Johann Baptist Pflug, der erzählfreudige oberschwäbische Genremaler, wird im Jahre 1785 in der freien Reichsstadt Biberach als Sohn eines Küfers und Essigfabrikanten geboren. In den „Erinnerungen eines Schwaben", die der mit dem Maler befreundete J. E. von Günthert nach dessen Erzählungen aufzeichnete, berichtet Pflug, daß er als Kind schon ohne irgendeine Anleitung eifrig gezeichnet habe. Mit zwölf Jahren kommt er als „Singknabe" in das Kloster Weingarten, wo er neben einem „gründlichen Unterricht im Singen und auf der Geige auch in der Wissenschaft fortgebildet" wird.
Nach Aufhebung des Klosters im Jahre 1803 kehrt Pflug nach Biberach zurück. In Weingarten, wo man wohl auf seine Begabung aufmerksam geworden war, hatte man ihm geraten, zu einem Kirchenmaler in die Lehre zu gehen. Es wird nun eine bittere Enttäuschung für ihn, daß er bei seinen Eltern kein Verständnis für seine künstlerischen Neigungen und Berufsabsichten findet; er soll nach ihrem Willen Bortenmacher werden. Doch auf Vorstellungen eines väterlichen Freundes geben die Eltern schließlich nach und stimmen einer künstlerischen Ausbildung zu.
Der junge Pflug zieht nun im Jahre 1806 nach München, wo er zwei Jahre in der Akademie und ebenso eifrig in der Gemäldesammlung studiert und hier bereits seine besondere Vorliebe für die niederländischen Genrebildmaler entdeckt, die seiner eigenen künstlerischen Auffassung und Neigung mehr entsprechen als zum Beispiel die zeitgenössischen Klassizisten in Stuttgart. Seine Berichte über das Leben in München und die Verhältnisse in Bayern zeugen von seinem vielseitigen Interesse und von seiner immer wachen Beobachtungsgabe. Doch die unruhige und unsichere politische Situation der Jahre 1808 und 1809 veranlassen ihn, früher als beabsichtigt wieder nach Biberach zurückzukehren. Hier droht ihm die Aushebung; um von ihr befreit zu werden, geht er - zum ersten Male in seinem Leben - nach Stuttgart, wo Galeriedirektor Hetsch und andere Künstler ihm das für die Befreiung von der „Konskription" erforderliche Zeugnis über seine künstlerische Qualifikation ausstellen. Er läßt sich nun in seiner Heimatstadt als selbständiger Künstler nieder.
In der ersten Zeit malt er hauptsächlich Porträts. Diese Aufträge behagen ihm aber auf die Dauer nicht, da er sich durch sie allzu gebunden fühlt. Er wendet sich deshalb bald der Darstellung „häuslicher, ländlicher und militärischer Szenen" zu, und es entstehen jetzt jene Bilder mit Motiven aus dem ober- schwäbischen Volksleben, die den Künstler schnell im ganzenLande bekannt
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machen. Es fehlt nicht an Abnehmern, zu denen auch König Wilhelm I. gehört. In Stuttgart kann er ausstellen, und der im Jahre 1827 gegründete Würt- tembergische Kunstverein bestellt bei ihm als dem „einzigen Genremaler in Württemberg" zwei Bilder; nach ihnen werden Lithographien angefertigt, die die Mitglieder als Jahresgabe erhalten. Pflug ist als Künstler viel beschäftigt, hat - wie er selbst berichtet - sein sicheres Einkommen und muß es sich sehr überlegen, ob er die ihm angebotene Zeichenlehrerstelle annehmen soll. Er starb als ein geachteter, allgemein beliebter und im ganzen Schwabenlande bekannter Künstler im Jahre r866 in Biberach.
Bestimmend für Pflugs Kunst ist seine Neigung zur Schilderung der zeitgenössischen Ereignisse sowie zur beschreibenden Darstellung des Lebens der Bürger und Bauern seiner Heimat. Um Anregungen und Motive für seine Bilder zu finden, besucht er „Tanzbelustigungen, Hochzeiten, Kirchweihen, Kegelschieben und Scheibenschießen" und ist bei allen Festen als ein gern gesehener Gast dabei, der aber nicht nur fröhlich mitmacht, sondern stets seinen Skizzenblock zur Hand hat und die Menschen, „ohne daß sie es merkten", zeichnet. „Mit wenigen Strichen warf ich sie rasch hin und suchte mehr den Charakter festzuhalten als die Ähnlichkeit." Alles was er sieht, wird ihm zum Anlaß für ein Bild; die vielen Truppen, die durchs Land ziehen, interessieren ihn ebenso wie das Leben der Vaganten und Jahrmarktsleute. Doch am liebsten malt er Bilder aus dem kleinstädtischen und dörflichen Leben der Heimat mit seinen Festen und Feiern, Sitten und Gebräuchen, privaten und öffentlichen Begebenheiten. In ihnen kommt das durch die Romantik geweckte und geförderte Interesse für das Leben des eigenen Volkes zum Ausdruck - im Gegensatz zu den von den Klassizisten bevorzugten Themen mit Motiven aus der Geschichte der Römer und Griechen. So ist Pflug der Bildchronist und Sittenschilderer seiner schwäbischen Heimat geworden.
Das gilt nun im besonderen für die hier in Reproduktionen vorgelegten Blätter „Ländliche Gebräuche in Württemberg", die wohl in den Jahren zwischen 1825 und 1830 entstanden sind. Die Blätter hat allerdings Pflug nicht selbst gezeichnet; sie gehen auf Bilder von ihm zurück. An der Art der Zeichnung ist übrigens unschwer zu erkennen, daß mehrere Hände an der Wiedergabe beteiligt sind. Die hier und da etwas linkische und steife Art der Figurendarstellung dürfte auf das Konto dieser Zeichner zu setzen sein, ebenso gewisse Härten in der Kolorierung. Die nachstehenden Beschreibungen der einzelnen Blätter stützen sich auf Pflugs eigene Angaben sowie auf zeitgenössische Berichte.