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Sitten und Gebräuche.
Lin tiefer Sinn liegt in den alten Bräuchen.
Man muß sie ehre». Fr. Schiller.
59. Tarife, Hochzeit unä Begräbnis.
I. Geburt und Taufe.
Die frühere Weltabgeschiedenheit der Dörfer des Calwer Waldes, sowie die zerstreute Lage der Siedlungen trugen dazu bei, daß die Bewohner gegenseitig aufeinander angewiesen waren. Sie fühlten sich als Glieder einer großen Familie, die Freud und Leid miteinander teilten und sich gegenseitige Hilfe leisteten von der Wiege bis zum Grabe, von der Kindbettpflege bis zur Leichenwache. Dies kommt in vielen althergebrachten Bräuchen zum Ausdruck, die sich hier oben viel länger als in den anderen Landesteilen erhalten haben.
Bei abergläubischen Leuten war es Sitte, von der Geburt eines Kindes bis zur Taufe jede Nacht ein Licht brennen zu lasten, „damit die Hexen dem Kinde nichts anhaben können oder einen Wechselbalg unterschieben". Um an Licht zu sparen und das vermeintliche Unglück abzuhalten, wurde das Kind oft schon nach 2 —Z Tagen getauft. Als Taufnamen sind Doppelnamen beliebt wie Hansjörg, Iakobfrieder, Iörgadam, Hansmichel, Anna Maria (Amei), Anna Barbara, Marie Barbara (Mribäwel), Eva Katharina (Evekätter), Anna Kathrina (Annakätter), Anna Veronika (Vrole). Den Namen Wilhelm hört man sehr selten; häufig sind biblische Namen wie Adam und David. Alte Taufnamen (auch auf der Gäuseite vorkommend) waren Ambrosius, Sebastian (Bastian), Blasius, Bartlin (Bartholomäus), Veltlin (Velde), Cornill, Gall, Veit, Jonas, Mose, Iosua, Salomo, Hiob, Kaspar, Noe, Simon, Wendlin, Lorenz, Klaus, Paulus, Leonhard, Gilg, Ehrenreich, Markus (Marx), für Mädchen Apollonia, Eusebia, Walpurga, Ursula, Agathe, Lucia, Sara, Ester, Agnes, Petronells, Cäcilie. Den Namen erhielt der Täufling selten von den Eltern, sondern fast stets von den Paten oder Großeltern. Beim ersten AuS- tragen des Kindes wird diesem ein Ei geschenkt, um das Zahnen zu befördern. Die Paten legen (im Gäu und auf dem Wald) dem Kind ein Geldstück als