empfangen, wobei herzliche Begrüßung, sowie Vor­stellung der Militär- und Zivilbehörden stattfand. Darauf fuhren die Allerhöchsten Herrschaften in offe­nem Wagen über den prachtvoll erleuchteten Bahnhof­platz zum Hafen durch die vom Militär, sowie von den Vereinen gebildeten Spaliere unter endlosen Hoch­rufen der versammelten Menge. Um 1 l Uhr erfolgte die Abfahrt mit dem Dampfboot nach der Mainau über den prachtvoll beleuchteten See, indessen Feuer­werk abgebrannt wurde. (Noch in letzter Stunde wurde der Fahrplan geändert und solcher von Stutt­gart über Ulm bestimmt.)

Sigmaringen, 28. Sept. Kanonendonner und Glockengeläute verkündigten um 7 Uhr 54 Min. die Ankunft des kaiserl. Extrazuges von Ulm her. Der Kaiser, am Fenster stehend, wurde von der Volks­menge jubelnd begrüßt. Der Fürst von Hohenzollern begrüßte den Kaiser im Wagen. Beide umarmten und küßten sich. Prinz Ferdinand küßte die kaiserl. Hand; die Begrüßung der Fürstin fand im Fürsten­salon des Bahnhofes statt. Nach einem Aufenthalt von 15 Minuten erfolgte die Abfahrt des Kaisers. Schloß und Park waren festlich beleuchtet.

Frankfurt, 29. Sept. Der Preis der Zwetsch­gen ist niedriger als seit vielen Jahren; gestern wurde das Hundert im Großhandel zu 45 Pf. ge­geben.

Berlin, 26. Sept. Alle Morgenblätter brin­gen Bismarck's Jmmediatbericht mit dem Strafan­trag, und zwar dieNordd. Mg. Ztg." und die Kreuzzeitung" ohne KoiNmenlar. DieNat.-Ztg." greift dieFreis.Ztg." wegen Beurteilung desTage­buches" vom Partei-Standpunkt an. Das Blatt hält mit Bismarck das Tagebuch für unecht und glaubt, eS sei daher nur ß 92, 2 oder Z 189 des Strafge­setzes anwendbar. Die Absicht des Kanzlers, die Entstehung und die Zwecke der strafbaren und ver­leumderischen Publikation ans Licht zu ziehen," werde sicher bald erreicht. Die Spur des Veröffentlichecs scheine bereits gefunden zu sein.DerBörsen­kurier" betont, det Kronprinz wünschte ausdrücklich, die Anwendung von Gewalt gegen Bayern und Württemberg bezüglich der deutschen Fragen zu ver­meiden.

Berlin, 26. Sept. Die Häuser vor der Schloßfreiheit sind provisorisch für 6 Millionen angekauft worden. Der Platz soll für das Kaiser Wilhelm-National-Denkmal bestimmt sein.

Berlin, 27. Sept. DieNordd. Mg. Ztg." schreibt:Angesichts der abfälligen Urteile, j welche in dem angeblichen Tagebuche des ^ Kaisers Friedrich über den König Ludwig von Bayern gefällt werden, ist es nützlich, daran zu erinnem, daß die entscheidende Kundgebung der nationalen Gesinnung des bayerischen Monarchen ^ nicht in der Frage der Redaktion seiner formellen Anregung der Kaiserwürde obschon auch diese den Dank Deutschlands für ewige Zeiten verdient, sondern in der schnellen Entschließung liegt, mit wel­cher er unmittelbar nach der am 15. Juli erfolgten preußischen Mobilmachung am 16. vormittags bereits den Beratungen seiner Minister über die Haltung Bayerns durch den kurzen telegraphischen Befehl, die Armee sofort zu mobilisieren, ein Ende machte. Durch diesen hochherzigen Entschluß, den der König aus ganz freier Initiative faßte, und der im gan­zen bayerischen Lande mit Jubel begrüßt wurde, hat sich König Ludwig ein unzerstörbares Denkmal im Herzen des deutschen Volkes gesetzt, indem er ohne jede Rücksicht auf die Eifersucht der Stämme und Dynastien sein Heer und sein Land sofort und ener­gisch für das gemeinsame deutsche Vaterland einsetzte. Keine nachträgliche Kritik wird ihm dieses Verdienst rauben können und ebenso wenig das weitere, daß er in voller Konsequenz dieser feiner prompten pa­triotischen Entschließung nicht nur der Herstellung des Kaisertums zugestimmt, sondern die Forderung des­selben in einem eigenhändigen Schreiben an den Kö­nig Wilhelm gestellt hat. Ebenso unvergessen wird auch die deutsche Gesinnung des bayerischen Stam­mes bleiben, sie hat in der heldenmütigen Tapferkeit der bayerischen Truppen im ganzen Verlaufe des Krieges ihre Bethätigung gefunden.

Berlin, 28. Sept. Unser neues Jnfante- rie-Exercier-Rcglement läßt den Franzosen keine Ruhe. Französischerseits war im verflossenen Maimonat ebenfalls ein neues Exerzier-Reglement sertiggeftellt und in einer gewissen Anzahl von Re­gimentern probeweise eingeführt worden. Es scheint

aber, daß die mit demselben gemachten Erfahrungen nicht zum besten gewesen sind, wenigstens ist dasselbe an den Redaktionsausschuß mit der Weisung zurück­geleitet, es einer nochmaligen Umarbeitung zu unter­ziehen und diese Aufgabe zu beenden, ehe die Re­kruten von 1887 zur Einstellung gelangen. Die Blätter wünschen dem französischen Reglement einen ähnlichen Erfolg, wie ihn das neue deutsche davon­getragen.

Berlin, 29. Septbr. In gut unterrichteten . Kreisen gilt es für sicher, daß Redaktion und Verlag derDeutschen Rundschau" durchaus dona, 6äs (auf Treue und Glauben) gehandelt haben und gegen ihren Willen zu fortschrittlichen Tendenzen mißbraucht worden seien. Der Einsender der Veröffentlichung soll in Hofkreisen bereits bekannt sein und es soll Vorsorge getroffen sein gegen weitere Publikationen.

! Rodenbera weilt augenblicklich in Italien. Die Anklage j soll nicht gegen ihn persönlich erhoben werden, er soll I vielmehr als Zeuge vernommen werden, j Berlin, 29. Septbr. Die Nationalzeitung ! nennt heute als Linsender des Tagebuchs von Kaiser ! Friedrich Geffken, den früheren hanseatischen Resi- i denten in Berlin, später Professor in Straßburg, jetzt ! in Hamburg privatisierend. Da die Quelle der Natio- ! nalzeitung bisher zuverlässig, ist es möglich, daß ihre j Angabe) soweit sie den Einsender selbst betrifft, rich- j tig ist. Indessen nennt man in unterrichteten Krei- ! sen auch eine Hofcharge als beteiligt, und allerdings ! scheint die Regierung fast ein größeres Komplott an­zunehmen. Offiziell wird die Sache mit größtem Geheimnis betrieben, daher beruht alles, was die Zeitungen darüber bringen, auf Kombinationen oder ungeschickten Indiskretionen Subalterner,

Berlin, 29. Sept. Der Vermurung der. Nat.-Ztg." gegenüber, daß Dr. Geffcken der Au­tor der Veröffentlichung aus dem Tagebuche Kaiser Friedrichs sei, versichert dasVerl. Tagbl.", daß der Ursprung der Publikation höher hinaufreiche und daß es sich dabei um einen langjährigen früheren Botschafter handele, der aber eher seit mehr als Jah­resfrist aus dem diplomatischen Dienste ausgeschieden ! sei. Die Einsendung des Tagebuchs an dieDeutsche Rundschau" soll allerdings nicht direkt, sondern durch eine Mittelsperson bewirkt worden sein. Dasselbe Blatt will übrigens wissen, daß die Verlagshand­lung selbst das Manuscript an die Behörde nicht ausgeliefert habe und daß von demselben nur Kennt­nis gehabt hätten der Redakteur derRundschau" Dr. Rosenberg, der Drucker Stephan Geibel in Al­tenburg und ein taubstummer Setzer, dem die Her­stellung des Satzes übertragen war.

Berlin. Eine Betrachtung über die jüng­sten Kaisermanöver schließt diePost" mit folgenden Sätzen:Es ist für das junge Deutsche Reich bei seiner bekannten exponierten Lage eine große Beruhigung, einen streitbaren, mit allen Sol­datentugenden ausgestatteten und dabei im kräftigsten Lebensalter stehenden Kaiser an der Spitze zu haben, der, wenn uns eines Tages die Vorsehung vor die Entscheidung der Waffen stellen sollte, in seiner Stel­lung als Oberfeldherr des deutschen Heeres zu den schönsten Hoffnungen die Berechtigung gibt. Das ist ein wichtiges Ergebnis der Kaisermanöver!"

Berlin. Ueber den künftigen Reichsetat wird von berufener Seite bekannt, daß die Einzel­etats nur wenig von den früheren abweichen und keine besonderen Mehrforderungen bringen. Das gilt auch vom Militär- und Marine-Etat. Sollten außer- ordentliche Anforderungen geplant werden, müssen sie in Nachtragsetats erscheinen.

Der preußische Minister deS Innern, Herrfurth, macht bekannt, daß die Wahlen zum preu­ßischen Abgeordnetenhause am 30. Oktober und 6. November stattfinden werden und zwar am 30. Okt. die Wahl der Wahlmänner, am 6. Novbr. die der Abgeordneten.

Fürst Bismarck auf dem Erntefest. Der Reichskanzler hat dem Erntefeste seiner ländlichen Ar­beiter auf dem Gute Schönau bei Friedrichsruhe zeit­weise beigewohnt. Er hielt sich geraume Zeit unter ihnen auf und brachte dann in einer kurzen Rede ein Hoch auf den Kaiser aus. Er sagte etwa:Ich sehe mit Vergnügen, daß Ihr Alle heiter und ver­gnügt seid und sage ich allen besten Dank für die § THLügkeit, welche Ihr in letzter Zeit habt entwickeln ! müfscn, denn es hieß, die Ernte, welche trübe Hoff- ^ nungen erwecken mußte, möglichst rasch einzuschaffen,

^ und ist alles noch besser geworden, als man es nach

diesem langen Winter und nassen Sommer erwarten konnte. Der Winter hat uns Allen viel Trübes ge­bracht, wir haben unfern alten Kaiser begraben müs­sen, und schon wenige Monate später seinen Sohn, unfern Kaiser Friedrich. Hier ist auch nach trüben Tagen wieder Sonnenschein geworden, denn mit Stolz können wir Deutschen auf unseren Kaiser Wilhelm II. blicken, der ein Soldat vom Köpf bis zur Sohle ist und gewiß tapfer dreinschlagen wird, mit Hilfe sei­nes Heeres, wenn Deutschland angegriffen würde. Aber Kaiser Wilhelm II. liebt seine Unterthanen zu sehr und wird alles aufbieten, den Frieden zu erhal­ten; denn diejenigen von Euch, welche vor 18 Jah­ren mit mir in Frankreich waren, die wissen es, was es heißt, das Erntefest feiern, wenn der Feind im Lande ist, da bleibt für den Landmaun nicht viel übrig und deshalb wollen wir heute unseres Kaisers gedenken und ihm ein donnerndes Hoch darbringen. Unser Kaiser lebe hoch!" Ehe der Fürst sich ver­abschiedete, ordnete er noch an, man solle den Leu­ten tüchtig zu essen und zu trinken geben.

Oekerrcich-Ungarn.

Wien, 26. Sept. Die czechischen Blätter melden entrüstet, daß bei der theoretischen Prüfung der Reserveoffiziere in Prag der Vorsitzende General erklärte, wer nicht gründlich deutsch könne, solle zu­rücktreten , da die Offiziere deutsch können müssen. Es traten von 38 Kandidaten 21 zurück.

Wien, 29. Sept. Authentische serbische Berichte stellen fest: Der König beharrt unerschütterlich auf völliger Scheidung.

Frankreich.

Paris. Präsident Carnot schmiedet das Eisen, so lange eS warm ist. Die Rundreise durch die Normandie war ein unbestrittener Erfolg, der großen Eindruck in ganz Frankreich gemacht hat. Nächste Woche reist der Präsident nach Lyon, das durch seine unruhige Arbeiterbevölkevung bekannt ist. Man glaubt aber, auH die letztere werde dem Prä­sidenten einen sympathischen Empfang bereiten.

Paris. Die Anwesenheit des deutschen Kaisers'in Rom wird von der französischen Re­gierung zu einer kleinen Demonstration benutzt. Der französische Botschafter Graf Moy in Rom ist auf Urlaub und wird erst Ende Oktober nach der ewigen Stadt zurückkehren, bei dem Empfang Kaiser Wil­helms also nicht anwesend sein.

Paris. Die Untersuchung wegen des Atten­tates in der deutschen Botschaft in Paris soll zu Ende sein. Garnier ist, wie sich voraussehen ließ, für geistesgestört erklärt.

Paris. Jn Etienne dauert der Arb eiter­st rike fort. Zwischen Sinkenden und ihren thätigen Genossen ist es zu einer großen Schlägerei gekom­men, wobei zahlreiche Arbeiter Messerstiche davontru­gen. Schließlich wurden die Kämpfenden durch Gen­darmen mit Gewalt auseinander gebracht.

Paris. Botschafter Herbctte stattete dem deutschen Botschafter Grafen Münster vor. der Abreise nach Berlin einen längeren Besuch ab.

Paris. Der Cancan, den die Paris. Presse anläßlich der Veröffentlichung des Tagebuchs Kron­prinzen Friedrichs aufführt, wird immer toller. Der Jubel über die Veröffentlichung derDeutschen Rund­schau" ist in Paris noch fortwährend im Steigen und in der Freude des Herzens verrät die Pariser Presse ihre tiefsten Rachegefühle gegen die Hohen­zollern und den deutschen Reichskanzler.Paris" sucht unter der UeberschriftWie es sein soll" die alte Geschichte, daß Deutschland nach den deutsch-österreichischen Provinzen trachte, die es ver­langen werde für seine Rettung Oesterreichs, falls dieses von Rußland geschlagen werde; Oesterreich müsse, wenn es klug sei, durch Englands Hilfe sich mit Frankreich und Rußland verständigen, um Deutsch­land zu Paaren zu treiben. Den Engländern wird eine Strafpredigt gehalten, daß sie die Habgier der deutschen Kolonialpolitik sich seit vier Jahren ruhig hätten gefallen lasten. Diese Treibereien sind indes noch nichts gegen den Schwindel der Boulangisten- blätter. Laut derPresse" ist Elsaß durchaus bou- langistisch und ganz Ohr, wenn über die Häupter der Vogesenberge der Lockruf erschallt:Zu Frank­reich um jeden Preis!" DieJustice" und nach ihr derTelegraphe" heben die Aufzeichnung vom 31. Dez. 1870 heraus:Wir können unmöglich auf Elsaß-Lothringen verzichten, obgleich diese Erwerbung sehr prekär für uns werden muß." Im übrigen freut man sich in Paris auf neue Veröffentlichungen: dce

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