2) Die Errichtung neuer Fachschulen zur Hebung der gewerblichen Leistungsfähigkeit ist jeweils von dem besonderen Bedürfnis einzelner Gewerbe und örtlicher Verhältnisse abhängig zu machen, sei es, um neue Industrie- und Gewerbezweige einzusüyren, zu fürder», oder im Rückgang begriffenen Gewerben aufzuhelfen. 3) Dw Errichtung solcher Fachschulen unler staallicher Förderung erfolgt im Einvernehmen mit den Orlsbehörden, den nächstbeteiiigken Interessen und den euva vorhandenen gewerblichen Vertretungen und unter deren Mitwirkung. 4) Bezüglich einzelner Gewerbe dürfte es genügen, wie z. B. im Hufbeschlaggewerbe, bei hervorragenden Meistern Lehrwerkstätten oder durch Berufung tüchtiger Lehrkräfte zeitweilige Fachkurse mit staallicher Unterstützung zu errichten. Diese Unterstützung ist insbesondere auch den dahin gehenden Bestrebungen der Gewerbevereine zu gewähren. 5) Die organische Weiterentwicklung des gewerblichen Fortbildungsschulwesens durch vermehrten praktischen Fachunterricht ist anzustreben.
Hinsichtlich des Bedürfnisses der Errichtung neuer Fachschulen im Allgemeinen wie insbesondere im diesseitigen Kammerbezirk befürwortet die Kammer eine Fachschule für Elektrotechnik, für Gerberei, für Holzbearbeitung und für Eisenbearbeitung. — Die Kammer sprach sich ferner auf Grund der hier, in Göppingen, in Kirchheim u. T., Tübingen und Ebingen angestellten Erhebungen einhellig gegen jede Beschränkung im Fernsprechverkehr an Sonntagen und Feiertagen aus. — Schließlich befaßte sich die Kammer mit einer Besprechung der neuen Steuergesetzentwürfen und es wurden namentlich hinsichtlich der Neugestaltung der Gewerbebesteuerung verschiedene Bedenken geltend gemacht, denen die Handels- und Gewerbekammern des Landes in einer gemeinschaftlichen Vorstellung höheren Orts Ausdruck zu geben beabsichtigten.
Mannheim, 11. Okt. (Landtagswahlen.) 257 sozialistische, 123 nationalliberale und 16 demokratische Wahlmänner sind gewählt. Die Sozialisten haben gesiegt. — In Sinsheim ist wahrscheinlich der Nationalliberale Neuwirt gewählt. In Eberbach-Buchen ist Aussicht für den Sieg des Nationalliberalen Schmid, da der Bezirk Eberbach ausschließlich nationalliberale Wahlmänner wählt. In Taubervischofsheim ist die Wahl des Ultramontanen Köhler gesichert. In Pforzheim ist der Nationalliderale Gesell gewählt. Bruchsal wählte 31 nationalliberale und 28 ultramontane Wahlmänner. In Schwetzingen ist die Wahl des Freisinnigen Eder gesichert. Baden-Baden. Die nationalliberale Wahlmännerliste ist durchgegangen. Freisinn und Zentrum proklamierten gestern Wahlenthaltung. Gönners Wiederwahl ist gesichert. Der Bezirk Haslach-Gengenbach wählte ausschließlich Zentrumsleute. In Freiburg fielen fast sämtliche Wahlmänner dem Zentrum zu. In Emmendingen wurde einstimmig liberal gewählt.
München. Wie in der hiesigen amerikanischen Kolonie verlamet, wird der wegen des Kissinger Vorfalls zu vierzehn Tagen Gefängnis verurteilte Kaufmann Louis Stern in New-Aork diese Strafe nicht abbüßen, ist vielmehr bereits nach Amerika abgereist. Demgemäß verfällt die von ihm hinterlegte Kaution von 80 000 zu Gunsten der bayr. Staatskasse.
München, 11. Okt. In der heutigen Sitzung der Kammer der Abgeordneten erwiderte der Kriegsminister auf die Interpellation des Abgeordneten Grillenberger, betreffend die Seuchen in den Kasernen: Er sei nicht in der Lage, zugeben zu können, daß die schlechte Verpflegung an den Epidemien schuld sei. Verschiedene Autoritäten gaben die Versicherung, daß eine schlechte Verpflegung nicht Typhus erzeugen könne. Die Epidemie in der Kaserne zu Passau habe zweifellos ihre Ursache in den lokalen Verhältnissen, nämlich in dem schlechten Untergrund der Kaserne. Eine Reihe baulicher Veränderungen wurde vollzogen, um eine Wiederkehr der Epidemie zu verhindern. Der Minister wies eingehend nach, daß epidemische Krankheiten auch in andern Garnisonen vorkamen ohne jeglichen Zusammenhang mit der Verpflegung. Ueber die Verwendung des Menagefonds werde scharfe Kontrolle geübt. Schließlich verspricht der Minister jede mögliche Verbesserung in der Verpflegung der Soldaten.
Die jüngste Landesverratsaffaire wird bereits in den nächsten Tagen das Reichsgericht in Leipzig beschäftigen, nachdem die Voruntersuchung in Köln, Magdeburg, Berlin und Essen abgeschlossen ist. Von Köln aus find außer den beiden Franzosen noch drei weitere Spione, darunter ein Buchhalter der Gruson-Werke unter starker Bewachung nach Leipzig übergeführt.
Leipzig, 9. Okt. Der hiesige Tierschutz-Verein wendet sich in einem Aufruf an Pferdebesitzer, Züchter und Händler mit der Bitte, dahin zu wirken, daß das in hohem Grad tierquälerische Koupieren der Pferde eingestellt werde. Jeder der Pferde besitze und die Tiere liebe, müsse gegen die Verstümmelung
der Pferde, die durch das Koupieren einer von der Natur verliehenen Zierde beraubt würden, Stellung nehmen, ebenso auch gegen die tierquälerische Modenarrheit, durch welche die Tiere während des Sommers die ärgsten Qualen zu erdulden hätten, weil sie eines natürlichen Abwehrmittels gegen die Fliegenplage verlustig gingen.
Leipzig, 11. Okt. Heute wurden im Auftrag der Marokkanischen Regierung der Mutter des ermordeten Rockstroh 100000 Mark als Sühnegeld ausgezahlt.
Breslau, 10. Okt. Der sozialdem. Parteitag setzte die Debatte über das Agrarprogramm fort. Schriftsteller Müller-München trat für eine nochmalige Kommissionsberatung ein. Bebel bemerkt, es sei unerhört, daß Schippet alte erprobte Genossen, welche abwesend sind und sich deshalb nicht verteidigen können, als Charlantane, Schwindler und gewissenlose Leute bezeichne. Schippe! sei bekannt, daß der Vater des süddeutschen Programms Vollmar sei. Diesem sei auf dem vorjährigen Parteitag von denselben Leuten Beifall gezollt worden, welche gestern Schippe! applaudiert hätten. Bebel bemerkt ferner, es entspreche den sozialdemokratischen Prinzipien, die Lage des kleinen Mannes auch in der heutigen Gesellschaftsordnung zu verbessern. Dadurch werde die soziale Umwälzung keineswegs aufgehalten. Die Sozialdemokraten bedürfen der Bauern, wenn sie den Kampf siegreich bestehen wollen. Kautsky-Stutt- gart führt aus, die Sozialdemokraten würden nur das Gesinde, die Taglöhner und* diejenigen Bauern gewinnen, welche nicht über 3 Hektar Land besitzen. Die Partei geht schweren Kämpfen entgegen und bedürse hiezu Männer, auf die sie sich im entscheidenden Augenblick verlassen könne. Die durch das Agrargramm gewonnenen Bauern jedoch werden im entscheidenden Augenblick gegen die Sozialdemokraten kämpfen.
Breslau, 12. Okt. Der „Nat.-Ztg." zufolge verlautet, Liebknecht sei für heute Vormittag wegen Majestätsbeleidigung, begangen in der Eröffnungsrede am Sonntag, vor den Untersuchungsrichter vorgeladen worden.
Breslau, 12. Okt. (Sozialdemokratischer Parteitag.) Ueber die Maifeier für 1896 referierte gestern Abg. Bebel: Die Maifeier habe sich mehr und mehr eingebürgert. Für den allgemeinen Welt- Feiertag sei der Zeitpunkt noch nicht gekommen. Die Feier werde bei dem wirtschaftlichen Aufschwungs erst dann zu ermöglichen sein, wenn die Arbeiter den Unternehmern die Bedingungen vorfchreiben können. Die von Bebel empfohlene Resolution wird angenommen, in welcher die deutsche Sozialdemokratie erklärt, daß sie den 1. Mai als Weltfest der Arbeiter feiert. Sodann referiert Bebel über den internationalen Arbeiter- und Gewerkschafts-Kongreß, welcher im nächsten Jahre in London stattfindet und beantragt eine Resolution, welche auf die Bedeutung des Kongresses hinweist und zur Beschickung desselben auffordert. Diese Resolution wurde einstimmig angenommen.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 10. Okt. Feldzeugmeister Herzog Wilhelm von Württemberg, der das Unglück hatte, bei einer Kahnpartie am Kommerses vor Cadenabbia das Schlüsselbein zu brechen, wurde in seine Wiener Wohnung gebracht und befindet sich bereits auf dem Wege der Besserung.
Belgien-Holland.
Brüssel, 12. Okt. Das „Berl. Tagebl." meldet: 33 Mitglieder einer internationalen Diebesbande wurden verhaftet, welche in den letzten Jahren in Belgien, Holland, Italien und Frankreich kolossale Bankeinbrüche verübt und mehrere Millionen Fr. gestohlen haben. Mehrere als Wucherer bekannte Bankiers sind unter den Verhafteten. Eine Million in Wertpapieren wurde in einem Versteck aufgefunden.
Bulgarien.
Sofia, 10. Okt. Zwischen dem Prinzen Ferdinand und seiner Gemahlin sollen ernste Meinungsverschiedenheiten wegen der Taufe des Prinzen Boris bestehen. Die Fürstin sowie die ganze Familie von Parma weigern sich, die Taufe des Prinzen griechischen Ritus vornehmen zu lasten, und stützen sich auf den vor der Heirat abgeschlossenen Ehevertrag, welcher die katholische Religion etwaiger Nachkommen verbürgt. Dieser Vertrag ist auch von Stambuloff und dem damaligen Justizminister mitunterzeichnet.
Türkei.
Konstantia pel, 10. Okt. Einige Schiffe mit Munition sind nach den Dardanellen abgegangen, wo mit der Legung von Minen begonnen wird. Außer dem zur Inspizierung und Instandsetzung der Dardanellenbefestigungen entsandten Marschall Fuad
Pascha wurde auch nach der Besikabai ein Generalstabsoffizier zur Anlage neuer Batterien beordert.
K on stantinopel, 11. Okt. Vor Trapezunt ist ein russisches Kriegsschiff zum Schutze der dortigen russischen Unterihauen augekommeu. Auf die Vorstellung des Gouverneurs, es könnte die muhameda- nische Bevölkerung aufregen und weitere Folgen nach sich ziehen, wenn das Schiff in den Hafen einlaufen würde, nahm der Komyrandant von der Einfahrt Abstand. Das Schiff manövriert längs der Küste und unterhält durch ein Handelsschiff Signalverbindungen mit der Stadt.
A sien.
Eine Palastrevolution ist in Korea ausgebrochen, der anscheinend das Leben der Königin zum Opfer fallen wirs. Reuters Bureau meldet über diese Vorgänge aus Söul, der Hauptstadt des Königreichs, folgendes: Taiwonkun, der Vater des regierenden Königs und Anführer der Antireformpartei, ist am Mittwoch an der Spitze einer bewaffneten Macht in den königl. Palast eingedrungen. Dabei wurde die Königin schwer verwundet, ihr Leben soll in Gefahr sein. Nach späteren Meldungen ist die Ruhe dort wieder hergestellt. Die japanischen Truppen bewachen den Palast. Man glaubt, daß die Königin noch am Leben sei.
Australien.
Auckland, 11. Okt. (Reutermeldung.) Nach Berichten aus Samoa vom 4. Oktober wird nach mehreren großen Zusammenkünften der Eingeborenen viel über Feindseligkeiten geredet, jedoch sind keine Ruhestörungen vorgekommen. Eine Anzahl bewaffneter Eingeborener vertrieb einen deutschen Ansiedler von einer ihm durch den höchsten Gerichtshof zugesprochenen Insel. Ein deutsches Kriegsschiff wurde entsandt, um die Uebelthäter zu bestrafen und den Eigentümer wieder einzusetzen.
Kleinere Mitteilungen.
Freudenstadt, 12. Okt. Der am 8. d. M. nachmittags in Oberislingen OA. Freudenstadt ausgebrochene Brand bei Wagner Fischer daselbst wurde, wie nun ermittelt ist, von dessen 15 Jahre altem Dienstmädchen K. Schmid von Oberiflingen vorsätzlich gelegt. Die Thäterin, welche geständig ist, wurde bereits an das Oberamtsgericht Freudenstadt eingeliefert.
Spaichingen, 12. Okt. Vergangene Nacht sind in Trossingen fünf Häuser, darunter die Wirtschaft zur Germania, abgebrannt.
Rottweil, 12. Okt. (Schwurgericht). Carl Raible, 28 Jahre alter led. Müller von Weitingen OA. Horb, ein sparsamer Mensch, welcher den Ausschweifungen seines Vaters, des Straßenwärters Michael Raible, eines Schnapsbruders, Einhalt thun wolllc, bekam mit seinem Vater Streit, in welchem der Vater mir einer Heugabel erschlagen wurde. Unter Annahme mildernder Umstände wurde der Angeklagte zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt.
Ludwigsburg, 11. Okt. Der res. Schultheiß Siegle von Kornwestheim hat gestern Abend in der Adlerwirtschaft dort in angeheiterter Stimmung einem dort anwesenden Schweinetreiber auf seine Schweine in scherzhafter Weise ein Angebot gemacht und zwar per Kopf 12 ,,/L Ohne weitere Zögerung schlug der Schweinehändler ein, so daß Siegle jetzt glücklicher Besitzer von 75 Stück Schweinen ist und wohl oder übel selbst Schweinehändler werden muß um das Borstenvieh los zu werden. Aehnliche Käufe und Gegenkäufe hat Siegle schon öfters gemacht, ob er aber jedesmal ein gutes Geschäft damit gemacht hat, wird er am besten wissen. Wie er aber diesesmal seine Rechnung finden wird, wird die Zukunft lehren, jedenfalls ist den Herren Hoteliers Gelegenheit geboten, sich bei Siegle Be- stellunngen auf sogenannte Spanferkelchen zu machen.
Ludwigsburg, 13. Okt. Dem Bauern Jakob Reuter in Markrönigen ist.in letzter Zeit ein Stück Acker, welches er diesen Herbst mit Korn einbauen wollte, dadurch verdorben worden, daß ihm der ganze Acker mit Unkrautsamen aller Art übersät worden ist, so daß er diesen Acker mit Wintersaat nicht besäen kann und dadurch für die nächste Ernte bedeutend geschädigt wurde. Dem Thäter dieses bübischen Streiches ist man noch nicht auf der Spur; es wäre sehr zu wünschen, daß ein solcher Nichtsnutz bestraft würde.
Cannstatt, 10. Okt. Bäcker Mannuß von hier, der zum Tode verurteilt, aber zu Zuchthausstrafe begnadigt wurde, befindet sich seit einigen Wochen als unheilbar in der Irrenanstalt Zwiefalten.
Weingarten, 10. Okt. Die Zigeuner, die im Oberland immer noch eine, wie es scheint, unaustilgbare Landplage bilden, haben wieder einmal in unserer Gegend einen Spuck angestellt, der sie selber freilich teuer genug zu stehen kommt. Ein dem Staat gehöriger, vom hies. Kameralamt an Schashalter Straub in Ettishofen verpachteter, mit Heu und Stroh gefüllt gewesener Stadel wurde von einem Trupp Zigeuner in der Nacht vom 9. auf 10. Okt. mittels gewaltsamer Oeffnung der Thüre zum Unterkunftsort für ihre Pferde benützt. Ohne Zweifel durch unvorsichtigen Umgang mit Licht gerieten die Stroh- und Futtervorräte in Brand, so daß der Stadel samt Inhalt trotz rasch herbeigeeilter Hilfe der Weingartener Feuerwehr bis auf den Grund niederbrannte. Für die Zigeuner hatte der Brand den Verlust von 7 zum Teil schönen Pferden zur Folge, die nicht mehr gerettet werden konnten. Nach Angabe der