Der Gesellschafter.

Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

131 .

Erscheint wöchentlich 3mal: Dienstag. Donners­tag und Samstag, und kostet vierteljährlich hier (ohne Trägerlohn) 80 -!, in dem Bezirk 1 .L, außerhalb des Bezirks 1 20 4.

Monats-Abonnement nach Verhältnis.

Donnerstag 5. November.

ZnsertiönS-Grbühr für die Ispalttge Zeile aus

gewöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 bei mehrmaliger je 6 -i.

Die Inserate müssen spätestens morgens 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei aufgegcben sein.

1891 .

TcrgLS-Weurgkerten.

Deutsches Weich.

Rottweil, 29. Okt. (Landgericht.) Am Don­nerstag den 17. September d. I. brach zu Rexingen. - OA. Horb, in dem von dem verheirateten Schreiner Anton Dettling und dem Maurer Kreidler gemein­schaftlich bewohnten Wohnhause ein Brand aus, welcher nicht nur dieses Gebäude, sondern noch wei­tere 12 Häuser in Asche legte. Der Gebäude- und Mobiliarschadcn beträgt 60 000 Dieser Brand ist, wie wir seiner Zeit berichtet, durch die Fahr­lässigkeit Dettlings herbeigeführt worden, der im Stall räuchern wollte, um die lästigen Mücken u. s. w. zu vertreiben, wobei Stroh und Heu in Brand geriet. Derselbe wurde heute zu einer Gefängnis­strafe von 5 Monaten verurteilt.

Pliezhausen, 2. Nov. Heute früh durch­eilte die Schreckenskunde unfern Ort, daß der Zim­mermann Philipp Bayer in der vergangenen Nacht ermordet worden sei. Bayer, der mit seiner Familie immer in Zwistigkeiten lebte, war in der Nacht, als er glaubte, seine Angehörigen schliefen, aufgestanden und hatte ein Beil zur Hand genommen, wie man glaubt, um über seine Familie herzufallen. Der 21jährige Sohn Bayers ergriff aber gleichfalls sein Beil und gab dem Vater einen Hieb, daß er zu Boden stürzte. Durch weitere Hiebe mit der Schnitt­seite des Beils ist der Kopf des Getöteten ganz zer­spalten. Der verhaftete Thäter zeigt bis jetzt keine Reue.

Stuttgart, 29. Okt. Zurzeit wird, wie ver. lautet, in Kreisen der Regierung die Frage erörtert, ob in Zukunft für verliehene Äpothekerkonzessionen, außer den bisher angesetzten Sporteln, eine alljähr­liche Konzessionsabgabe zu erheben sei und wozu eventuell die hiedurch eingehenden Gelder zu ver­wenden seien. In Apothekerkreisen ist man darauf gefaßt, daß die Frage in bejahendem Fall entschieden wird, trotzdem man auch in Regierungskreisen nicht verkennen werde, daß die Lage der Apotheker infolge der enormen Preissteigerung der Apotheken bei wei­tem nicht mehr so günstig sei wie früher. In der Erwartung eines diesbezüglichen Entschlusses der Regierung regt sich in Apothekerkreisen eine Agitation zu Gunsten einer an die K. Regierung zu richtenden Bitte, es mögen die eventuell aus der obigen Be­stimmung eingehenden Gelder zu Stipendien für die Heranbildung tüchtiger junger Apotheker, woran Mangel herrschte, verwendet werden.

Stuttgart, 31. Okt. Se. Maj. der König hat unterm 30. Okt. verfügt: Freiherr v. Gültlingen, Oberst, zugeteilt der 13. Feldart.-Brig. (kgl. württ.), wird unter Verleihung des EhrcnritterkrcuzeS des Ordens der württ. Krone und Erteilung der Erlaubnis zum Tragen der Uniform des Drag.- RegtS. Königin Olga Nr. 2S der Abschied mit Pension be­willigt.

Stuttgart, 31. Okt. Der Frau Schneider­meister Wurster von Donaueschingen, welche beim Baihinger Eisenbahnunglück schwer verletzt wurde, war vom Eisenbahnfiskus eine Lebensrente von 700

angeboren worden. Da die Frau aber 2400 ^ jährliche Rente verlangte, kam es zum Prozeß, welcher mit einer Erhöhung der Rente von 700 auf 1350

endete.

Stuttgart, 1. Nov. Vorgestern gelang es dem Stationsmeister in Pleidelsheim, einen dortigen Lehrer wegen Wilderei zu verhaften.

Stuttgart, 1. Nov. S. K. H. Herzog Wil­helm von Württemberg wird nach einem Telegramm

derM. A. Z." aus Graz am 4. November dauernd hierher übersiedeln.

Stuttgart, 4. Nov. (Privattelegramm des Gesellschafter"). (Abgeordnetenwahl). In Oehringen wurde gewählt Hartmann (demokr. Partei) mit 2249 Stimmen, Leemann erhielt 847 Stimmen, dreizehn Wahlorte stehen noch aus; in Oberndorf ist Leibbrand gewählt, bisher 876 Stimmen Vorsprung in 15 Gemeinden.

Stuttgart. Sämtliche Unterbedienstete beim Hofe haben fortan nur noch glattrasiert zu erscheinen.

Lvdwigsburg, 30. Okt. Zufolge Verfügung der Strafkammer des K. Landgerichts Rottweil wurde heute der Bäckergeselle Pius Entreß von Rottenburg, welcher «m hiesigen Zuchthaus seit 9. Januar d. I. eine gegen ihn wegen schweren Diebstahls erkannte Zuchthausstrafe von 4 Jahren und 2 Wochen ver­büßt, entlassen; nach dem Beschluß der genannten Strafkammer ist die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Entreß angeordnet.

Heilbronn, 30. Okt. Die für die aus Ruß­land vertriebenen Juden in Württemberg veranstaltete Sammlung hat 15 314 70 L ergeben.

Heilbronn, 31. Okt. Zu Ehren des 70. Ge­burtstages Härle's fand heute abend ein glänzender Fackelzng und dann ein Bankett imHarmonie"Saal unter Beteiligung der gesamten Bürgerschaft statt.

Eine in Ulm stattgehabte Versammlung von Vorständen und Kassieren der Krankenkassen des Donaukreises beschloß eine Petition an das Mini­sterium des Innern, daß eine möglichst allgemeine Honorierung der Kassenärzte zu den Sätzen von 2 Mk. per Mitglied und Jahr am Sitze des Arztes, für auswärts dagegen 3 Mk. zur Durchführung ge­langen möge. In den Debatten wurde hauptsächlich betont, daß nach den bisherigen Honorarforderungen die Existenzfähigkeit mancher Kassen in Frage gestellt sei. Ferner wurde eine Eingabe beschlossen, daß eine Rabatterhöhung der Apotheken um 20 pCt. durch­geführt werden möchte. Gleich wünschenswert so wurde betont sei auch die Normierung der Krankenhausverpflegungskosten; ein Satz von 1,60 «/L per Tag, ärztliche Behandlung und Medikamente inbegriffen, wurde als vollständig zweckentsprechend erachtet und es wird dieser Vorschlag ebenfalls dem Ministerium zur Durchführung empfohlen. Die Ver­sammlung protestierte endlich dagegen, daß die durch die Alters- und Invalidenversicherung geleisteten Arbeiten von den Krankenkassen honoriert werden müssen.

Ulm, 3. Nov. Der Dieb, welcher vor einigen Monaten in der Oberamtspflege Blaubeuren einbrach und Geld und Staatspapiere im Werte von 18 000 Mark gestohlen hat, ist in Rom unter Mitwirkung des deutschen Konsulats daselbst verhaftet worden. Es ist der gestern in Rom mit seiner Braut ange­kommene Revisionsassistent Klein aus Aalen. Im Besitze des Verhafteten wurden noch 13 000 Frc. vorgefunden. Er wird nun von Italien hieher aus­geliefert.

In Murrhardt traten Lehrer aus den Ober­ämtern Backnang, Gaildorf, Welzheim, Waiblingen, Cannstatt, Ludwigsburg, Stuttgart, Hall und Mar­bach zusammen, um über die Sonntagsschulfrage zu verhandeln. Die SonntagSschule wurde entschie­den abgelehnt, und eine Werktags-Fortbildungsschule bis ins 16. Lebensjahr verlangt. Als Unterrichts- gegenstände sollten, den gegenwärtigen gesetzlichen Bestimmungen entsprechend, diejenigen berücksichtigt

werden, diefürs bürgerliche Leben vorzugsweise von Nutzen sind." Als besonders nötig wurden populäre Belehrungen aus der Volkswirtschaftslehre, sowie Gesetzes, und Verfassungskunde bezeichnet.

München, 2. Nov. Vor Beginn des Aller­seelen-Gottesdienstes gab Herr Pfarrer Gatzenmaier heute der altkatholischen Gemeinde die Entschließungen des bayerischen Kultusministeriums bekannt; erschloß mit folgenden Worten:Demnach sind die altkatho- lifchen Geistlichen in Bayern gezwungen, sich bei der Feier der Religionshandlungen einer anderen Kleidung zu bedienen, als die römischen Geistlichen."

Nach einer Mitteilung derKöln. Ztg." aus Brüssel wäre trotz aller Ableugnungen, die Auf­nahme einer großen Anleihe unvermeidlich geworden. Sie wird nicht zur Vermehrung des Heeres, die un­ter dem gegenwärtigen Kabinet ausgeschlossen ist, sondern nur Vollendung der Maasbefestigungen, zu deren Besetzung aber den Belgiern bei ihrer schwa­chen Armee die Soldaten fehlen, verwendet werden.

Halle, 3. Novbr. DieSaale-Ztg." meldet aus Berlin, alle Zuhälter, welche Ausländer sind, sollen auf administrativem Wege abgeschoben werden.

Berlin, 30. Okt. Alle Blätter besprechen den Erlaß des Kaisers über den Mordprozeß Heinze; sie bedauern, daß mangels einer Gegenzeichnung eine Debatte über den Erlaß ausgeschlossen sei, und be­tonen die Uebereinstimmung der gesamten öffentlichen Meinung mit dem materiellen Inhalt; sie sehen ab­helfenden Maßregeln von Seiten des Ministeriums entgegen, heben aber hervor, daß gerade der Nicht­ausschluß der Oeffentlichkeit bei dem Mordprozeß Heinze die Bloslegung der Schäden, wie deren Kennt­nisnahme seitens des Monarchen erwirkte.

Berlin, 2. Nov. Eine gemischte Deputation des Magistrats und der Stadtverordneten hat die sogenannten Notstandsanträge des Sozialisten Singer, insbesondere den Antrag auf Vornahme städtischer Bauarbeiten in großem Umfange, um der Arbeits- losigkeit zu steuern, abgelehnt, da ein Notstand nicht vorliege.

Der Erlaß des Kaisers an das Staats­ministerium hat wohl, was die fehlende Gegenzeich­nung anbelangt, von einigen Nörglern Widerspruch erfahren; in der Sache selbst aber ist die Notwen­digkeit, das Zuhälterwesen und die Prostitution im Smne des kaiserlichen Willens zu bekämpfen, von allen Seiten einmütig betont worden. Wir können uns daher, bemerkt mit Recht dieDeutsche volks­wirtschaftliche Korrespondenz", darauf beschränken, eine Seite der Prostitutionsfrage zu beleuchten, die bisher nicht genügend in den Vordergrund getreten ist, die Frage des mangelnden Schutzes derjenigen Arbeiterinnen, welche ein nicht unbedeutendes Kon­tingent Prostituierter zu stellen pflegen. Der gesetzliche Schutz ist bisher in ausgiebiger Weise vornehmlich den Fabriks- und Bergwerksarbeitern zu teil geworden, während andere Kreise von Arbeitern und Arbei- terinnen, die ebenfalls zu denArmen und Bedrängten" gehören, des nötigen Schutzes noch entbehren. Dahin sind außer den Schreibern und anderen Lohnar­beitern insbesondere die Verkäuferinnen, Näherinnen, Stickerinnen und Putzmacherinnen zu rechnen, deren Arbeit von den großen Konfekttonsgeschäften in ganz und gar unzulänglicher Weise bezahlt wird, und zwar derart, daß diese Klasse von Armen sehr häufig aus bitterster Not der Prostitution geradezu in die Arme getrieben wird. Hier gilt eS Abhilfe zu schaffen. Kaiser Wilhelm Ü. hat in richtiger Erkenntnis der