/ es doch von der Einsicht, daß heute Arbeiten und Ringen notwendig sei, aber nicht eitles Klagen. Wir haben im Verlauf des Jahres gesehen, daß auch bei uns lange nicht alles Gold ist, was da glänzt, daß es in der Zukunft erforderlich sein wird, noch manches Schlechte durch Besseres zu ersetzen, und i Mißstände auszumerzen, die sich eingeschlichen haben, ^ aber wir haben auch das gesehen, daß es im deutschen , Reiche noch allenthalben warmherzige Hilfe für die ! Bedrängten giebt, daß es bei uns nicht schlimmer, , sondern vielfach besser war, als anderswo. Und
diese Erkenntnis ist eine heilsame, sie wird, so steht ! zu hoffen, im neuen Jahre dazu beitragen, daß ein i Zeder rüstig weiterarbeitet, bessere und günstigere > Verhältnisse zu schaffen. Es ist bekannt, daß Not z und Ungemach viele Menschen einander nähern, die , in günstiger Lebenslage weit von einander stehen,
j selbst sich bekämpfen und befehden. Auch im abge- j laufenen ungünstigen Jahre hat wohl häufiger eine ' solche Annäherung stattgesunden, die wir gut thun,
! ln Zukunft sorgsam zu hegen und zu pflegen, denn j sie wird dem weiten, großen Baterlande von Heil sein.
! Wie es in der Entwicklung kraftvoller Nationen j immer der Fall, sind auch im deutschen Reiche im i letzten Jahre die Ansichten, Meinungen und Wünsche ! der Einzelnen häufig genug hin und her und auch kreuz und quer durch einander gegangen. Was den ! einen zum Lobe hinriß, war für den andern ein
! Gegenstand des Tadels, und die alte deutsche Cha-
! raklereigentümlichkeit, viel mit Worten zu fechten, j statt Thaten sprechen zu lassen, hat auch im letzten i Jahre sich deutlich gezeigt. Viele Tinte ist unnötig st verschrieben, und mancher, dem Einzelnes nicht be- hagte, wohl mit Recht, hat hundert andere mit mißmutig gemacht, die weniger gut als er verstanden, die Spreu vom Weizen zu sondern. Aber dieses Hin und Her ist nicht zu tragisch zu nehmen, es hat die breiten Volksmassen kaum berührt, die allein im Kampfe mit der wirtschaftlichen Mißgunst das sahen, was sie direkt betraf. Vieles liegt heute bei uns noch im Unklaren, und ob immer das Begonnene zur Vollendung reifen wirb, läßt heute sich nicht feststellen. Aber die Ruhe und die Sachlichkeit, mit welchen allein wichtige Volksfragen entschieden werden können, sie herrschten doch in der Hauptsache schon vor und sie werden in Zukunft gewiß dem Richtigen zum Siege verhelfen. Daß großen Zielen und Zwecken sich kleine Bedenken unterordnen müssen, war so bei allen Kulturvölkern der Erde, und gerade der erste Staatsmann unserer Zeit war während seiner langen Amtsperiode der entschiedenste Vertreter dieses Grundsatzes. Was Deutschland mit sich selbst abzumachen, was es zu ordnen hat, das wird es in Zukunft in aller Ruhe ordnen können. Dank der Klugheit und Vorsicht des Reichs-Regimentes hat der Friede in Europa im verflossenen Jahre keinerlei Erschütterung erfahren, enger gezogen sind nur noch die Bande, welche alle wahren Freunde des Friedens in unserem Erdteile vereinigen. Und wenn einige Zeit hindurch darauf hingewiesen werden konnte, daß auch zwischen den Schürern der Völkerzwietracht eine Vereinigung - zu Stande gekommen zu fein scheine, so können wir doch nunmehr, am Schlüsse des Jahres, sagen, daß sich bereits herausgestellt hat, daß jene Vereinigung eine jo unnatürliche und gewaltsame war, daß von ! einer direkten Bedrohung des Friedens durch sie auch nicht entfernt die Rede sein kann. So können wir wenigstens in dieser Beziehung beruhigt in das ueue Jahr treten.
Begonnen ist bereits mit dem Versuche, in Zukunft eine Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse zum Besseren yerbeizuführen. Ob der Versuch gelingen wird, kann heute niemand sagen, wir können aber Hoffnungen aus der Thatsache schöpfen, daß heute alle Staaten, selbst die dem Frieden wenig geneigten, gezwungen sind, sich freundschaftlich mit einander zu vertragen, wenn bei ihnen zu Hause nicht ein totaler Zufammenbruch erfolgen soll. Diese Notwendigkeit besteht, und auf sie können wir uns weit mehr verlassen, als auf alle Phrasen und idealen Ansichten von Völkerfreundschaft, die doch immer an einem bestimmten Punkte ihre Grenzen har. Deutschland hat in einer großen wirtschaftlichen Lage die Führung übernommen und seine Stellung hat einen großen Eindruck auch bei unseren Gegnern gemachte Das haben wir doch jedenfalls in diesem Jahre errungen. Im übrigen wollen wir uns auf die eigene Kraft verlassen, mit Energie und mit Tätigkeit
unter den verschiedenen Erwerbsfaktoren die deutschen nationalen Interessen vertreten. Des Bürgers Kraft bildet des Landes Wohlstand, das ist eine feststehende Thatsache, sein Schaden ist von Nachteil für das Ganze. Mag er mehr und mehr in Zukunft in den Vordergrund der wirtschaftlichen Kämpfe treten, er wird seinen Mann stellen, wie auch im abgelaufenen Jahre unter der Zeiten Ungunst. Die teilweise Mißernte hat dem deutschen Volke schwere Lasten auferlegt, sie vor allem hat dazu beigetragen, daß wir den Wunsch erheben: Mag es besser werden! Hoffen wir vor allem, daß in dieser Richtung das neue Jahr ein reichgesegnetes sein und uns ein voller Ernteertrag bescheert sein möge! Nicht alles wird außerdem mit einemmale gut werden, arbeiten wir nur für das Mögliche; arbeiten wir daran unermüdlich und treu, in deutschen Worten und deutschen Werken, dann werden wir übers Jahr hoffentlich sagen können, daß es besser geworden. Und nun, mit Gott, ins neue Jahr und durchs neue Jahr!
Hages-Weuigkeiten.
Deutsches Weich.
Nagold, 28. Dez. (Korresp.) Heute fand die amtliche Eröffnung der Eisenbahn Nagold— Alten steig in feierlicher Weise statt. Ein sonnenheller Tag, wie unser Thal seit lange keinen gesehen hat, ließ die Reize der eigenartigen Bahn in besonders vorteilhaftem und glänzendem Lichte erscheinen. In den Räumen des hiesigen Bahnhofs gab die Feststadt Altensteig den geladenen Ehrengästen ein Gabelfrühstück. Wie uns ein verstohlener Blick durch die Scheiben belehrte, ist es Herrn Luz zur „Post" gelungen, durch treffliche Speisen wie Weine die volle Zufriedenheit und Anerkennung seiner Gäste zu erwerben. Mit den Farben des Landes und Tanncn- grün geschmückt setzte sich der festliche Bahnzug in Bewegung. Kenner bewunderten namentlich die sinnreiche, von Oberbaurat Klose für Schmalspurbahnen erfundene Konstruktion der Lokomotive. Ein überraschend schöner Ausblick und Abstieg in das sich öffnende Waldachthal und dann in lieblich gewundener Schlangenlinie hinüber ins Nagoldthal zur ersten Station — „Kronstadt". Im Vorgefühl seiner künftigen Bedeutung hatte sich dieser Stadtteil besonders reich geschmückt. Freundlich grüßten die male- rischeu Ruinen Hohen-Nagolds und weiter gings nach Rohrdorf. Ein kurzer Aufenthalt dort, der gerade genügte, um die schöne Lage und Ausführung des dortigen Bahnhofs zu bewundern, und wir fuhren nach Ebhausen. Hier konnten wir nur im Fluge eine poetische Inschrift mit den Stichworten „Provisorium — Ministerium" bemerken, denn schon stand vor uns die freudig bewegte Menge der Einwohner, die Schuljugend, die Feuerwehr u. s. w. Rede und Gesang bewillkommten den Zugauch auf der Haltstelle Berneck, deren schlichte Einfachheit die einstige Bedeutung der alten Schleglerburg allerdings nur von ferne ahnen läßt. Wirklich schön hatte sich die Stadt Altensteig geschmückt, Und als dann nach Austausch der offiziellen Be- grüßnngsworte, unter Glockengeläute und Musik, eine Reihe von Gefährten, die gesamte Schuljugend, die Vereine, die Mengen der von nah und fern, zum Teil aus der „Region des Kienspans" herbeigeeilten Landleute teilweise noch in alter Schwarzwälder Tracht, als dieser Festzug sich durch die Straßen der altehrwürdigen, hochgebauten Stadt bewegte: da bekam ein jeder den Eindruck, daß die Stadt und die Umgegend in weitem Kreis den Tag feierte als einen Tag ganz besonderer Freude und froher Hoffnung für eine glückliche Zukunft. Das Festmahl im Waldhorn verlief durchaus harmonisch. Dessen gemütliche Ausdehnung ließ einer Flut von Toasten freiesten Spielraum. Wir heben unter den Rednern hervor die Direktoren v. Balz und Leibbrand, Oberamtmann Dr. Gugel, Präsient v. Luz, Reichstagsabgeordneter v. Gültlingen, die Stadtvorstände von Altensteig und Nagold. Poetische Gaben boten Kameralverwalter Bühler und Stadtpfarrer Hetterich. Der um das Gelingen des Werks so hoch verdiente Abgeordnete v. Luz wurde zum Ehrenbürger seiner Vaterstadt ernannt. Jedermann, dem an diesem Tage Ehre, und Dank gebührte, wurde solcher gezollt: Dem- Könige, den Ministerien, der Ständekammer, der wohlverdienten Bauleitung, dem Gemeinsinn der Gemeinden und Privaten, die nur durch große Opfer das Zustandekommen des Werkes ermöglicht habe«. Direktor v. Balz insbesondere feierte diese Opfer
willigkeit, die allein es möglich gemacht habe, dieses für das Land erste und darum vorbildliche Werk einer Schmalspurbahn mit Seknndärbetrieb zu wagen. Er legte in einer bedeutsamen Rede die große Wichtigkeit und Zukunft der Straßenbahnen dar, deren Fertigstellung freilich auch ihre besonderen Schwierigkeiten habe. Gerade die Eigenart dieses Baues und Betriebs sei es, in einfachster und billiger Weise nur den augenblicklichen Bedürfnissen des Verkehrs zu genügen. Sollte aber der Verkehr mit der Zeit Erweiterungen der getroffenen Einrichtungen als notwendig Nachweisen können, so werde die Regierung zu jeder Vervollkommnung und Erweiterung des Werkes sich bereit finden lassen. Vorerst aber möge jedermann mit Dankbarkeit, Nachsicht und Geduld sich in die unausweichlichen Schwierigkeiten des Anfangs und in die Unebenheiten des nun einmal ersten Versuchs finden und durch fleißige Benützung der Bahn, einschließlich des letzten Zugs, das Werk zu einem gelungenen und renta- beln machen. Ein gespenstiger Fackelzug an den Bergen, eine allgemeine, brillante Beleuchtung der Stadt und das Abbrennen eines Feuerwerks, das jeder Großstadt Ehre gemacht hätte, beschloß den gelungenen Tag. — Der Züge gehen nun täglich genug zwischen den beiden Nachbarstädten. Möge auch der Zug, der zwar im Fahrplan nicht steht, der aber der wichtigste ist. der Zug eines steigenden Geschäftsverkehrs wie der Zug freundnachbarlicher Geselligkeit thalauf thalab sich mehr.'und mehr entwickele, ^
.Alten steig, 29. Dez. Das von der hiesi- "gen Bewohnerschaft schon lange herleigewünschte Ereignis ist nun endlich eingetroffen. Gestern wurde unsere Eisenbahn feierlich eröffnet und hente ist sie dem Betrieb erschlossen. Niemand hier wird den gestrigen, für unsere Stadt so wichtigen Tag vergessen. Die Wetterpropheten hatten zwar für denselben Regen „vorausgemntmaßt", trotzdem lächelte aber der Himmel so freundlich auf die'Stadt nieder, wie man's nicht besser um die gegenwärtige Jahreszeit erwarten konnte. In großen Scharen war darum auch die Bevölkerung von nah und fern hiehcc- geeilt, um die Ankunft des Festzuges Und die Stadt in ihrem Festgewand zu sehen. Das war ein Jubel, als die prächtige Lokomotive „Altensteig" die ebenso hübschen als praktischen und bequemen, dicht mit den Ehrengästen besetzten Personenwagen der harrenden Menge zu Gesicht brachte! Nach einer herzlichen Begrüßung der Festgäste seitens des Hrn. Stadtschultheiß Welker am reich und geschmackvoll bekränzten Bahnhof setzte sich der Menschenstrom durch die prächtige Ehrenpforte der Poststraße entlang in Bewegung, welche auf beiden Seiten mit Tannenbäumen besetzt war. Die städtischen Behörden, die Ehrengäste, die verschiedenen hiesigen Vereine und Schulen und eine Menge weiterer Teilnehmer bildeten den stattlichen Festzug. Fahnen in den Reichs- und Landesfarben wehten von den Häusern, allenthalben waren Guirlanden und Kränze angebracht. — Die Festtafel im Gasthaus „zum Waldhorn" war überaus zahlreich besetzt und viele, die am Essen teilnehmen wollten, mußten aus Mangel an Sitzplätzen ein anderes Gasthaus aufsuchen. Auch in den übrigen Wirtschaftslokalen waren alle Tische gedrängt voll von auswärtigen Gästen. Mit dem Einbruch der Dunkelheit füllten sich alle Straßen und Gassen wieder mit frohen Menschen. Den Festteilnehmern stand noch ein äußerst herrlicher Ge- ,nuß bevor, die Beschauung der Illumination der Stadt. In blendendem Lichterglanz strahlten die Häuser der obern und untern Stadt. Die städtischen Gebäude, das Rathaus und die beiden Schulhäuser, die staatlichen Bauten und viele Privatwohnungen waren derart beleuchtet, daß die Zuschauer entzückt werden mußten. Als sich vollends der Fqckelzug am „Hellesberg" in Bewegung setzte und das Feuerwerk auf dem Marktplatz abgebrannt wurde, da hörte man aus manchem Munde die Worte: „Ah, wie wunderschön!" Viele Beschauer gestanden überrascht, daß auch ihre kühnsten Erwartungen übertroffen worden seien, — Die nun eröffnete Eisenbahn selbst aber freut hier und auswärts jedermann. Gab es auch Leute, die während des Baues der Bahn dies unh.jenes , daran auszusetzm und zu tadeln sich berechtigt glaubten, so ist doch jetzt die Freud? über das nachträgliche schöne Weihnachtsgeschenk, das die K. Staatsregierung der hies. Stadt
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