WM
Amts- und Intelligenz-Blaü fiir den Oberamts-Bezirk Nagold.
146.
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Donnerstag 13. Dezember
Jnsertionsgebühr für die Ispaltige Heile aus gewöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 Pfg., bei mehrmaliger je 6 Pfg.
1894.
Amtliches.
Die Ortsvorsteher
werden zufolge Erlasses der K. Centralstelle sür die Landwirtschaft zum Zweck der Fertigung und Veröffentlichung einer Uebersicht über die in den Jahren 1893 und 1891 zustande gekommenen oder in Vorbereitung bezw. in Angriff genommenen bedeutenderen landwirtschaftlichen Verbesserungen, wie Ent- und Bewässerungen, Flußkorrektionen, größere Obstpflanzungen, Kultivierung und Regulierung von Allmanden oder sonstigen bisher ertragslosen Flächen, Bepflanzung größerer öder Flächen mit Holzbäumen, Anlage von Sammelgruben sür Fäkaldünger u. s. w. veranlaßt, dem Oberamt binnen acht Tagen anzuzeigen. ob derartige Anlagen in dem obengenannten Zeitraum, zutr. Falls durch welchen Techniker ausgeführt worden sind. Ev. ist Fehlanzeige zu erstatten.
Nagold, den 11. Dez. 1894. _K. Oberamt. Vogt.
Bekanntmachung.
Mit Rücksicht auf den Ausbruch der Maul- und Klauenseuche in Oberschwandors ist für diese Gemeinde und die Gemeinden Unterschwandorf und Beihingen das Verbot des Treibens von Rindvieh, Schafen und Schweinen über die Markungsgrenzen hinaus mit Ausnahme der Benützung des Viehs zur Feldarbeit auf angrenzenden Markungen zunächst aus die Dauer von 14 Tagen erlassen worden, was hiedurch veröffentlicht wird.
Nagold, den 11. Dez. 1894. _ K. Oberamt. Vogt.
Die Schulstelle in Sommenhardt, Bez. Calw, wurde von der Ev. Oberschulbehörde dem Schulamtsverwefer Pfeffer daselbst übertragen.
Das erledigte Revieramt Pfalzgrafenweiler, Forsts Freudenstadt wurde dem Forstassistenlen titulierten Oberförster Nördlinger, Kanzleihilfsarbeiter der Forstdirek- tio n übertragen. _
Gestorben.
Anna Bäuerle, Kirchheim u. T.; Julie Häcker, geb. Gmelin, Mühlhausen a. N.; Luise Stoll, Tübingen.
K.o. Mie steht es nun?
Die Eröffnung der Wintersession des deutschen Reichstages hat in diesem Jahr mehr Material zur Erörterung gegeben, als es sonst der Fall gewesen ist. Die glänzende Weihe des neuen Reichshaufes hatte sehr patriotische Akkorde angeschlagen, eine friedliche und frohe Stimmung in den Kreisen der Reichsboten trotz allen Ernstes der Zeit hervorgerusen, und aus das deutsche Volk, welche die parlamentarischen Vorgänge mit der größten Aufmerksamkeit verfolgte, war ein Abglanz dieser Stimmung zurückge- sallen. Doch es dauerte nicht einen Tag, schon vierundzwanzig Stunden nach der feierlichen Weihe des neuen Heimes der deutschen Volksvertretung trat sener Zwischenfall ein, der in weiten Kreisen Aufsehen und Verstimmung erregte. Die geplante sozialdemokratische Demonstration bei dem Hoch auf den Kaiser während dessen die im Reichstagssaale anwesenden sozialistischen Vertreter sich nicht — entgegen der allgemeinen Sitte — erhoben, hat die frische und frohe Eröffnungsfreude mit einem Schlage verscheucht und auf die harten und erbitterten Auseinandersetzungen hingewiesen, die im Verlaufe der Reichsverhandlungen dieses Winters noch zu erwarten sind. Kein Vertreter der Reichsregierung hat zu dem Zwischenfall unmittelbar nach dem Verlauf desselben das Wort ergriffen; daß die Sache aus die künftigen Entschließungen der verbündeten Regierungen nicht ohne Folgen bleiben wird, ist selbst
redend. Wir werden späterhin sehen, daß Provokationen die Wirkungen nach sich ziehen müssen, welche im Charakter des Falles liegen: Hieb folgt auf Schlag!
Die Reichsregiernng hat nun, wie bekannt, der Volksvertretnng das sogenannte neue Umsturzgesetz unterbreitet; die Aussichten dieses Entwurfes schienen anfänglich recht gering, doch kann heute schon kein Zweifel darüber obwalten, daß die Vorlage im Reichstage mit nicht unbeträchtlicher Mehrheit angenommen werden wird, wenn es gelingt, den Hauptparagraphen des ganzen Gesetzes, den neuen H 130 des Strafgesetzbuchs so zu gestalten, daß dadurch die offene und ehrliche Kritik nicht betroffen wird. Der Wortlaut des neuen § 130 sei deshalb besonders wiedergegeben; er lautet:
„Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschiedene Klassen der Bevölkerung zu Gewaltthätigkeiten gegen einander öffentlich anreizt, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert -N/ oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. Dieselbe Strafe trifft denjenigen, welcher in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise die Religion, die Monarchie, die Ehe, die Familie oder das Eigentum durch beschimpfende Aeußerun- gen öffentlich angreist. Mit diesem § 130 steht unmittelbar in Verbindung tz 131, der lautet: „Wer erdichtete oder entstellte Thatsachen, von welchen er weiß, oder den Umständen nach an nehmen muß, daß sie erdichtet oder entstellt sind, öffentlich behauptet oder verbreitet, um dadurch Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrig keit verächtlich zu machen, wird mit Geldstrafe bis 600 ^ oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft."
Selbst in konservativen Zeitungen tritt die Annahme auf, diese Bestimmungen könnten unter Umständen auch aus Personen und Zeitungen in Folge offener Kritik angewendet werden, die mit der Sozialdemokratie gar nichts gemein haben. Es wird dabei auf den Kampf Bezug genommen, der gerade von der konservativen Partei gegen die Wirtschaftspolitik des früheren Reichskanzlers gefährdet worden ist. Selbstverständlich ist das Gesetz wirklich nur für revolutionäre Auslassungen bestimmt, aber man wünscht eben auch da, wo man mit der Grundtendenz im allgemeinen einverstanden ist, eine präzisere Klarstellung. Es fehlt allerdings auch nicht an Stimmen und sie kommen namentlich aus der nationalliberalen Partei, welche noch eine Verschärfung des vorge schlagenen wünschen. Ob eine solche Verschärfung mit dem gegenwärtigen Reichstag durchzusetzen sein würde erscheint indessen doch recht zweifelhaft. Vor allem kam es bezüglich der Aussichten der neuen, und der Reichsregierung augenscheinlich sehr wertvollen Gesetzesvorlage auf die Haltung der Centrumspartei an. Wenn diese letztere nun auch wohl nicht gerade mit Allem und Jedem einverstanden ist, was der Entwurf bringt, so ist sie doch, wenn nicht alles trügt, ganz geneigt, zur Herbeiführung einer Verständigung mitzuwirken. Entschieden ablehnend gegenüber dem Prinzip des Gesetzes verhalten sich die Freisinnigen und natürlich die Sozialdemokraten. Die Aussichten der Vorlage sind also durchaus nicht so schlecht, und augenscheinlich ist der Zwischenfall beim Kaiserhoch hiermit das treibende Moment gewesen. Freilich, urplötzlich, wie am letzten Donnerstag der Zwischenfall hereiubrach, kann sich auch eine neue Episode ereignen, die wieder alles aus den Kopf stellt. Von einer festen antisozialistischen Reichstagsmehrheit ist im Moment noch nicht das mindeste zu
erkennen, und nur eine solche könnte das Schifflein des Reichstages sicher und fest durch alle Brandungen hindurchgeleiten.
Besonders ist bei den bürgerlichen Parteien die Neigung zu einer Reichstagsauflösung nicht und wenn Fürst Hohenlohe ein Regierungsprogramm entwickelte, auf dem sich eine Reichstagsmehrheit zusammenfände, o würde er heute besser dastehen, als Graf Caprivi, manchmal auch als Fürst Bismarck. Die inneren Wirren im Reiche, das Wechselnde von heute auf morgen können keinem Reichsboten, der es ehrlich mit dem Vaterlande meint, wahre Beruhigung schaffen und der Reichstag ist ganz gewiß nicht der letzte, welcher nach einem energischen und einsichtigen Reichssteuermann sucht. Die Dinge erscheinen in der That spruchreif, die Frage ist nur, ob heute bereits der Mann da ist, welcher das rechte Wort kraftvoll und eindringlich sprechen kann. Das aber werden wir in den nächsten Tagen sehen.
Tages-Weuigkeilen.
Deutsches Reich.
Nagold, 10. Dez. Aufgepaßt! Bei der eingetreten Kälte sind die Hausleitungen bei der Nacht abzustellen. Wer dies versäumt, kann in Schaden kommen.
* Nagold, 11. Dez. In der gestern abend im „Hirsch" stattgefundenen, zahlreich besuchten ersten Hauptversammlung des Bezirksvereins Nagold des „Württ. Schwarzwaldvereins" wurde dieser Verein mit 97 Mitgliedern konstituiert. Herr Stadtschulth. Brodbeck als Vorstand des Verschönerungs-Vereins setzte klar auseinander, wie der Verschönerungsvereiu neben dem neugegründeten Bezirksverein d. h. unter der Verwaltung des letzteren, gut bestehen und davon nur gewinnen könn». Die Beiträge (ü 3 der Mitglieder des Bezirksvereins verbleiben zu Ns zu unserer freien Verfügung und werden zu '/s an den „Württ. Schwarzwaldverein" abgesührt; ebenso verbleiben — was hier besonders betont wird — die sreiwill. Beiträge zum Verschönerungsverein seitens der Nichtmitglieder des Bezirksvereins ersterem voll und ganz erhalten; daneben werden aber die bisher gespendeten größeren u. kleineren Beiträge auch fernerhin mit Dank angenommen. Die Fürsorge sür die Verschönerungen Nagolds bleibt nach wie vor bestehen, jedoch wird der Bezirksverein auch die weitere Umgebung ins Auge fassen, wozu er vom „Württ. Schwarzwaldverein" Beiträgezu gewärtigen hat. Die Mitglieder des Bezirks-Vereins erhalten die Vereinszeitschrift, die „Schwarzwaldblätter" monatlich gratis, außerdem die Kartend. „Württ. Schwarzwaldvereins" zu ermäßigtem Preis geliefert. (Anm. d. Red. Unseres Wissens das aufgezogene Blatt statt zu 1 ^ 50 Zzu 70 Z.) Es ist dabei Gelegenheit geboten, die Zeitschrift auch seitens der hiesigen Mitglieder durch Schilderungen unserer Gegend rc. zu bereichern und damit letztere mehr und mehr bekannt zu machen. Nach diesen Aufklärungen über die Organisation beider Vereine wurden die vom Ausschuß des Versch.-Vereins vorbereiteten Statuten für den Bezirksverein beraten und einstimmig angenommen. Bei der Wahl des 'Vorstands und Ausschusses wurde dem Antrag des IHrn. Professor Wetzel, den verdienten Vorstand des ! Versch.-Vereins, Herrn Stadtschulth. Brodbeck, sowie !die übrigen Ausschußmitglieder durch Akklamation > auch für den neuen Bezirksverein zu wählen, ebenfalls ! einstimmig entsprochen. Die bisher dem Bezirksvereiu ! Altensteig ungehörigen hiesigen Mitglieder erklärten ! ihren dortigen Austritt durch Unterschrift einer diesbezüglichen Mitteilung. So wäre denn der längs: