Grunde. Ein unglaublicher Leichtsinn, der sich zur vollständigen Sorglosigkeit inbetreff der für die Woche erforderlichen Lebensmitteln steigert, verleitet zu maß­losen Ausgaben. Arbeitslust und Arbeitsfreudigkeit gehen verloren. Nach dem in zügelloser Vergnü­gungssucht verbrachten Sonntag fühlt man sich zu Beginn der Woche fast unfähig zur Arbeit. Und wie sehr wird dadurch das Familienleben geschädigt!"

Was aber für den Sprengel des Erzbischofs von Köln, das dürfte mit geringen Unterschieden sür sämtliche Teile Deutschlands gelten, auch wenn man der fröhlichen Leichtlebigkeit der Rheinländer immerhin einiges Nachsehen darf. Wer etwa gemeint hat, daß die Einstellung des Geschäftsbetriebs an den Sonntagen einen gesteigerten Kirchenbesuch zur Folge haben würde, hat dabei die Rechnung nicht nur ohnedie Wirte", sondern auch ohneden Wirt" gemacht, als welchen das Bedürfnis eines fröhlichen Sichgehenlassens, als Gegengewicht gegen die strengen Anforderungen des Berufslebens, sich geltend macht. Wer in Deutschland englische Sonn­tage einführen will, muß zuerst für englische Wochen­tage sorgen; mit dem englischen Sonntag allein ist in Deutschland nichts anzufangen, am Rhein so wenig wie an der Spree, der Elbe, der Weichsel, der Donau und des Neckars. Daß der Unterschied des Nationalcharakters dabei noch erheblich in das Gewicht fällt, sollte man gleichfalls nicht übersehen.

Kiel, 19. Febr. Der Kaiser beauftragte den Admiral Knorr mit seiner Vertretung bei der Beer­digung der aus derBrandenburg" Verunglückten. Die Beerdigung findet morgen nachmittag 3 Uhr statt. Auf Befehl des Kaisers werden die Verun­glückten mit denselben Ehrenbezeugungen bestattet, wie die vor dem Feinde gebliebenen Kombattanten. Das Befinden der Verwundeten hat sich nicht ver­schlechtert.

DerReichsanzeiger" giebt die Verlustliste, die 42 Tote, 1 schwer und 6 leichter Verwundete umfaßt. Tot sind 4 Ingenieure, 8 Maschinisten, 10 Heizer, 3 Matrosen, 3 Baumeister bezw. Werk- sührer, 3 Vorarbeiter, 3 Maschinenbauer, 2 Ma­schinenschlosser, 1 Kupferschmied und 5 Arbeiter. Verwundet 2 Maschinisten, 1 Heizer, 3 Maschinen­bauer und 1 Arbeiter.

DerReichsanz." schreibt: Der schreckliche Un­glücksfall auf S. M. S.Brandenburg" hat sich nach den bis jetzt vorliegenden Nachrichten ereignet, als das auf Probefahrt begriffene Schiff sich außer­halb des Hafens von Kiel befand. Die sämtlichen 12 Kessel waren im Betrieb, die Maschinen arbei­teten mit etwa 7000 Pserdekräften, also nicht mit Forcierung, denn bei solcher werden auf diesen Schis­sen mehr als 10000 Pferdekräfte entwickelt. Das Unglück entstand durch Losreißen der Befestigung des Dampfabsperrventils der Steuerbord-Maschine. Dadurch wurde dem Dampf aus sämtlichen Kesseln der Weg in den mit Menschen angefüllten Maschi­nenraum freigegeben. Er verbreitete sich in densel­ben sofort, alles verbrühend, was er an lebenden Wesen vorfand, drang durch die offene Verbindungs­thür in den Backbord-Maschinenraum, durch die Nieder­gangsöffnungen in die darüber liegenden Räume für elektrische Maschinen, Destillierapparate und Vor­räte, sein Vernichtungswerk fortsetzend. Fast sämt­liche der in diesen Räumen beschäftigten Personen müssen augenblicklichem Tod verfallen gewesen sein, denn der ausströmende Dampf hatte eine Temperatur von 180 Grad und wird von dieser bei seiner Aus­breitung nicht sehr viel verloren haben, ehe er die unglücklichen Opfer erreichte. Es ist erfreulich, trotz alles Unglücks sestzustellen, daß der Admiral, wel­cher das Panzergeschwader kommandiert, melden konnte, daß das Betragen des Maschinenpersonals bei der Katastrophe aufBrandenburg" als muster­haft bezeichnet werden muß.

Der Bund der Landwirte hielt am Samstag imFreenpalast" zu Berlin eine Generalversamm­lung ab. Anwesend waren 8000 Personen. Abge­ordneter Plötz hielt die Begrüßungsansprache und sagte, es gelte, Protest zu erheben gegen den russi­schen Handelsvertrag. Er schloß mit einem Hoch auf den Kaiser. Sodann wurde der Antrag Rösicke an­genommen, daß jedes Bundesmitglied der christlichen Religion angehören müsse. Abgeordneter Lutz sprach sich ebenfalls gegen den Handelsvertrag aus. Die Versammlung nahm eine Resolution an, welche den Reichstag ersucht, dem Handelsvertrag mit Rußland die Genehmigung zu versagen. Die Resolution wurde

mit stürmischem Beifall aufgenommen, ebenso eine kurze Ansprache Adolf Wagners über die Bedeutung der Währungsfrage gegenüber Ländern mit unter­wertiger Valuta und eine Rede des Abgeordneten Diedrich Hahn über die Börse. Aus dem Lande sind zahlreiche Zustimmungstelegramme eingetroffen. Auf der andern Seite mehren sich die Kundge­bungen für den russischen Handelsvertrag fortgesetzt. In Ostpreußen machte sich eine starke Gereiztheit gegen die konservative Partei bemerklich. Die Par­teipresse der Konservativen tritt dort energisch für den Handelsvertrag ein und weist die Versuche der Parteileitung, die Presse hierfür zu maßregeln, ent­rüstet zurück. DiePreuß.Lith. Ztg." und die Ostpr. Ztg." finden sehr lebhafte Worte, um gsgen das Vorgehen der Parteileitung zu protestieren.

Der Bund der Landwirte hat sich in einer am Sonnabend in Berlin abgehaltenen Generalver­sammlung mit aller Entschiedenheit gegen den Ab­schluß des russischen Handelsvertrags ausgesprochen. Dabei nahmen mehrere Redner besonders Bezug dar­auf, daß auch Fürst Bismarck den Vertrag bekämpfe. Nun erklärt diePost", daß Fürst Bismarck für den Vertrag ist. Das genannte konservative Blatt schreibt: Fürst Bismarck verwirft zwar grundsätzlich die Han­delsvertragspolitik, aber er ist der Ansicht, daß nach dem Bestehen des österreichischen Handelsvertrags die Annahme des deutsch-russischen Vertrages ein Akt politischer Notwendigkeit ist. In der Versammlung des Bundes hat der Appell an die politische Ehrlich­keit lauten und berechtigten Widerhall gefunden. Stellen die Mitglieder des Bundes der Landwirte die Autorität des Fürsten Bismarck wirklich so hoch, wie sie dies ausdrückten, so werden sie die politische Ehrlichkeit dadurch bethätigen müssen, daß sie den Widerspruch gegen den deutsch-russischen Vertrag aufgeben."

Deutscher Reichstag. In der Freitagssitzung wurde die Beratung des Etats des Reichsamtes des Auswärtigen begonnen. Mehrere neu geforderte Beamtenstellen für Ko­lonialzwecke wurden bewilligt, obwohl Abg. v. Staudy (kons.) die Errichtung eines eigenen Kolonialamtes für praktischer gehalten hätte. Bei der Forderung sür die griechische Ge­sandtschaft in Athen wurde die Reichsregierung um den Schutz der Gläubiger des griechischen Staates, soweit es Deutsche sind, ersucht. Bei der deutschen Botschaft in Rom wurde eine Zulage von 20 000 gemäß dein Anträge der Bud­getkommission gestrichen. Es kommt dann zur Beratung der Forderungen sür unsere Kolonien. Tie Forderung für Ostasrika hat die Kommission um 137 000 herabgesetzt. Abg. Bebel (Soz.) bekämpft die Bewilligung, da der Vor­teil des ostafrikanischen Schutzgebietes gar nicht im Ver­hältnis zu den dafür aufgewendeten Summen stehe. Redner kommt dann auf verschiedene Erlasse des Vize-Gouverneurs von Wrochem in Teutsch-Ostafrika, auf die Peitschen-Affaire in Kamerun u. a. zu sprechen, und schließt daraus, daß die Reichsbeamten gar nicht verständen, die Eingeborenen zu behandeln. Reichskanzler Graf Caprivi erwidert, er werde niemanden in Schutz nehmen und wolle alle vom Vorred­ner vorgebrachten Einzelfälle genau untersuchen lassen. Wo eine Abhilfe erforderlich sei, werde diese sicher erfolgen. Indessen dürfe man doch die Kolonialbeamten auch nicht ungestört verurteilen, dadurch verleide man ihnen die Lust, in Afrika zu amtieren. Die Deutschen in den Kolonien machten es gerade so, wie alle Deutschen; wenn etwas nicht nach Wunsch gehe, schimpften sie auf die Behörden. (Hei­terkeit.) Tie Weiterberatung des Kolonialetats wird schließ­lich bis Sonnabend vertagt.

Deutscher Reichstag. Sonnabendsitzung. Die Be­ratung des Kolonialetats wird fortgesetzt und die Forderung für Teutsch-Ostafrika schließlich nach den Kommissions- Anträgen erledigt. Am Montag wird über die Forderungen für die anderen'Schutzgebiete verhandelt werden. Auf dem Tisch des Hauses hatte Abg. Bebel mehrere Nilpferdhaut­peitschen , mit welchen in Kamerun die schwarzen Weiber gepeitscht wurden, niedergelegt. Abg. Richter (freist) er­achtet die Kolonialbeamten im Allgemeinen zur tüchtigen Verwaltung nicht befähigt; da sie sich weit vom Reichs­kanzler wüßten, fühlten sie sich gar zu selbstherrlich. Red­ner bringt verschiedene Einzelfälle vor und meint, Milita­rismus und Assessorismus trieben in Afrika wunderbare Blüten. Mindestens den Süden des deutsch-ostafrikanischen Schutzgebietes solle man aufgeben. Abg. Hasse (ntlb.) muß zugeben, daß allerdings manche merkwürdigen Dinge vor­gekommen sind. Man solle ältere Beamte auswählen und auch Pflanzer heranziehen. Redner meint, es wäre besser gewesen, wenn mit dem System Wißmann nicht so schnell gebrochen wäre. Reichskanzler Graf Eaprivi giebt zu, es seien ja einzelne unliebsame Dinge vorgekommen, aber von einem Mißerfolg unserer ganzen Kolonialpolitik könne man nicht reden, lieber Einzelfälle erwarte er noch Berichte, aber das wolle er sagen, daß man doch auch die besonde ren Verhältnisse in den überseeischen Gebieten in Betracht ziehen müsse. Aeltere Beamte fänden sich für den müh­samen Dienst überhaupt nicht. Affairen, wie die in Ka­merun, seien allen Nationen passiert und könnten uns noch hundert Mal passieren. An dem Wißmann'schen Systeme in Westafrika laboriere man noch heute. Der neue Gou ! vernenr von Scheele sei eine recht tüchtige .Kraft. Auch i der Major v. Francois habe mit seiner Schutztruppe, die , freilich verstärkt werden müsse, geleistet, was in seiner Kraft stand. Abg. Lieber (Ctr.) giebt zu, daß nicht alles

>o schlimm stehen möge, wie es gemacht werde, immerhin seien recht unerfreuliche Dinge vorgekommen. Redner ver­teidigt die gestern vom Abg. Bebel herabgesetzte Thätigkeit der christlichen Mission. Abg. Bebel (Soz.) giebt nochmals eine scharfe Kritik des Verhaltens der deutschen Kolonial­beamten und meint, unter solchen Umständen werde man noch zehn Jahre arbeiten können, ohne das Geringste zu erreichen. Redner wiederholt, daß er die Thätigkeit der Mission für wenig wirksam hält. Abg. Kammacher (ntl.) konstatiert, daß es besonders in Teutsch-Südwestafrika doch recht traurig steht. Hier müsse unbedingt ein Wandel ge­schaffen werden. Teutsch-Ostafrika sei vielleicht nicht zur Ansiedlung geschaffen, aber für die Plantagenwirtschast sei es recht wertvoll. Redner- Hat gute Hoffnungen für die Entwicklung unserer Kolonien. Abg. Lieber (Ctr.) ver­bittet sich die heravsetzenden Aeußerungeu des Abg. Bebel über christliche Mission und Christentum. (Abg. Bebel: Ach was!) Nach energischer Aussprach« zwischen den letzt­genannten beiden Abgeordneten werden die Forderungen für Ostafrika bewilligt.

Des Kaisers Reise nach Friedrichsruhe, Oldenburg und Wilhelmshafen wird heute Montag nachmittags 2 Uhr angetreten. Wenige Minuten vor 6 Uhr abends erfolgt die Ankunft in Friedrichs­ruhe, woselbst zum Empfange der Bahnhof geschmückt ist. Der Fürst holt den Kaiser selbst vom nahen Bahnhof ab. Nach der Abendlasel verläßt der Monarch schon um 9 Uhr Friedrichsruhe wieder und reist über Hamburg und. Bremen nach Oldenburg, wo ein zweistündiger Aufenthalt genommen wird. Am Dienstag Mittag erfolgt die Ankunft in Wil­helmshafen.

Friedrichsruh, 19. Febr. Der Zug des Kai­sers traf, wie festgesetzt, 5 Uhr 57 Min. hier ein und durchfuhr den Bahnhof bis zu dem Uebergange bei dem Schlosse. Dort wartete Fürst Bismarck, in Kürässierunisornt und im neuen grauen Mantel, Prof. Dr. Schwenjnger und Dr. Chrysander. Der Kaiser schritt auf den Fürsten zu und schüttelte ihn: die Hand. Hierauf geleitete der-Fürst den Kaiser zum Schlosse. Das Publikum begrüßte beide lebhaft. Im Schlosse begrüßte der Kaiser die Fürstin Bis­marck und führte sie am Arm in den Salon. Der Kaiser trug Marineuniform.

Friedrichsruh, 20. Febr. Rach Eintritt der Dunkelheit begann eine glanzende Illumination der Umgebung des Bahnhofs sind der Gebäude. Mit tausenden von Lampions waren auf dem Rasen die Worte Wilhelm der Zweite und Bismarck hergestellt. Gleich nach dem Eintreffen des Kaisers begann das Diner zu 12 Gedecken, der Kaiser saß zwischen dem Fürsten und der Fürstin. Nach dem Diner fand eine sehr lebhafte Unterhaltung stattt. Der Kaiser stellte dem Fürsten zwei Soldaten verschiedener Waf­fengattung mit der neuen leichteren Feldausrüstung vor. Punkt neun Uhr erhob sich der Kaiser zur Abreise. Fürst Bismarck begleitete ihn bis an den Waggon. Hier verabschiedete sich der Kaiser vom Fürsten durch wiederholtes Händeschütteln. Nach­dem der Kaiser den Salonwagen bestiegen, blieb er am offenen Fenster stehen und grüßte, fortwährend mit der Hand winkend, bis nach 9 Uhr 8 Min. der Zug sich in Bewegung setzte. Das Publikum durchbrach unter endlosem Jubel die Absperrungen und kam dicht an den Wagen, den Fürsten umrin­gend, der dann mit Hilfe von. Feuerwehrleuten ins Schloß zurückgeleitet wurde. Die Anzahl des aus dem kleinen Platze angesammelten Publikums betrug weit über tausend Personen.

Frankreich.

Paris, 19. Febr. Heute wurden bei den Anar­chisten in ganz Frankreich Haussuchungen gehalten, darunter 21 hier in Paris. Anscheinend sind keine besondern Resultate erzielt worden. Mehrere Anar­chisten sind flüchtig.

Belgien.

Brüssel, 17. Fchr. Dem Vernehmen nach beabsichtigt die belgische Regierung die Einfuhr von Schafen aus Deutschland zu verbieten.

Rußland.

Petersburg, 19. Febr. Amtlicher Meldung zufolge sind sämtliche auf der Eisscholle von der finnisch-ingermanländischen Küste abgetriebenen Men­schen gerettet. _

Kleinere Mitteilungen.

Tübingen, 16. Febr. Der Stockacher Bauer, dem an dein jüngsten Samstag stattgehabten Viehmarkt 500 ./(. abhanden gekommen, ist bis heute noch nicht in den Wie­derbesitz seines Geldes gelangt. Gewiß interessant und zur Vorsicht mahnend ist aber ein obigem Verluste sich an schließendes Vorkommnis. Der betreffende Stockacher Bauer verkaufte seine Ochsen an einen Gomaringer Bauern, der dieselben in gleicher Stunde wieder einein Manne, der ver­gab, Wolfart zu heißen und aus Oberjesingen zu sein, ver­

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