seinem Tode mit 63 Jahren1897. Ich half ihm oft bei dieser Arbeit.Natürlich hatten wir auch einePoststelle, 1 Rathaus, einenBahnhof, 2 Schulhäuser, 2 Lehrer, 2 Kirchen(1 Evangelisch,1 Katholisch). Die 2 Kirchenwaren unter einem Dach aneinander gebaut, sonst aber getrennt. Der größere Teil war derevangelische, der kleinere derkatholische. Wir hatten 1 Pastor und 1 Priester, jeder aberhatte sein eigenes Haus an derHauptstraße. Beide Pfarrerwaren sehr befreundet zusammen, gingen oft miteinanderaus in die Wirtschaften undtranken Wein zusammen.In unserem Dorf waren nur 7Familien katholisch, sie hattenwenige im Alter passende Kinder, meist zu kleine oder schonzu große, um bei der Messedem Priester zu helfen, und sohalf ich oft auch als Ministrant.Auch halfen wir oft der Mesnerin, weiche unsere Nachbarin war, einer sehr hübschenLady, die aber die Glockennicht gut läuten konnte; so halfen wir aus. Auf die Läutezeichen warteten wir meist in Kirchennähe. Wenn abends dieBetglocke läutete, war dies dasSignal für die Einwohner, zubeten, und für die Kinder, dieStraße zu verlassen und nachHause zu gehen. Viele Katholiken kamen auch aus denNachbardörfern, denn dieRohrdorfer katholische Pfarreiwar damals die einzige für dasganze Amt Nagold.Neben dem Rathauszimmer lagauch der Arrestraum, doch warer selten besetzt.Es sei noch erwähnt, daß wirauch eine große Metzgerei hatten, die auch Wurstwaren allerArt herstellte, sowie eine kleinere, die aber nicht jeden Taggeöffnet hatte. Das große„Weinhaus“ mit Metzgerei wardas Hotel Seeger(„Ochsen“).2 Kegelbahnen habe ich schonerwähnt, dann 1 Armenhaus,wo meist einige alte Frauenwohnten.Rings um das Dorf waren viele Beeren- und Obstgärten, eineMenge Felder, Wiesen undWälder. Die finanzielle Situation der Leute war befriedigend, einige waren reich. Diemeisten Bauern hatten Hausschlachtung: Kühe, Kälber,Schweine, Ziegen, Schafe,Gänse, Hühner, Enten, Stallhasen. Im Dorf bestand auch eineZündholzfabrik.Wir Kinder halfen da, die Holzmaschine mit Holz zu füllen,brachten dann die Hölzer inden Nebenraum und tauchtensie in Phosphor. Getrocknetkamen die Hölzer in Holzschachteln und so zum Verkauf. Wir freuten uns an demVerdienst von wenigen Pfennigen. Die meisten Betriebe nutzten die Wasserkraft der Nagold.Zur Beleuchtung hatten wirKerzen und Öllampen.Das Dorf liegt sehr romantischin einem hübschen Flußtal,ringsum gibt es hohe Berge undviel Wald. 6 Bergquellen lieferten nie versiegendes, immerfrisches kühles Wasser fürMensch und Vieh. Auch 3Brunnen waren angelegt, einstdie Versorgung für alle! Schönwar es anzusehen, wenn Frauen und Näh-Mädchen mit stolzem aufrechtem Gang ihrehübsch verzierten Messingund Kupfereimer auf dem Kopftrugen, meist 3-6 Gallonenschwer.Auch hatten wir einen Bürgermeister samt seinem Personal,einen Polizisten und einenNachtwächter, der aufzupassenhatte, ob nicht irgendwo etwaein Brand ausgebrochen war.Wir hatten auch einen freiwilligen Feuerwehrverein mitWasserspritze und Leiter, welche von 4 Pferden gezogenwurde: Sie halfen jedermannallezeit!Eigentlich habe ich im Dorfkeinen Brand erlebt, nur im eigenen Haus, als meine Muttersich Gesicht und Hände verbrannte.Keiner, der es nicht selbst gesehen hat, kann sich ein Bildmachen von meinem schönenHeimatdorf, daß ich über allesliebe, auch aus weiter Ferne.“Soweit die Erinnerungen vonJ.H. Reichert an sein Heimatdorf.Im Sommer 1911 unternahmer nochmals eine Reise in seine alte Heimat. In Rohrdorfund Umgebung besuchte er alleVerwandte und Freunde. Amletzten Sonntag seines Hierseins gab er im Gasthaus„ZurSonne“ eine Abschiedsparty,zu der viele Verwandte von hierund von auswärts kamen. Jedermann konnte essen und trinken, soviel er wollte. Es gabviele Ansprachen, und er verabschiedete sich von jedermann.Am andern Morgen stand dashalbe Dorf auf dem Bahnhofund verabschiedete mich.“heißt es in seinem Lebensbericht.