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worden, sind aber selbigen Samstag mt aus Liebenzell kommen. Den 19. Septem­ber aber sind sie vormittags auf Hirsau geruckt. Nachmittag um halb drei Uhr sind sie in die Stadt Calw eingezogen, da sie gleich angesangcn zu plündern und auszu­tragen. Selbige Nacht aber, am Montag um 11 Uhr haben sie das erste Haus an­gezündet, welches war des Herrn Georg Walters Haus, und sie dann selbige Woche haben zugebrackk mit Plünderei und Brennen bis auf den Freitag, daß die ganze Stadt samt den Vorstädten verstört uno in Rauch aufgegangen." Auf mehr als 120 Wagen führten die Franzosen ihren Raub aus dem Naqoldtal. Die Kirche, eine der schönsten im Herzogtum, und alle Amts- und Privathäuser innerhalb der Mauern, mit Ausnahme von vier Gebäuden, wurden in Schutt und Asche gelegt. Verschont blieben außerdem nur einzelne Hütten,die hie und da an den Bergen klebten." So lag nun die Stadt,die voll Volks war", m kurzer Zeit wüst und in Asche. Zwölf Personen kamen dabei ums Leben. Auch die verkohlten Gebeine einiger betrunkener Franzosen fand man in den Ruinen. Was mögen da manche aus der Flucht, heimatlos, obdachlos, ohne Brot, ohne Geld, ohne Kleidung, ausgestanden haben! Viele hausten in den Kellern, viele in Bretter­hütten, die man in der Eile errichtete. In einem Keller beim Obertor, unter freiem Himmel, der Ungewitter, Schnee und Regen mußten die Gottesdienste gehalten werden. Der Mesner ging mit einem Handglöckchen durch dieSteinhaufen", um zum Gottesdienste zu laden. Und zu diesem Jammer kam die Pest, die Seuche. Die zwei Armenhäuser, die vom Brande verschont geblieben, lagen voll von Kranken. Die Seuche nahm so überhand, daß in manchen Häusern, in jeder Kam­mer zwei, drei, vier Kranke lagen, und zwar ohne Bett, ohne Pflege. Auch in Kellern und Höhlen lagen sie, und der Pfarrer mußte durch alle die traurigen Löcher kriechen, um geistlichen Trost zu spenden. Schrecklich war die Hungersnot. Kleie-, Haber-, Erbsenbrot galten als Leckerbissen. Der Scheffel Kernen stieg auf 24 Gulden. In dem Habermehl war viel Schwindelhaber, so daß die Leute von dem Genüsse desselben taumelten wie die Trunkenen. Disteln und Nesseln wurden mit Fleiß gesammelt und gegessen. Ein Glück wars noch, daß in diesem Jahre die Mortellen" (Morcheln, Pilze) massenhaft wuchsen. Sie wurden gesammelt und ohne Salz und Schmalz gegessen. Da wurde mancher am ganzen Leib iihwarz (schwarzer Hunger"), daß man ihn nicht mehr kanntet die Haut hing an den Beinen, undsie waren jo dürr wie ein Scheit". Im Jahre I69Z starben 2ä2 Personen. Da es anfänglich an Särgen und Trägern fehlte, wurden die Leichname zum Grauen und Entsetzen der Zuschauer zum Gottesacker mehr geschleppt als ge­tragen. Und selbst in diesem Elend wiederholten sich die feindlichen Streifzüge bis vor die Mauern der zerstörte» Stadt. Welch ein Schrecken, als am >4. Juli 169? plötzlich wieder eine französische Truppenabteilung i» die Stadt eindrang! Aber vielleicht graute den schlimmen Gesellen selbst beim Anblick des Jammers und der Zerstörung. Nachdem jeder ein Stück Brot und einen Trank Wein empfangen, zogen sie eilendS wieder davon.

Doch auch von diesem entsetzlicken Unglück erholte sich die Stadt. Die Freunde der HandlungSgesellsckaften in fremden Ländern sandten ansehnliche Bei­träge, selbst aus Frankreich wurde beigesteuerr. I S94 wurde die Kirche aufgeschla-