Anstaltungen sollten die Gemeinden auf sich nehmen. Herr v. Mittnacht verhielt sich dickem weitgehenden Vorschlag gegenüber schweigend. Als Reinertrag der Posten und Telegrafen stellte man in den Etat ein pro 1891/92 1 719 980 °« und pro 1892193 1 971980 °«.
Stuttgart, SO. April. (Landtag.) Auf der Tagesordnung der Kammer der Abgeordneten stand heute die Frage der weiblichen Aerzte u. des weiblichen Studiums überhaupt, veranlaßt durch zwei Petitionen, welche der allgemeine deutsche Frauenverein (Leipzig) und der deutsch» Frauen- vcrein .Reform" (Weimar), wie schon an mehrere parlamentarische Körperschaften, auch an den württembergischen Landtag gerichtet hatten. Freiherr Richard v. König als Berichterstatter beantragte 1) die Bitte der Freigebung des Studiums der Medizin an Frauen der königlichen Regierung zur Kenntnisnahme mitzuteilen; 2) derselben die Frage zur Erwägung zu übergeben, wie etwa die Zulassung im Auslande geprüfter Aerztinnen im Deutschen Reiche sich ermöglichen lasse, und 3) über die Bitte um Errichtung von Mädchengymnasien, Zulassung des weiblichen Geschlechts zur Maturitätsprüfung und zum Universitätsstudium für höhere Lehrzwccke zur Tagesordnung überzugehen. Als entschicocner Gegner des Frauenstudiums zeigte sich der Abg. Klauß, der einfach über alle Punkte der Petitionen zur Tagesordnung übergehen wollte, denn die Frauen gehörten ins Haus, und befruchtende Gedanken seien noch von keiner Frau ausgesprochen. Auf Seiten des Berichterstatters standen die Freiherren v. Hcrr- mann und Edm. v. Ow, v. Wolfs. Der Universitätskanzler v. Weizsäcker meinte, es sei an den deutschen Universitäten kein Platz für studierende Frauen, ein gemeinsames Studieren verbiete sich aber mit Rücksicht auf das weibliche Schamgefühl. Vielleicht empfehle es sich, die Frauen höhere Hebammen werden zu lassen und ihnen dazu eine sichere Ausbildung zu geben. Cuitusminister v. Sarwey teilte mit, daß nach Ansicht der Unterrichtsverwaltung der Frage des weiblichen Universitärsstudiums (also auch des ärztlichen) nicht eher näher getreten werden könne, bis die Vorbildungsfrage gelöst fei. Die Regierung habe sich übrigens mit der Sache schon hinlänglich beschäftigt. Auch Minister v. Schmid konstatierte dies und meinte ferner, daß, wie die Dinge liegen, ein Antrag einer Einzelregierung beim Bundesrat zu Gunsten des Studiums der Medizin durch Frauen keinen Erfolg haben würde, auch ein Bedürfnis dazu liege nicht vor. Man nahm schließlich die Kommissionsanträge an bis auf die Ziff. 2, weil der Universitätskanzler hervorgehoben, daß im Auslände abgelegte Prüfungen gar keine Garantien böten. Am Dienstag tritt die Kammer wieder zusammen. — In der ersten Kammer brachte heute Fürst Waldburg-Zeil die Nonnenraupenplage zur Sprache und hielt der württembergischen Regierung das Vorgehen Bayerns, wo so viel gegen die schädliche Raupe gethau würde, vor Augen.
Stuttgart, I. Mai. Wie wir vernehmen, wird die gegenwärtige Session des Landtags noch vor Pfingsten, wahrscheinlich am 15. Mai geschlossen.
Stuttgart, 1. Mai. Die Revision gegen das Urteil der Strafkammer in Frankfurt a. M., wodurch die Redakteure Stern von der Frankfurter Zeitung und Hoch von der Volksftimme wegen Beleidigung württembergischer Ulanenoffiziere zu 3 Monaten bezw.
6 Wochen Gefängnis verurteilt worden waren, ist laut M. N. N. vom Reichsgericht verworfen worden.
Stuttgart, I. Mai. In der Nähe von Weil im Dorf stehen etwa 20 Morgen Wald in Brand. Der Schaden ist groß.
Heilbronn, 30. April. Vom Ausschuß des hiesigen Bürgervereins, welcher mit über 400 Mitgliedern den Kern der Bürgerschaft umfaßt, ist Lipp infolge der Mögling'schen Bezichte, die er nicht zu entkräften vermochte, als unwürdig aus der Mitgliederliste gestrichen worden.
Das Kaiserpaar wird heute, Donnerstag Abend, von Eisenach nach Berlin zurückkehren und lim Freitag Nachmittag zum Sommeraufenthalt in das Neue Palais bei Potsdam übersiedeln. Am Sonntag Abend wird der Kaiser seine Rheinreise autreten und am nächsten Morgen in Düsseldorf cintreffen. Wie verlautet, soll am 7. d. Mts. in Bonn eine Begegnung des Kaisers mit dem Großherzog von Luxemburg stattfinden.
Vom Begräbnis des Grafen Moltke wird mit- gcieilt, daß die Leiche vor der Ueberführung nach Kreisau einbalsamiert worden ist, deshalb unterblieb auch die Anlegung der Uniform.
Auch das „Militär-Wochenblatt" in Berlin beschäftigt sich mit der Schrift des Generals von Boguslawski über die zweijährige Dienstzeit und kommt dabei zu Schlüssen, die im Wesentlichen mit der von dem Veneralfeldmarschall Grafen Moltke kurz vor seinem Tod geäußerten Ansicht überein- st mmen: die zweijährige Dienstzeit wäre mit den von dein General von Boguslawski vorgeschlagenen Kom- pu.isationen vom militärischen Gesichtspunkt aus annehmbar, aber auf die Bewilligung dieser Kompensationen durch den Reichstag sei für absehbare Zeit ln.ht zu rechnen, und deshalb sei es besser, daß man oa den jetzigen Einrichtungen festhalte.
Aus Friedrichsruh heißt es jetzt, daß Fürst Bi.-marck entschlossen gewesen sei, zur Leichenfeier Moltkes nach Berlin zu kommen, und auch bereits
. seinen Salonwagen zu diesem Zweck bestellt gehabt ! hätte. Die Reise wäre jedoch unterblieben in Folge Besorgnisses um das Befinden der Fürstin, welche seit einigen Tagen erkrankt sei.
Deutscher Reichstag In der Mittwochssitzung wurden die Uebergangs-Stcuerbestimmungen der neuen Zuckersteuervorlage beraten. Alle hierzu gestellten Abänderungsanträge und schließlich die Regierungsvorlage selbst wurden abgelehnt. Es wird nun versucht werden, bis zur dritten Leiung ein Einvernehmen herzustellen. Gelingt das nicht, muß es bei den bisherigen gesetzlichen Vorschriften bleiben.
In der Donnerstagssitzung des deutschen Reichstags wurden nur kleine Sachen erledigt. Der Handelsvertrag des deutschen Reiches mit Marokko wird nach kurzer Debatte in erster und zweiter Lesung angenommen, in zweiter Beratung wird genehmigt das internationale Uebereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr. Definitiv angenommen werden die Gesetzentwürfe betr. die Prüfung der Läufeverschlüsse der Handfeuerwaffen und betreffend den Schutz der Gebrauchsmuster. Darnach werden Petitionen erledigt.
Der Bergarbeiterstreik in Westfalen ist ziemlich zu Ende und wird morgen oder übermorgen völlig erlöschen. Selbst auf der Zeche „Eintracht Tiefbau", wo der Streik seinen Ausgang genommen hatte, arbeitet fast alles wieder. Die Bergleute haben sich also zum Teil eine vergnügte Woche bereitet und für diese Zeit ihren Lohn eingebüßt. Die Sache ist nach der pomphaften Erklärung des allgemeinen Ausstandes am Sonntag geradezu eine Streik-Komödie zu nennen. Sie wird Manchen kurieren.
Der Kohlenstreik steht vor seinem Ende. Die Zahl der Streikenden verminderte sich gestern morgen auf 3000. Die ganze Belegschaft von „Eintracht- Tiefbau", von wo der Streik ausging, meldete sich zur Wiederanfahrt.
Berlin, 1. Mai. In der großen sozialistischen Versammlung auf dem Eiskeller-Etablissement hielt Liebknecht die Rede. Er sprach über die Bedeutung des 1. Mai und fordert die arbeitenden Klassen zur Einigkeit auf. Hierauf wurde eine Resolution, betreffend den Normalarbeitstag und den Arbeiterschutz, im Sinne des Pariser Congresses angenommen und beschlossen, den dritten Teil des heutigen Verdienstes für Agitationszwecke herzugeben. Es fanden keine Ausschreitungen statt.
Der große Brand in Römhild hat 600 000 Mark Schaden verursacht.
Köln, Dresden, Hamburg, Altona, Christiania melden, daß der gestrige Tag in Ruhe und ohne bemerkenswerte Arbeitseinstellungen verlaufen ist.
Die Maifeier ist, soweit die bis jetzt vorliegenden Berichte ihren Verlauf übersehen lassen, nirgends über den Rahmen eines harmlosen Bummel- Vergnügens hinausgetreten, obschon in Belgien, Frankreich und Oesterreich die Arbeiter in größerer Zahl an der Feier teilgenommen haben. Die Arbeiterviertel von Paris boten das gewöhnliche Werktagsbild. Der Kaiser von Oesterreich und der König von Italien haben in ihren Hauptstädten während der Arbeiterkundgebungen Spazierfahrten gemacht und ind überall von den Arbeitern mit sympathischen Zurufen begrüßt worden. In Berlin ist im Lauf des Vormittags überhaupt nichts von dem „Arbeitereiertag zu bemerken gewesen. — So werden auch diesmal „leere Geldbeutel" und „Katzenjammer" die einzigen Spuren des großen Tages sein.
Luxemburg
Luxemburg, 1. Mai. Hier verlautet, die bevorstehende Zusammenkunft des Großherzogs von Luxemburg mit Kaiser Wilhelm bezwecke die Verheiratung des Erbprinzen von Luxemburg mit der Prinzessin Margarethe von Preußen. (Die Nachricht ist ebenfalls mit Vorsicht aufzunehmen.)
Drsterrrich-Ungarn.
Der deutsch-österreichische Handelsvertrag wird wahrscheinlich heute am 1. Mai in Wien unterzeichnet werden. Zu Ehren der Delegierten hat bereits am Mittwoch bei dem Handelsminister Szögyeni ein Abschiedsfest stattgefunden, welchem auch der deutsche Botschafter, die Gesandten Bayerns und Württembergs und die an den Verhandlungen beteiligt gewesenen Minister teilgenommen haben.
Frankreich.
Paris, 30. April. (Der 1. Mai.) Heute treffen hier 5 Kavallerie-Regimenter aus der Umgegend ein. Die Infanterie, 25 000 Mann stark, wird die Höfe aller wichtigen öffentlichen Gebäude
besetzt halten, die Kavallerie den Eintrachtsplatz, den Tuilleriengarten, die Champs Elysöcs und das Marsfeld.
Paris, 30. April. Der französische Kreuzer . „Selgnelay" wurde durch einen Windstoß vor Jaffa an die Küste getrieben und sank. Die Bemannung von 200 Mann wurde sämtlich gerettet. Der „Selgnelay" trug 8 Geschütze; der Verlust beträgt mehrere Millionen.
Belgien.
Brüssel, 1. Mai. Die Ruhe in der Provinz ist nirgends gestört worden. In Gent zählte der Zug der Sozialisten etwa 1500 Personen; alles blieb ruhig.
Italien.
Einen furchtbaren Skandal gab es in der italienischen Deputiertenkammer. Der radikale Abgeordnete Jmbriani behauptete, italienische Offiziere bei Massauah hätten eine Sklaveubarke mit 30 hübschen jungen Mädchen erbeutet. Die Mädchen seien aber nicht in Freiheit gesetzt, sondern von den Offizieren unter sich verteilt. Ein so stürmischer Protest gegen diese Worte wurde laut, daß dem Präsidenten nichts übrig blieb, als die Sitzung zu schließen. Am Donnerstag erklärte Jmbriani feierlich, er habe der Militärverwaltung nur Gelegenheit geben wollen, die Unrichtigkeit dieser Behauptungen darzulegen, an die er selbst nicht geglaubt habe. Damit war die Affaire erledigt. In Armeekreisen macht sie viel böses Blut.
Rußland.
Petersburg, 29. April. Das Stadthaupt ordnete im Anschluß an den Erlaß, welcher jüdischen Handwerkern die Ansiedlung in Moskau verbietet, an, daß denselben auch die Niederlassung in Petersburg verwehrt wird und Orte, wo den Juden der Aufenthalt gestattet ist, als Wohnorte angewiesen werden.
Amerika.
Wie aus New-Jork gemeldet wird, glaubt die dortige Polizei Jack den Aufschiitzer verhaftet zu haben. (?)
In Amerika haben im Bürgerkrieg in Chile blutige Kämpfe zu Wasser und zu Lande stattgefunden, u. a. ist ein Panzerschiff der Aufständischen von Regierungs-Torpedos mit Mann und Maus in die Luft gesprengt. Eine Mitteilung, nach welcher Friedensverhandlungen eingeleitet sein sollen, scheint deshalb wenig Glauben zu verdienen.
Valparaiso, 1. Mai. Erbitterte Kämpfe zwischen Aufständischen und Regierungstruppen haben in und bei Pisagua stattgcfunden. Die Stadt wurde von den Aufständischen viermal erobert und wieder verloren. Das Bombardement der Stadt durch die Aufständischen verursachte eine schreckliche Dynamit- Explosion, viele Menschen wurden getötet.
Die Geschworenen inNew-Orleans haben eine Verfolgung der Lyncher abgelehnt und behaupten, ene hätten dem Treiben der italienischen Geheim- iündnisse gegenüber ganz richtig gehandelt.
Afrika.
Baron von Soden, der jetzige Gouverneur von Ostafrika, hat die Absicht, wie in Kamerun, auch dort eine konfessionslose Schule zu errichten. Die Inder haben sich auch schon bereit erklärt, die da- für nötigen Baulichkeiten herzustellen, so daß Herr von Soden gleich nach seiner Ankunft die einleitenden Schritte zur Durchführung seiner Idee thun konnte.
Kleinere Mitteilungen.
Eine dem Flaschnermeister Weber in Bietig- )eim gehörige Katze, deren Junge verendeten, ver- ieht die Mutterstelle bei jungen Gänsen. Ueberall >in folgt sie ihren adoptierten Lieblingen nach und beschützt sie. Abends beziehen sie ein gemeinschaftliches Nest und wehe dem, der eines von den jungen Gänschen antasten oder cinfangen wollte. Wie lange wohl wird diese Freundschaft fortbestehen?
Von der bayerischen Grenze, 28. April. Eine eigentümliche Rache verübten die jungen Bur- che des Dorfes O. an einem Kameraden, der, dem dörflichen Herkommen entgegen, sich eine Braut aus einem Nachbarbezirke erkoren hatte und am Montag ieim Standesamt sich ehelich verbinden wollte. Der Bursche war ein bäuerlicher Don Juan und hatte mit gar vielen Mädchen aus Nah und Fern Bekanntschaften gehabt. Diese Verlassenen waren über-