Bremerhaven, 24. Juni. Heute vormittag! trafen die LloyövuinpserKaiser Wilhelm II." und Trave" mit etwa 250 Reichs- und Landtagsab­geordneten und 50 Mitgliedern der deutschen und ausländischen Presse an Bord hier ein. Dieselben hatten auf Einladung des Norddeutschen Lloyd die Fahrt von Kiel nach Bremen um das Kap Skagen herumgemacht. Die Gäste fuhren von Bremerhaven nach Bremen, wo sie Gäste des Senats sind.

Nachklänge zu den Kieler Festtagen. Der Kaiser hat dem Oberbürgermeister von Kiel, Fuß, gegenüber seine lebhafte Zufriedenheit und Aner­kennung über die Seitens der Stadt veranstaltete Ausschmückung, über die Höhenbeleuchtung am jen­seitigen Ufer und das Feuerwerk ausgesprochen. Die Mannschaften des französischen Geschwaders sind nur zum Proviantholen an Land gekommen, dagegen haben die Offiziere wiederholt die Stadt besucht und besichtigt. Trotz der Anwesenheit von etwa 20000 fremden Matrosen und Zehntausenden von Fest­teilnehmern scheinen manche Unternehmer keine glän­zenden Geschäfte gemacht zu haben. Namentlich haben die meisten Tribünenerbauer verhältnismäßig geringe Einnahmen erzielt. Die Föhrde bietet eben zu viele günstige Aussichtspunkte, und mancher Tri­bünenerbauer war in seinen Forderungen zu unbe­scheiden. Die Einkäufe seitens der fremden Kriegs­schiffe entsprachen nicht den Erwartungen. Die meisten Schiffe haben sich von Haus aus mit reich­lichem Proviant versehen.

Die Blätter weisen darauf hin, daß das Zu­standekommen des Nordostseekanals zu einem guten Teil dem Fürsten Bismarck zu verdanken ist. Schon am 14. Juni 1871 hielt Bismarck im Reichs­tag eine Rede zu Gunsten des Nord-Ostsee-Kanals. Moltke war damals noch gegen den Kanalbau. 1881 empfahl Fürst Bismarck dem Minister v. Maybach die Denkschrift des Admirals z. D. v. Henk betreffs des Kanals und sprach dabei den Grundsatz aus, daß die Ausführung des Unternehmens keinesfalls einer Aktiengesellschaft unter Beteiligung des Staates mit einem Kapitalzuschuß oder Zinsgarantie zu über­lassen sei, sondern daß die Kanalanlage entweder für alleinige Rechnung des Staates herzustellen oder zu unterlassen sei. Als 1883 die Idee eines Dort- mund-Ems-Kanals sich der Verwirklichung näherte, schrieb Fürst Bismarck dem Finanzminister Scholz: Er würde bedauern, wenn der Bau des Nord-Ostsee- Kanals nicht gleichfalls in den Bereich des Gesetzes gezogen, vielmehr bei dieser Gelegenheit fallen ge­lassen würde. Der Nord-Ostsee-Kanal sei das älteste und für den deutschen Seeverkehr wichtigste Kanal­projekt, dessen gesetzliche Anerkennung nicht unter­bleiben sollte, wenn die künftige Richtung der preu­ßischen Kanalanlagen vorgezeichnet werde. Im Herbst 1885 setzte Fürst Bismarck im preuß. Staats­ministerium den Präzipual-Beitrag Preußens mit 50 Millionen Mark durch. Im Dezember 1885 gelangte dann die Vorlage an den Reichstag.

Kiel, 25. Juni. Die Kaiser Wilhelm-Kanal- Passage wurde gestern freigegeben, zahlreiche Schiffe namentlich kleinere Segler, benutzten sofort den Kanal.

Ueber die Arbeiterfürsorge am Nordost­seekanal und über die Wirkung der Arbeiterver­sicherung bei Bauten von diesem Umfange bringt derTiefb." in seiner neuesten, als Festnummer gestalteten Ausgabe auf Grund amtlichen Materials einige bemerkenswerte Angaben. Danach wurden allein bei den Erdarbeiten, Schleusen- und Hafen­bauten, die einen Wert von über 100 Mill. Mark darstellen, rund 50 Mill. Mark Löhne gezahlt, und zwar für durchschnittlich etwa 78000 Arbeiter, die dabei im Ganzen 14764 321 Tagewerke leisteten. Für die Versicherung der Arbeiter wurden 1502 064 ^ von den Unternehmern allein für Unfallversicherung gezahlt, während außerdem 1409406 ^ für Kranken- 4551637 für Jnvaliditätsversicherung anteilig gemeinsam aufgebracht wurden. Dem gegenüber hatte die Tiefbaugenossenschaft, deren Mitglieder die erwähnten Hauptarbeiten ausführten, trotz der großen Arbeiterzahl, im Ganzen nur 629 entschädi­gungspflichtige Unfälle und 90 Tote zu verzeichnen, für deren Entschädigung einschließlich des Deckungs­kapitals 1356 035 ^ gezahlt oder zurückgelegt wur­den. Die verhältnismäßig geringe Zahl der Todes­fälle, die zum Teil nicht ohne eigenes Verschulden herbeigeführt wurden und nur 1 Todesfall auf 164000 Arbeitsschichten ergeben, läßt auf die sorg­fältige Einrichtung der Betriebe schließen, die auch

von der kaiserlichen Kanalkommission ausdrücklich anerkannt worden ist. Die betr. Arbeiter waren zum Teil bei sehr schwierigen Fundierungen und Rüstungen, bei Brücken, Baggerarbeiten und Wasser­haltung beschäftigt, wobei es sich u. a. um 80 Mill. Kbm. Erdbewegung und ^/s Mill. Kbm. Mauerwerk handelte. Die Hilfsmittel, zu denen allein 83 Bagger, 146 Lokomotiven, 387 Kilom. Geleise und 71 Dampfer gehörten, hatten einen Wert von etwa 23 Mill. Mark. Uebrigens stellten die von den Tiefbauten des Kanals bei der Berufsgenossenschaft nachgewiesenen Löhne noch nicht 10 v. H. der überhaupt nachgewiesenen Jahreslöhne dar.

Berlin, 25. Juni. Im preußischen Abgeord­netenhaus kam heute die Interpellation Sattler und Genossen betreffend die Vorgänge im Alexianerkloster zu Mariaberg zur Verhandlung. Dr. Sattler be­gründet die Interpellation, indem er auf die im Prozeß festgestellten Mißstände zu sprechen kommt, welche Deutschland zur Unehre gereichen. Die Rollen seien hier verwechselt worden, nicht Mellage, sondern die Brüder gehörten auf die Anklagebank. Kultus­minister v. Bosse beantwortete die Interpellation, deren Eingang vollständig berechtigt erscheint. Er habe während seines Urlaubs den Prozeß, welcher so traurige Dinge an die Oeffentlichkeit gebracht, mit Interesse verfolgt und von Karlsbad aus die zu ergreifenden Direktiven sofort nach Berlin er­gehen lassen.

Auch ein Gedenktag! Berliner Blätter erinnern daran, daß am 20. o. M. gerade ein Jahr verflossen war seit dem Tage, an welchem der Zeremonienmeister v. Kotze auf der Straße verhaftet und an das Militärgefängnis eingeliefert wurde. Ein ganzes Jahr! und noch ist der Fall Kotze nicht beendet, noch ist weder der Urheber der anonymen Briese gefunden, noch hat der Kampf, der sich in der Berliner Hofgesellschaft unter dem Feldgeschrei hie Kotze, hie Schräder" erhob, ausgetobt.

Frankreich.

Paris, 22. Juni. Hier tritt neuerdings die beharrliche Meldung auf, daß Präsident Faure der Krönung des Zaren in Moskau beiwohnen werde. Graf Sokoczin habe die Einladung des Zaren über­bracht, der franz. Botschafter Graf Montebello weile bereits in Moskau, um die Vorbereitungen für den dortigen Aufenthalt des Präsidenten zu treffen.

Als in Paris die Nachricht von dem Unglück in Württemberg bekannt wurde, traten sofort hilfsbereite Männer, an ihrer Spitze der Vizepräsident des deutschen Hilfs­vereins, Kaufmann Grub, ein Württemberger, zusammen und veranstalteten eine Sammlung zu Gunsten der Bedräng­ten. Württemberger und andere Deutsche beteiligten sich daran und am 14. ds. M. ging als erste Rate die nam­hafte Summe von 1280 Frs. nach Württemberg ab.

Paris, 25. Juni. Ein militärisches Wochen­blatt fragt, ob es wahr sei, daß der franz. General­stab auf Verlangen des deutschen Generalstabes dem­selben wichtige Abschnitte über den Feldzug Napoleons I. in Rußland zur Verfügung gestellt hätte, welche den Deutschen die Mittel an die Hand gäben, gegen Rußland, den Verbündeten Frankreichs, einen Feld­zug vorzubereiten.

Italien.

Rom, 23. Juni. Die Schriftstücke Cavalotti's wurden gestern abend in einer Extra-Ausgabe desSecolo" ver­öffentlicht. Neue Dokumente von Belang sind nicht darunter. Ein unwiderlegbarer Beweis für die Schuld Crispi's in der Affaire Herz wird darin nicht erbracht.

Rom, 24. Juni. Bei der heutigen Audienz der Minister umarmte der König Crispi. Bei dem Empfange der Deputationen des Parlaments erwähnte der König die Kieler Festlichkeiten und den guten Eindruck, welchen das italienische Ge­schwader dabei gemacht.

Rom, 24. Juni. Die offiziöse Presse erklärt die Affaire Herz-Crispi und weist Cavallotti Un­richtigkeiten unter Vorlegung neuer Briefe nach.

Rußland.

Die russische Presse hat sich während der Festlichkeiten in Kiel teils sehr zurückhaltend, teils hat sie sich in Aeußerungen ergangen, die auch nicht den Schein von Wohlwollen gegenüber Deutschland erkennen lassen. Immerhin giebt es einige russische Blätter, die wenigstens den Friedensworten des deut­schen Kaisers Anerkennung zollen, wie z. B. das offiziöseJournal de St. Petersbourg," welches schreibt: Die Rede des deutschen Kaisers zeichnet sich aus durch die erhabensten Gedanken und durch die Bekräftigung von Gefühlen und Absichten un­bedingt friedlicher Art. DiePetersburgskija Wje- domisti" meint, die Worte des deutschen Kaisers: Wir wünschen den Frieden und wir werden ihn aufrecht erhalten" seien eine goldene Antwort auf

die Frage, die bei Gelegenheit der Kieler Festlich­keiten von allen Nationen mündlich gestellt wurde. England.

Windsor, 24. Juni. Lord Rosebery reichte seine Entlassung ein. Es verlautet, die Königin habe Salisbury berufen. ^

London, 24. Juni. Lord Salisbury ist nach Windsor zur Königin abgereist, um die Amtssiegel zu empfangen. Vor der Abreise hatte er eine lange Unterredung mit Balfour, Chamberlain und dem Herzog von Devonshire. Es wird angenommen, die Auflösung des Parlaments werde in 14 Tagen er­folgen. Die Wahlbezirke bereiten sich bereits darauf vor. Es heißt auch, Gladstone wolle wieder ins öffentliche Leben treten, um eine neue Bewegung für Home Äule ins Leben zu rufen.

Kingstons a. T., 24. Juni. Die Vermählung des Herzogs von Aosta mit der Prinzessin Helene von Orleans wurde heute vormittag mit vollem französischem Königszeremoniell in der St. Raphaels­kirche hier feierlichst vollzogen. Mitglieder jeder Linie der englischen Königsfamilie sowie Prinzen und Prinzessinnen der meisten europäischen Höfe wohnten der Feier bei.

Kleinere Mitteilungen.

Herrenberg, 21.Juni. Heute wurden beim Leeren von Latrinefässern in der der Stadt Stuttgart gehörenden Fäkal­grube bei Nebringen die Leichen zweier neugeborener Kinder gefunden. Entsprechende Nachforschungen sind eingeleitet.

Freudenstadt, 24. Juni. Gestern früh ist in einer zur Gemeinde Baiersbronn gehörigen Parzelle ein Wohn- und Oekonomiegebäude bis auf den Grund abgebrannt. Der Gebäude- und Mobiliarschaden ist bedeutend.

Rottweil, 22. Juni. In dem zu Rottweil gehörigen Weiler Hochwald brach Feuer aus, das mit so rasender Geschwindigkeit um sich griff, daß in kürzester Zeit zwei stattliche Bauernhöfe in Asche lagen.

Tübingen, 25. Juni. Ein neuer Maßstabzirkel zum Abstechen der Entfernungen auf Landkarten re., von Mechani­ker Himmel hier hergestellt, wurde auch Sr. Mas. Kaiser Wilhelm II. vorgelegt, woraus obgenannter Firma dieser Tage nachstehendes Schreiben zuging: Nachdem Se. Maj.. der Kaiser und König den von Euer Wohlgeboren unterm. 18. Aug. v. I. eingesandten Maßstabzirkel erprobt und für gut befunden haben, bin ich von Allerhöchst demselben be­auftragt worden. Euer Wohlgeboren AllerhöchstJhren Dank für die Zusendung auszusprechen. In Erledigung des mir erteilten Allerhöchsten Befehles benachrichtige ich Euer Wohlgeboren hiervon ergebenst, (gez.) v. Hahnke, General der Infanterie, General.-Adj. u. Chef des Militärkabinetts.

Stuttgart, 24. Juli. Bei dem gestrigen Jahresaus­flug des württemb. Obstbauvereins nach Heilbrvnn und Weinsberg, an welchem sich über 150 Mitglieder beteilig­ten, hat auf dem Jägerhaus in Heilbronn ein tragisches Geschick die Feststimmung dadurch gestört, daß die jugend­liche Tochter des Baumschuldirektors N. Gaucher in Stutt­gart von einem Herzschlag getroffen wurde und nach einer Stunde verschied.

Besigheim, 25. Juni. Großes Glück ist der Wein­gärtnerfamilie David Adler und der Arbeiterfamilie Weinle hier widerfahren. Die Witwe Adler und der ge­rade bei ihr arbeitende Taglöhner Weinle kauften mitein­ander ein halbes badisches 100 Thaler-Los, und heute er­hielten sie die Nachricht, daß Sie damit zusammen 150,000 gewonnen haben, also jedes 75,000 Den Jubel, der bis jetzt vom Glück Minderbegünstigten kann man sich vorstellen.

Jngelfingen. Die Bespritzung der Weinberge wird wieder eifrig ausgenommen. Hieher und in die Filiale kommen Heuer zusammen 10 weitere Spritzen.

Tuttlingen, 22. Juni. Infolge des allgemeinen und bedeutenden Lederaufschlags hat der Verein der Tuttlinger Schuhfabrikanten, bei welchem 21 Firmen vertreten sind, in seiner gestrigen Versammlung beschlossen, die Preise für die Schuhwaren vorerst um 10"/ zu erhöhen und von diesem Beschluß die auswärtige Kundschaft durch Zirkulare in Kenntnis zu setzen.

Ulm, 24. Juni. In dem Befinden des schwer erkrank­ten Vorsitzenden der hiesigen Handelskammer, Kommerzien­rat Magirus, ist noch immer keine Besserung eingetreten. Sein Zustand wird auch von den Aerzten als hoffnungslos bezeichnet.

Pforzheim, 20. Juni. Die gestern in Niesern aufge­fundene Leiche konnte als die des 22 Jahre alten Karl Römbold, Bahnwartssohn von Calw, dessen Kleider vor kurzem auf der hiesigen Werderbrücke aufgefunden wurden, sestgestellt werden. Derselbe wurde gestern Abend in Niefern beerdigt.

Karlsruhe, 19. Juni. Da eine größere Anzahl von Aufnahmegesuchen lungenkranker Arbeiter vorliegen, als Plätze in den Heilanstalten frei sind, die ärztliche Begut­achtung aber oft mangelhaft ist, so plant die Versicherungs­anstalt lautKarlsr. Zeitung" die Errichtung einer großen Lungenheilanstalt.

München, 25. Juni. DieN. N." melden aus Paris, Eugen Car re, ein vielfach genannter Advokat in Paris hat sich gestern abend 6s/z Uhr erschossen. Seine Frau ergriff alsbald den Revolver und erschoß sich ebenfalls. Diese Frau ist die geschiedene Frau des vielfach genannten Zeitungsunternehmers Pollitzer. Man vermutet Eifersucht als Grund. Einige Stunden vorher hatten beide Gatten eine größere Gesellschaft in ungezwungener Heiterkeit em­pfangen.

Berlin, 21. Juni. Die Frau des Lackierers Kuhn ist infolge Mißhandlungen seitens ihres Mannes gestern aus