Moltkes Sterbezimmer. Die Leiche des verstorbenen Generalseldmarschalls ruhte am Sonnabend und einen Teil des Sonntags bis zur Aufbahrung auf dem einfachen Mahagonibett, in welchem der Tod erfolgte. Die Hände, welche als einzigen Schmuck den Trauring tragen und eine wachsartige Farbe zeigen, sind über der Brust zu­sammengefaltet. Neben dem Lager, unmittelbar an dem nach dem Königsplatz zu gelegenen Fenster steht ein Nachttisch, auf welchem Uhr, Toilette-Ge­genstände uyd eine Tabatiere mit Brillanten liegen. Inmitten des schmucklosen Zimmers befindet sich ein alter Schreibtisch, dessen grüne Decke vielfach zer­rissen ist, und auf welchem der Feldmarschall vor dem Schlafengehen noch ab und zu arbeitete. Außer einem Spiegel, einem Sopha, auf dem mehrere Hieb­waffen liegen, drei Stühlen und einem Waschtisch, der mit einer grünen spanischen Wand umstellt ist, befinden sich keine Mobilien in dem Raume. Als einziges Bild findet man das der verstorbenen Ge­mahlin im Zimmer, es hängt über dem Sopha und ist mit einem vertrockneten Lorbeerkranz umrahmt. Das Gesicht des Verstorbenen ist durch den Tod kaum verändert. Der gerade in Berlin anwesende Graf Waldersee hatte am Freitag Abend eine An­zahl Generale und höhere Offiziere bei Brochardt in der französischen Straße zum Souper versammelt. Die Herren waren gerade in der lebhaftesten Unter­haltung, als ein Ordonnanzoffizier eintrat und den Tod des Feldmarschalls Grafen Moltke meldete. Das Souper hatte sein Ende erreicht. Die Ver­sammelten begaben sich in corpore in das General­stabsgebäude, um dem großen Toten, dem ersten Heerführer, eine letzte Huldigung zu bringen. Auch der Reichskanzler von Caprivi, sowie andere hohe Beamte statteten Besuche ab. Am frühen Morgen des Sonnabend legten bereits die Kaiserin Auguste Viktoria, sowie der Erbprinz und die Erbprinzessin von Meiningen Blumenspenden und Kränze am Lager des großen Toten nieder. Professor Anton von Werner hat eine Zeichnung des Grafen Moltke auf dem Totenbette angefertigt, auch eine Gipsmaske ist abgenommen.

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Am Sarge des verewigten Feldmarschalls fand am Sonntag eine Gedächtnisfeier für die Familie und nahestehenden Personen statt. Die Züge des Toben sind fast gar nicht verändert, sie zeigen die ganze Majestät des Todes. Es ist ein ergreifender Anblick. Die Zahl der einlaufenden Kränze und Angebinde wächst ins Unendliche, ein ganzer Saal kann damit gefüllt werden. Es ist in Erwägung genommen, das Begräbnis auf Reichskosten stattfin­den zu lassen, auch hält es der Kaiser für seine Pflicht, den berühmten Heerführer durch ein würdiges Monument zu ehren, für welches der geeignete Platz in dem Platze vor dem Generalstabsgebäude gegen­über der Siegessäule schon von selbst gegeben ist. Das Begräbnis erfolgt in Creisau am Mittwoch in Gegenwart nur der nächsten Verwandten, die Lei­chenfeier in Berlin soll mit allem Glanze, den ein Mann wie Moltke verdient, begangen werden. l2 Bataillone, Eskadrons und Batterien werden an der Trauerparode teilnehmen, teils von der Garde, teils vom Regimente des Feldmarschalls gestellt. In der Berliner Bevölkerung ist die Teilnahme für den Trauerfall noch im Wachsen, die Zahl der Gebäude, welche schwarze und umflorte Fahnen oder halbmast gehißte Fahnen zeigen, hat sich seit dem Todestage erheblich vermehrt. Die Straßen, durch welche der Leichenzug gehen wird, werden eine gleichmäßige Trauerdekoration aufweisen. Die nötigen Besprech­ungen sind schon im Gange. Moltkes Sarg ist aus kostbarem Eichenholz mit kupfernem Einsatz, der mit weißer Seide ausgeschlagen ist. Die Brust des Toben ziert ein Veilchenkranz, zu Füßen liegt der Kranz des Kaisers. Vier Majors stehen am Sarge. Von 12 bis 5 Uhr war dem Publikum am Sonn­tag Nachmittag der Zutritt gestattet, in dichten Reihen zogen die Trauernden am Sarge vorüber. Ebenso wird es am Montag sein. In des Kaisers Trauererlaß heißt es:Tieferschüttert sehe ich den greisen Helden, meinen treuen Freund und Berater von meiner Seite gerissen. Ich betrauere auf das Schmerzlichste den unersetzlichen Verlust, den mit mir meine Armee, wie das ganze deutsche Vaterland er­litten hat. Hohe Ehre sei seinem Andenken, welches für alle Zeiten unauslöschlich in den Blättern der Weltgeschichte fortleben und den späteren Geschlech­

tern das Bild des tiefen Denkers, des großen Feld- Herrn erhalten wird. Bis zum letzten Atemzuge hat der Verewigte in bescheidener Einfachheit, selbstloser Pflichterfüllung und unwandelbarer Treue meinen Vorfahren wie mir gedient und sich unaussprechliches Verdienst erworben um den Ruhm der Armee und das Wohl des Vaterlandes, dessen Dankbarkeit nie erlöschen wird." Zum Zeichen der Trauer haben alle Offiziere für acht Tage Trauerflor um den lin­ken Arm anzulegen, die Offiziere von Moltkes Re­giment und vom Generalstabe für 14 Tage.

DieKreuzztg." berichtet, daß ein bestimmter Willensausdruck des Grafen Moltke vorliege, ohne Gepränge beigesetzt zu werden. Der Entschlafene habe ausdrücklich bestimmt, daß nur ein Geistlicher die Einscgnug vollziehe und daß seine Leiche in al­ler Stille an der Seite seiner Gemahlin beigesctzt werde. Dieser letzte Wille wird erfüllt werden. Dagegen wird die Ueberführung der Leiche vom Sterbehause auf den Bahnhof mit allen militärischen Ehren erfolgen. Die Ueberführung ist auf Dienstag den 28. angeordnet. In Kreisau wird dann die stille Beisetzung in der Familiengruft an der Seite der Gräfin v. Moltke erfolgen. Für die Vollziehung der Trauerfeier wird als Geistlicher der Oberhofpre­diger Dr. Kögel gebeten.

Berlin, 27. April. Sämtliche deutsche Fürsten schicken Vertreter zu Moltkes Leichenfeier oder kommen selbst. Bei der Ueberführung der Leiche nach dem Lehrter Bahnhof wird der größte militärische Pomp entfaltet, auch die hiesigen Kriegervereine, die studen­tischen Verbindungen und die Innungen beteiligen sich daran.

Berlin, 28 April. Fürst Bismarck ist zur Leichenfeier des Grafen Moltke hier nicht einge- troffen.

Heute wurden die Kadetten der Hauptkadet­tenanstalt, welche aus Lichterfelde hierher gekommen, an der aufgebahrten Leiche des Feldmarschalls vor­übergeführt. Da sich auch heute noch viele Leid­tragende aus allen Schichten der Bevölkerung ein­fanden, wurde die Leiche nochmals öffentlich zugäng­lich gemacht. Die Ehrenwache hielten heute die Hauptleute des Generalstabes. Minister May­bach hat für die Ueberführung der Leiche nach Kreisau einen Sonderzug zur Verfügung gestellt. Im Mau­soleum zu Kreisau, wo Moltke seine letzte Ruhestätte finden soll, schläft seit 23 Jahren seine Gattin Mary geb. v. Burt. Eine Nachbildung des Thorwaldsen'- schen Christus schmückt die Grabkapelle, welche Moltke's biblisches Lieblingswort enthält:Die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung."

Im Herrenhause und im Reichstag war Sams­tag Moltkes Platz mit einem Lorbeerkranz mit schwarz-weißer Schleife geschmückt. Graf Waldersee pflückte ein Blatt aus diesem Kranze und barg es zur Erinnerung in sein Portefeuille.

Aufgefallen ist es in parlamentischen Kreisen, daß am Samstag, als der Präsident v. Levetzow dem dahingeschiedenen Grafen Moltke einen solch warmen Nachruf widmete, außer dem Abg. Dr. Bruel kein Welfe im Sitzungssaale anwesend war, während die Sozialdemokraten das Andenken des großen Mannes durch ihr zahlreiches Erscheinen und ihre würdige Haltung ehrten.

Ein eigenartiger Zufall wollte es, daß Graf Moltke an einem Freitag aus dem Leben schied, nachdem bereits Kaiser Wilhelm an einem Freitag (8. März 1888) und Kaiser Friedrich gleichfalls an einem Freitag (15. Juni 1888) heimgegangen sind.

Graf Moltke hatte die Absicht, sich in der nächsten Zeit nach einem Kurorte und von dort auf sein Landgut zu begeben. Bis in die letzten Tage hat Graf Moltke die wunderbarste Geistesfrische bewiesen; er beschäftigte sich mit sehr schwierigen Fragen, namentlich mit der Befestigung Helgolands und dem Nordostsee-Kanal.

Der erste, resp. älteste Offizier des deutschen Heeres wird nach Moltkes Tode der Generalfeld­marschall Graf Blumenthal, dem vom Kaiser Friedrich diese Würde verliehen ist.

Die Nachricht vom Tode Moltke's hat in Wien und P e st die größte Teilnahme erregt. Allerwärts bespricht das Publikum und die Presse das Ereignis mit Ausdrücken der Verehrung und Bewunderung für den Entschlafenen, der, obwohl er auf den böhmischen Schlachtfeldern Oesterreichs Feind gewesen, durch sein edles, groß angelegtes

Wesen längst alle Geister und Herzen in Oesterreich und Ungarn für sich gewonnen hat. Eine öster­reichische Deputation kommt zum Begräbnis nach Berlin.

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Der Kaiser von Oesterreich und der König von Italien sprachen ihr tiefes Beileid wegen Moltke's Tod aus. Verschiedene Deputationen fremder Re­gimenter sind angesagt. Die russische Presse widmet Moltke symstathische Nachrufe, ebenso die französische Presse, mit ausnahme einiger gehässiger Boulangisten- blätter. Der Temps sagt:Frankreich wird mit Achtung diesen Toten begrüßen. Das strategische Genie dieses Dänen (!) war uns verhängnisvoll, aber wenn wir auch noch die nicht vernarbten Wun­den fühlen, vermag unser Land doch die hohen Ta­lente und die fast herbe Einfachheit dieses Kriegers ehrlich zu würdigen. Nichts hat sich in Europa ge­ändert. Ein großer Name ist weniger in den Listen des deutschen Heeres, ein großer Name mehr prangt unter den Deutschen in Walhalla." Die Londo­nerPall Mall Gazette" fragt, ob die Zukunft je­mals wieder einen solchen Mustersoldaten wie Moltke Hervorbringen werde. DerGlobe" spricht aus, daß Moltke als Feldherr in seiner Art niemals übertrof­fen worden sei. DieSt. James Gazette" dagegen meint, Moltke habe stets über überlegene Kräfte ver­fügt und niemals einen großen Gegner sich gegen­über gehabt. Daher habe Deutschland erst zu zei­gen, was es ohne jene Vorteile thun könne.Ti­mes" nennt Moltke den größten Soldaten seit Wel­lington. Mac Mahon erfuhr die Nachricht durch einen Journalisten; der Marschall war sehr bewegt und weigerte sich, seine Ansicht über den Verstor­benen zur Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen. Marschall Canrobert sagte:Moltke war ein schreck­licher Feind, der schrecklichste von allen. Ohne ihn wäre Deutschland nicht das, was es ist. Er war mehr Ingenieur als Soldat, ein militärischer In­genieur, aber ein Genie."

Delterrrich-Ungarn.

Pest, 25. April. Eine soeben erschienene Bro­schüre:Der Untergang Oesterreichs" gilt hier als Schachzeug des Fürsten Bismarck gegen den öster­reichisch-deutschen Handelsvertrag, wird aber als ein Schlag ins Wasser betrachtet, da die Bündnistreue des Kaisers Wilhelm II. über jeden Zweifel feststeht.

Italien.

Die Regierung erklärte in den Kammern, daß bisher kein Grund zur Annahme vorliege, daß die bekannte Pulver-Explosion durch ein Verbrechen ver­anlaßt sei. Die Sachverständigen glaubten an einen Zufall. Bezüglich des 1. Mai betonte die Regie­rung, daß sie alle ungesetzlichen Schritte entschieden unterdrücken werden. Die Stadt Rom, sowie die durch die Pulverexplosion geschädigten Privatleute wollen den Staat wegen Schadenersatz belangen.

Rußland.

Die Todesursache der Großfürstin Olga wird jetzt als Herzlähmung bezeichnet. In weiten Volks­kreisen hält man aber daran fest, daß ein Selbst­mord vorliege.

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Hiez« eine Beilage.

Verantwortlicher Redakteur Steinwandel in Nagold. - Druck und Verlag der G. W. Zaiscr'schen Buchdruckerei.