Ztg.", daß Geistliche in ihren Predigten und Gebeten für die Erlösung unseres Kaisers gebetet, wird als gehässig und verlogen bezeichnet.

Auch die neueste Kongopost bringt keine Nachricht über Stanley, seit Ende Juni 1887 sind er und seine Sudanexpedition total verschollen. Selbst die Kreise. welche immer noch siegesgewiß darauf vertrauten, Stanley werde wieder zum Vorschein kommen, haben nunmehr die Hoffnung aufgegeben, und so M denn kaum noch ein Zweifel vorhanden, daß die ganze 600700 Köpfe starke Expedition entwe­der den Speeren der Eingeborenen oder der arabi­schen Sklavenhändler oder aber dem Hunger er­legen ist.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 3. Mai. Ein offiziöser Berliner Brief derPolit. Korr." stellt fest, daß die deutschen Sym­pathien für Rußland in demselben Verhältnis abneh­men, wie diejenigen sür England zunehmen; in letz­terer Beziehung habe der Besuch der Königin Viktoria in Berlin Wunder gewirkt.

Wien, 3. Mai. Laut kaiserlicher Entschließung erhielt die Musik-Kapelle des 84. Regiments (Kapell­meister Komzak) Ordre, im Sommer in München wäh­rend der Kunstausstellung zu konzertieren; seit 1866 ist es das erste Mal, daß eine österreichische Kapelle in Deutschland konzertieren darf.

Wien, 3. Mai. Im Abgeordnetenhaus griff der Demokrat und Antisemit Lueger die deutsch­liberale Partei maßlos an und verdächtigte die Amts­wirksamkeit des Abgeordneten Sw ob od a. Foreg- ger erwiderte, die demokratische Partei habe in Wien verdächtigend und den Wirtshauston in das Rathaus tragend gewirkt; Lueger erzeuge Eckel. Sw ob oda nannte unter stürmischem Beifall Lueger einen Lügner, Verleumder und Ehrabschneider. Letzterer erwiderte, Swoboda sei eine Schande für die Deutschen Oester­reichs. lieber den Antrag Swoboda's beschloß das Abgeordnetenhaus, einen Ausschuß behufs Untersu­chung der wider ihn vorgebrachten Verdächtigungen einzusetzen.

Wien, 5. Mai. Schoenerer wurde wegen Verbrechens der öffentlichen Gewaltthätigkeit und wegen Wachebeleidigung zu 4 Monaten schweren Kerkers, 2 Fasttagen monatlich und Adelsverlust verurteilt. Die Antisemiten spannten den Wagen aus und tru­gen Schoenerer im Triumph nach Hause. Seine Verteidigungsrede schloß Schoenerer mit den Worten, er möchte vor den Kaiser hintreten und ihn bitten, das Volk von dem Judenjoche zu befreien. Der Stenograph Ger st grosser wurde wegen desselben Verbrechens zu 2monatlichem schwerem Kerker ver­urteilt.

Spelin, eine neue Weltsprache, ist v. Prof. I. Bauer erfunden worden. Es ist kürzer, reicher, leichter, klangvoller als das Volapük und hat letztere Weltsprache in Oesterreich schon beinahe verdrängt.

Frankreich.

DaS neue französische Wehrgcsetz, welches bereits von Kammer und Senat seine Billigung gesunden hat und welches schon teilweise, wie z. B. bei der letzten Rekrutenein- stellung, zur Durchführung gebracht worden ist, enthält eine voll­kommene Durchführung der allgemeinen Dienstpflicht, wie dieselbe unter Bcibehalt der Schule des stehenden Heeres bis beute noch nirgends bestanden hat. Von einem feststehenden Re­krutenkontingent, selbst von einer bestimmten Friedensstärke kann fürder nicht mehr die Rede sein. Es muß sich alles den Ergebnissen des Rekrutierungsgeschäftes anpassen. ^ Nur wirk­liche Krüppel, körperliche wie geistige, entgehen künftig dem KricgSmiuistcr. Was nicht zum Waffendienst tauglich, oder aus Religionsrücksichtcn »och davon befreit bleibt, verfällt den Hilfsdiensten des Herrcs oder der militärischen Kranken­pflege. Gesetzlich für 'alle ist die 3jährige Dienstzeit ohne jede Beurlaubung. Wer sie nicht voll erfüllt, zahlt ebenso wie der Befreite Wehrsteuer. Das Institut der Einjährig- Freiwilligen geht gänzlich ein. Die bisher vom Friedcnsdienst Dispensierten, für welche aber bereits Ucbungsperioden ein­geführt waren, werden eingestellt, aber nach einem Jahre ent­lassen, ebenso die Besitzer gewisser Diplome und die Ange­hörigen einer Anzahl höherer Lehranstalten, deren Studium keine längere Unterbrechung verträgt. Geistliche dienen ein Jahr aktiv als Krankenpfleger. Auf die 3jährige Dienstzeit im aktiven Heere folgt eine 6jährige in der Reserve dessel­ben. Die 5jährige Dienstzeit in der Territorial-Armee (Landwehr 1. Aufgebots) wird in eine 6jährige, die 6jährige in der Reserve derselben (Landwehr ll. Aufgebots) in eine 40jährige verwandelt. Die Gesamtdienstzeit beträgt also 25 Jahre. Kavalleristen, welche freiwillig ein viertes Jahr im aktiven Heere verbleiben, ersparen 3 Jahre Dienstzeit in der aktiven Reserve. Der Ertrag der Wchrsteuer wird auf 25 Millionen Franks geschätzt; man gedenkt damit einen er­heblichen Teil der mit dem neuen Gesetz verbundenen Mehr­kosten zu decken und somit eine stärkere Belastung des Bud­gets zu vermeiden. Bezüglich der Deckung des Untcroffi- zierbedarfs will man durch bessere Stellung und namentlich ausgedehntere Versorgungsberechtigung dieser Klasse den Ausfall decken, welcher durch das Ausgeber! der üjährigen

Dienstzeit des größeren Teils des Kontingents notwendig entstehen muß.

Wenn es wirklich wahr ist, daß Boulanger für die von ihm in Arbeit genommene Schrift:Die Geschichte der deutschen Invasion" von seinem Verle­ger ein Honorar von 200000 Frks. zugesichert er­halten habe, so wird er diesen Betrag sehr wohl brauchen können bei dem flotten Leben, das er in Paris führt. Wenn er aber den Franzosen nicht bald mit etwas anderem, als mit einer Schrift kommt, und das dürfte so wie er jetzt gestellt ist, doch seine Hacken haben so wird er sich darauf gefaßt machen müssen, daß auch er bald abgethan sein und sein erblühender Stern in nicht zu ferner Zeit un- > tergehen wird. Damit ist aber freilich nicht gesagt, daß man sich anderwärts wegen Frankreich keine Sorgen mehr machen dürfte. So sind die Zustände dort noch lange nicht gestaltet.

Der auf einer Rundreise nach den europäischen auptstädten begriffene Chefredakteur derPall Mall azette", Herr Stead, hat eine Unterredung mit General Boulanger gehabt, in welcher er dem Ex-Kriegsminister unverblümt die in England viel­fach verbreitete Ansicht mitteilte, Frankreich möge aus barer Unzufriedenheit mit sich selbst. und weil es mit Deutschland ohne Bundesgenossen allein nicht fertig werden könnte, sich auf England stürzen. Ge­neral Boulanger meinte, dieses hätte in früheren Zei­ten allenfalls Vorkommen können, aber nicht gegen­wärtig. Jetzt verlangten dringende innere soziale Fragen ihre Lösung. Nicht auf Krieg, sondern auf Lösung dieser Fragen sei der Sinn der Nation ge­richtet. Ein Krieg würde dieselben nur verschieben und verschärfen. Auf die Bemerkung des Journa­listen, daß das französische Volk den General des­halb auf den Schild erhoben habe, weil es glaube, daß Boulanger der beste Mann wäre, Elsaß-Loth­ringen zurückzuerobern, erwiderte der General:Das mag sein. Aber wohlverstanden, ich werde niemals einen Vorwand suchen, um Deutschland den Krieg zu erklären, aber wir müssen vorbereitet sein, falls Deutschland uns angreift. Frankreich kann niemals seine verlorenen Provinzen vergessen. Niemals. Aber Deutschland angreisen oder einen Krieg her­beizuwünschen, ist etwas anderes."

Belgien.

Brüsel. 4. Mai. Der kürzlich hier eingctrof- fene sozialdemokratische Redakteur Bernstein ist so­fort nach seiner Ankunft ausgewiesen worden.

Italien.

! Im italienischen Parlament ist nunmehr ! der Kampf darüber entbrannt, was mit Massauah und Umgebung geschehen soll. Von den Abessyniern ist keine Gefahr mehr zu befürchten, aber aus der ! neuen Erwerbung ist in Zukunft gerade ebenso we- ' nig Nutzen zu erwarten, wie bisher, wenn nicht Hun­derte von Millionen darin angelegt werden sollen. Und Italien kann seine Millionen besser in Europa gebrauchen! Ministerpräsident Crispi und die Regie­rung sind nun dafür, daß man für die vorjährige Schlappe in Saati hinreichend Genugthuung erhalten habe; bis auf ein kleineres Kontingent sollen alle Truppen nach Europa zurückkehren, das Afrikakorps selbst aber das Gebiet von Saati und die an Abes- synien grenzende Gebirgslandschaft besetzt halten. Crispi ist der Ansicht, in Europa sei eine Friedens­störung nicht zu befürchten, ein kleinerer Truppenteil könne also ruhig in Afrika bleiben. Es erscheint sicher, daß die Mehrheit der Kammer sich Crispi's Ausführungen anschließen und diesem somit ein ekla­tantes Vertrauensvotum geben wird.

England.

Wie aus London gemeldet wird, wird Köni­gin Viktoria demnächst einem Londoner Maler zu einem Portrait sitzen, das sie der Fürstin Bismarck als Geschenk senden will. Die hohe Frau läßt sich in ihrer bekannten einfachen Tracht, die Witwenhaube auf dem Kopfe, malen. Die Königin hofft, mit die­sem Geschenke zu beweisen, wie freundschaftlich und ^ friedlich ihre Verhandlungen mit dem Reichskanzler gewesen sind.

Bei einem militärischen Festmahle in London machte der Artillerie-General Maitland die Mittei­lung. daß jüngst in der königlichen Geschützgießerei zu Woolwich eine 22 Tonnen wiegende Kanone fer- tiggestcllt worden sei, mit welcher ein Kriegsschiff einen Seehafen bombadieren könnte, ohne gesehen zu werden. Diese Kanone sei im Stande, eine 380- pfündige Granate 21000 Meter oder 12 englische Meilen weit zu werfen. Im Unterhause ist übrigens

jetzt auch einmal eine Militärvorlage eingebracht worden, welche die Landarmee betrifft. Die Regie­rung kann sich der Erkenntnis, daß die Wehrkraft des Landes eine durchaus ungenügende ist, nicht mehr verschließen und so wird denn eine Verstärkung um 15 000 Mann gefordert.

Rußland.

Aus Petersb urg verlautet gerüchtweise, die Gewehrfrage sei numehr auch in Rußland entschieden und die Einführung des Repetiergewehrcs beschlossen. Bisher sprachen die russischen Generale äußerst ge­ringschätzig von dem Repetiergewehr, und man muß deshalb die Bestätigung der Mitteilung abwarten.

Bulgarien.

Fürst Ferdinand von Bulgarien ist auf seiner Rundreise in Tirnowa, der alten Landes­hauptstadt, eingezogen und begeistert empfangen wor­den. Er wird dort auch die griechischen Osterfesttage verleben.

Kleinere Mitteilungen.

Beim Abschied der HH. Forstmeister Frank und Revierförster Hermann in Altensteig wurde ein Gedicht vorgetragen, das auch für weitere Kreise Interesse haben dürfte. und lassen wir solches mit einer kurzen poetischen Apostrophe hiemit folgen:

DaS ist im Leben häßlich eingerichtet,

Daß meist bei einem Abschied einer dichtet,

Und wenn niemand an etwas Böses denkt,

Auf einmal unruhig wird und sich verrenkt,

Mit seinem Stuhle rückt, oft hüstelt,

Gedankenvoll mit Wein den Tisch Verwüstelt,

Niemand recht ansieht, lange draußen bleibt,

In Angstschweiß kommt und sonst so Sachen treibt; Auf einmal aber saßt er hohen Mut,

Es lodert aus dem Aug' Begeist'rungsglut,

Er springt voll Feuer von dem Stuhl empor,

Und klopft an's Glas ein jeder wird ganz Ohr, Er aber zieht bescheiden ein Papier hervor.

Er sinnt Und beginnt:

Altensteigs Klage.

Letztes Forstamt, das mich schmückte,

Fahre wohl. Dein Amt ist aus;

Dich, das uns so lang entzückte,

Trägt's in alle Wind' hinaus!

Selten hat an solchen Amtes Forsten sich ein Aug erquickt,

Das sein Holz, schwarzwaldeutstammtes,

Hin in alle Meere schickt.

Mit Gesang bei vollen Flaschen

Grüßt man weit Dich in der Welt, .

Der Holländer aus der Taschen Opfert gern Dir bares Geld.

Aber jetzt reißt Schicksals Tücke Die Reviere alle fort:

Ostwärts wendet seine Blicke Eins, eins südwärts drei gen Nord.

Längst entschwand, was sonst »erschlich: Forstkassen- und Oberamt.

Nun auch Du, es ist entsetzlich,

Lebe wohl Jagd- und Forstamt.

Tag der Prüfung, o wie bänglich Schlägt mein Herz und fühlt cs hell:

Alles Irdische ist vergänglich,

Das Verhängnis schreitet schnell.

Nirgends winkt uns ein Erlöser,

Letztes Forstamt es muß sein!

Organisation, ein böser Moloch ist's, vor dem pack' ein!

Doch, wenn auch ein Forstamtsloser,

Werde ich d'rum nie bankerott;

Ha! noch schützt ein falt'ger großer Hoffnungstraum vor schwerster Not!

Er auch wäre längst entschwunden,

Doch o Glück, er regt sich stark,

Und ein Bahnstrang füllt die Wunde Wieder aus mit Lebensmark.

Sekundärbahn, alter treuer Traum, stütz' mir mein Dulderhaupt!

Noch ein einziger Schoppen Neuer Sei dem Trauernden erlaubt.

Dann will ick zur Ruh mich legen Und nicht aufsteh'n, Wenns auch rief,

Bis ein schwerer goldener Regen Einzieht mit dem Lokomotiv.

Zeuch denn hin, das ich beklage,

Grüße mir das Oberamt.

Weh, dereinst preist Dich die Sage!

Fahre wohl, letztes Forstamt!

Handel L Berkehr.

Tübingen, 5. Mai. Von dem gestrigen Wochenmarkt notieren wir folgende Preise: 1 Pfd. Butter 96 .41 1 Pfd. Rindschmalz .tL 1.15, Schweineschmalz 70 4, 2 Stück Eier 1011 4, 1 Bund Kornstroh 80 4, 1 Ztr. Heu 5 .tL Auf dem Kartoffelmarkt waren 135 Säcke zugcführt, welche zu 7 ^ 20 4 bis 7 5o 4 per Sack verkauft wurden.

Verantwortlicher Redaltcur Steinwandel in Nagold. Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung in Nagold.