seinem Regierungsantritt als erster mit hochherziger Bundesfreundschast die Sorgen ihm erleichtern half. Es sei notwendig für unser Volk, angesichts der großen Aufgaben, welche ihm erwachsen, daß die deutschen Fürsten treu zusammenstehen. Er gelobe hier mit Hohenzollerntreue dem Prinzregenten und dem bayerischen Königshause Bundesfreundschaft. Mit dankbarem Hinblick auf den großartigen herzlichen Empfang fordere er Alle auf, das Glas zu erheben und auf deS Prinzregenten Wohl zu trinken.
München, 2. Oktober. Das Programm für heute, das namentlich den Besuch der Ausstellungen enthielt, ist bisher unausgeführt geblieben. Es sollen dringende Arbeiten von Berlin eingelaufen sein, mit deren Erledigung der Kaiser den Vormittag hindurch beschäftigt gewesen sein muß, so daß bis zur Stunde — es ist nahezu 11 Uhr — jede Ausfahrt unterblieben ist.
München, 2. Okt. Wegen der Erkrankung der Prinzessin Ludwig sind alle weiteren Festlichkeiten abbestellt worden.
München, 3. Okt. Beim gestrigen Galadiner erwiderte der Kaiser auf den Toast des Prinzregenten etwa folgendermaßen: Wie 1870 das bayerische Königshaus und Volk hochherzig den Impuls zur deutschen Einheit gegeben, so fei der Prinz- Regent der erste gewesen, welcher nach seinem, des Kaisers, Regierungsantritt ihm die Sorgen erleichtern half. Angesichts der schweren Aufgaben, welche demBolke erwachsen, sei esnot« wendig, daß die Fürsten treu zufammen- ftehen. Der Kaiser gelobte mit Hohenzollerntreue dem Prinzregenten und dem Königshause Bundesfreundschaft mit dankbarem Hinblick auf den großartigen herzlichen Empfang. — Beim Abschied des Kaisers waren anwesend der Prinzregent, die Prinzen, die Generalität und die Ehrenkompagnie. Kaiser und Prinzregent schritten die Front ab und umarmten und küßten sich wiederholt. Unter Kanonendonner und Festgesang ist die Abfahrt des Zugs unter unbeschreiblichem Jubel 10.15 Uhr erfolgt.
Kaiser Wilhelms I. bevorzugte Herberge war, wenn er durch Bayern reiste, der durch Erinnerung an Kaiser Earl V. interessante Regensburger Gasthof „Zum goldenen Kreuz", dem Karl den Don Juan d'Austria, den späteren Kriegshelden, als Andenken zurücklietz. Als König Wilhelm im Jahre 1883 im „Engel" mit Bismarck, Wrangel und Manteufscl einen Kriegsrat abhiclt, verherrlichte der Münchener Volksbote, der Vorgänger des Siglschen „Vaterlandes", denselben durch den Vorschlag, eine Infanterie-Kompagnie vor den Gasthof zu schicken und „einfach das preußische Nest auszunehmcn."
Berlin, 1. Okt. Der Reichstag wird zuverlässiger Quelle zufolge am 20. November einberufen werden.
Berlin, 2. Okt. Aus Rom wird gemeldet, Kaiser Wilhelm lehnte einen ihm vom Papst angebotenen Lunch im Vatikan ab, weil er in der deutschen Botschaft dejeuniert.
Berlin. 3. Okt. Von dem Tagebuche Kaiser Friedrichs sollen etwa 20 Kopien existieren, welche demnächst eingezogen und dem königlichen Hausarchiv einverleibt werden sollen.
Berlin, 3. Okt. Wie wir hören, sind in den letzten Tagen für etwa 45 000000 Mark Erdarbeiten vergeben und haben in erster Linie norddeutsche Firmen und eine speziell auf diesem Gebiet bewährte bayerische Firma den Zuschlag erhalten.
Der „Neichsbote", das Organ des Herrn Stöcker, veröffentlicht aus dem Tagebuche des Kaisers Friedrich während seiner Orientreise vom Jahre 1869 einen „Jerusalem 4.—9. November" datierten Abschnitt. Der damalige Kronprinz giebt den Gefühlen, welche ihn bei dem Besuche Jerusalem's und des Oelberges erfüllten, begeisterten Ausdruck: „Was mich für mein ganzes Leben glücklich gemacht hat, heißt es da, ist, daß ich die Stätte betreten habe, an der Jesus Christus geweilt, die Stätte, welche sein Fuß betreten hat, daß ich die Berge und Gewässer geschaut , aus welchen sein Auge täglich geruht hat." Die dieser Tage veröffentlichten Aufzeichnungen aus dem Kriegstagebuche von 1866 sind schon vor drei Monaten von der Darmstädter Allgemeinen Militär- Zeitung gebracht und jetzt nur wieder abgedruckt.
Hamburg, l. Okt. Ueber die Berhaf tung des Geheimrats Geffcken berichtet das „Hamb. Frdbl.", daß derselbe am Samstag abend in Begleitung seiner Gattin auf dem Benlooer Bahnhof cintraf, wo ihn sein Sohn und sein Schwager erwarteten. Der Kriminalbeamte Stelling trat entblößten Hauptes an Geffcken heran, als derselbe den Perron verlassen wollte, fragte ihn nach seinem Na
men und lud den Geheimrat auf dessen Antwort hin höflichst ein, ihn nach der Polizeistation des Bahnhofs zu begleiten. Die Gemahlin des Professors brach in Thränen aus; Geffcken selbst wurde im ersten Augenblick bleich, erlangte aber alsbald wieder seine Fassung und Ruhe zurück. Das Ersuchen des Verhafteten, feine Gemahlin noch einmal sprechen zu dürfen, wurde abgelehnt. Beide Handkoffer ver Reisenden beschlagnahmte die Polizei. Geffcken wurde dann per Droschke nach dem Justizgebäude gebracht. Dort fand am Sonntag ein Verhör bei dem Amtsrichter Schiefler statt, das von morgens 11 Uhr bis abends 6 Uhr währte.
Aus Hamburg wird bestätigt, daß die Untersuchung gegen Geheimrat Professor Dr. Geffcken wegen Publikation von Kaiser Friedrichs Tagebuch an das Reichsgericht verwiesen ist. Bor diesem wird also der Prozeß geführt. Geffcken's Verwandte sollen sich bemüht haben, die Freilassung des Verhafteten gegen Kaution zu erlangen, sind aber ab- schläglich beschieden worden. Der Pariser „Matin" schreibt: „Wir glauben sagen zu können, daß Geffcken nächstens einen Protest in Gestalt eines offenen Briefes publizieren will, der einiges Aufsehen machen wird. Geffcken erhielt das Tagebuch vom Kaiser Friedrich selbst. Der Prozeß wird indessen den Skandalgeschichten kein Ende machen, da Geffcken in Voraussicht dessen, was kommen werde, mit einem großen Pariser Verleger wegen Herausgabe des ganzen Tagebuches des Kaisers Friedrich unterhandelt hat." Andere Pariser Blätter bringen dieselbe Behauptung mit dem Zusatze, daß der bekannte Pariser Verleger Ollendorf das Manuskript in Händen habe. Eine Hamburger Nachricht, Geffckens Verwandte wollen ihn für unzurechnungsfähig erklären lassen, ist darnach nur dummes Zeug.
In Merseburg siud bei der Einjährig-Frei- willigen-Prüfung von 13 jungen Leuten 10 durchgefallen.
Großer Lehrermangel in Schleswig- Holstein. 80—100 Lehrerstellen an Volksschulen sind unbesetzt und die geringsten werden durch Leute verwaltet, die vor wenigen Jahren erst die Volksschule verlassen haben.
Schweiz.
Bern, 4. Okt. Auf den Bahnlinien Freiburg —Bern, Bouveret—Martigny, Brugg—Hendschikon ist infolge von Erdrutschungen und Ueberschwemmun- gen der Verkehr unterbrochen. Die Dörfer Bümplitz und Lyß (Kanton Bern) stehen unter Wasser. Die Aare ist oberhalb Bern ausgetreten, mehrere Häuser der unteren Stadt sind gefährdet.
Genf, 4. Okt. Im Kanton Genf haben große Ueberschwemmungen beträchtlichen Schaden angerichtet. In Savoyen sind Häuser eingestürzt, Weinberge und Gärten verwüstet und Menschen ertrunken. Oesterreich-Ungar«.
Wien, 3. Okt. Seit frühestem Morgen wogte eine riesige Menschenmenge durch die Straßen, welche Kaiser Wilhelm, vom Westbshnhof kommend, passierte. Die Mariahilferstraße und jener Teil des Ringes bis zur Hofburg hat reichen Flaggenschmuck angelegt. Das Militär aller Waffengattungen bildete dichtes Spalier. Dahinter stand eine Kopf an Kopf gedrängte Menschenmenge. Der kaiserliche Trains traf pünktlich 9 Uhr Vormittags ein; kurz vorher waren Kaiser Franz, der Kronprinz, die Erzherzöge Albrecht Wilhelm Sreiner, Carl-Ludwig, Ludwig-Biktor- Friedrich. Eugen, Otto, das diplomatische Corps, die Mitglieder der beiden Kabinete, zahlreiche Würdenträger zum Empfang angekommen. Ais Kaiser Wilhelm, in der Uniform seines österr. Inf. Regts., den Salonwagen verließ, eilte Kaiser Franz Josef auf ihn zu. umarmte und küßte ihn herzlichst, sodann umarmte und küßte Kaiser Wilhelm den Kronprinzen und die Erzherzöge. Die beiden Kaiser bestiegen alsbald die öereitgehaltenen Koupes und fuhren langsamen Schrittes unter stürmischen Hoch- und Hurrahrufen seitens der kolossalen Menschenmassen nach der Hofburg , woselbst die Kaiserin Elisabeth mit den Prinzessinen den hohen Gast erwartet«. Das Wetter ist günstig; oie Geschäfte haben geschlossen.
80U W i e n, 4. Oktbr. Kaiser Wilhelm nahm das Dejeuner in der deutschen Botschaft, empfing nachmittags im Botschaftslokal die Chefs fremder Missionen und die hier anwesende» Gesandten und Geschäftsträger. Die Auffahrt währte von 2 bis 3 Uhr. Zum Schluß wurden noch die Deputationen des deutschen Hilfsvereins und des Vereins
. vom Niederwald empfangen. Der Kaiser kehrte um 4 Uhr in die Hofburg zurück. Um 6 begann daS große Galadiner mit 163 Gedecken. Während des Diners begann der österreichische Kaiser seine herzliche und unauflösliche Freundschaft zu Kaiser Wilhelm zu betonen, welcher in sich jugendliche Kraft und männliche Weisheit vereinige. Kaiser Wilhelm erwiderte, er sei kein Fremder hier, und sei bereits früher von dem Kaiser Franz mit Huld und Gnade ausgenommen worden. Er versichert ihn gleichfalls der treuen Freund- und Bundesgenossenschaft, die Deutschland und Oesterreich-Ungarn miteinander eng verbinden. Kaiser Franz erhob sich noch einmal, um jetzt auf die preußische und deutsche Armee als leuchtendes Musterbild aller militärischen Tugenden zu trinken, worauf Kaiser Wilhelm sofort mit einem begeisterten Hoch auf Oesterreich-Ungarns Armee und auf die gegenseitige treue Kameradschaft entgegnete. Die beiden Kaiser Wilhelm und Franz Josef begaben sich mit glänzender Suite soeben kurz nach 8 Uhr zur Soiree beim Erzherzog Carl Ludwig.
Wien, 4. Okt. Beim gestrigen glänzenden Hofkonzert beehrte Kaiser Wilhelm, die Kaiserin Elisabeth am Arm führend, mehrere Persönlichkeiten mit Ansprachen und dankte nach dem Konzert den Künstlern, während die Kaiserin den Grafen Herbert Bismarck durch eine fast halbstündige Unterredung auszeichnete.
Alle Wiener Blätter bringen Begrüßungsartikel zur bevorstehenden Ankunft des deutschen Kaisers und erblicken darin eine ganz besondere Befestigung des bisher schon unlösbaren Zriedcns- bundes.
Zum Empfange des Kaisers in Wien verbietet eine Polizeiverordnung das Aufhissen von schwarz-rot-goldenen Fahnen. Schwarz-weiß-rote Fahnen dürfen indessen zur Ausschmückung der Häuser verwendet werden. Zur Spalierbildung in den Straßen beim Einzuge des Kaisers sind 21 Bataillone Infanterie beordert worden.
Pest, 3. Okt. Alle ungarischen Blätter begrüßen den Besuch Kaiser Wilhelms als Beweis der Continuität und Neubekräftigung des deutsch-österreichischen Bündnisses. Der „Pester Lloyd" beront: Der Besuch Kaiser Wilhelms, des Trägers des großen Vermächtnisses seiner großen Vorgänger, deute eine neue Sanktionierung des Bundes an. Die ungarische Nation schließe sich aus vollem Herzen den Kundgebungen der Verehrung und Sympathie an, welche dem jugendlichen Herrscher als Friedensfürsten und Verbündeten überall dargebracht werden. „Uns beseelt die Ueberzeugung, daß das deutsche Reich und Oesterreich-Ungarn werden in den Tagen der Prüfung unzertrennlich sein in der Verteidigung gegen jede Gefahr." Der „Ncmzet" konstatiert, der Empfang des deutschen Kaisers in Süddeutschland beweise, daß aller frühere Separatismus im Bewußtsein der deutschen Einigkeit aufgegangen sei.
Frankreich.
Paris, 3. Okt. Boulanger ist wieder eingetroffen ; er wird sich nach Charente, Dordogne be- gbben und zur Kammereröffnung zurückkehren. In ! Periguen soll ihm zu Ehren ein Festmahl stattsinden, an dem 2000 Personen teilnehmen.
Paris, 4. Okt. Ein großer Teil der Um- ^ gegend von Lyon ist überschwemmt, auf der Bahnstrecke Lyon—Genua Verkehrsstörungen, Schaden ^ beträchtlich.
Die französische Reg ierung ergreift Maßnahmen , um die definitive Niederlassung von Frem- ! den in Frankreich zu erschweren. Jeder Nichtfranzose, welcher sich künftig dauernd in Frankreich niederlas- ^ sen will, muß vorher unter Einreichung seiner genauen Papiere und beglaubigter Angaben über seine ^ Verhältnisse um Aufenthaltserlaubnis nachsuchen.
! Kann er die Papiere nicht Vorbringen, wird die Erlaubnis verweigert. ES handelt sich darum, wie ! diese Maßnahme ausgeführt wird. Bei milder Hand- ! habung wird alles gut sein, andernfalls können alle Fremden einfach exmittiert werden.
Belgie«.
Brüssel, 2. Okt. Die holländischen Katholiken veranstalten eine Kundgebung zur Herstellung der weltlichen Herrschaft des Papsttums.
Brüssel, 3. Okt. In Folge des neuen französischen Fremdengesetzes beschloß die Regierung Gegenmaßregeln gegen die hier angesiedelten Franzosen zu ergreifen.