:s: Nothfelden, 17. Juli. Heute nachmittag 3'/r Uhr folgte dem furchtbaren Hagelwetter vom 1. Juli das zweite nach. Was das erste noch an Früchten übrig ließ, wurde vom zweiten vollends vernichtet. Der Hagel siel in der Größe von Erbsen bis zur Größe von Tauben- und Hühnereiern und zwar 25 Minuten lang. Die Bäume stehen an manchen Stellen ganz entlaubt da, wie im Winter. Das Oehmd- gras und der Klee sind in den Boden geschlagen; der geschnittene Reps ebenso. Die Kartoffeln, die sich schon ein wenig wieder erholt hatten vom 1. Juli her, sind jetzt vollends ganz vernichtet, ebenso das Kraut, Kohlraben, Angersen und das Haberfeld. Jammernd, weinend flehten die Menschen zu Gott, daß er uns nur ein wenig noch erhalten möge. Sogar das unvernünftige Vieh im Stall fing an zu brüllen, als die Hagelkörner an die Stallthüre schlugen. Der Schaden ist ungeheuer groß, ebenso die Not. Hilfe notwendig. Wir bitten daher auch menschenfreundliche Herzen um milde Gaben! >
Stuttgart, 17. Juli. Der württembergische Gerberverein hält seine Generalversammlung am 21. d. Mts. in Backnang. Auf der Tagesordnung stehen: Vortrag 1) von Professor Dr. Schröder- Tharand über Anwendung der verschiedenen Gerbmaterialen in rationellster Weise; 2) von Dr. Päßler- Freiberg über Prinzipien der Lederfärberei. Fr. Ernst zu Marbach, welcher die Chicagoer Weltausstellung besuchte, wird über amerikanische Gerbereien berichten und endlich Stadtpfleger Schäfer- Metzingen über das in das Gerbereiwesen scharf einschneidende Wasserrecht, welches demnächst die Kammern beschäftigen wird, referieren.
Stuttgart, 20. Juli. Bezüglich des Militärdienstes der Volksschullehrer verlautet, daß denselben die Berechtigung zum Einjährigfreiwilligendienst soll vom nächsteil Jahre ab zugestanden werden und daß die Lehrerseminare die Befugnis erhalten sollen, gültigeZeugnisseüberdiewissenschaftl.Befähigung zum Einjährigfreiwilligendienst auszustellen. (S. Leitartikel.)
Knitllingen, 17. Juli. Bei der hiesigen Stadtschultheißenwahl wurde Christian Wezel, seither Mathematiker an- der Rentenanstalt in Stuttgart, gewählt.
Heilbronn, 18. Juli. Fürst Bismarck hat auf die Mitteilung von der Aufstellung seines Brustbilds im Gymnasium folgendes Schreiben an Herrn Oberstudienrat Dr. Presse! gerichtet: „Friedrichsruh, den 15. Juli 1895. Euer Wohlgeboren haben mich durch die Mitteilung von der mir erzeigten Ehre sehr erfreut und ich bin dankbar für die gute Meinung, welche Heilbronn mir bewahrt. Ich bitte Sie, den Ausdruck meines Dankes den Beteiligten, besonders Herrn Kommerzienrat Schmidt übermitteln zu wollen, v. Bismarck."
Berlin, 19. Juli. Es ist nun entschieden, daß Dr. Peters wieder im Kolonialdienst angestellt wird. Er untersteht Wißmann, doch ist gesorgt, daß Streitigkeiten vermieden werden.
Oesterreich-Ungarn.
Karlsbad, 19. Juli. Hier erhält sich das Gerücht, daß Fürst Ferdinand abdanken wolle, sowie daß alle Modifikationen gestern bereits in einer Konferenz festgesetzt worden seien. Die am Nachmittag aus dem Absteigquartier eingezogene Trauerfahne wurde abends wieder gehißt.
Bulgarien.
Sofia, 20. Juli. Die „Agence Balcanique" meldet: Bekanntlich nahm Stambuloffs Mietswagen, vom Thatorte fliehend, einen Mann auf und brachte ihn durch den Boulevard Ferdinand bis hinter das Kammergebäude. Ein Vorübergehender erkannte in dem Mann einen gewissen Georgien) und teilte dem Untersuchungsrichter seine Beobachtung mit. Georgiew wurde heute früh verhaftet. Er war früher der Sekretär Panitzas und schrieb kürzlich einen Brief, welcher Stambulow ankündigte, daß er getötet werde. Die Untersuchungsbehörde glaubt infolge dieser Verhaftung auf dem halben Wege der Entdeckung zu sein. Dieselbe ließ auch einen Makedonier namens Athanas verhaften wegen schwerer Verdachtsgründe. Die Verhaftung Tüfektschiews, welche bezweifelt wurde, erfolgte wie gemeldet, gestern vormittag. Tüfektschiew wurde scharf verhört, weil trotz des Alibibeweises geglaubt wird, daß er um das Verbrechen wußte.
Sofia, 20. Juli. Die „Agence Balcanique" meldet: Prinz Ferdinand richtete ein Telegramm an den Hofmarschall in Sofia, welches besagt, daß er angesichts der Haltung der Familie Stambuloffs gegenüber den loyalen ehrfurchtsvollen Schritten des Prinzen nicht länger gesonnen sei, seine getreuen Diener den Beleidigungen auszusetzen, und sich gezwungen sehe, den Mitgliedern des Zivil-un d Mililärst an des zede Beteiligung an der Leichenfeier Stambuloffs zu untersagen. Die „Agence" fügt hinzu, das Telegramm sei veranlaßt, weil die Familie Stambuloffs die Abgesandten des Prinzen sowie besonders die im Namen des Prinzen überbrachte Kranzspende in schroffer Weise zurückgewiesen habe.
S o fi a, 20. Juli. Die Witwe Stambuloffs erhielt ein Kondolenztelegramm von der italienischen Regierung. Wie verlautet, sind Kränze des serbischen Königs und der serbischen Regierung unterwegs. Einen vom Adjutanten Markow im Aufträge des Prinzen Ferdinand gestern nachmittag überbrachten prachtvollen Kranz lehnte die Schwester Stambuloffs im Auftrag der Witwe ab mit der Erklärung, Stambuloff habe sterbend den Prinzen für seinen Tod verantwortlich gemacht.
Kleinere Mitteitir«ge«.
Nagold, 22. Juli. Von Mitte dieser Woche ab werden wieder reiche Sternschnnppenfälle zu beobachten sein; dieses Jahr wird die Beobachtung derselben durch den Mondschein nur wenig beeinträchtigt sein. Die nächsten Sternschnuppen scheinen vom Sternbild des Schwanen auszugehen, welcher um Mitternacht beinahe im Zenith steht.
Leonberg, 18. Juli. Heute nacht hatten wir ein fürchterliches Gewitter mit orkanartigem Sturm und wolkenbruchartigem Regen. Die Feldfrüchte wurden vom Schlagregen wie niedergewalzt, aber nicht verhagelt, da es nur wenig oder vereinzelt hagelte. Die Straßen un- Wege sind bei Leonberg ziemlich beschädigt.
/ Ura ch, 18. Juli. Gegenwärtig weilt der Landeskonservator, Oberstudienrat Dr. Paulus, in unserer Stadt, um von hier aus namentlich den Hohenneuffen und Umgebung zum Zweck wissenschaftlicher Forschungen zu besuchen. Es handelt sich hauptsächlich um Ausgrabungen im Innern der Türme der in Trümmern liegenden Bergreste. Die Grundmauern dieser Türme reichen wahrscheinlich weil höher ins Mittelalter (teilweise vielleicht ins karoling- und merovingische Zeitalter) hinauf, als man bisher anzunehmey geneigt war.
Tuttlingen, 19. Juli. Gestern nacht gegen 11 Uhr gerieten Instrumentenmacher Schönthaler und Instrumentenmacher Klett wegen Wassertrinkens an einem Brunnen in Streit, wobei Klett das Messer zog und den Schönthaler so stark in die Magengegend stach, daß die Eingeweide herausdrangen, und derselbe nach einigen Stunden starb. Klett ist in Haft.
Geislingen, 17. Juli. Gestern Abend gab es bei Weiler-Neuhaus, Gemeinde Amstetten, wo seit etwa 10 Tagen ungefähr 200 Eisenbahnarbeiter beschäftigt sind, eine förmliche Schlacht zwischen württembergischen und italienischen Arbeitern. Mit Messer, Prügel, Haue und Schaufel wurde gefochten, so daß sich der dortige Anwalt veranlaßt sah, vom K. Oberamt schleunigst Hilfe zu erbitten, worauf sofort 2 Landjäger abgefchickt wurden. Auf beiden Seiten gab es Verwundete.
Plochingen, 17. Juli. Gestern abend war im hiesigen Stadtwald ein älterer Weingärter mit Stumpengraben beschäftigt. Nachdem er das zum Sprengen dienende Pulver in Brand gesteckt hatte, entfernte er sich, jedoch nicht weit genug, denn bei der Explosion traf ihn ein großes Stück Holz an den Kopf und verletzte die Hirnschale und den Backenknochen schwer. Der Verunglückte wurde bewußtlos und blutüberströmt in einer Chaise heimgesührt, und man erwartet stündlich sein Ende.
Rendsburg, 19. Juli. Heute nachmittag 4 Uhr schlug der Blitz während eines starken Gewitters in das hier formierte Lehrerbataillon ein, das unter Lieutenant Neid auf dem Exrrzierplatze seine Uebungen abhielt. Der Blitz schleuderte zwei Glieder zu je sechzehn Mann nieder. Ein Gefreiter ist tot, vier Lehrer liegen schwer verletzt darnieder.
Vor der Front verhaftet soll in Hannover dem „H. A." ein zur Uebung eingezogener Landwehrmann worden sein. Derselbe habe sich in der Kantine geäußert) er würde über die Einzelheiten des Dienstes, der seiner Ansicht nach zu schwer sei, im „Vorwärts" Mitteilungen machen. Auf Befragen ferner Vorgesetzten soll der Mann erklärt haben, er sei Sozialdemokrat. Später sei er wegen Aufreizung vor der Front verhaftet worden. _
Wor fünfundzwanzig Zayren.
Kurze Chronik des deutsch-französischen Krieges von B. Emil König.
Monat Juli 1870.
Nachdruck verboten.
4. Juli. Im auswärtigen Amte zu Berlin erscheint der französische Geschäftsträger, um der Empfindung Ausdruck zu geben, welche die Annahme der Tronkandidatur Seitens des Erbprinzen Leopold von Hohenzollern in Paris hervorgebracht hat. Der Staatssekretär antwortet, daß die Angelegenheit
für die preußische Regierung nicht existiere-
Unterredung über den Gegenstand zwischen dem Bundesbotschafter, Freiherrn von Wertster und dem Herzog von Gramont, unter Teilnahme des Minister Ollivier in Paris. Der Botschafter wird ersucht, bei seiner Anwesenheit in Ems die Eindrücke, welche in Paris herrschen, dem König vorzutragen.
5. Juli. Abreise Werther's nach Ems. Der Deputierte Cöchery bringt im gesetzgebenden Körper zu Paris eine Interpellation über die spanische Frage ein.
6. Juli. Der Herzog von Gramont beantwortet diese Interpellation in Preußen verletzender Weise.
9. Juli. Der französische Botschafter Benedetti trifft von Wildbad in Ems ein und wird vom König empfangen. Er bittet denselben, dem Erbprinzen Leopold die Annahme der spanischen Krone zu verbieten. Der König lehnt das sonderbare Ansuchen ab.
11. Juli. Benedetti dringt wiederholt in den König, dem Erbprinzen zum Verzicht auf die Thronkandidatur zu veranlassen. König Wilhelm weist die Zumutung abermals zurück.
12. Juli. Der Erbprinz von Hohenzollern ent-- sagt aus eigenem Antriebe der Kandidatur. — Der- Herzog von Gramont hat die Dreistigkeit, in einer: Unterredung mit dem an demselben Tage in Paris wieder eingetroffenen Bundesbotschafter zu verlangen, der König solle sich bei Louis Napoleon schriftlich entschuldigen und der Entsagung des Erbprinzen anschließen.
13. Juli. Graf Benedetti stellt dem Könige in Ems auf der Promenade das Ansinnen, die Verzichtleistung des Erbprinzen zu approbieren und die Versicherung zu erteilen, daß auch in Zukunft diese Kandidatur nicht wieder ausgenommen werden würde. Der König lehnt dies entschieden ab und verweigert dem Grafen Benedetti weitere Audienzen.
15. Juli. Der Minister Olliver verliest im gesetzgebenden Körper zu Paris über die diplomatischen Vorgänge ein unrichtige Thatsachen enthaltendes Expose und teilt mit, daß Frankreich sich zum Krieg entschlossen habe. — Rückreise König Wilhelms nach Berlin. Zustimmungsadressen treffen an den König aus allen Teilen Deutschlands an diesem und den folgenden Tagen ein.
16. Juli. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes billigt einstimmig alle bisherigen Schritte des Bundespräsidiums und erklärt, den von Frankreich angebotenen Krieg anzunehmen. —
— Die bayerische Armee und die badische Division werden mobil gemacht.
17. Juli. Großbrittannien bietet seine Vermittelung zur Beilegung des Konflikts an. — Mobilisierung der württembergischen Armee.
18. Juli. Eröffnung des Reichstages des Norddeutschen Bundes. Eröffnung der Feindseligkeiten von französischer Seite durch Einfall auf preußisches Gebiet bei Saarbrücken und Durchsuchung des Nebenzollamts Solsterhöhe und Gefangennahme zweier preußischer Grenzaufseher. — Thronrede.
Französische Chasseurs d'Asrique überschreiten die Grenze bei Saarbrücken und werden von preußischen Ulanen zurückgeworfen. — Die Kriegserklärung Frankreichs an Preußen wird dem Grasen Bismarck um 1' /s Uhr übergeben. Erlaß, betreffend Wiederaufleben des eisernen Kreuzes für den Krieg.
20. Iuli. Adresse des Reichstages anden König und mittags Ueberreichung derselben. Nachmittags Antwort ans die Adresse: Graf Bismarck legt dem Reichstag die auf den Conflikt bezüglichen Aktenstücke vor. In der Nachmittagssitzung genehmigt der Reichstag einstimmig den für die Mobilmachung und Kriegsführung geforderten Kredit von 120 Millionen Thalern.
Die bayerische Regierung macht dem Bundeskanzler die Mitteilung, daß Bayern als Verbündeter Preußens in den Krieg gegen Frankreich gleich sämtlichen deutschen Regierungen eingetreten sei. — König Wilhelm benachrichtigt den König von Bayern, daß er das Kommando über dessen Armee übernommen und dieselbe der unter den Kronprinzen von Preußen gestellten III. Armee überwiesen habe.
21. Juli. Der Reichstag des Norddeutschen Bundes genehmigt u. A. den Gesetzentwurf wegen Errichtung von Darlehenskassen, ferner den Gesetzentwurf betreffend die Verlängerung der Legislaturperiode des Reichstages. — Die Deutschen in St. Louis überweisen die Summe von 1 Mill. Dollars für die Invaliden und Hinterbliebenen deutscher Krieger.
5. Plenarsitzung des Reichstags: Gesetz über Erwerbung und Verlust der Staatsangehörigkeit wird angenommen. — Die Legislaturperiode des Reichstags wird spätestens ultimo 1871 verlängert.
6. Plenarsitzung des Reichstags: Ein Freiwilliger aus Frankfurt a. M. stellt dem Reichstag 200 Pfund Sterling zur Unterstützung der Hinterbliebenen deutscher Krieger zur Verfügung. — Schluß des Reichstags.
21. Juli. Erklärung des Kriegszustandes in den Bezirken des 8., 9., 10., 11., 2. und 1 Armee- Corps. General Vogel von Falkenstein, zum General- Gouverneur des Bezirks des 1., 2., 9., und 10. Armeekorps ernannt, übernimmt seine Dienstfunktionen (Hauptquartier: Hannover.) — Vorposten- gefecht bei Saarbrücken.__
Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiserstchen Buchhandlung (Emil Zaster) Nagold.