jener raffinierten Art der Brandstiftung gesprochen, nach welcher der Thäter beim Ausbruch des Brandes nicht notwendig an Ort und Stelle zu sein braucht; ferner hatte er ja den Brand, sowohl die Zeit als den Ort, mit größter Sicherheit vorausgesagt; zu­dem war es, wie erwiesen wurde, in seines Meisters Haus möglich, nachts unbemerkt aus- und einzu­gehen. Daß Keppler mit seinem hartnäckigen Leug­nen und seinen: oft frechen Auftreten den günstigsten Eindruck auf den Gerichtshof nicht gemacht hat, geht auch daraus hervor, daß sich derselbe bei sei­ner Beratung den Ausführungen der Staatsanwalt­schaft angeschlossen hat. Die Frage, ob Keppler die zur Erkenntnis der Strafbarkeit erforderliche Einsicht besessen habe, wurde natürlich bejaht, denn Keppler hatte sich in jeder Hinsicht als ein geriebe­ner Bursche gezeigt. Dagegen mußte die auf vor­sätzliche Brandstiftung gesetzte Zuchthausstrafe, da Keppler das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, in Gefängnis verwandelt werden und so lautete für Keppler das Urteil auf drei Jahre Ge­fängnis. Was die übrigen Angeklagten betrifft, so fand sie der erste Staatsanwalt eines Vergehens wegen Begünstigung schuldig und beantragte gegen Girrbach und Gutekunst eine Gefängnisstrafe von je 5 Monaten, gegen Fritz eine solche von 4 Mo­naten. Als Verteidiger des Gutekunst und Fritz warRechtsanwaltWetzet anwesend. Girrbach wurde von Rechtsanw. Vierer verteidigt. Bei der Frage nach ihrer Schuld war zunächst davon auszugehen, wie man sich zur Schuld Kepplers stellte. Ist diese zu verneinen, so ist natürlich von einer Begünstigung seitens der 3 übrigen Angeklagten keine Rede; die Anklage muß also in diesem Fall ganz von selbst wegsallen. Anders, wenn die Schuld Kepplers be­jaht wird! Die beiden Verteidiger hielten jedoch auch von diesem Standpunkt aus eine Verurteilung der 3 Genossen für unmöglich. Sie stützten sich dabei hauptsächlich darauf, daß über alle 3 anfangs nicht wegen Begünstigung, sondern wegen Mitthäterschaft die Untersuchungshaft eröffnet worden sei, daß es unter solchen Umständen auch ganz begreiflich sei, wenn sie alles, was sie von der Sache wußten, mög­lichst zu vertuschen suchten. Aber auch dann als Begünstigung Gegenstand der Anklage wurde, sei diese Aenderung den Lehrlingen nie recht zum Be­wußtsein gekommen, vielmehr seien sie auch jetzt noch der Ansicht gewesen, wegen Brandstiftung in Unter­suchungshaft sich zu befinden. Bei diesen 3 stellte sich das Gericht auf den Standpunkt der Verteidiger und sprach alle 3 frei. Iv.

Stuttgart, 23. Jan. Noch nicht rekognosziert ist die Lkiche des bei Neckarrems ermordet aufgefun­denen jungen Mannes. Die Mitteilung, daß Land­jäger Diebold aus Hattenhofen die Leiche als die des 25jährigen Jakob Kopf, ledigen Bierbrauers aus Adelsberg, OA. Schorndorf, rekognosziert habe, bestätigt sich nach Mitteilung des Stadtpolizeiamts und der Pragfriedhofinspektion nicht.

Im Etatsjahr 1892 93 betrug in Württemberg die Biergewinnung 3,7 Millionen Hektoliter Bier. Zuzüglich der Einfuhr und abzüglich der Ausfuhr berechnet sich der Bierverbrauch in Württemberg auf 184,2 Ltr. pro Kopf der Bevölkerung. Die Brausteuer im ganzen deutschen Zollgebiete ergab 30,9 Millionen Mk. oder 78 Pfg. auf den Kopf der Bevölkerung.

DerErfinder der Volapüksprache", der bekannte Pfarrer Schleyer, ist in Konstanz im Alter von 92 Jahren verschieden.

München, 23. Jan. Im Finanzausschuß teilte der von Berlin zurückgekehrte Finanzminister mit, die Weinsteuer sei so gut wie verloren, für die Ta­bakfabrikatsteuerhabe er noch einige Hoffnung. Wenn die Börsensteuer ohne Quittungsstempel 20, der Kunst- und Schaumweine 5, und die Zollerhöhung auf im­portierte Tabakfabrikate 2 Millionen einbringe, so träfen bei 66 Millionen Reichsbedarf auf Bayern noch vier Millionen Erhöhung der Matrikularbeiträge. Die Erübrigungen des bayerischen Staatshaushaltes aus 1892 betragen 12, im Budget 1893 10 Millio­nen. Wenn die Wein- und Tabakfabrikatsteuer fie­len, komme die Biersteuer. Dann sei für das nächste Budget eine Erhöhung der direkten Steuern unaus­bleiblich. Der Minister verlas den Brief eines Pfäl­zer Tabakbauern, der besagt, die Tabakbauern wür­den noch auf den Knieen nach Berlin rutschen, uni die Fabrikatsteuer zu erbitten.

Nürnberg, 23. Jan. Die Stadt bewilligte

für einen Festzug zur Feier des 400. Geburtstags von Hans Sachs 10 000 und für die übrigen Festlichkeiten 3000

DieNordd. Allg. Ztg." bestätigt die Meldung, daß der Kaiser unter Uebersendung einer Flasche alten Weines den Fürsten Bismarck zur Rekonva- lescenz nach überstandener Influenza beglückwünscht habe. Man dürfe annehmen, daß die Entsendung des Flügeladjutanten aus der ureigensten Initiative des Kaisers hervorgegangen sei. DieKöln. Ztg." erfährt, Fürst Bismarck habe seinen Dank ausge­sprochen und erklärt, er werde sich unmittelber nach dem Geburtsfest des Kaisers bei dem Kaiser in Berlin melden. Diese erfreulichen Nachrichten werden heute in den uns vorliegenden Blättern mit großer Befriedigung begrüßt. DieKöln. Ztg." fügt noch hinzu:Wir wissen, daß der Kaiser mehr­fach seine Verstimmung über die ihm zugeschriebene Auffassung seines innerlichen Verhältnisses zum Für­sten Bismarck ausgesprochen hat. Es ist ihm von einem Teile der öffentlichen Meinung unterschoben worden, er lege ein besonderes Gewicht darauf, daß auf dem Nationaldenkmal für seinen kaiserlichen Großvater Fürst Bismarck keine Stelle finde. Die­ser irrigen Ansicht gegenüber habe der Kaiser wie­derholt betont, daß er der letzte sei, der nicht die Verdienste des Fürsten Bismarck um das deutsche Reich anerkenne."

DeulscherReichstag. Am Montag beriet der Reichs­tag bei sehr schwach besetztem Hause die sozialdemokratische Interpellation, die anfragt, was die Reichsregierung gegen den herrschenden Notstand unter den Arbeitern zu thun gedenke. Abg. Liebknecht (Soz.) begründet die Interpella­tion unter heftigen Ausfällen gegen den Staat. Staats­sekretär v. Bötticher stellte entschieden das Vorhandensein eines allgemeinen Notstandes, der zu Reichsmaßnahmen zwinge, in Abrede, wenn er auch nicht bestreiten wolle, daß in größeren Städten und einzelnen Branchen Mißver­hältnisse herrschten. Anderweitig bestehe aber auch Arbei­termangel, so besonders in der Landwirtschaft. Eine all­gemeine Verschlechterung der Arbeiterverhältnisse sei nicht eingetreteu, eher eine Besserung; die Einzelstaaten und Arbeitgeber thäten, was sie könnten. Jeder möge nur an sich selbst bessern, dann werde es besser werden. Zu dem Tumult, der letzten Donnerstag nach einer Arbeitslosen- Versammlung stattgefunden, erklärte der Staatssekretär, angebliche Brutalitäten der Polizei in Berlin seien nirgends amtlich gemeldet. Abg. Frhr. v. Stumm ifreikons., nannte die Behauptungen vom Arbeiternotstand Uebertreibungen, an welche die Arbeiter selbst nicht glaubten. Zu ihrem Einschreiten habe die Berliner Polizei zweifellos Recht gehabt. Abg. Richter (frs.) meint, der Staat könne nicht von vornherein Notstände verhindern, er müsse aber we­nigstens an einer gesunden Wirtschaftspolitik festhalten. Tie Regierung solle die Steuervorlagen, die die Industrie beunruhigt hätten, zurückziehen und den Zollkrisg mit Rußland einstellen, dann würden schon viele Arbeiter Ver­dienst finden. Redner protestiert gegen alle Maßnahmen zu Gunsten des Großgrundbesitzers und verlangt Festhalten an der bisherigen deutschen Währung. Die preußische Re­gierung sei viel zu entgegenkommend gewesen. Abg. Bebel (Soz.) fordert in sehr heftiger Rede mindestens Milderung des Notstandes, verurteilt die ganze Gesellschaftsordnung und greift die Berliner Polizei wegen der Vorgänge im Friedrichshain an. Nachdem Staatssekretär v. Bötticher und Abg. Möller (natl.) dem Sozialistenführer entschieden entgegengetreten sind, wird die Weiterberatung vertagt. Am Dienstag wurde die Beratung der Interpellation be­endet und sodann kleine Vorlagen erledigt.

Deutscher Reichstag. Am Dienstag setzte der Reichs­tag die Beratung der Notstands-Interpellation fort, nach­dem Präsident v. Levetzow die Ermächtigung des Hauses nachgesucht und erhalten hatte, dem Kaiser die Glückwün­sche des Reichstages zum Geburtstage auszusprechen. Abg. Kropatscheck (konserv.) tritt den gestrigen Ausführungen der sozialdemokratischen Redner entgegen. Der Abg. Lieb­knecht habe nur Worte gemacht, die man seit SO Jahren kenne, Bebel bringe Phantasiegebilde vor, wie das vom Agent provocateur der Polizei. Sozialisten und Anarchi­sten feien nur sehr unerheblich verschieden. Praktische Vorschläge zur Abhilfe der Arbeiternot in den großen Städten habe keiner der Redner gemacht. Jede Diakonis­sin, die Suppe ins Haus trage, thue mehr für die Arbei­ter, als die ganze Sozialdemokratie. Abg. Singer (Soz.) hält die Ausführungen seiner Partei vom Notstände unter den Arbeitern aufrecht und verlangt, daß Reich und Staat dagegen etwas thäten. Es stehe überall im Erwerbsleben schlecht und erst recht bei den Arbeitern. Das Verhalten der Berliner Polizei bei der Arbeitslosen-Versammlnng am vorigen Donnerstag nennt Redner brutal und kommt dann ausführlich auf polizeiliche Agents provocateurs zu spre­chen. Staatssekretär von Bötticher erwidert bestimmt, daß es nicht zulässig sei, Berliner Verhältnisse zu verallgemei­nern. Im Reiche seien Zeichen von Besserung bemerkbar, für lokale Mißstände hätten die Landesbehörden einzutre­ten. Tie Berliner Polizei habe am letzten Donnerstag nach allen vorliegenden Berichten durchaus ihre Schuldig­keit gethan. Abg. FuchsFCtr.) empfiehlt namentlich Stel­lennachweise zur Verminderung der Arbeitslosigkeit, Abg. v. Kardorff ifreikons.) empfiehlt Rückkehr zur Wirtschafts­politik Fürst Bismarcks, von welchem er zu seiner Freude gehört, derselbe werde demnächst nach Berlin kommen, sowie strengere Wahrung der "Autorität des Gesetzes ge­genüber den Sozialisten. Abg. Kühn (Soz.) spricht unter

großer Unruhe. Damit ist die Sache zu Ende. Mittwoch 1 Uhr: Anträge.

Berlin. 23. Jan. Der Reichstag setzte heute die Debatte über die Notstandsinterpellation der Sozialdemokraten fort. Vor Eintritt in die Tages­ordnung erbat sich der Präsident v. Levetzow die Ermächtigung des Hauses, dem Kaiser zu Seinem Geburtsfeste die Glückwünsche der Volksvertretung darzubringen.

Berlin, 23. Janr. DerVorwärts" tadelt die geringe Beteiligung der sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten bei der gest.igen Notstands­debatte.

Hamburg, 25. Jan. Der Hamb. Korre­spondent erfährt aus bester Quelle, die Abreise des Fürsten Bismarck nach Berlin sei definitiv auf Freitag früh 9 U. 20 Min. festgesetzt.

Serbien.

Belgrad, 24. Jan. Der König nahm die Demission des Kabinets Gruitsch an. Das neue Kabinet ist gebildet. Simitsch, seither Gesandter in Wien, nimmt das Präsidium und das Aeußere, interimistisch auch die Finanzen, an. Der neue serbische Ministerpräsident Georg Simic ist 50 Jahre alt; er hat seine Studien an den Universitäten Hei­delberg und Berlin absolviert. Er ist ein Mann von gemäßigten Anschauungen und hat die Not­wendigkeit der Aufrechterhaltung der besten Beziehun­gen zu Oesterreich-Ungarn stets betont.

Kleinere Mitteilirirse«.

* Nagold. Tie sonderbaren Verkäufe erstrecken sich zur Zeit nicht bloß aufs Vieh, auch andere Berkaufsgegen- stände fallen in die Klasse der Komik und Unüberlegtheit. So wurde dieser Tage hier ein Schlitten ü Kubikmeter 500 an einen Reisenden verkauft, wodurch derselbe einen Wert von 200 erhielt. Ob der Verkauf wirklich perfekt wurde, konnten wir nicht erfahren.

Horb, 21. Jan. Gestern brannte es in dem 6 Km. von hier entfernten Oberthalheim. Die Malzdörre in der Bierbrauerei zum Adler wurde zum Dörren von Tan­nenzapfen verwendet; durch ungeschickte Behandlung, wie es scheint, gerieten dieselben in Brand. Die Brauerei war in großer Gefahr, allein durch das rasche, energische Ein­greifen der dortigen Feuerwehr, die mit großen Schwierig­keiten zu kämpfen hatte, bis sie den Herd des Feuers er­reichte, gelang es, des Feuers bald Herr zu werden. Daß der Brand bei Tag zum Ansbruch kam, war so«ohl für die Bierbrauerei als auch für die Nachbarhäuser von gro­ßem Glück.

Besondere Bewahrung erfuhr am Anfang vor. Woche ein Kind in Ludwigsburg. Dasselbe fuhr mit seinem Bergschlitten die stark abschüssige Bietigheimsr Straße herab. In kindlichem Leichtsinn bemerkte es nicht, daß sich unten am Berg ein Bierwagen näherte. In die Nähe des Bierwagens gekommen, war es nicht mehr im stände, an­zuhalten. Schon fürchteten die Umstehenden für sein Leben, doch das Kind fuhr mit seinem Schlitten unversehrt und ohne anzustoßen zwischen den Pferden und unter dem W r- gen hindurch. Als der Schlitten anhielt, stand es auf und lief lachend davon.

Weilheim, 22. Jan. Gestern ereignete sich hier ein betrübender Unfall. Mehrere Männer wa­ren im Walde mit Stumpengraben beschäftigt, ge­rade als 5 derselben^beim Mittagessen zusammensa­ßen, warf der Wind eine halbumgrabene Tanne um, und deckte die Männer vollständig zu. Einem der­selben schlug der Stamm den linken Fuß und die linke Hand vollständig ab, so daß ihn seine Kame­raden auf einer Leiter heimtrageu mußten, worauf er sofort ins Krankenhaus nach Tübingen geführt wurde. Die anderen vier Männer kamen glücklicher­weise mit dem Schrecken davon.

Bayreuth, 23. Jan. Der frühere Vorsteher der Reichsbanknebenstelle in Hof, Dinse, ist wegen eines Cassamankos in der Höhe von 35 000 -Nk- in Untersuchung gezogen worden.

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Hiezu das Unterhaltungsblatt Nr. 4.

Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung (Emil Zaisec) Nagold.

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