem Teil Deutschlands ich gekom­men bin, und sie sich dessen niemals zu schämen brauchen. Rohrdorf hatte etwa 700 Ein­wohner. Starkes industrielles Leben herrschte im Dorf. Auch wurde viel Landwirtschaft be­trieben. Mein Vater war einer der Bauern: Er hatte 2-4 Pfer­de, eine Anzahl Kühe und son­stiges Getier, auch einen Haus­garten und mehrere Äcker für Getreide und Hackfrüchte, auch Wiesen, um genug Heu zu machen, sowie Gartenland, um Gemüse anzubauen und zum Verkauf zu bringen. Am Ort waren 3 Gasthöfe für Touristen, 2 Brauereien, 2 Ger­bereien. Eine große Leinen­bleicherei, 2 Wollspinnereien, 2 große Webereien für Stoffe usw., so daß etwa 100 Leute Arbeit fanden, sodann 2 Knei­pen(Gassenwirtschaften), 2 Bäckereien, 2 Maschinen- ge­schäfte, 3 Lebensmittelläden und 1 Schmied, der auch Pfer­de beschlug. Weiter gab es 3 Schreinereien, 1 Glaserei, 1 Steinhauer, 1 Schlosser, 1 Holzsägemühle, 1 Mahlmühle, 2 Schneider, 2 Schuhmacher, 1 Leineweber. Sodann war vor­handen 1 Friedhof, 1 Totengrä­ber. Dieses Amt besorgte mein Vater über 33 Jahre hin neben seiner Arbeit als Bauer bis zu