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von 1845 — 51 waren hauptsächlich durch die Kartoffelkrankheit und die Übervölkerung hervorgerufen worden. Im Jahr 1846 beschaffte die Regierung gegen 3522 Zentner amerikanisches Getreide für das Amt Calw; auch 1847 mußten über 2222 Zentner eingeführt werden. Doch wurde die Not gemildert durch einen übergroßen Obstsegen. In verschiedenen Orten wurden Suppenstationen eingerichtet. Besonders groß war die Not in Teinach, Oberkollbach, Liebenzell und Dennjächt. Verschiedene Ortsvorsteher klagten auf der Amtsversammlung, ihre Gemeinden seien der Verzweiflung nahe, denn bei einer Anzahl von Familien handle es sich ums Hungerstcrben. Den Gemeinden Teinach, Oberkollbach und Dennjächt wurden Notstandsdarlehen von der Amtsversammlung gewährt. In den Jahren 1849 bis 1854 herrschte große Armut, die viele Familien zur Auswanderung nach Amerika zwang. Manche Gemeinden bezahlten ihren Armen die Reisekosten (von Mannheim nach Amerika 62 Gulden).
Heutzutage schließen unsere modernen VerkehrSverhältniffe -derartige Hungersnöte, wie sie unsere Vorfahren erdulden mußten, völlig aus. Frei sitzt der Bauer auf seiner Scholle; kein wildes Getier weidet ab, was er mühsam gepflanzt hat, kein feindliches Heer zerstampft sein Fluren. Er hat allen Grund, sich nicht nach der „guten alten Zeit" zurückzusehnen, die in Wirklichkeit eine fast ununterbrochene Leidenszeit war.
34. Die Lasten äer bäuerlichen Bevölkerung.
Nur ein kleiner Teil der Güter, welche die Bauern bewirtschafteten, war ihr Eigentum. Fast alles Land gehörte einem Grundherrn. Das Kloster Hirsau war Grundherr in den „Klosterorten" Hirsau, Agenbach, Ebersbühl, Ernstmühl, Oberkollbach, Oberreichenbach, Ottenbronn und Stammheim. Zum Kloster Herrenalb gehörten Althengstett und Simmozheim. Die übrigen Ortschaften hatten die württem- bergischen Fürsten zu Grundherren. Wenden gehörte früher auch zu Calw, Ostelsheim zu Böblingen. Nur in Möttlingen besaß die Reichsstadt Weilderstadt, in Gechingen die Kirche in Baden-Baden Besitzungen. Als Entgelt für den von der Herrschaft gewährten Schutz und als Entschädigung für die vom Grundherrn überlassenen Güter mußten die Lehensleute gar mancherlei Abgaben entrichten. Die Lehen waren meistens Erblehen, d. h. sie konnten nach dem Tode des Belehnten an seine Nachkommen übergehen. Dabei mußten ebenfalls hohe Abgaben entrichtet werden. Diese Gebühr nannte man Hauptrecht oder „Fahl" (Fall). Ursprünglich war es beim Mann das beste „Haupt", d. h. das beste Stück Vieh und die beste Waffe, bei der Frau das beste Kleid. Später wurde statt besten eine Geldsumme erhoben, von 122 Pfund Heller ein Gulden (etwa 1,4 v. H. des vom Schultheißen und den Ortsrichtern geschätzten Vermögens). Wurden die Güter verkauft, so mußten Verkäufer und Käufer eine Gebühr bezahlen; erstere nannte man Weglösin, letztere Handlohn. Hatte der Grundherr nicht nur über die Güter, sondern auch über die damit Belehnten zu verfügen, so waren diese leibeigen. Gewöhnlich, aber nicht immer war der Grundherr zugleich auch Leibherr. Die Leibeigenen durften ohne Erlaubnis nicht heiraten und nicht auswandern, auch mußten sie in letzterem Fall