Horb, 10. Juli. Die gestrige Amtsversammlung fand unter dem Vorstsi des Oberamtmanns Wendelstein statt. Ein Hauptgegenstand war die Existenzfrage des seit l'/r Jahren zum Oberamtsbaumeister gewählten Architekten Lang. Klagen des Publikums der verschiedensten Art erschütterten schon voriges Jahr die Stellung dieses Herrn. Eine rechtzeitig angebrachte ernste Mahnung seitens der Amtsversammlung hatte keinen Erfolg, so daß die gestrige Amtsversammlung es als ihre Pflicht ansah, dem Architekten Lang seine Stellung als Oberamtsbaumeister zu kündigen.
Bevölkerungsaufnahme von Rottenburg am 13./14. Juni 1895: männliche Einwohner 3424, weibliche 3442, zusammen 6866. Im Jahr 1880 waren hier 7136, im Jahr 1885 7310 und im Jahr 1890 7027 Personen; es ist somit eine stetige Abnahme zu verzeichnen.
Stuttgart, 9. Juli. Der Landtag wird am Donnerstag geschlossen. Die Religionsreversalien, das Steuergesetz und das Wasserrechtsgesetz kommen nicht mehr zur Beratung, sondern werden bis zum Herbst vertagt.
Stuttgart, 11. Juli. Landtag. Den Vorsitz führt Präsident Payer. Wahl einer Kommission von 15 Mitgliedern für die Eingaben der Volksschullehrervereine. Gewählt werden durch Akklamation (nach vorausgegangenem Einverständnis zwischen den Fraktionen): Egger, Eggmann, Dr. von Linsenmann, Schick, v. Geß, v. Abel, Graf Adelmann, Prälat von Sandberger, Schrempf, Hartranft-Böb- lingen, Kloß, Lang, Mais er, Schmid-Besigheim, Schmidt- Maulbronn. Wahl einer Kommission von 15 Mitgliedern zur Vorberatung der Gesetzentwürfe, betr. die Einkommensteuer, die Kapitalsteuer, die Abänderung des Gesetzes vom 28 . April 1873 über die Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer, die Wandergewerbesteuer samt Denkschrift, betr. die Weiterbildung der direkten Steuern in Württemberg. Gewählt werden durch Akklamation: Gröber, Beutel, Nuß- baumer, Rembold, Haffner, Sachs, Prälat Dr. v. Lechler, Frhr. Hans v. Ow, Stockmayer, Binz, Hähnle, Hartmann, Haußmann-Balingen, Maurer, Schweickhardt. Nach Erledigung einer Anzahl von Petitionen wurde das K. V er- tagungs-Reskript verlesen. Präs. Payer hielt eine Schlußansprache, worin er die umfassenden und anstrengenden Arbeiten der zu Ende gehenden Tagung aufzählte, das opferwillige Zusammenwirken rühmte und für die ihm zu Teil gewordene allseitige Unterstützung dankte.
Karlsruhe, 10. Juli. Es steht nunmehr fest, daß der Großherzog an dem Landeskriegerfest teilnehmen wird. Er wird sowohl am 3. wie auch am 4. August dem Fest beiwohnen.
Freiburg i. V., 10. Juli. In der Zeit vom 26.—29. Sepl. findet dahier eine große landwirtsch. Ausstellung statt, welche insbesondere die Bezirke vom Bodensee bis zur Murg umfassen soll. Ausgestellt werden Pferde, Rindvieh, Schweine, Geflügel, Bienen, Fische, Produkte des Acker-, Garten- und Obstbaus, Molkereien, Trauben- und Obstwein, landwirtschaftliche Geräte und Maschinen.
Frankfurt a. M., 10. Juli. Laut einer Meldung der „Franks. Ztg." aus Sofia wird der Zar am Mittwoch die bulgarische Deputation empfangen.
Dresden, 10. Juli. Der württ. Kriegsminister Gen.-Lieut. Frhr. Schott v. Schottenstein ist mit Oberstlieutenant v. Freudenberg und Oberstlieutenant Funk in dienstlicher Angelegenheit, insbesondere zum Zwecke der Besichtigung der Garnisonseinrichtungen und Kasernements, gestern Abend hier eingetroffen. Er wurde vom sächs. Kriegsminister im Hotel Bellevue, wo die Herren abgestiegen waren, begrüßt.
Berlin, 10. Juli. Der „Vorwärts" meldet, der Verfertiger der an den Polizeioberst Krause adressierten Höllenmaschine sei ein früherer Oberfeuerwerker, späterer Polizeibeamter. Seine Tochter sei in Männerkleidern nach Fürstenwalde gefahren und habe dort das Paket zur Post gebracht. Das Mädchen wurde verhaftet, leugnet jedoch. Von seinem Vater fehlt jede Spur.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 9. Juli. Die „Pol. Korr." meldet aus Konstantinopel: Die Botschafter Englands, Frankreichs und Rußlands erneuerten in dringender Form das Ersuchen an die Pforte um Aufklärung über die nicht genügend deutlichen Stellen in der letzten türk. Antwortnote betr. die Reformen in Armenien.
Frankreich.
Paris, 10. Juli. Der Budgetausschuß hat sich mit dem Kredit von 250000 Frs. für d e Errichtung des mehrerwähnten Nationaldenkmals zur Erinnerung an die Schlachten von 1870/71 einverstanden erklärt. Für den geeignetsten Platz hält man jetzt nicht mehr den Tuileriengarten und auch nicht eine Stelle im Walde von Vincennes, sondern die hinter dem Jnvalidenhotel liegende Place Vauban.
England.
London, 9. Juli. Der internationale Eisen
bahnkongreß wurde heute geschlossen, der nächste Kongreß findet im Jahre 1900 in Paris statt.
Türkei.
Konstantinopel, 10. Juli. Der „Times" wird von hier gemeldet, die Lage in Bulgarien werde immer ernstlicher und bedenklicher. Die Armee fühle für die makedonische Bewegung lebhafte Sympathien. Mehrere Offiziere makedonischer Abstammung sind desertiert, um zu den Aufständischen übsrzugehen. Die Pforte hat 50000 Mann an der Grenze aufgestellt. Diese Truppen werden jedoch als ungenügend bezeichnet, falls die makedonische Bewegung weiter um sich greifen sollte.
Asien.
Teheran, 10. Juli. Der Schah von Persien tritt seine Reise nach Europa im April 1896 an, um der Krönung des Zaren in Moskau beizuwohnen. Der Kronprinz von Persien begleitet ihn.
Amerika.
In Cuba haben einem nach Madrid gelangten Telegramm zufolge 3 Generäle einen großen Haufen Aufständischer geschlagen. Viele von diesen seien verwundet worden, darunter auch ein Anführer, Daß die Lage auf Cuba nach wie vor für die Spanier kritisch ist, erhellt u. a. aus dem mit großer Bestimmtheit in Madrid auftretenden Gerichte, daß der Marschall Martine; Campos um seine Entlassung nachgesucht habe und bald zurückkehren werde, da er sich außer Stand sehe, das Umsichgreifen der Revolution zu verhindern.
Lima (Peru), 11. Juli. Bolivia sandte an Peru ein Ultimatum, worin innerhalb 24 Stunden eine Antwort verlangt wird, ob Peru für die während des letzten Bürgerkrieges gegenüber Bolivia begangene Rechtsverletzung Genugthuung gewähren werde.
Lima, 11. Juli. Peru verweigerte d'- von Bolivia verlangte Genugthuung.
Kleinere Mittellnnge«.
Horb, 10. Juli. Kommt da eines schönen Tages von Amerika herüber ein Mann, der seinem Auftreten nach „schwere Gelder" besitzt, hieher und besucht auch das nahegelegene Jakobsbad. Die reizende Lage, die Wirtschaft nebst Kegelbahn, die Badeeinrichtung gefällt ihm, die Wohn- räume finden Gnade vor den Augen seiner Frau Gemahlin. Er fragt den Besitzer nach dem Preis des ganzen Anwesens, der Wirt nennt eine annehmbare Summe, und ohne Besinnen schlägt der „Amerikaner" ein. Der Kauf wird alsbald anerkannt. Merkwürdigerweise zahlt der vermeintliche Krösus fast nur mit Wechseln. Die kann er sich leisten, da er einen seit 1870 verschollenen Onkel hat, besten großes Vermögen ihm in 5 Jahren ausbezahlt wird. Am letzten Sonntag wurde nun die feierliche Eröffnung gehalten unter großem Zudrang des Publikums. Von 10 Uhr an gab es Freibier und Cigarren, und der Konsum war ein bedeutender. Doch wie rasch sollte die Freude endigen! Denn schon Montag nachmittags arbeitete der Gerichtsvollzieher in den öde gewordenen Hallen. Der Amerikaner sitzt wegen Wechselfälschung, und der frühere Besitzer, der Bierbrauer, Bäcker und sonstige Lieferanten sind das Opfer eines ganz gewöhnlichen Schwindels geworden.
Freuden st ad t, 8. Juli. G. Weber in Pfalzgrafenweiler mißhandelte seine Frau durch Fußtritte auf den Leib, was eine Frühgeburt zur Folge hatte. Der Arzt konstatierte, daß nicht nur die Frühgeburt durch jene Mißhandlung eingetreten, sondern auch, daß das Kind dabei getötet worden fei. Der Unhold, welcher seine Frau in solchen Umständen schon öfters derart mißhandelt haben soll, wurde heute in Haft genommen und an das K. Amtsgericht Freudenstadt eingeliefert.
Reutlingen, 9. Juli. Gestern abend 9 Uhr hat der Fabrikarbeiter G. K. von Ohmenhausen OA. Reutlingen infolge eines Wortstreites seine Schwiegermutter, die Witwe D. daselbst, gepackt, rücklings auf den Tisch in der Stube gedrückt und ihr in dieser Lage 2 gefährliche Messerstiche in den Hals und einen in die Hand, mit der sie sich wehrte, beigebracht. Die eine der Verletzungen am Hals ist eine große, klaffende Wunde und es sei nach der Aussage des Arztes ein wahres Wunder, daß die Frau noch lebe. Nur ihr dicker Hals sei ihr Glück gewesen, weil in diesem Falle das Messer nicht so tief eingedrungen sei, um die Hauptschlagader zu verletzen. Sie wird deshalb mit dem Leben davon kommen.
Untertürkheim, 10. Juli. Gestern nachmittag badete das 4jährige Töchterchen des Malermeisters Brehm im hiesigen Kinderbad und wurde vom Wasser eine ziemliches Strecke fortgerissen. Die 15jährige Tochter des Hirschwirts Bubeck sah den Vorfall, sprang angekleidet in das reißende Wasser und rettete das Kind im letzten Augenblick vor dem sicheren Tode des Ertrinkens.
Mühlacker, 8. Juli. Gestern Abend verunglückte auf dem Bahnhof der Station Enzberg, eine halbe Stunde von hier, der Fabrikant Ratz aus Pforzheim. Der Mann stürzte beim Ernsteigen in den Zug, den er in Erle zu erreichen suchte und geriet unter die Räder, so daß er nach mehreren Stunden qualvollen Leidens seinen Geist aufgab. Der Verunglückte war anfangs der dreißiger Jahre und noch ledig. Der Fall mahnt wiederum zur Vorsicht, die gerade bei derartigen Anlässen in geradezu unbegreiflicher Weise so oft außer Acht gelaffen wird.
Heilbronn, 9.Juli. Nachdem verschiedene Mutungen auf Salz (Offenau, Heuchlingen u. s. w.) ergebnislos waren.
glückte es den staatlichen „Mutern" bei Heilbronn in der Nähe der Zuckerfabrik, wo seit mehreren Wochen gebohrt wird, in 3 Bohrlöchern auf Salz zu stoßen. Am Samstag wurde in dem dritten Bohrloch in einer Tiefe von 176 Meter eine Stange von 81 Ctm. schönes Salz gehoben. Das Salzlager unserer Gegend erstreckt sich demnach nicht nur gegen Frankenvach, Biberach and Großgartach, sondern auch auf der rechten Seite des Neckars gegen Süden von Heilbronn.
Lauffen a. N., 9. Juli. Am 3. Juli wurde hier am Neckarufer im Weidegebüsch eine vom letzten Hochwasser angeschwemmte, stark in Verwesung übergegangene Leiche eines Mädchens gefunden. Aus den noch Vorgefundenen Kleiderresten wurde festgestellt, daß das Mädchen die in Laufen a. E. ertrunkene, 13 Jahre alte Rosa Stotz ist.
Ulm, 9. Juli. Das Ergebnis der Zählung vom 14. Juni ist für die Stadt Ulm folgendes: 39036 Einwohner in 7555 Haushaltungen, darunter 32293 Zivil- und 6743 Militärpersonen. Die Zunahme seit 1390 betrügt 2845 Personen oder 7,86 Prozent.
München, 9. Juli. Eine ganz seltsame Geschichte hat sich in einer der letzten Nächte im Hotel „Rheinischer Hof" abgespielt. Ein Stabsarzt aus Berlin erwachte nämlich in dem Momente, als eine nur in eine Unterhose gekleidete Gestalt sein Zimmer verließ, und zwar mit der auf dem Nachttische liegenden Geldbörse mit einem Inhalt von 1000 und 5 Rundreise-Billeten. Der Bestohlene nahm sofort die Verfolgung des Diebes auf, kam aber auf dem Korridor zu Fall, so daß der freche Dieb entwischen konnte. Eine alsbald von der Gendarmerie vorgenommene Haussuchung führte zu keinem Resultate.
Berlin, 10. Juli. Auf der Bühne wahnsinnig geworden ist der jugendliche Held des hiesigen Nationaltheaters, Karl Wesselski, während der Ausführung eines Sensationsdramas. Er war in dem Stück hervorragend beschäftigt, und gab einen Unglücklichen, der im Jrrenhause gewaltsam festgehalten wurde.
Catania, 10. Juli. Der Aetna ist in besorgniserregender Thätigkeit. Ein zweiter Krater funktioniert lebhaft. Die Bevölkerung der Dörfer am Aetna beginnt zu flüchten, da das Observatorium mehrere Erdstöße konstatiert hat und starke Eruptionen für wahrscheinlich hält.
Belgrad, 11. Juli. Auf dem Bahnpostamt ist eine Geldsendung von 20000 Franken in Gold, adressiert an die
rische Postbeamte versichert, den Geldbriff dem serbischen Postbeamten eingehändigt zu haben, was letzterer leugnet.
Montreal (Kanada) 9. Juli. Ein furchtbares Eisen- bahn uuglück ereignete sich heute in aller Frühe auf der Grand Trunk Eisenbahn auf der Station Craigshead, 18 engl. Meilen von Lewis, in der kanad. Provinz Quebek. 25 Fahrgäste blieben auf der Stelle tot und 30 wurden verletzt. Von den Verwundeten werden die meisten auch nicht mit dem Leben davonkommen. 2 große Züge mit Pilgern, welche den Schrein der hl. Anna de Beaupre besuchen wollten, fuhren gegen einander. See kamen von Richmond, Windsor, Mills und Sherbrooke in Ost-Quebek. Der eine Zug fuhr in den Hinteren Teil des anderen hinein.
sämtlich getötet. Die ausgefundenen Leihen waren furchtbar verstümmelt. Die 3 Priester, welche die Leitung der Pilgerfahrt übernommen hatten, und eine Anzahl Frauen und Kinder gehören zu den Toten.
Eine Verwechslung. Zwei verheiratete Frauen waren im vergangenen Jahre in die psychiatrische Abteilung des Kischinewschen Landschaftshospitals gebracht, die eine aus dem Kreise Belzy, die andere aus dem Kreise Chotin gebürtig. Im Bureau der Hospitalverwaltung verwechselte man nun die Legitimationspapiers der beiden Kranken, und als die eine von ihnen starb, schickte man den Toten- und den Beerdigungsschein dem Gemahl der noch lebenden Patientin. Der vermeintliche Witwer heiratete nach kurzer Zeit unv groß war das Erstaunen der Neuvermählten, als die inzwischen gesundete Frau in das Haus ihres Gatten zurückkehrte. Der Mann und alle Bekannten hielten die Unglückliche für einen Schatten aus dem Reiche der Toten, und dre Einmischung der Polizei war erforderlich, um die irdische Existenzberechtigung der Erscheinung festzustellen.
Lvists,to1'inAr888». Die „Neue Züricher Zeitung" schreibt: Kam da eines Tages ein Bäuerlem aus der Nachbarschaft in die Stadt Zürich und hörte auch von der Steinfabrik. Beim Eintritt in die Fabrikräume fand es eine Tafel, auf welcher die Worte zu lesen waren: D vietato l'inArssso (Eintritt verboten.) Der biedere Bauer, welcher der Fabrik Kies und Sand zum Kauf anbieten wollte, merkte sich die Aufschrift, die er für die Firma hielt, und schrieb einen Brief: An die Herren E. Vietato und L. Jngresso, Baugeschäft und Kunststeinfabrik. Das Schreiben gelangte richtig an seine Adresse und erregte selbstverständlich nicht geringe Heiterkeit. Besonders die Herren Vietato und Jngresso sollen tüchtig gelacht haben.
Landwirtschaft, Handel L Berkehr.
B ern e ck, 9. Juli. Dem heute hier abgehaltenen Viehmarkt war vieles Vieh zugeführt, da aber israelitische Händler fehlten, nahm der Handel keinen besonders großen Umfang an. Metzger der Umgegend kauften ihren Bedarf in Fettvieh ein und legten hohe Preise an, überhaupt vollzog sich der Umsatz wohl infolge des großen Futterreichtums, zu hohen Preisen. Der Ankauf von Jungvieh seitens der Bauern war ziemlich belangreich, auch/Nutzvieh war begehrt, dagegen war nach Zugvieh wenig Nachfrage.
Stuttgart, 11.Juli. KartoffelmarktamLeonhards- platz. Zufuhr 400 Ztr., Preis per Ztr. 5 — -4-
Hiezu das Unterhaltungsblatt Nro. 28.
Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'fchen Buchhandlung (Emil Zaiser) Nagold.