Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

M100.

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Dienstag 25. August

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1891 .

Amtliches.

Nagold. An die Ortsvorsteher,

Tanzbelustigungen betreffend.

Die Ortsvorsteher werden zur genauesten Nach- achtnng auf den Erlaß des K. Ministeriums des Innern vom 10. Dez. 1883, M.-A.-Bl. S. 353 hingewicsen, wornach junge Leute, welche das 1k. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben, von dem Zutritt zu Tauzlokalcn ausgeschlossen sind.

Die in den einzelnen Gemeinden stattfindenden Tanzunterhaitungen sind in der genannten Richtung jeweilig strengstens zu kontroiiercn.

Den 23. Aug. 1891.

K. Obcramt. Or. Gugel.

Bekanntmachung.

In einem Gehöft zu Edclweiler, O.-A. Freuden­stadt, ist die Maul- und Klauenseuche ausgcbrochen.

Nagold, 21. Aug. 1891.

K. Obcramt. Dr. Gugel.

In Cannstatt wurde dir dritte Sladtpfarrstclle dem dor­tigen vierten Stadtpfarrer Roller, (Sohn des Kaufmann Roller in Nagold) übertrage».

TcrgeÄ-WeuigkerLen.

Aeutsches WeicH.

(?) In den letzten 3 Wochen wurde hier an der Uebuugsschule des Seminars ein Repetitionskurs abgehalten, zu dem sich 7 Teilnehmer eingesunden hatten. Unter der sachkundigen Leitung des Herrn Rektors Brüget und des Herrn Oberlehrers Kü­bele schritt die anstrengende Arbeit munter fort. Dieselbe wurde am Freitag durch einen gemütlichen Abend im Hirsch angenehm unterbrochen und fand am Samstag ihren Abschluß.

Stuttgart, 19. Aug. Um eiuen möglichst vollständigen Begriff vvw der Tonart zu geben, in welcher eine sozialistische Versammlung sich nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes abspielt, heben wir einiges aus der vorgestrigen 2V,stündigen Rede des bekannten sozialistischen Schriftstellers Stern aus. Derselbe zergliederte das neue sozialistische Programm, mit dessen Durchführung der heutige kapitalistische Klassenstaat sein Ende zu Gunsten des sozialistischen Gesellschaftsstaates erreicht haben würde. Die Unhaltbarkeit des heutigen Staates werde selbst von verständigen Kapitalisten empfunden, die sich nicht minder als Sklaven desselben, nur in anderer Weise als die Arbeiter, fühlen. In der Arbeiterwelt nehme mit der sich steigernden Arbeitslosigkeit das Elend ungeahnte Dimensionen an und eine allgemeine Unzufriedenheit werde heute nur noch dadurch ver- hindert, daß zahllose Arbeitermassen sich ihrer un­würdigen Lage gar nicht bewußt seien. Der ganze heutige Staat gleiche einem Orchester ohne Diri­genten, er sei nichts weiter mehr als der Prokurist des Kapitals. Alles Heil liege einzig in der Aen- derung von der individualistischen in die sozialistische Gesellschaftsform und von ihr allein sei die wahre Freiheit zu erwarten. Gegen die Volkspartei erging sich Redner in herben Worten. Sie wollte die Arbeiter mit einigen Brocken Arbeiterschutz abspeisen, im klebrigen aber den Klassenstaat weiter bestehen lassen. Die antisemitische Bewegung nannte Stern mit den Worten Kronawetters denSozialismus des dummen Kerls". Unter den einzelnen Gegen­ständen des neuen Programms berührte der Vor­tragende das Stimmrecht der Frauen und das pro­portionale Wahlsystem. Würde letzteres eingeführt,

so hätten die Sozialisten schon heute die Majorität im Reichstage. In der Art und Weise, wie Fürst Bismarck den diätenlosen Reichstag geschaffen, habe er sich als guten Schüler Napoleons III. bewiesen, welcher einst das Plebiscit verbrach. Hätte übrigens Bismarck geahnt, daß er selbst noch Abgeordneter werde, so hätte er früher jedenfalls für Diäten ge­stimmt. Den Militarismus nennt Redner eine Tochter des Kapitalismus und giebt der Ueberzeugung Ausdruck, daß selbst, wenn alle Völker Europas den Frieden garantierten, wir keinen Soldaten weniger zu ernähren hätten. Die Hochschulen bezeichnet? er alsPflege­stätten der Lüderlichkeit und de- Klassendünkels". In unseren Aerzten erblickt er nur dieGeschäfts­reisenden der Apotheke" u. s. w. An dieser Blumen­lese Stern'scher Aussprüche dürfte es dem Leser vorläufig genügen.

Stuttgart, 19. Aug. Die deutsche Partei feiert in diesem Monat das Jubiläum ihres 25- jährigen Bestehens. Nach dem Ausgange des Feld­zuges von 1866 ist die Partei gegründet worden mit dem Programm: Keine Mainlinie, Eintritt in den norddeutschen Bund. Am 7. Aug. 1866 fand die Gründung der Partei in Stuttgart, am 19. Aug. 1866 in Plochingen die erste Landesversammlung und damit die Ausdehnung der Partei auf das ganze Land statt. Vier Wochen später konstituierte sich auf einer Versammlung in Stuttgart das Lan- deskomite der Partei. In den ersten Jahren ihres Bestehens hatte die Partei harte Kämpfe durchzu­machen; mit dem deutsch-französischen Kriege und der Gründung des Reiches trat ihr Aufschwung ein.

Stuttgart, 20. Aug. Durch die heutige Urteils­ankündigung in den beiden Prozessen Dr. Mayer contra Oberin Otto und Schwester Anna contra Ober­bürgermeister Hegelmaier, hat der Heilbrunner Spital­krieg einstweilen sein Ende erreicht. Die Oberin wurde sreigesprochen und dem Kläger Dr. Mayer sämmtliche Kosten zur Last gelegt. Der Beklagten wurde somit bezügl. der incriminierten Aeußerungen der Schutz des § 193 (Wahrung berechtigter Interessen) zuge­billigt. Durch das Urteil, dessen Verlesung eine halbe Stunde dauerte, ist sowohl Dr. Mayer als auch Schwester Anna hinsichtlich der bekannten Veläumd- ungen glänzend gerechtfertigt. Dr. Mayer erklärte die Berufung gegen dieses Urteil. Herr Hegel­maier ward wegen den beleidigenden Aeußerungen über Schwester Anna, die er dem Assistenzärzte Zim­mermann gegenüber gethan, zu 25 Mk. Geldstrafe und Tragung der Kosten verurteilt. Die Prozesse haben noch ein weiteres Nachspiel. Der Bäcker Wie­land, welcher als Zeuge ausgesagt, (er lag an Deli­rium tremens leidend längere Zeit im Spital) er habe mehrfach einen geschlechtlichen Verkehr zwischen der Schwester Anna und dem Krankenwärter Herrmann wahrgenommen, wurde gestern wegen Verdachts des Meineids verhaftet.

Stuttgart, 20. Aug. Das württembergische Steuerkollegium erläßt bezüglich einer etwaigen plötz­lichen Kassenrevision bei den Ortssteuerbehörden ge­naue Vorschriften, in welchen wohl mit Berücksich­tigung eines jüngst vorgekommenen Falles, besonders darauf hingewiesen wird, daß den Ortssteuerbehörden zwar nicht zugemutet werden könne für Staats- und Privatgelder je einen besonderen Schrank oder ver­schließbare Kassete aufzustellen, daß jedoch daran absolut gedrungen werden müsse, daß innerhalb die­ses Behälters die Staatsgelder und Privatgelder in

besonderen Fächern oder Beuteln aufbewahrt werden müssen, so daß ein Vermengen beider unmöglich sei.

Infolge Genusses von Bier auf Pflaumen ist eine 26 Jahre alte Frau von Heilbronn nach einigen Stunden Kranksein unter heftigen Schmerzen gestorben.

Wangen. Für den hiesigen Oberamtsbezirk sind ein berittener Stationskommandant und ein be­rittener Landjäger ernannt, welche ihren Posten vom 1. Okt. antreten werden. Ferner erhalten berittene Stationskommandanten die Oberamtsbezirke Leutkirch, Waldsee, Tettnang und Biberach.

Eisenbahnsache. Eine dankenswerte Neuerung wird gegenwärtig von unserer Eisenbahnverwaltung vorbereitet, nämlich die Erbauung von Restaurations­wagen, welche vom nächsten Sommer ab in die Mittagsschnellzüge eingestellt werden sollen. Schon längst hat man es als großen Mißstand empfunden, daß die Pause für die Einnahme des Mittagsmahles zu kurz bemessen ist; die Folgen davon zeigten sich häufig in allerlei Magenbeschwerden. Diesem Uebel- stande wird jetzt durch Einführung dieser Restaura­tionswagen abgeholfen werden.

Zur Warnung. In letzter Zeit laufen Quittungskarten für die Jnvaliditäts- und Alters­versicherung bei der betreffenden Unterbehörde e>n, aus welchen Versicherungsmarken herausgerissen sind, um sie anderweitig zu verwenden. Ein solches Ver­fahren wird mit Gefängnis von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Die Verwaltung wird also solche Fälle bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige bringen.

Aus der Rheinpfalz, 19. Aug. Einen selt­samen Tod erlitt in dem nahe bei Germersheim gelegenen Dorfe Niederlustadt die Ehefrau des Tün­chermeisters Wilh. Sieber. Während die Frau den Fußboden reinigte, stieß sie an einen an der Wand hängenden geladenen Zimmerstutzen, der herabfiel und sich dabei entlud. Das Geschoß drang der nichts ahnenden Frau ins Herz.

Großes Aussehen erregt in Danzig die auf Anordnung der königl. Regierung erfolgte plötzliche Dienstentlassung des Strompolizeiinspektors Bach, des Strompolizisten Schön und des Schleuseninspek­tors in Neufähr. Dieselben werden beschuldigt, für in Gemeinschaft ausgeführte dienstliche Gefälligkeiten Geldgeschenke u. s. w. angenommen zu haben.

Münster, 20. Aug. Herr v. Schorlemer-Alst erklärt lautWests. Merkur" eine Nachricht, daß er den Papst gebeten hätte, sich von unmittelbarer Teil­nahme an der europäischen Staatspolitik fernzuhalten, für erlogen.

Aus Kiel wird jetzt von verschiedenen Seiten das bisherige Gerücht, der Kaiser habe sich während der letzten Nordlandfahrt einen Vollbart wachsen lassen, als wahr bezeichnet. Der Monarch soll jetzt seinem Vater in dessen jungen Jahren sehr ähnlich sehen. Sonnabend früh treffen der Kaiser und die Kaiserin in Berlin ein und begeben sich sofort auf das Tempelhofer Feld, wo um 9 Uhr die Parade des Gardekorps stattfinden wird.

Berlin, 21. Aug. Das heute erschienene Werk Moltkes über den Feldzug 1870/71 erscheint ge­genüber dem fachmännisch geschriebenen Generalstabs­werk als eigenste Beurteilung des Feldzugs durch Moltke selbst. Der anschaulichen, manche Jrrtümer und Legenden berichtigenden Schilderung der Kriegs­ereignisse und der Zustände in Frankreich und in Paris geht eine kurze, aber das ganze Werk charak-