Stuttgart, 20 Jan. Das XIII. k. württ. Armeekorps wird dieses Jahr kein Kaisermanöver haben.

Stuttgart, 22 Januar. Die Satzungen der deutschen Partei Württembergs bestimmen, daß all­jährlich an einem Sonntag im Januar eine sämtli­chen Parteigenossen zugängliche Landesversammlung stattfinden soll, auf der die gerade aus der Tages­ordnung stehenden politischen Fragen verhandelt, der Parteibericht erstattet und der engere und weitere Landesausschuß gewählt werden soll. Die heurige Versammlung war auf den gestrigen Sonntag an­beraumt und fand unter der Leitung des ersten Vorsitzenden des Landesausschusses, Rechtsanwalt Dr. Schall-Stuttgart, statt. Ein Teilnehmer schreibt uns darüber: Ihr Verlauf war ein glänzender und gab Zeugnis von dem ungebrochenen Mut der Par­tei. Die Mitglieder der Partei waren auch aus entlegenen Landesteilen, wie z. B. Ravensburg, Welz­heim, Blaubeuren, Sulz, Freudenstadt, zahlreich er­schienen - die Präsenzliste wies etwa 300 Teilnehmer auf. lieber die Parteithätigkeit im verflossenen Jahr berichtete Professor Zauber vom Karlsgymnasium zu Stuttgart, über die Fragen der Reichspolitik Dr. Schall, über die der Landespolitik Rechtsanwalt Stockmayer. Die Zahl der Vereine hat sich im Jahr 1893 um 8 vermehrt; der eingeschriebenen Mitglie­der sind es etwa 6000. Die Beschlüsse, welche der Versammlung vorgelegt wurden, betrafen die Ab­lehnung aller derjenigen Steuervorlagen, welche den gemeinen Mann belasten könnten, die Erinnerung an die Notwendigkeit der Verfassungsrevision und der Inangriffnahme der Abschaffung der Lebensläng- lichkeit der Ortsvorsteher; die Billigung des Regie­rungsentwurfs über die Entfernung und Pensionie­rung unverschuldet dienstuntüchtig gewordener Orts­vorsteher und Körperschaftsbeamten, lieber alle diese Fragen herrscht Einmütigkeit zwischen der Partei und ihren Vertretern in der Kammer. Der Verein der deutschen Partei in Heilbronn ließ durch Prof. Th. Knapp den Antrag einbringen, die Zugehörig­keit eines Bundesfürsten zu einem fremden Staat soll reichsverfassungsmäßig untersagt werden, der fast einstimmig angenommen, wurde. (St.-A.)

Schwenningen a. N., 19. Jan. Eine wich­tige Erfindung soll Herr Uhrmacher A. Häusle in Villingen, der geistige Urheber der bekannten Welt­uhren, gemacht haben. Es ist ein immerwährendes Triebwerk oder wie es Herr Häusle nennt,die konstante vorwärtsströmende und rückwärtswirkeude Kraft einer Taschenuhrfeder." Die Erfindung sei verblüffend einfach, sie soll hauptsächlich dazu be­stimmt sein, als Triebwerk für Uhren zu dienen; der Erfinder-glaubt aber, daß sich die Kraft auch für andere größere Betriebe verwenden läßt. Dem Aufziehen der Uhren wäre man also in Zukunft ent­hoben. Auf die Uhren-Fabrikation dürfte die Er­findung von ganz enormer Einwirkung sein. Der Apparat wird zur Patentierung nach Berlin ge­schickt.

Göppingen, 22. Jan. Dem Landjäger Die­bold ist es gelungen, den am 9. ds. bei Neckarrems Ermorderten in der Person des 25jährigen ledigen Bierbrauers Jakob Köpp aus Adelberg OA. Schorn­dorf ausfindig zu machen.

Die märkische Stadt Mittenwalde, die be­kanntlich eine Jahrhunderte alte Schuldurkunde der Stadt Berlin aufgefunden hat, an deren Bezahlung aber natürlich nicht mehr zu denken ist, kann sich bei der gemachten Erfahrung noch immer nicht be­ruhigen. Der Glaube, daß in der entdeckten Ur­kunde dennoch ein gewisser Geldwert steckt, ist der Stadt nicht zu nehmen und es sind bereits Schritte gethan, den Fund auszubeuten. DieVoss. Ztg." bemerkt hierzu ironisch: Wir wollen die betriebsame Stadt nur daran erinnern, daß es einen Zirkular­erlaß des Ministers des Innern giebt, der den Städten verbietet, sich ihrer geschichtlichen Urkunden zu veräußern. Er ist vom 17. Februar 1859 und dadurch veranlaßt worden, daß der Erhaltung städ­tischer Urkunden nicht überall diejenige Aufmerksam­keit geschenkt worden war, die sie verdiente.

Der Reichsanzeiger veröffentlicht das Gesetz, betr. die Gewährung von Unterstützungen an In­validen aus den Kriegen vor 1870 und an deren Hinterbliebene.

Aus dem Reichstage. Die Erklärungen, welche der württembergische Ministerpräsident v. Mittnacht über die Stellung der württembergischen Regierung

zum Weinsteuer-Gesetzentwurf am Sonnabend ab­gab, erregten im Reichstage das größte Aufsehen. Eine so scharfe Bekämpfung eines vom Bundesrat genehmigten Entwurfs durch den Vertreter eines Einzelstaates ist bisher noch niemals vorgekom­men. Von den Abgg. Auer (Sozaldem.) und Gen. ist folgende Interpellation eingebracht: Die Unterzeichneten richten an den Herrn Reichskanzler die Frage: Welche Maßregeln haben die verbünde­ten Regierungen ergriffen, oder gedenken sie zu er­greifen. um dem notorisch vorhandenen Notstände entgegenzuwirkeu, der in Folge andauernder Arbeits­losigkeit, sowie der allgemein gedrückten Erwerbsver­hältnisse in den weilesten Volkskreisen herrscht? Das fünfte Verzeichnis der beim Reichstage ein­gegangenen Petitionen enthält wieder zahlreiche Gesuche betr. den Hausierhandel und den Kolpor­tage-Buchhandel, für und gegen den russischen Han­delsvertrag. für Gleichstellung des deutschen und des russischen Hopfenzolls, um Beseitigung des Impf­zwanges, um fakultative Einführung der Feuerbe­stattung, um Abänderung des Jnvaliditätsgesetzes, gegen die Besteuerung der Quittungen, Frachtbriefe und Cheks, gegen die Tabak- und Weinsteuer, gegen den Gesetzentwurf über die Abzahlungsgeschäfte.

Berlin, 18. Jan. Aus dem Entwurf zur Abänderung der Gerichtsverfassung und Strafprozepvrdnung sind fol­gende Bestimmungen hervvrzuheben: Die Berufung gegen Urteile der Strafkammer erfolgt an das Oberlandesgericht. Das Verfahren in der Berufsinitanz ist ein mündliches. Unschuldig Verurteilte können, wenn sie ini Wiederaufnah­meverfahren sreigesprochen werden, Ersatz für den Verlust beanspruchen, den sie durch die Strafvollstreckung an ihrem Vermögen erlitten haben. Der Antrag ist an die Staats­anwaltschaft des freifprechenden Gerichts zu stellen. Ueber den Antrag entscheidet die oberste Behörde der Landesju­stizverwaltung oder, wenn das Reichsgericht in erster und letzter Instanz erkannt hat, der Reichskanzler. Die Beei­digung eines Zeugen erfolgt nach Abschluß seiner Verneh­mung. Im Vorverfahren kann die Beeidigung unterblei­be», wenn Bedenken gegen deren Zulässigkeit obwalten. Tie Zuständigkeit der Schöffengerichte und Strafkammern wird erweitert; die Wertgrenze der den Schöffengerichten überwiesenen strafthaten wird überall von 25 auf 100 , //, erhöht.

Deutscher Reichstag. Am Sonnabend Spätnach­mittag brachte der Reichstag die erste Beratung der Wein­steuervorlage endlich zum Abschluß. Der Gesetzentwurf wurde derselben Kommission überwiesen, welcher das Stern- pelsteuergesetz und das Tabaksteuergesetz bereits zugegangen sind. Vorher wurden noch 7 Mitglieder der Reichskom­mission für Arbeitsstatistik gewählt. Abg. Payer «Volks- partei) führte aus, daß das Weinsteuergesetz in Süddeutsch­land, namentlich in Württemberg, einen recht schlechten Eindruck gemacht habe. Damit fördere man den Reichs­gedanken nicht. Die kleinen Winzer seien schon über die Gebühr belastet und nun komme man noch mit solchen Ab­gaben. Der württembergischen Regierung sei 1870 beim Abschluß der Bundesverträge versichert, der Wein solle nur mit Zustimmung der interessierten Staaten einer Reichs­steuer unterworfen werden, Württembergischer Minister­präsident v. Mittnacht legt dar, ein bestimmtes Verspre­chen in dieser Beziehung sei gerade nicht gegeben, wohl aber sei von Herrn Delbrück damals eine solche Berücksich­tigung in Aussicht gestellt. Die württembergische Regierung habe im Bnndesrate gegen diese Weinsteuervorlage ge­stimmt, weil dadurch die kleinen Winzer zu schwer geschä­digt würden. Abg. Roeren (Ctr.) ist gegen die Vorlage, weil dieselbe den obwaltenden Verhältnissen zu wenig Rech­nung trage. Hierauf beantragt v. Kardorsf (sreikons.) Vertagung der Beratung, damit der heute nicht anwesende Reichskanzler auf die Erklärung des württembergischen Ministerpräsidenten antworten könne. Abg. Rickert (freis.) schließt sich dem an, da Herr v. Mittnacht sich über die Nichteinhaltung eines von' der Reichsregierung gegebenen Versprechens beklage. Ministerpräsident v. Mittnacht stellt Letzteres in Abrede. Bindende Verpflichtungen habe Württemberg früher nicht erlangt. Abg. Groeber (Ctr.) sieht keinen Grund zur Vertagung. Der württembergische Minister habe einfach seine Stellungnahme zum Beratungs- gegenstande präzisiert, das sei sein Recht. Abg. Tr. H a m- macher (natlib.) wünscht aber doch Vertagung. Abg. Richter (freis.) findet an der Erklärung nichts Ungewöhn­liches und wird einer Vertagung nur zustimmen, wenn die Vertreter der Reichsregierung dies selbst wünschen. Reichs- schatzsekretär Graf Posadowsky und Staatssekretär Frhr. v. Marschall erklären, hiezu keine Veranlassung zu ha­ben. Der württembergische Ministerpräsident habe mit seiner Erklärung nur ein verfassungsmäßiges Recht aus­geübt und übrigens von seiner Absicht dem Reichskanzler vorher Mitteilung gemacht. Minister v. Mittnacht bestä­tigt das. Abg. v. Kardorsf ffreikons.) wünscht trotzdem den Vertagungsantrag aufrecht zu erhalten. Abgg Ham- macher, Richter und Lieber erachten das für unnötig. Der Vertagungsantrag wird abgelehnl. Nachdem noch Abgg Blankenborn (natl.), Hirschel (Antis.), Joest (Soz.) gegen die Vorlage gesprochen, wird dieselbe der Kommission über­wiesen. Alsdann vertagt sich das Haus bis Montag l Uhr. (Kleine Anträge.)

Berlin, 21. Jan. DieSchles. Ztg." meldet, der Kaiser habe neuerdings sich gegenüber einem der konservativen Partei nahestehenden Herrn dahin ausgesprochen, die Konservativen sollten nicht denken.

daß er sich in der Wahl seiner Ratgeber irgendwie beeinflussen lassen würde, nnd daß er insbesondere in Bezug auf den r u s s i s ch e n Hand" lsve r t r a g nicht ganz hinter dem Grafen Caprivi stände. Diese Meldung ist, wie derTäglichen Rundschau" aus zuverlässiger Quelle mitgeteilt wird, richtig. Es wird sogar berichtet, daß diese Aeußerungen Seiner- Majestät noch viel unzweideutiger lauteten, als die Mitteilung derSchles. Ztg." V-rkennen läßt. Der vom Kaiser angeredete Herr ist der Träger eines bekannten konservativen Namens.

Berlin, 22. Jan. An dem gestrigen Ordens­feste nahm auch Staatsminister Graf Herbert Bis­marck teil, der dazu befohlen war. DieStraßb. ' Post" berichtet, die Kaiserin habe den Grafen Bis­marck huldvoll angesprochen, während der Kai'er nicht mit ihm geiprochen habe. Graf Bismarck" er­schien in der Parade-Uniform eines Stabsoffiziers des 1. Garde-Dragoner-Regiments, n ln mute des­sen er steht.

Berlin, 23. Jan. Dem Vernehmen nach über­gab Flügeladjutant Moltke gestern dem Fürsten Bismarck ein allerhöchstes Handschreiben, worin der Kaiser unter Uebersendung einer Flasche Wein den Fürsten Bismarck zur Rekonvaleseenz nach über­standener Influenza beglückwünscht. DieKöln. Ztg." erfährt, Fürst Bismarck habe dem .Kaiser dan­kend erwidert, er würde sich unmittelbar nach dem Geburtstag des Kaisers bei dem Kaiser in Berlin melden.

Berlin, 23. Jan. DerBörsencourier" will wissen, der deutsch-russische Zolltarif könne als sest- gestellt angesehen werden, die Veröffentlichung sei in etwa 10 Lagen imReichsanzeiger" zu erwarten.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 21. Jan. Aus dem Königreiche Ser­bien, wo augenblicklich alles außer Rand und Band ist, und der Radikalismus es so weit gebracht hat, daß das ganze Staatsgebäude aus dem Leim zu gehen droht, werden wir in den nächsten Tagen ganz au­ßerordentliche Dinge erfahren. Exkönig Milan, der gestern Wien passiert hat, um nach Belgrad zu ei­len, ist von seinem Sohne, dem jungen Könige Alexander, berufen worden, um ihm in der trost­losen Lage beizustehen, in der sich Thron und Land befinden. Es handelt sich nicht allein um ein neues Ministerium, sondern auch um etwaige Auflösung der Skuptschina, vielleicht Suspendierung der Verfassung durch ein nck lwo einzusetzendes Militärkabinet. Außerdem machen sich im Lande Kundgebungen be- merklich, die den Prinzen Karageorgiwie auf den serbischen Thron setzen möchten, also höchst bedenk­liche revolutionäre Bestrebungen. Da muß es in Belgrad gar vieles zu ordnen geben, wenn der ver­haßte Exkönig Milan wieder berufen wird, um da­selbst Wandel zu schaffen. Während Rumänien und Bulgarien sich in höchst beachtenswerter Weise ent­wickeln und ihre Staatswesen blühen und gedeihen unerachtet aller Mißgunst Rußlands, geht in Serbien alles reißend rückwärts. Das radikale Regiment hat es so weit gebracht, daß die Staatskassen leer, die Steuerrückstände kolossale sind und Offiziere und Staatsbeamte kaum die Hälfte ihrer Gehalte be­kommen können.

Wien, 22. Jan. DiePolitische Korrespon­denz" meldet aus Belgrad, die Ankunft Milans be­zwecke den letzten Versuch, eine Uebereinstimmung zwischen dem König und den Radikalen herbeizuführen. Von dessen Gelingen hänge die Möglichkeit der Fort­dauer des radikalen Regimes ab.

In dem Omladinistenprozeß zu Prag ist das Verhör der Angeklagten noch nicht beendet. Die Angeklagten, meist junge Burschen, machen dem Präsidenten viel zu schaffen; sie benehmen sich frech und widerspenstig und verursachen alle Augenblicke Ruhestörungen, sodaß der Präsident auf Energischste gedroht hat, im Fall der Wiederholung solcher Zwi­schenfülle in Abwesenheit der Angeklagten zu ver­handeln. Bei Beginn der Verhandlung am Frei­tag ist der Präsident des Strafgerichts, Hofrat Prochaska, im Stal erschienen, um die Angeklagten und das Publikum auf das Eindringlichste zu er­mahnen, der Würde des Orts, au dem sie sich be­finden, eingedenk zu sein. Sodann hat der Ver­handlungspräsident einen anonymen Drohbrief ver­lesen, in welchem er uns beide Staatsanwälte mit dem Tod durch Dynamit bedroht werden, falls die Omladinisten verurteilt würden. Der Gerichtshof