abzuraten» obwohl sonst der württ. Unterverband manche Vorteile biete. Diese Ausführungen fanden lebhaften Beifall, dagegen erhoben sich mehrere Red­ner von Genossenschaftsbanken, die dem Unterver­band angehören, warnten vor Sonderbündelei und luden dringend zum Beitritt zum württ. Unterverband ein, mußten aber selbst zugeben, daß die Kosten beim Verband ganz unverhältnismäßig hohe seien und bedauerten, daß der größte Teil der Beiträge nach Berlin zum allgemeinen deutschen Verband fließe. Sofort beschlossen die anderweitig noch nicht gebun­denen Vereine zwar nicht einen festgegliedertcn Re­visionsverband, dagegen aber eine freie Bereinigung und bezeichneten zugleich tüchtige Männer, die sich zu Revisoren eignen und aus denen ein gemeinsamer Revisor nach eingezogenen Erkundigungen gewählt werden soll. Allgemein wurde festgestellt, daß es sich um Sonderbündelei nicht handle, auch die freie Ver­einigung huldige dem Grundsatz: ,,an's Vaterland an's große, teure schließ' dich an", aber in diesem Fall will sie ihr Geld im Land behalten und wenn heute ein württ. Verband für sich entsteht, werden ihre Vertreter die ersten sein, die die Hand zum Bunde reichen. Als Vorort wurde Freudenstadt gewählt, wo im September l. I. wieder eine Ver­sammlung stattfinden soll. Nach der Versammlung war gemeinsames Mittagessen auf der Post, Küche und Keller ließen nichts zu wünschen übrig und so entwickelte sich bald ein fröhliches gemütliches Le­ben, das sich später im geselligen Beisammensein Leiter entwickelte. Mit dem Wunsche fröhlichen Wie­dersehens iu Freudenstadt trennte man sich, War­mem befried-^ pon hxM schönen Beisammensein. Solche kleinere Versammlungen haben einen nicht zu unterschätzenden Wert, ungeniert spricht sich auch der kleine Mann aus, ohne Furcht von den Großen niedergeredet zu werden! Gewiß wird dieser Tag seine reichen Früchte tragen!

Nachdem dieMilterfrage" öffentlich erörtert, und die Müller in ganz gehässiger Weise verdächtigt worden, sind wir genötigt, zu unserer Verteidigung das Wort zu nehmen: Die Müller bezogen zu einer Zeit, als der Ztr. Kernen 10 12 fl. und darüber kostete, so viel an Milter wie bis jetzt, da er nicht einmal so viel Mark gilt; damals hatte ein Hand­werksmann 3036 kr. Taglohn, der jetzt 34 ^ kostet. Ist es uns denn also nun so sehr zu ver­argen, wenn wir notgedrungen unsere Belohnung nur annähernd den Betriebskosten entsprechend fest­setzen? Oder ist es nicht jedem Schuhflicker gestattet, seinen Lohn selbst zu bestimmen? In verhältnismäßig kurzer Zeit sind 3 bedeutende Mühlen an der Nagold wegen mangelnder Rentabilität außer Betrieb gesetzt worden, und es wäre ganz ergötzlich, wenn sich der betr. Verfasser mit Hilfe der Darlehenskasse eine derselben erwerben würde, er erspart den Göppel, Milter und Trinkgeld, welches zu geben ihm so schwer zu fallen scheint. Da mit Schnupfen meistens auch ein eingenommxner Kopf verbunden ist, so er­klären wir uns, warum der Einsender nur die eine Seite des Mühlebetriebs ansieht; davon aber, was die Unterhaltung des Werkes kostet, welchen Schaden Hochwasser und Eis anrichten, will er nichts wissen. Jeder Arbeiter ist seines Lohnes wert, und jeder billig Denkende wird emsehen, daß der Müller den seinen vollständig verdienen muß, daß also die er­wähnten Verdächtigungen von uns mit Entrüstung zurückgewiesen werden können. Mehrere Müller.

Stuttgart, 18. Jan. (Erkrankung.) Die 14jährige Prinzessin Pauline von Württemberg, ein­zige Tochter des Prinzen Wilhelm, welche gegen­wärtig mit ihren hohen Ellern in Arolsen weilt, erkrankte dort sehr bedenklich an der Diphleritis, doch .ist jetzt die Gefahr glücklich Überstunden.

Stuttgart, 19. Jan. Generallieutenant Frhr. v. Falkenstein ist als Kommandeur der 3. Division nach Preußen (Stettin) kommandiert.

Nach derSchwäb. Tagwacht" hat Herr Geh. Kommerzienrat Siegle, der sich in Italien aufhält, angeordnet, daß der auf die Arbeiter entfallende Bei­trag zur Alters- und Jnvaliditätsverstcherung den Arbeitern beim Jahresabschluß gutgeschrieben werde. Andere Stuttgarter Firmen haben dieselben Anord­nungen getroffen.

Stuttgart, 17. Jan. (Landtag.) Für die Verwaltung der Städte üver lOvtX) Einwohner wir haben derer im Lande 12, und zwar: Stuttgart, Ulm, Heilbronn, Ebingen, Cannstatt, Reutlingen, Ludwigsburg, Gmünd, Tübingen, Göppingen, Ravensburg und Tuttlingen hat der Entwurf

über die Verwaltungsrcform besondere Bestimmungen. Die einschneidenste darunter, die aber, einstweilen wenigstens, wohl nur für Stuttgart praktisch werden wird, ist die Ermächti­gung, besoldete Gemeiiiderüte auf die Zeitdauer von mindestens 6 Jahren oder auf Lebenszeit zu wählen, und zwar durch die Gemeindekollegien. Diese besoldeten Gemeinderäte sollten nach dem Regierungsentwnrf akademisch gebildet sein. Diese letztere Bestimmung wurde angefochten, und zwar auf Grund der Stuttgarter Verhältnisse, wo man, wie es scheint, für die besoldeten Gemcinderätcposten Persönlichkeiten aus bür­gerlichen Kreisen im Auge ha:, welche sich durch ihre Tüch­tigkeit auf dem Rathaus bewährt haben. Gegen die akade­mische Bildung als Ersordernis für die besoldeten Gemein­deräte wandten sich die Abgg. Stälin, Sachs, Ebner und Haußmann, und man fand schließlich einen Ausweg darin, daß man beschloß, es könne Dispensation von dem Erforder­nis der akademischen Bildung durch das Ministerium erteilt werden. Ein Antrag von Haußmann, die besoldeten Gemein- deräte Elch wie die unbesoldeten «ns direkter Wahl hervor- geheu zu lassen, ward beanstandet. Eine recht unliebsame Debatte wurde heute durch den volkspartcilichen Abg Hauß- mann heraufbeschworen. Derselbe hat sich darin gefallen, bei der Beratung des vorliegenden Gesetzes an anderen Abgeordneten, an der deutschen Partei u. s. w. Kritik zu üben, und dabei eine gewisse Gehässigkeit zur Schau zu kragen, wie man sie bei diesem Heißsporn der Demokraten gewohnt ist, der die Wahrung des Volkswohl ganz allein für sich in Anspruch nimmt und dessen tendenziöse Nb den darauf gerichtet sind, der Regierung vorzuwcrfcn, sie trete das Wohl des Volkes mit Füßen. Als 'Minister v. Schmidt dieses Vor­gehen Haußmanns heute als Arroganz bezeichnen, und Haußmann erwiderte, nahm der Abg. Hans v. Ow das Wort, nm seinem Bedauern darüber Ausdruck zu geben, daß eine solch unglückselige, tendenziöse Richtung, die man früher gar nickt gekannt habe, neuerdings in der Kammer zum Ausdruck komme. Auch der Abg. v. Wolfs meinte, das Haus verschmähe cs, in dem von Haußmann beliebten persönliche» Ton weiter zu verhandeln. Hoffentlich wird die Debatte, nachdem man heute mit Haußmann gehörig ins Gericht ge­gangen, nunmehr in ruhigere Bahnen einlenkcn. Wenigstens wil^k dem Präsidenten v. Hohl diese Erwartung zuver­sichtlich ausgesprochen.

LudwiasburH, 19 . Jan. Die Hundesteuer wurde von den bürgerlichen Kollegien mit Wirkung vom 1 . April d. I. an zu Gunsten der Ortsarmen­kasse von 7 auf 12 ^ erhöht, so daß die Hunde­abgabe, einschließlich des Anteils von Stadt und Staat künftig 20 ^ für das Stück beträgt. Der im vorigen Jahre eingesührte Zuschlag hat eine er­hebliche Abnahme der Hunde in hiesiger Stadt nicht herbeizuführen vermocht.

Heilbronn, 17. Jan. Bei dem hiesigen Ba­taillon ist die Influenza verhältnismäßig sehr stark verbreitet. Es sollen z. Z. über 60 Mann daran erkrankt sein. Infolge dessen wurde auch von Ein­berufung der Landwehrleute zur Ausbildung mit dem neuen Gewehr vorläufig Abstand genommen.

Laupheim, 17. Jan. Da sich die Brand­stiftungen hier wiederholten, erhielt die hiesige Wach­mannschaft durch auswärtige Landjäger und durch Mitglieder des Militärvereins bedeutende Verstärkung. Ein Beweis für den Schrecken und die Angst der hiesigen Einwohnerschaft sind die bekanntenNacht­lichter", welche in jedem Hause brennen.

Ravensburg, 17. Jan. Die bürgerlichen Kollegien Ravensburgs beschlossen einstimmig, 400 Mark auszuwerfen, um mit dieser Summe zu Ehren des bevorstehenden Kaiserlichen Geburtsfestes die Armen zu unterstützen, dagegen im übrigen von einer besonderen Feier des Geburtsfestes für dieses Jahr abzustehen.

Leipzig, 17. Jan. Staatssekretär Oelschläger ist zum Präsidenten des Reichsgerichts ernannt worden.

DieFrankfurter Zeitung" sitzt mit ihrer Ko- saken-Nachricht, daß der Großherzog von Mecklenburg- Schwerin dem Fürsten Bismarck die Ministerpräsident­schaft in Mecklenburg angeboten habe, überall auf. Sie hatte den Professor Dr. Ziegler in Straßburg als ihren Gewährsmann genannt, dieser aber erklärt jetzt in derStraßburger Post", er habe die Nach­richt nicht eingesandt; er habe zuerst davon gehört, als dieselbe von den Zeitungen veröffentlicht und besprochen worden sei.

Es scheint sich zu bestätigen, daß der Kaiser dem Fürsten Bismarck kürzlich eine huldvolle Aufmerksamkeit erwiesen hat. Es verlautet, der Kaiser habe zu Weihnachten dem Fürsten ein Album mit Aufnahmen aus dem Innern des Alten Palais, namentlich solchen des dem Fürsten wohlvertrauten Vortrags- und Arbeitszimmers des Kaisers Wilhelm I., geschickt. Auf das Dankschreiben des Fürsten Bismarck sei dann ein telegraphischer Neujahrsglück­wunsch des Kaisers erfolgt.

Berlin, 17.Jan. In gut unterrichteten Kreisen kursiert die Nachricht, daß der Reichskommissär Wiß- mann schwer nervös erkrankt ist.

Berlin, 17. Jan. Die Budgetkommission des Reichstags bewilligte 200 000 ^ für die wissen­schaftlichen Bestrebungen zur Erschließung Afrikas, ferner 2 933 000 ^ als Zuschuß zu den Verwal­tungsausgaben für die südafrikanischen Schutzgebiete. Der Staatssekretär Frhr. Marschall v. Bieberstein erklärte, daß das ostafrikanische Schutzgebiet vom 1 . April an ebenso wie Togo und Kamerun vom Reiche verwaltet werden soll. Ein Gouverneur wird bestellt; die Gerichtsbarkeit wird nach Maßgabe des bestehenden Gesetzes eingerichtet. Die Kolonialtrup­pen, die dem Marinekommando unterstehen, betragen 1500 Mann Farbige unter deutschen Offizieren und Unteroffizieren. Die Kommission bewilligte 2 '/» Millionen ^ anstatt der geforderten 3 Vs Mill., da ein Ueberschuß an Zolleinnahmen zu erwarten steht.

Berlin. Die neue Zuckersteuervorlage scheint im Reichstage scheitern zu wollen. Der Hauptpa­ragraph 2 verlangt nach der Regierungsvorlage die Einführung einer Kousumstener auf Zucker von 22 Die betr. Kommission verwarf einstimmig diesen Satz und beschloß mit 18 gegen 9 Stimmen einen Steuersatz von nur 16 Da auch die Mehrheit der Kommission für Beibehaltung der

Zucker-Ausfuhrprämien ist, welche die Reichsregierung abgeschafft wissen will, so ist wenig Hoffnung auf ein Zustandekommen des Gesetzes vorhanden.

Berlin, 19. Jan. In der Budgetkommission des Reichstags wurde heute die Petition der Zei­tungen um billigere Telegrammgedühren nach der Erklärung des Postvertreters, daß Vorrechte nicht geschaffen werden können, mit allen gegen eine

Stimme abaelelmt

Berlin, 19. Jan. Auf der Tagesordnung steht der Antrag Auer auf Einstellung der Maß­

nahmen des Nürnberger Staatsanwalts gegen den Abg. Grillenberger. Der Abg. v. Unruhe-Bomst beantragt die Einstellung des Verfahrens. Der Antrag wird angenommen. Der Antrag Auer wird der Geschäftsordnungs Kommission überwiesen. Bei der Beratung des Etats des Reichstags regt der Abg. Richter die Gewährung von Diäten an die Reichslagsabgeordneten an. Der Etat des

Reichstags uns des Reichskanzlers wird bewilligt. Bei dem Etat des Reichsamls des Innern verlangt der Abg. v. Keudell die Bekämpfung der Trunksucht. Staatchekretär v. Bötticher stellt eine entsprechende Vorlage vielleicht noch im Laufe dieser Session in ,'lussicht.

Berlin, 19. Jan. Nachdem die Koch'sche Flüssigkeit durch die gestrige Veröffentlichung auf- gchört hat, ein Geheimmittel zu sein, wird nach der National-Zeitung" der Verkauf baldigst an die Apotheke übergeben. Es sind dazu noch einige Verwaltungsverordnungen erforderlich.

Frankreich.

Der Pariser Siecle ist äußerst entrüstet über die angekündigte Verlobung der Prinzessin Louise von Orleans mit dem Prinzen A lphons von Bayern. Es sei schade, daß Moltke nicht einen Sohn zu ver­heiraten habe, dann könnten die Orleans der jungen Gattin die vierzig der Republik nach dem Krieg ab- gepreßten Millionen als Mitgift geben. Der Graf von Paris sei schon ein Mecklenburger, er habe dies aber nicht ändern können.Von einem Deutschen abzustammen, ist ein '.Inglück, wenn man Franzose ist; aber seine Tochter mit einem Deutschen zu ver­heiraten, ist Pflichtvergessenheit.

Paris, 15. Janr. (Deutschenhaß.) Der Soleil" berichtet über eine deutschfeindliche Kund­gebung in Toulouse:Ein Bayer, der sich Lind nennt und Reserveoffizier in der deutschen Armee ist, hatte im vergangenen Monat in Toulouse einen großen Spezereiladen eröffnet. Um seine deutsche Herkunft zu verdecken, hatte er einen französischen Geschäftsführer, sowie französische Gehilfen ange­nommen. Vorgestern Abend jedoch stellte er beim Mittagtisch einen neuen deutschen Gehilfen vor, der soeben aus Straßburg eingeiroffen war. Alle fran­zösischen Angestellten weigerten sich, an einem Tisch mit dem Deutschen zu speisen und der Geschäftsführer verließ mit 13 Gehilfen das Haus. Heute Morgen nun erschienen die letzteren, gefolgt von einer großen Menschenmenge, vor dem Hause des Lind, sangen die Marseillaise und schrieen:Speit auf die Deut­schen!" undNieder mit den Preußen!" Nur mit großer Mühe konnte die Polizei die Menge aus-- einandertreiben."