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billig verkauft und das Nagolder Nonnenhaus der Stadt Nagold für Schulzwecke abgetreten.
Auf die neue Kirche warteten nun aber noch schwere Zeiten; es fragte sich, ob sie die Feuerprobe bestehen werde. Die evangelischen Stände, unter ihnen auch Herzog Ulrich, hatten zum Schutz ihres Glaubens den Schmalkaldischen Bund geschloffen. Kaiser Karl V. zog gegen den Bund ins Feld. Bei der Uneinigkeit im Lager der Verbündeten gelang es dem Kaiser mit geringer Mühe, dieselben völlig zu schlagen; Herzog Ulrich muhte aufs neue aus seinem Lande fliehen. Und nun wurden Vorkehrungen zur Wiedereinführung des alten Glaubens getroffen; zunächst wurden allerdings nur provisorische Maßnahmen in Aussicht genommen; das Interim wurde eingeführt; die endgültige Regelung sollte folgen. Allein die Geistlichen wie ihre Gemeinden blieben dem evangelischen Glauben treu trotz aller Drangsale, die sie da und dort zu erdulden hatten.
Eine Wanderung durch den Bezirk vor 3VV Zähren
Es ist ein sonniger Frühlingsmorgen. Ein Nagolder Bürger, ein ehrsamer „Ratsverwandter", der einen offenen Blick für Land und Leute hat, greift zu seinem Wanderstab und möchte, nachdem der Winter ihn lange an Haus und Werkstatt gefesselt hat, den ersten schönen Tag benützen, um seine Vettern und Geschäftsfreunde in den Nachbarorten zu besuchen. Das obere Tor ist schon offen; dem Torwächter entbietet er einen freundlichen Morgengruh. Der Zoller, der in der Nähe seines gestrengen Amtes wartet, ist eben damit beschäftigt, einem aus dem österreichischen Gebiet, aus Untertalheim gebürtigen Bauersmann, der Frucht auf seinem Wagen führt, den Zoll für die Durchfahrt abzufordern. An der oberen Mühle vorüber gehts zur steinernen Waldachbrllcke, und damit verläßt er die Vaterstadt; der freundliche Pfleger des „Eutleuthauses" an der Nagold fragt ihn: Wohin schon so früh des Wegs? Nun gehts zur Oberkirche und zum Friedhof empor. Wehmütige Erinnerungen aus seiner Jugend steigen empor aus der Tiefe seiner Seele: Dort drüben unter dem Rasenhügel ruhen seine guten Eltern. Dann noch einen Blick hinunter zu seiner Vaterstadt, zu jenem Haus an der Stadtmauer, wo Weib und Kind wohnen, zum Turm „Unsrer lieben Frauen", zum Rathaus, wo er so manchmal mitzuraten hat; soeben fliegt der Storch, der erst kürzlich aus dem Süden wiedergekommen ist, seinem Nest auf dem Rathausdache zu. Bald nimmt unfern Wanderer der Hohlweg (etwas über der heutigen Straße) im Walde auf. Er verläßt die Höhenstraße, um drunten im Tal etwas Geschäftliches zu besorgen. In wenigen Minuten grüßt zwischen den Tannen des Waldes das helleuchtende Wiesengrün aus dem Waldachtal herauf; der Weg führt ihn vorbei an den letzten Resten des schon länger verlassenen Dörfleins Poppenhausen; da erblickt er drüben am Waldeshang das von der Morgensonne beschienene Schloß Unterschwandorf. Sein Fuß wandelt jetzt eine Strecke weit auf nicht württembergischem Boden; das Gelände gehört den