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Amts- und Intelligenz-Blatt Kr den Obrramts-Bezirk Nagold.
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Donnerstag 24. Mar
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1894.
Gestorben: In Eutingen Pfarrer Peter.
Hages-Wenigkeiten.
Deutsches Ueich.
Vom Lande, 2l. Mai. Die Blüte der Obstbäume ist jetzt größtenteils vorüber. Man kann daher ein allgemeines Urteil über den etwa zu hoffenden Obstertrag geben. Die während der Blütezeit gehegten Hoffnungen werden aber vielfach den Erwartungen nicht ganz entsprechen. Thatsache ist es, daß die Kirsch- und Birnbäume eine solche Blütenpracht entfaltet haben in diesem Frühjahr, wie man seit verschiedenen Jahren nicht weiß. Man war daher auch zu der Annahme berechtigt, daß es Kirschen und Birnen in Hülle und Fülle geben werde. Dem ist aber nicht so. Der Ertrag an Kirschen wird im Durchschnitt nur ein mittelmäßiger werden. Verschiedene Sorten von Kirschbäumen haben krankes Laub, die auf denselben vorhandenen Kirschen zeigen vielfach schwarze, angebohrte Punkte und fallen größtenteils ab. Die Frühbirnbäume zeigen nur wenig Fruchtansätze. Andere Sorten dagegen, namentlich die späteren, welche sich zum Mosten eignen, werden immerhin einen ganz befriedigenden Ertrag liefern. Die Zwetschgenbäume, welche durchaus reichlich blühten, gehen fast ganz leer aus. Pflaumen kann es dagegen eine Menge geben. Unsere Apfelbäume, welche stellenweise, namentlich in den Niederungen, wunderschön blühten, berechtigten zu schönen Hoffnungen. Auf der Höhe haben dieselben ganz spärlich geblüht und werden daher auch sehr wenig Früchte tragen. Nun, dieselben waren im vorigen Jahr mit Obst reichlich beladen. Unsere Weinberge weisen reichliche Traubenansätze an den Weinstöcken auf und versprechen bis jetzt ein gutes Weinjahr. Die Beerensträucher, besonders die Johannisbeersträucher, welche so reichlich geblüht haben, aber mit ihren Blüten zum Teil in die kühle, länger andauernde Regenzeit kamen, werden einen mittleren Ertrag geben, die Stachelbeergesträucher dagegen versprechen eine gute Ernte. Die Saatfelder stehen schön. Ebenso ist reichlicher Klee- und Graswuchs vorhanden, so daß vorderhand eine Futternot nicht befürchtet werden darf. Dies merkt man übrigens gewaltig an den hohen Fleischpreisen, welche möglicherweise noch mehr in die Höhe gehen, wenn vom Ausland nicht Zufluß kommt. Immerhin aber kann der heurige Jahrgang nach den Aussichten, welche wir bis jetzt haben, sowohl für den Bauern, als auch für den Weingärtner ein zufriedenstellender werden, vorausgesetzt, daß die Witterung fernerhin keinen Strich durch die Rechnung macht.
Stuttgart, 20. Mai. Eine weit über die Grenzen Württembergs hinaus bekannte Persönlichkeit, Herr Nill, Besitzer des bekannten Tiergartens, ist heute im Alter von 68 Jahren gestorben; die Leitung des Tiergartens hat seit längerer Zeit der Sohn des Verstorbenen.
Stuttgart, 21. Mai. Der Kölner Männer- llkscmgverein traf am Samstag mittag kurz vor 12 Uhr hier ein und wurde vom Stuttgarter Liederkranz und Deputationen anderer Vereine mit deren Fahnen aus das herzlichste empfangen. Um 1 Uhr gemeinschaftliches Essen im Konzertsaale der Liederhalle. Nach Tisch wurde eine Fahrt auf den Hasenberg gemacht: im Garten des Jägerhauses weilten die Gäste bis 5' 2 Uhr. Später fand das Fest-Saale der Liederhalle statt. Die Männerchöre Frühlingsnahen von Kreutzer, Wald
einsamkeit, Waldweben rc. waren vorzügliche Leistungen, die den großen Ruf rechtfertigten, der den Kölnern vorausgeht. Nach dem Konzert fand eins gemütliche Vereinigung im Konzertsaal statt, bei welcher es wieder zahlreiche Reden gab, welche alle voll der Anerkennung, des Dankes waren, für die Aufnahme in Stuttgart. -- Gestern vormittag 11' s Uhr begaben sich die Kölner Sänger in den Saal des Wilhelmspalastes, um vor seiner Majestät dem König zu singen.
Stuttgart, 21. Mai. (Teilweise in einem Extrablatt mitgeteilt.) Das heute abend 5 Uhr verkündigte Urteil des Disziplinarhofs für Körperschaftsbeamte sprach den Oberbürgermeister Hegelmaier von Heilbronn von der Anklage der Amtsunwürdigkeit frei und hob die gegen ihn verhängte Amtssuspension auf. Dagegen wird derselbe zu 100 Mark Ordnungsstrafe, sowie zur Tragung der Hälfte der Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten für die Sachverständigen verurteilt. In den Motiven des Urteils wird ausgeführt, daß Hegelmaier zwar mehrfach seine Befugnisse überschritten und auch gegen die Staatsbehörden die ihm obliegende Achtung verletzt habe; daß aber diese auf einen großen Zeitraum verteilten Vorwürfe keinesteils ausreichen, um ihn der ferneren Bekleidung seines Postens für- unwürdig zu erklären und ihn demgemäß seines Amtes zu entsetzen.
Stuttgart, 22. Mai. Zur Urteilsverkündigung im Prozeß Hegelmaier hatte sich gestern wieder ein sehr zahlreiches Publikum eingesunden, so daß der Zuhörerraum dicht besetzt war. Das Urteil wurde mit Bravorufen ausgenommen die sich später, als in der Urteilsbegründung gesagt wurde, daß die Amtsentsetzung nicht habe ausgesprochen werden können, wiederholten, so daß der Vorsitzende, Direktor v. Bockshammer, Ruhe gebot. Die Verlesung des Urteils und der Begründung, die durch den Referenten, Oberlandesgerichtsrat Dr. Schönhardt erfolgte, nahm etwa 20 Minuten in Anspruch. Außer den beiden Genannten gehörten dem Gerichtshof, wie schon früher mitgeteilt, an: Oberlandesgerichtsrat Feyerabend, Oberregierungsrat v. Bellino, Regierungsrat Renz, Oberbürgermeister v. Abel-Ludwigs- burg, Stadtschultheiß Hartranft-Freudenstadt. Durch diesen Urteils spruch ist nun auch die Suspension vom Amt, die vor einigen Jahren über Hegelmaier verhängt worden ist, wieder aufgehoben, und die Stadt Heilbronn hat die ihm seither vorenthaltene Hälfte seines Gehalts für diese ganze Zeit (etwa 8000 bis 9000 nachzubezahlen. Die Kosten des Verfahrens, die dem Angeschuldigten zur Last fallen, mögen sich aus 1500 bis 2000 ^ belaufen.
Stuttgart, 22. Mai. Die Kammer der Abgeordneten fuhr heute in der Beratung der Schulnovelle fort. Hauß- mann (Gerabronn) begründet einen Antrag, wonach die Schülerzahl in der allgemeinen Fortbildungsschule dauernd die Zahl 40 nicht überschreiten solle. Minister v. Sarweg erklärt sich gegen diesen Antrag. Man müsse auf die Zahl der Lehrer und die Finanzen der Gemeinden Rücksicht nehmen. Deutler ebenso. Gröber schreibt dem Antrag eine ganz erhebliche Bedeutung zu und bittet, denselben anzunehmen. Der Antrag Haußmanns wird jedoch abgelehnl. Bei Art. 8 beantragt Gröber, den Schulzwang in den Sonnt- tagsschulen von 3 auf 4 Jahren zu erhöhen; Wendler dagegen beantragt, die Verpflichtung nur auf 2 Jahre auszudehnen. Prälat v. Sandberger bittet, an dem Kommis- sionsantrag festzuhalte». - Eingegangen ist eine Petition der Stadt Ravensburg um einen eigenen Abgeordneten der Stadt im Landtag.
Ulm, 21. Mai. Heute früh wurde der 15 Jahre alte Friseurlehrling Müller im Hause seines Stiefvaters, des Wagenwärters Eisenhardt mit aufge
schlitztem Bauch im Bett tot ausgefunden. Es scheint ein Lustmord vorzuliegen. Ein Messer oder ein sonstiges schneidendes Werkzeug wurde nicht bei dem Toten vorgefunden, auch ist es zu bezweifeln, ob sich ein Mensch eine so schwere Verwundung in selbstmörderischer Absicht beibringen kann. Die Gedärme waren aus dem Leibe hervorgedruugen, die Leiche bot einen schrecklichen Anblick dar. Die Polizei fahndet eifrig nach dem Thäter, doch fehlt bis jetzt jede Spur.
Ulm, 22. Mai. Die bürgerlichen Kollegien haben heute eine Belohnung von 1000 ^ auf die Entdeckung des Urhebers des neuesten Mordes ausgesetzt.
(Brandfälle.) Am 18. d. M. ist in Gröningen (Crailsheim) infolge Zündeln eines Kindes die Scheuer des Feldschützen Michael Schwarz abgebrannt: am 19. d. M. brannte in Grötzingen (Nürtingen) das 2stockige Wohn- und Scheuergebäude der Friedr. Heinzelmanns Witwe ab; am 20. d. M. die Wohngebäude des Taglöhners Leonhardt Grötzinger und Jak. Eisele in Bartholomä (Gmünd).
Die „Voss. Ztg." nimmt von einem angeblich in eingeweihten Kreisen Bayerns verbreiteten Gerücht Notiz, wonach König Otto, da jede Aussicht mangelt, daß er je genesen könnte, entmündigt und Prinzregent Luitpold zum König gekrönt werden solle. Die Reichsratskammer habe sich bereits mit dieser Frage beschäftigt und nach zwei geheimen Sitzungen einstimmig ihre Zustimmung zugesichert; die Abgeordnetenkammer glaube man durch die Einwirkung des Grafen Preysing willfährig zu macheu. Die Nachricht scheint weiterer Bestätigung sehr bedürftig. Uebrigens ist Gras Preysing Mitglied des Reichsrats.
Nördlingen, 22. Mai. Gestern nachm, zwischen 4 und 5 Uhr ging über das ganze bayr. Ries und über einige benachbarte württ. Ortschaften ein furchtbares Gewitter mit schwerem Hagel nieder. Die Hagelkörner fielen bis zur Größe von Taubeneiern und in solcher Menge, daß einzelne Wege wie beschneit aussaken. Der an den Häusern und noch mehr auf den Fluren angerichtete Schaden ist enorm.
Aus Kiel wird geschrieben: Wegen Mangels an Arbeit ist auch die hiesige kaiserliche Werft genötigt, einen großen Teil ihrer Arbeiter zu entlassen. Ueber 500 Arbeiter sind bereits in den Wochen vor Pfingsten brotlos geworden, und es heißt, daß weitere Kündigungen in dem Umfange bevorstehen, daß etwa der dritte Teil des Personals, das am 1. April d. Js. aus ca. 3600 Köpfen bestand, außer Beschäftigung kommt. Die Werftverwaltung ist bemüht, soweit es irgend angeht, die verheirateten Arbeiter in Dienst zu behalten, doch wird das bei einer so starken Verminderung von Arbeitskräften jedenfalls nur zum Teil zu erreichen sein.
Das Geheimnis des Dowe'schen Panzers will man in Kiel angeblich erforscht haben. Es soll in nichts anderem bestehen, als in einer 20 Millimeter- starken Stahlplatte, die aus einer Papptafel befestigt ist und vorn eine Wergpolsterung zeigt. Erfahrungsgemäß bietet schon 10 Millimeter Krupp'scher Patent- Stahl Schutz gegen das Feuer derj modernen Gewehre. Ist die Platte aber 20 Millimeter stark, so ist ein Durchschießen derselben unter allen Umständen ausgeschlossen.
Die Enthüllung des Kaiser Wilhelm-Denkmals in Königsberg i. Pr. wird am 4. Septembervormittags vom Kaiser selbst vorgenommen. Die Anwesenheit Sr. Majestät in Königsberg wird lü-
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