326
Mundart weniger; wer aber draußen in fernen Landen war, dem hat immer und überall, wo er auch weilen mochte, etwas gefehlt, etwas vom Innersten. Welche Freude, wenn er nur wieder deutsche Laute vernahm! Welches Wonnegefühl erst, wenn er die schwarzroten Grenzpfähle überschritt und wieder schwäbische Laute hörte! Als ich vor einigen Jahren mit einem Freund auf dem Bahnhof einer größeren deutschen Stadt stand und mich mit ihm unterredete, trat eine Frau auf uns zu, die uns fragte, ob wir nicht aus der Gegend von Nagold seien. Als wir die Frage bejahten, hatte die Frau eine außerordentliche Freude und sagte, sie habe an unserer Sprache, die sie so sehr angeheimelt habe, gemerkt, daß wir ihre Landsleute sein müssen. Wir machten andern Tags auch noch einen Besuch bei ihr Wie gerne sie etwas von ihrer Heimat hörte, und vollends in der Mundart ihrer Jugend! Wies uns die heimatlichen Fluren und Berge und Täler angetan haben für unser ganzes Leben, daß wir sie nimmer vergessen können, so auch die trauten Laute unserer Mundart. Und das gilt für jede Heimat, für jede Mundart.
Der Mundarten find viele. Unsere Krieger haben im Weltkrieg das sattsam erfahren, als sie das einemal mit einem sächsischen, das anderem«! mit einem ostpreußischen oder westfälischen Regiment zusammen vor dem Feind standen. Wir Deutsche sprechen ja freilich eine Sprache, und diese einheitliche Sprache ist durchaus notwendig, sie bildet eines der wichtigsten Bande, das sich um alle deutschen Stämme schlingt und uns zu einer Einheit zusammenschließt. Aber diese eine deutsche Sprache tritt auf in einer Vielheit von Mundarten. Wir reden von einer schwäbischen, von einer fränkischen, von einer schlesischen Mundart und wissen, daß es neben diesen noch viele andere Mundarten gibt, und wissen ferner, daß innerhalb dieser Mundarten wieder unzählige Mundarten von kleinerem Umfang bestehen, ja daß kaum zwei Nachbarorte bestehen, die durchgängig dieselbe Sprache sprechen. Vielleicht denkt aber mancher, die Mundart sei eine Entstellung, ein Zerrbild unserer deutschen Sprache, am Ende gar das Kennzeichen einer niederen Bildungsstufe; aber er vergißt, daß auch die hochdeutsche Sprache oder die schriftdeutsche Sprache ursprünglich auch nichts anderes war als eine Mundart, und daß jede lebende Sprache Bewegung und Entwicklung mit sich bringt. Die Muttersprache ist der allezeit sprudelnde Brunnquell, der aus der Tiefe der Volksseele entspringt, die Schriftsprache immer wieder belebt und verjüngt.
Was ist nun das aber für eine Mundart, die wir in unserem Bezirke sprechen? Woher stammt sie? Seit wann existiert sie? Schließt sie auch Verschiedenheiten in sich?
Unsere Mundart haben einst unsere Ahnen, die Alemannen, bei ihrer Einwanderung mitgebracht, und seitdem wird diese Sprache in unserer Heimat gesprochen. Das Vorhandensein unserer Mundart in unserer Gegend seit jener Zeit wird uns auch durch allerlei Spuren besonders von der Zeit an, aus der schriftliche Aufzeichnungen vorliegen,