Der Gesellschafter.
Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.
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1891
Amtliches.
Nagold. An die gern. Aemter,
betreffend die Einberufung von Bolksschnllehrern zu militärischen Hebungen.
Unter Hinweisung auf den Konsistorial-Erlaß vom 28. März 1890 Nr. 6216 (Amtsblatt Seite 4216) werden die gemeinsch. Aemter beauftragt, dafür Sorge zu tragen, daß sämtliche Gesuche um Ersatz der den Gemeinden durch Einberufung von Lehrern zu den militärischen Hebungen im Reserveverhältnis erwachsenen Kosten nach Beendigung der gegenwärtigen llebungen spätestens bis 1. Nov. d. I. in vorschriftsmäßiger Form vorgelegt werden, soweit es nicht bezüglich der früheren Hebungen dieses Jahres schon geschehen ist.
Den 21. Okt. 1891.
K. gem. Oberamt in Schulsachen: vr. G u g e l. Dieterle.
Bekanntmachung.
Das vom K. Oberamt Freudenstadl unter dem 22. v. Mts. erlassene Verbot des Durchtreibens von Wiederkäuern und Schweinen durch Dictersweiler ist^wieder aufgehoben worden.
Nagold, 20. Okt. 1891.
K. Oberamt. I. V. Amtm. Binder.
Bollmar's Rede in Erfurt.
Aus dem sozialdemokratischen Parteitage in Erfurt hat die große Mehrheit der Versammlung beschlossen, den bisherigen Führern weitere Folge zu leisten, auch bezüglich der künftigen Haltung der Partei alles beim alten zu lassen. Da ist es denn von allgemeinem Interesse, die Hauptstellen der Rede des bekannten Münchener Abg. v. Vollmar, der wiederholt schon durch seine Darlegungen von sich reden gemacht, anzuführen, um zu sehen, wie es heute in Wahrheit mit der sozialdemokratischen Partei bestellt ist.
Herr von Vollmar führte aus: „Heute ist zweifellos in erhöhtem Maße eine Warnung der Genossen vor dem Machtkitzel nötig. Von verschiedenen Seiten, auch von Bebel, wird neuerdings mit steigender Begeisterung vorgetragen, das Ziel der endgiltigen Erreichung der sozialdemokratischen Pläne sei unerwartet nahe gerückt, in einem Weltkriege werde die alte Gesellschaft verbluten, Bankerott, Katastrophe, großer Kladderadatsch stehe bevor, wie Bebel sagte, indem er hinzufügte: Dann machen wir reinen Aisch. Das Prophetentum ist ja jetzt Mode. Von London aus ist sogar der Zeitpunkt genau auf 1898 festgesetzt worden. Ich weiß nicht, ob auch Tag und Datum angegeben wird, aber ich weiß, es giebt Leute in der sozialdemokratischen Partei, die denken, das sei noch zu entfernt, sie meinen 1893, vielleicht sogar 1892. Damit komme ich auf die auswärtige Politik, obgleich die Gefahr dorther heute ziemlich beseitigt ist, vielleicht unter dem Eindruck der auswärtigen Politik Bebels in der letzten Zeit. Auch ich bedaure das Unglück des Völkerzwistes, aber wir müssen als Politiker uns mit den Thatsachen befassen, und da ist es zweifellos, daß Frankreich und Rußland allein ein Interesse an einer Veränderung der Weltkarte haben. An einem Bündnis zwischen diesen Beiden zweifelt heute niemand mehr. Es ist ganz verkehrt, wenn hinterher die Sache so dargestellt wird, als ob das durch den Dreibund verschuldet sei. Ein Genosse hat einmal gesagt, der Dreibund sei der Gendarm in Europa, und für solchen habe niemand Sympathie. Nun, auch die Sozialdemokraten wissen
den Gendarmen zu finden, wenn es ihnen von Vorteil ist. Meine Münchener Rede war eine Mahnung und Warnung an das Ausland und an die Friedensbrecher; aber die Berliner Volkstribüne predigt heute geradezu den Krieg. Just wie Viktor Hugo; der wollte auch Abschaffung aller Kriege, nur einen gegen Deutschland wollte er noch führen. Auch Bebel ist sehr verkehrt vorgegangen. Wenn man fortwährend die Unabwendbarkeit des Krieges predigt, und hinzufügt, daß dies der letzte Krieg sein und dann das tausendjährige Reich folgen werde, dann kann das leicht bei den Massen Ungeduld erwecken und den Wunsch, sich lieber einmal ordentlich herumzuhauen, als noch zu warten auf die Erlösung von dem Elend. Auch rechnen die Herren hartnäckig nur mit Siegen, aber mathematisch läßt sich schlechterdings nicht behaupten, daß eine etwa vorübergehende Niederlage völlig ausgeschlossen sei, so lebhaft ich den Sieg auch erhoffe. Frankreich hätte die Kosten zu bezahlen; ich aber sage, das alte Wort von Karl Marx im Jahre 1870 muß noch heute gelten. Die Hilfe der Kosaken anzurufen oder zu dulden, würde uns jeder Sympathie berauben. Auch von den weiteren Phantasie«, trifft eher das Gegenteil zu. Insbesondere ist nicht zu verkennen, daß eine großartige Anspannung des nationalen Gedankens dann unabwendbar, aber uns nicht förderlich ist. Dabei machte man mir den Vorwurf, ich hätte geraten, alle Militärforderungen im Reichstage zu bewilligen. Gerade im Gegenteil. Dazu haben gerade die anderen, denen der nächste Weltkrieg nicht schnell genug kommen kann, allen Grund. Bebel kann doch nicht Leute mit Pappstielen gegen Rußland ausrüsten. So viel steht fest, ich stehe diesem Kriege weniger leichten Herzens gegenüber. Auf die Gefahr hin, wieder als Regierungsmann angeklagt zu werden, sage ich, daß ich froh bin, daß allem Anschein nach die Regierung auch nicht so leichten Herzens ist. Man sagt vielleicht: Die auswärtige Politik wird in den Kabinetten gemacht, es ist egal, was die Sozialdemokratie sagt. Genossen, das ist nicht wahr. Wenn Bebel fort und fort sagt, der Krieg ist der Freiheitsbringer, der Erlöser, dann popularisiert er ihn, und nicht nur in Deutschland, sondern durch den Widerhall auch im Auslande. Bereits in England, Skandinavien rc. wird die deutsche Sozialdemokratie förmlich als Trägerin der Kriegslust dargestellt. Was sollen die Arbeiter, welche nicht der Partei fest angehören, denken? Bebel warnte gestern vor dem Appell an die Gewalt; nur ist auch hier die Gefahr» daß versucht werde, eine in so nahe Aussicht gestellte Sache künstlich zu fördern. Ein solches ruckweises Werden der neuen Dinge, eine Weltwende, wie sie uns in Aussicht gestellt wird für die nächsten Jahre, dazu sind weder die politischen, noch die ökonomischen Voraussetzungen vorhanden. Bebel behauptet in der Zeitschrift „Neue Zeit", es werde eine Situation kommen, wovon die Mehrzahl nichts träume. Woher weiß es denn Bebel? (Bebel ruft: Weil ich bessere Einsicht habe.) Ich glaube auch eine bessere Einsicht zu haben und an solche Dinge glaube ich nicht. Diese Phantasieen sind Irrlichter. Man wirft mir Optimismus vor; nun, um jenen Dingen nachzuhängen, dazu gehört der Optimismus eines verzückten Ekstatikers. Jene Predigten mögen populär sein, bei den Massen kostbare Hoffnungen erregen, aber Enttäuschung und Rückschlag ist das dicke Ende. Und endlich stehe ich nicht an, herauszusagen: es ist gut, daß an jene Verwirklichungen nicht zu denken ist. Was würde ein solch plötzlicher Erfolg sein? Eine
Episode in der Geschichte Deutschlands, eine neue Auflage der Commune mit ihren Verkehrtheiten und Rückschlägen. Gestern ist gesagt worden, man solle nicht alles so kühl und abgeklärt verlangen; nun, gegen Fieber ist Kühle das allerbeste Mittel." Es ist unnötig, diesen Ausführungen weiteres hinzuzufügen. Ein sozialdemokratischer Abgeordneter spricht hier mit einer Schärfe über die überschwenglichen Zukunftsphantasieen seiner Parteigenossen, wie es auch der energischste Gegner der Sozialdemokratie nicht besser kann.
Hages-WeuigkeiLen.
Deutsches Weich.
Stuttgart. 18. Okt. Das Testament des Königs Karl hat, wie man erfährt, vor einigen Jahren Stadtschultheiß Schmidt in Friedrichshafen aufgesetzt.
Stuttgart, 18. Okt. Die Meldung der „N. A. Z." von einer bevorstehenden Abänderung der württembergischen zweireihigen Waffenröcke in einreihige entbehrt, wie uns von competenter Seite mitgeteilt wird, für die nächsten Jahre jeder ernsten Begründung.
Stuttgart, 18. Okt. Wohl das beste und treffendste Charakterbild von dem verstorbenen Köniff Karl entwickelte gestern bei der Totenfeier der Technischen Hochschule Professor Dr. Klaiber, der würdige Nachfolger des großen Aesthetikers Friedrich Bischer. König Karl, so führte der Redner aus, war nicht eigentlich, so was man sagt, eine volkstümliche Figur, von dem die Bürger beim Vespertrunk sich jeweils zu erzählen wußten. Er war eine echte Schwaben- natur in des Wortes edelstem Sinne, tief und gründlich und ein Feind alles Flitterwerks. Hohle Cere- monien blieben ihm gleich wie nutzloser Prunk und ebenso Heuchelei und Scheinheiligkeit bis an sein Ende aufs bitterste verhaßt. Er liebte es nicht, mit seiner Persönlichkeit hervorzutreten und ging allen Ovationen geflissentlich aus dem Wege. In einer Audienz, welche der Professor Klaiber vor Antritt seines Lehramtes beim König hatte, äußerte derselbe sein Bedauern darüber, daß bei der heutigen Jugend, auch der studierenden, der Sinn für das Ideale so sehr geschwunden sei. Rohe Genußsucht und Blasiertheit bezeichnen den Abgrund, vor dem die Jugend angelangt sei. Und doch, fügte der König hinzu, könne er sich ohne Ideale keine wahre Freundschaft denken. Die Geschichte werde König Karl vor allem als den bezeichnen, der Württemberg dem Deutschen Reiche einverleibte. Man sehe dies als geschichtliche Notwendigkeit an, aber wie der Schritt geschah, das hing alles vom Landesfürsten ab. Schwer ist es ihm wohl geworden, auf einzelne Rechte zu verzichten, denn es war ein Bruch mit den Traditionen seines ganzen Hauses. Hatte ihm doch der Vater noch als Kronprinz eingeschärst: Ein Anschluß an Deutschland, ja, wenn es sein muß, aber unter Habsburg, niemals aber unter Hohenzollern! Im Ganzen steht sein Bild vor uns als das eines gütigen und milden Fürsten, wie dasjenige seiner Ahnen Eberhard und Christoph.
Heilb ronn, 17. Okt. Von hochgeschätzter und nnd zugleich wohlunterrichteter Seite wird der „N. Ztg." zur Richtigstellung eines in verschiedenen Blättern des Landes enthaltenen Sutttgarter Artikels über die Veränderungen bei Hofe geschrieben: „In Betreff I. M. der Königin Olga ist da gesagt, daß Ihre Majestät auf eine Apanage aus der Zivilliste Verzicht geleistet habe und deshalb wohl auch auf