a ben die Regierungen, bereitwillig Opfer in ihren Wünschen und Ansichten gebracht. Sie hoffen, daß der Reichstag in gleichem Geist an die Beratung herantrete und es ihm gelinge, zum Segen des Vater­landes das große Werk zum Abschluß zu bringen. Die Novelle zum Gerichtsverfassungsgesetz und zur Strafprozeßordnung wird dem Reichstag wieder zu­gehen. Als erster Schritt zur Organisation des Hand­werks, dessen Forderung eme der vornehmsten Auf­gaben der Regierungen bilde, sei die Errichtung von Handwerkskammern bestimmt. Die Thronrede kün­digt weiter an eine Börsenreformvorlage betreffend das Depotwesen, Vorlagen betreffend die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, über Buttererfatzmittel, Zuckersleuerreform, sowie für Abänderung der Ge­werbe-Ordnung bezüglich des Wandergewerbes. Die Thronrede hebt hervor, daß die Sonntagsruhe im Gewerbebetrieb im allgemeinen ohne Benachteiligung der berechtigten Interessen durchgesührt worden sei; allmählich werde sich auch der Schutz der Arbeiter gegen gesundheitsschädliche Ueberanstrengung ermög­lichen lassen. Trotz einer sparsamen Bemessung der Ausgaben seien die Matrikularbeiträge nicht uner­heblich höher als die Ueberweisungen; es bleibe die ernste Aufgabe des Reichs, den Einzelstaaten eine größere finanzielle Unabhängigkeit zu sichern. Die guten Beziehungen zu allen auswärtigen Mächten sind fortdauernd unverändert. Im Verein mit Ruß­land und Frankreich war Deutschland bemüht, den aus dem Krieg der beiden großen ostasiatischen Reiche drohenden weiteren Verwickelungen vorzubeugen. Unsere Bestrebungen waren dank der verständnis­vollen Mäßigung Japans erfolgreich und werden dazu beitragen, Deutschlands Gewerbefleiß und Han­del ein Feld friedlichen Schaffens zu erhalten und zu erweitern; den beklagenswerten Vorgängen im türkischen Reich und der dadurch geschaffenen Situa­tion ist unsere ernste Aufmerksamkeitzugewandt. Getreu den Bündnissen und den bewährten Grundsätzen deutscher Politik ist das Reich allezeit bereit, mit den durch ihre Interessen in erster Reihe berufenen Mächten zusammenzuwirken, und der Sache des Frie­dens zu dienen. Die Einmüiigkeir des Entschlusses aller Mächte, die bestehenden Verträge zu achten und die Regierung des Sultans bei der Herstellung ge­ordneter Zustände zu unterstützen, begründet die Hoff­nung, daß es den vereinten Anstrengungen an Erfolg nicht fehlen werde.

Berlin, 4. Dez. Reichstag. Präsident v. Buol eröffnet die Sitzung. Eingegangen ist die Vorlage betreffend die Handwerkskammern. Hierauf Präsidentenwahl. Abgegeben wurden 293 Zettel, davon 58 unbeschrieben (Reichspartei und National­liberale und ein weiterer unbeschriebener Zettel), 229 für Buol. (Beifall.) v. Buol (Zentrum): Ich er­achte es als eine ehrenvolle und hohe Pflicht, dem Rufe zu folgen. Die Wahl wird mich anspornen, alle Kräfte aufzubieten, um der Aufgabe nach allen Richtungen gerecht zu werden. (Beifall.) Zum 1. Vizepräsidenten wird Schmidt-Bingen (Freis. Volksp.) mit 169 von 290 abgegebenen Stimmen wiederge­wählt; 107 Zettel sind unbeschrieben. Schmidt nimmt die Wahl an. Zum 2. Vizepräsidenten wird Spahn (Ztr.) mit 170 von 270 abgegebenen Stimmen wie­dergewählt; 96 Zettel sind unbeschrieben. Spahn nimmt dankend an.

Berlin, 5. Dez. Die Meldung, daß der Groß­herzog von Baden beabsichtige, von der Armeeinspektion zurückzutreten, bestätigt sich. Es bestätigt sich, daß das Auftreten v. Köllers gegen die Oeffentlichkeit im Militärstrafprozeß eine Beschwerde des Kriegs­ministers an den Kaiser zur Folge hatte.

Der Kaiser alarmierte am Dienstag Morgen in Breslau die Truppen der Garnison, welche in kürzester Zeit auf dem Palaisplatz zur Stelle waren. Der Kommandeur des Leib-Kürassier-Regiments, Oberst Graf Moltke, wurde zum Flügeladjutanten ernannt. Um 1 Uhr fand Frühstückstafel beim Ober­präsidenten Fürsten von Hatzfeldt statt, an welcher auch der Fürstbischof Dr. Kopp teilnahm.

Es kriselt in Berlin. Herr v. Köller, der preußische Minister des Innern, hat am Sonntag einen Urlaub erhalten, der ihm von verschiedenen Blättern, die Herrn v. Köller nicht lieben, ins Un­bestimmte verlängert wird. Wäre die Nachricht richtig, so müßte man sie wohl in Verbindung bringen > mit der letzten Anwendung des Vereinsgesetzes gegen die Sozialdemokratie, die ziemlich allgemein als ein

unglücklicher Griff betrachtet wird. Das Wolffsche Telegraphenbureau verbreitet zwar bereits ein De­menti der Krisengerüchte, es wird ihm aber allem Anschein nach weder in Berlin noch anderswo ge­glaubt. Mit der Führung der Geschäfte des Mi­nisteriums ist einstweilen Unterstaatsiekretär Braun­behrens betraut.

Der Rücktritt des preußischen Ministers des Innern, v. Köller, ist jetzt wohl ohne Zweifel als vollzogen anzusehen, wenn auch die formelle Entlassung noch nicht stattgefunden hat. Allseitig wird jetzt als Grund seines Sturzes der tiefgehende Meinungszwiespalt angegeben, der zwischen dem Kriegs­minister Bronfart v. Schellendorff und dem früheren Minister des Innern bestanden und in dem der Kriegsminister obgesiegt hätte. Auch war es längst öffentliches Geheimnis, daß dem Reichskanzler Fürsten Hohenlohe Herr v. Köller ein wenig angenehmer Mitarbeiter gewesen. Die strafrechtliche Verfolgung des Professors Delbrück wegen Beamtenbeleidigung und die unvermittelte Zurückziehung dieses Straf­antrags sollen schließlich den Ausschlag gegeben haben. Aus keinem der zahlreichen Artikel, die in der Presse seinem Scheiden gewidmet werden, klingen aufrichtige Töne des Bedauerns heraus, wenn auch einige ganz rechtsstehende Blätter den Augenblick des Rücktritts als einen verfehlten bezeichnen zu müssen glauben.

Oesterreich-Ungarn.

Drückeberger an der Börse! Welch schmutzige Elemente an der Börse mit unterlaufen, zeigt sich gegenwärtig in Wien. Bekanntermaßen sind gerade dort bei dem letzten Krach in Spekulationspapieren außerordentlich hohe Verluste entstanden, welche manchen Spekulanten an den Rand des Abgrundes brachten. Nun weigert sich eine ganze Reihe dieser Leute mit einem Male, diejenigen Differenzen, welche aus Jobbereien an der Berliner Börse entstanden und die nach deutschem Reicksrecht nicht klagbar sind, zu begleichen, während für solche Geschäfte, die in Wien selbst gemacht sind, die Zahlung erfolgt. Die Berliner Börse will das Ihrige thun, die Gelder einzutreiben, aber welche schmutzigen Geschichten an der Börse passieren, sieht man wieder bei dieser Gelegenheit.

Italien.

Rom, 3. Dez. Einer Privatdepesche aus Genua zufolge, würde die Familie der Firma Bingen mit den Gläubigern der salliten Firma einen Vergleich schließen, indem die Familie auf de» ihr aus dem Guthaben von 3400 600 Frs. zustehenden Anteil verzichtet, welcher bei der Auszahlung 300 000 Lire betragen würde. Ferner würde zu Gunsten der Gläubiger Verzicht geleistet auf 2500 Lire Rente, welche die Sicherstellung der Mitgift der Frau Gustav Bingen bildet. Der Vergleich ist nur dann wirksam, wenn die Anschuldigung wegen betrügerischen Bankerotts sich als gegenstandslos erweist.

Türkei.

Konstantinopel, 4. Dez. DerBerl. Lokalanz." meldet von hier: Wie zuverlässig verlautet, wurde im Iildiz- Kiosk auf den Sultan ein Attentat verübt; dasselbe miß­lang jedoch. Zahlreiche Verhaftungen wurden vorgenommen.

Kleinere Mitteilungen.

Schopfloch, 30: Nov. Bei dem Graben eines Kellers am Schreiner Schübel'schen Hause stieß man auf ein ver­mutlich sehr ausgedehntes Gräberfeld römischen Ursprungs. Es wurden bis jetzt 3 Grabstellen aufgedeckt, worin sich Skelette befanden, ebenso Lanzen- und Pfeilspitzen, 2 Schwer­ter und einige Armspangen. Dem Umfange der Schädel und dem starken Knochenbaue nach müssen es herkulisch gebaute Leute gewesen sein. Dem Landeskonservatorium wurde von dem Funde Mitteilung gemacht.

Berlin, 22. Nov. (Permanente Hygiene Aus­stellung). Die in der Hygiene-Ausstellung ausgestellten Lungen-Balsam- und Husten-Brust-Bonbons, sowie Lungen- Syrup u. s. w. aus Calw sind auf der Münchener Aus­stellung durch Diplom und silberne Medaille ausge­zeichnet worden. Das Ehrendiplom sprichteine besondere Anerkennung weltnützlicher Bestrebungen auf dem Gebiete der Fabrikation heilwirkender Genußmiltel" aus und wird der Fabrikant zumEhrenmitgliede des Weltvereins" ernannt.

Aus Rotterdamm wird geschrieben: Ein geheimnis­volles Verbrechen ist hier verübt worden. Der 10jährige Knabe der Familie Hoogsteden kam letzte Woche aus der Schule nicht nach Hause; alles Forschen nach seinem Ver­bleib war vergebens, nur wollten einige Leute ihn zuletzt mit einem schlecht gekleideten Manne gesehen haben. Heute erhielten die Eltern einen anonymen Brief mit der Angabe der Stelle, wo der Knabe ermordet worden sei. Das war in der Nähe der Stadt, und in der That fand man dort die Leiche des erdrosselten Knaben vergraben. Der Brief, der offenbar von dem Mörder im nächsten Juli wieder kommen und dann die kleine Schwester des ermordeten Knaben umbringen werde. Auf die Ergreifung des Mör­ders ist ein Preis von 1000 fl. ausgesetzt.

In einem Eisenbahnkoups des Nachtschnellzugs von Nancy nach Paris wurde ein Bahn-Ingenieur namens Freulon von einem 20jährigen Arbeiter, der sich in die

erste Klasse eingeschlichen hatte, im Schlaf durch einen Schlag aus den Kopf mittelst einer Wärmeflasche schwer verletzt. Der Verletzte rief dem Mörder zu:Aber, du Elender, hältst du mich denn für einen reichen Milord, ich bin ja ein einfacher Eisenbahn-Angestellter, bei mir ist nichts zu holen!" Der Mörder sank wie vernichtet aus den Sitz nieder und bat, er möge ihn nicht ins Verderben stürzen, allein das Personal war schon durch den Lärm aufmerksam geworden und so wurde er verhaftet. Er heißt Delestrse, ist Gärtner, und schon mehrfach bestraft.

Von der Sinnesschärfe der Indianer, die sich noch immer als Erbteil der Väter aus der Lederstrumpfzeit bewahren, erzählt der gegenwärtig in derReservation der Ute-Indianer"' weilende Redakteur desTexas-Vorwärts" Folgendes:Der Häuptling Jgnacio, der mit seinem ganzen Stamm vom Westen der Reservation hier ankam, um das jährliche Mündelgeld, 13 Dollars auf den Kopf, zu holen, hatte einen Brief von einem Kaufmann mitgebracht, um ihn hier abzuliefern, und hatte ihn im Lager in seinem Zelte gelassen. Er trat zur Thür meines Hauses heraus und sprach »ach seinem Zelt in gewöhnlicher Stimme hinüber, nur ein wenig lauter, wie ein Weißer ungefähr sprechen würde, wenn er über eine sechzig Fuß breite Straße Jeman­den anreden wollte. Ich glaubte in meinem Zimmer, daß er m der Ute-Sprache Jemanden anredete, der ganz in der Nähe des Hauses war, bis ich heraustrat und sah, daß er nach dem Zelt hinübersprach und seine Leute dort aufpaßten, was er sagte. Er trat dann wieder in das Haus herein, und nach zehn Minuten brachte ein Squaw den gewünschten Brief. Die Entfernung war so erstaunlich, daß ich sie nach­her eigens abgeschritten habe, um sicher zu sein, und es waren genau 426 gute Schritte. Was müssen diese Indianer für ein Gehör haben! Ich hätte auf 50 Schritte kein Wort verstehen können." Auch von der Abhärtung der Rothäute erzählt der Redakteur einen merkwürdigen Fall:Jgnacio teilte mir mit, daß der Stamm eine Squaw gestern habe allein zurücklassen müssen, da sie im Begriffe war, einem Kinde das Leben zu schenken; sie werde aber wohl noch heute vor Abend hier eintreffen. Und richtig traf die junge Mutter vor Abend ganz allein zu Pferde im Lager ein,, mit dem jüngsten Zuwachs des Stammes, einem Mädchen, im Arme."

Landwirtschaft, Handel L Verkehr. Kursnotiz.

Kurs Baisingen.

Abg. Baisingen: 6°° B. Ank. Nagold Bahnh. 8" V..

Nagold Bahnh.: 10-» B. Baisingen 12" B. Kurs Haiterbach.

Abg. Haiterbach: 6" B. Ank. Nagold Bahnh. 8" V. Nagold Bahnh. 8»° Haiterbach 10"

Haiterbach 5»» N. Nagold Bahnh. 7" N, Nagold Bahnh. 9" Haiterbach 10" N.

L3.11-2siäSQ3t0ZS V. 6V ?f§6.

bis 18.65 p. Met. sowie schwarze, weiße und farbige Henneberg-Seide von 60 Pfg. bis Mk. 18.65 p. Met. glatt, gestreift, kariert, gemustert, Damaste rc. (ca. 240 versch. Qual, und 20v0 versch. Farben, Dessins rc.), porto- nnä stsaerlrei ins Hans. Muster umgehend. 8v1ck«»1NI»r1Ir«i» <». (k. u. k. Hofl.) LNrloN.

Heller'sÄe Zpielwerke.

Mit den 8i»1el«vrlr«ii wird di e

Musik in die ganze Welt getragen, auf daß sie überall die Freude der Glücklichen erhöhe, die Unglücklichen tröste und allen Fernweilenden durch ihre Melodien herzbewegende <Srti88v »II8 n Ut imiti sende In S«tvl8, »«- 8t»i»r»tL»»>vi» u. s. w. ersetzen sie ein Orchester und er­weisen sich als bestes Zugmittel; für obige empfehlen sich noch besonders die »i»tvii»»ti8«Irvn HVsrlr«, die beim Einwerfen eines Geldstückes spielen, wodurch die Ausgabe in kurzer Zeit gedeckt wird.

Die Repertoirs sind mit großem Verständnis zusammen­gestellt und enthalten die beliebtesten Melodien auf dem Gebiete der Opern-, Operetten- und Tanzmusik, der Lieder und Choräle, Thatsache ist ferner, daß der Fabrikant auf allen Ausstellungen mit vr8te» kreise» ausgezeichnet, Lieferant aller europäischen Höfe ist und ihm jährlich Tau­sende von Anerkennungsschreiben zugehen.

Die Heller'schen Spielwerke sind ihrer Vorzüglichkeit, wegen als p»88«n«t8t«8 zu

Geburts- und Namenstagen, außerdem für 8«vl8«i-Kvr, Lehrer und Kranke, wie überhaupt z«Ävra»»i»ir, der noch kein solches besitzt, aufs wärmste zu empfehlen.

Man wende sich ckirvirt Iker», selbst bei kleinen Aufträgen, da die Fabrik keine Niederlagen hat. Repara­turen, auch solche von fremden Werken, werden aufs beste besorgt. Auf Wunsch werden bewilligt

und illustrierte Preislisten franko zugesandt.

Berichtigung.

In Nr. 144 d. Bl. soll es von dem Artikel betr.Verjährungen" (S. 1)Forderungen aus dem Jahre 189Ä", nicht 1893, heißen. Verjährungen treten bekanntlich erst nach 3 Jahren ein. D. Red.

Hiezu das Unterhaltungsblatt Nr. 49 u. eine Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung (Emil Zaiser) Nagold.