Chavlotterrburg, 17. April. (Tel. d. Gesellsch.) Der Kaiser hatte eine schlimme Nacht. Keine Besserung. Leider ist das Leiden nicht mehr örtlich.
Berlin, 17. April. Die „Nationalzeitung" meldet: „Es handelt sich bei dem Kaiser nicht um eine einfache Entzündung der Bronchien, sondern um die Ausdehnung des Kehlkopfleidens auf die Bronchien und damit auf die Lungen selbst. Diese neue Komplikation steht mit dem Vorfall der Vorwoche in ursächlichem Zusammenhang. Infolge des Umstandes, Laß die Kanüle nicht richtig gelegen und sich dadurch verstopft hatte, war die Absonderung aus dem Kehlkopfe, anstatt durch die Kanüle den Weg nach außen zu nehmen, an der Kanüle entlang in die Bronchien hinabgeflossen und hatte dort entzündungserregend gewirkt. Anzeichen einer Lungenentzündung sind bis jetzt glücklicherweise nicht konstatiert."
Vor einigen Tagen ließ sich Kaiser Friedrich sein 25jähriges Schlachtroß, einen Fuchswallach, wieder vorführen; er hat es bei Wort, Sedan, Paris und bei dem Einzug in Berlin geritten. Das Tier ist noch wohlerhalten.
Unbeglaubigte, an das Tendenziöse streifende Mitteilungen laufen schon seit einer Woche in Wiener und Augsburger Zeitungen um. Z. B. die Kaiserin Viktoria habe gewünscht, Erlasse zu unterschreiben, die der Kaiser wegen allzu großer Anhäufung der Geschäfte nicht ohne Gefahr alle selbst vollziehen könne, der Kanzler habe aber gesagt, für die Stellvertretung des Kaisers sei der Kronprinz da. Ferner: Die Kaiserin sei eines Tages in des Kaisers Zimmer getreten, während der Kanzler Vortrag gehalten habe, da habe dieser seinen Vortrag abgebrochen und sich empfohlen. Anderen Tages, als die Kaiserin wieder anwesend gewesen sei, habe er gesagt, er sei gewohnt, seinem Kaiser allein Vortrag zu halten, worauf die Kaiserin sich entfernt habe.
Zur Errichtung eines Denkmals für Kaifer Wilhelm hat Kommerzienrat Krupp in Essen einen Beitrag von 20 000 ^ angewiesen.
An eine Anzahl Sekretäre des Berliner Haupt-Telegraphenamtes ist die Anfrage ergangen, in welcher diejenigen sich zu melden aufgefordert werden, die Neigung haben, einen Posten als Gouvernementssekretär in Kamerun zu übernehmen. Die Stelle in Kamerun ist mit 7500 dotiert, es werden die in Kamerun verbrachten Jahre beim Dienstalter doppelt gerechnet. Einer der befragten 15 jungen Beamten hat sich zur Uebernahme der Stellung bereit erklärt. Da in Kamerun nur alle 4 Wochen ein Postschiff anlegt, so ist selbstverständlich die Thätigkeit des dortigen Postbeamten wenig umfangreich und das Auswärtige Amt will deshalb den betreffenden Postbeamten auch als Gouvernementssekretär verwenden.
Schweiz.
Zu dem Vorgehen gegen die in der Schweiz ansäfsigen Umsturzelemente wird aus Bern weiter berichtet: Auch die Züricher Preßerzeugniffe, wie ,.Rother Teufel" und „Sozialdemokrat" nebst noch anderen sind von der deutschen Regierung zum Gegenstand eines ernsten Meinungsaustausches gemacht worden. Der Schweizer Bundesrat ist gegenwärtig damit beschäftigt, die von der deutschen Regierung bezcichneten Ursachen der zwischen Bern und Berlin cingetretenen Spannung näher zu treten und unter vollster Wahrung des Asylrechtes und der in der Schweiz verbürgten Freiheiten das ihm passend Erscheinende anzuordnen. Dazu dürfte die Unterdrückung des „Sozialdemokrat" gehören.
Oesterreich-Ungarn.
Wien. Im ungarischen Abgeordnetenhause wurde die Interpellation der Opposition beraten, welche sich darüber beklagte, daß der deutsche Botschafter Prinz Neuß in seiner Danksagung für die Trauerkundgebungen des österreichischen und ungarischen Parlamentes nur von den „österreichischen" Parlamenten gesprochen habe. Ministerpräsident Tisza bat die Herren, sich doch nicht lächerlich zu machen. Verdeutsche Botschafter habe „österreich-ungarische Parlamente" geschrieben und das fei doch genügend. Die Interpellanten ließen denn auch klugerweise die Sache auf sich beruhen.
Innsbruck, 14. April. Anläßlich der Durchreise der Königin Viktoria von England durch Tirol wird eine Begegnung derselben mit Kaiser Franz Joseph stattfindcn, da der Kaiser zur Begrüßung der Königin nach Tirol kommt. Der Ort der Begegnung hängt von den Dispositionen der Königin ab. Wahrscheinlich findet die Entrevue entweder hier oder in ? ranzensvestc statt.
Frankreich.
Paris. 13. April. Anläßlich der Mißhand
lung Deutscher in Belfort ist gegen die Thäter Un- ? tersuchung eingeleitet. !
Paris, 15. April. Der „Figaro" publiziert! die Unterredung eines seiner Mitarbeiter mit Crispi,! worin derselbe sich energisch dagegen verwahrte, Gal- laphobe zu sein, die Tripel-Allianz als Friedensbündnis bezeichnete und den Anschluß Italiens an dieselbe als eine Garantie für die Sicherheit Frankreichs erklärte, Crispi sprach auch den Wunsch auf Erneuerung des Handelsvertrages aus, die nach mehreren Jahren nicht mehr möglich wäre, weil sich dann Italien von der französischen Industrie emanzipiert haben würde, zu welcher Emanzipation die Franzosen durch die Ausweisung italienischer Arbeiter selbst beitrügen. „Wir sind", schloß Crispi, «un xvuxlo äs Kons kulant«; wir lieben Frankreich. Sagen Sie laut, daß jeder Gedanke an einen Krieg mit Frankreich ferne von uns ist."
Paris, 16. April. Floquet hielt gestern in. der Versammlung des Handelsvereins eine stürmisch j applaudierte Rede, worin er sagte: Frankreich be-! dürfe weder eines Protektors im Frieden, noch eines Diktators im Kriege, falls jemals die Verteidigung! seiner Ehre und seines Gebietes zur Annahme eines! Krieges nötigen sollte. Bleiben wir ein Volk, das j Herr ist seiner Geschicke.
Paris, 16. April. Die opportunistischen! Blätter geben zu, daß die Wahl Boulangers eine Niederlage der Republik ist. In einem Artikel Josef Reinachs in der „Röpublique fran^aise" heißt es: Es wehe ein Wind der Tollheit, indes dürfe man ^ die Hoffnung nicht aufgeben. Alle Blätter sind darin! einstimmig, daß der Wahlerfolg Boulangers lediglich einen Protest gegen die innere Politik bedeute (?).
Lille, 16. April. Boulanger ist mit 172528 Stimmen, also mit der abgegebenen Stimmen, gewählt.
Wie aus Paris mitgeteilt wird, hat sich! Baron Alphons von Rothschild für 40 000 Franken! Mahagoni-Kisten anfertigen lassen, die genau zu den. einzelnen Bildern seiner wertvollen Gemäldesammlung passen und in einem Speicher für die Eventualität!
einer plötzlich notwendig werdenden Fortschaffung!
seiner Kunstschätze aufbewahrt werden. !
Italien. !
Rom, 14. April. Boulanger versicherte einen Korrespondenten der Tribuna stetiger Sympathie für Italien; nie wünsche er einen Krieg gegen letzteres, wie er überhaupt einen Krieg als entsetzliches Ba- banquespiel verabscheue. (?!)
Rußland.
Petersburg, 14. April. Die „Deutsche Petersb. Ztg." meldet aus Darmstadt: Prinz Alexander von Battenberg erfuhr erst aus den Zeitungen den Zweck der Einladung nach Berlin. Er habe sich geäußert, vor Jahren sei ein solcher Ehebund geplant gewesen, jetzt werde er nur noch „weiblicherseits" ^ gewünscht. Alexander habe in Darmstadt eine „zarte Neigung." !
Bulgarien.
Sofia. Mit der Herrlichkeit des Prinzen von Coburg scheint es dahin zu sein. Wie sicher der Prinz selbst hiervon überzeugt ist, geht u. A. auch aus einer Meldung hervor, welche nach Bukarest aus der nächsten Umgebung Ferdinands gelangte und wonach das fürstliche Hofmarjchallamt > an ein großes Pariser Haus und an einen Pferdehändler in Pest die Weisung erließ, mit der Absen- ^ düng der bestellten Einrichtungsstücke und der für den Marschall bestimmten Wagenpferde bis auf weitere Ordre zu warten. Das will besagen, daß Prinz Ferdinand kein Vertrauen mehr in die Stabilität der bulgarischen Verhältnisse hat und daß er, sofern er nicht von den Ereignissen ereilt werden will, sich mit dem Packen seiner Koffer beeilen muß, denn das Verhängnis scheint mit Riesenschnellc zu nahen, die Sprache der russischen Presse, den Brüsseler „Nord" eingeschlossen, wird immer drohender und kündigt große Umwälzungen in Bulgarien, schon für die nächste Zeit an.
Sofia, 16. April. Sämtliche Offiziere, welche Hausarrest hatten, wurden heute auf Befehl des Kriegsministers unter starker Militärwache in ein eigens dazu gemietetes Haus eingesperrt.
Sofia, 16. April. Ein heute publizierter Tagesbefehl an die Armee giebt bekannt, der Fürst beschloß, daß er und seine Adjutanten, so oft er es für notwendig erachten werde, bürgerliche Kleidung tragen werden.
Amerika.
Newyork, 9. April. Die Einwanderung ist in diesem Frühjahr größer als sonst. Fast jeden Tag kommen 1000 Einwanderer an, und seit Januar hat ihre Zahl 54000 betragen, d. h. 3000 mehr als während der ersten 3 Monate des letzten Jahres. Das Ziel der meisten ist der Nordwesten, und sehr wenige gehen nach dem Süden. Im fernen Westen können die Leute noch immer selbst Farmen erwerben. Viele Franzosen und die bessere Klasse von Italienern gehen nach Kalifornien, um dort Weinbau zu treiben. Die Einwanderung von russischen Juden ist stark. Diese bleiben zumeist in den großen Städten, da sie meistens Schneider sind. Die Oestreicher sind der Mehrzahl nach Bergleute, und der weite Westen ist deshalb ihr Feld. Die Schweizer sind, wie die Deutschen und Norweger, meistens Farmer. Alle diese ziehen nach dem Nordwesten. Die Böhmen dagegen, welche meistens Zigarrenarbeiter sind, siedeln sich, wie die Russen, in den großen Städten an.
Kleinere Mitteilungen.
Welzheim, 15. April. Vergangene Nacht wurde in der Oberamtskanzlei eingebrochen. Die Sportelkasse ist gewaltsam erbrochen und der Inhalt von ca. 300 worunter Gelder für die Ueberschwemmtcn, eine Beute der Diebe geworden. Revisionsassistent Schneider, welcher im Nebenzimmer schläft, wurde durch das Geräusch aufgeweckt; doch entflohen die Diebe durch das Fenster, durch welches sie mittels der Leiter eingestiegen waren, unter Zurücklassung eines Regenschirmes und eines Kleidungsstückes.
Vom Ries, 13. April. Vergangenen Mittwoch früh wurde Flurwächter Neher aus Munzingen unweit seines Ortes im Schnee erfroren gefunden.
Nürnberg, 16. April. Heute Nacht wurde in das Bankgeschäft Gutmann auf der Karolinenstraße eingebrochcn; der Geldschrank daselbst wurde angebohrt, die Diebe fanden dort aber nur elftausend Mark, die sic entwendeten.
Amberg, 6. April. Vom Schöffengerichte wurden 2 junge Fräulein, welche einer jungen Frau 2 unanständige Neiijahrsgratulationskarten unter Eouvcrt zuschickcu ließen, wegen Beleidigung zu 5, bezw. 3-tägiger Gefängnisstrafe und zur Kostentragung verurteilt.
Frankfurt a. M., 7. April. Zu einem hiesigen Rechtsanwalt kam heute mittag ein zerlumpter Mensch, sagte „Guten Tag" und gab dann sofort dem Rechtsanwalt eine Ohrfeige mit den Worten: „Dies dafür, daß sie mich so schlecht verteidigt haben und ich 8 Monate Gefängnis bekommen hatte, die bis jetzt verbüßt sind." Damit lief er fort. Seiner Bestrafung wird er nicht entgehen.
lieber die letzten Stunden des Kaisers Wilhelm erhalten wir folgende authentische Daten: Es war am 8. März, abends gegen 5 Uhr; das Palais wimmelte von Menschen, alle Minister waren dort. Die Königliche Familie war im Krankenzimmer. Ich stand 2 Schritte vom Fußende des Bettes und hörte, wie der Kaiser sagte: „Ich fürchte den Krieg nicht, wenn er notwendig ist." Dann fragte er: „Was habe ich eben gesagt?" worauf Prinz Wilhelm es ihm wiederholte. Er sah sehr blaß aus. Gegen 8 Uhr hieß cs, es wäre eine kleine Besserung eingctreten und Alles zog sich zurück. Um 4 Uhr morgens wurden wir wieder ins Schloß gerufen. Da saßen und standen wir herum Stunde auf Stunde. Es wurde hell und die Lampen wurden hinausgebracht. Gleich nach 8 Uhr winkte uns ein Jäger, wir möchten hereinkommen. Das kleine Zimmer stand gedrängt voll. Kögel sagte mit lauter Stimme: „So spricht der Herr: In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, Ich habe die Welt überwunden!" Darauf war eine kleine Panse und nun folgte ein kurzes, rauhes Stöhnen. Nach einer nochmaligen Pause sprach Kögel ein kurzes Gebet und sagte unter anderem : „Ich habe Dich gesegnet und Du bist ein Segen gewesen für Viele!" Wir wußten nun, daß alles vorüber sei. Die alten Generale schluchzten alle; wir gingen Einer nach dem Andern hin und küßten dem Kaiser die Hand. — Dann ging alles auseinander.
In Wien hat sich dieser Tage ein Advokat Dr. N. erschossen, ohne daß man einen Grund zu dieser verzweifelten That angeben konnte. Er hinterlicß folgendes in seiner Kürze doppelt ergreifendes schriftliches Testament au seine Kinder: 1) Nehmet nie eine Karte in die Hand! 2) Hütet Euch vor Schulden! Hungert und friert lieber, bevor Ihr Euch einen Kreuzer borgt. Auch sollt Ihr nie auf Rechnung einer Einnahme , die Ihr morgen erwartet, einen Kreuzer entlehnen. 3j Wenn Ihr eine Frau nehmt, so wählt nur ein Mädchen, das von gesunden Eltern stammt. (Was soll man dann mit den andern Mädchen anfangen?)
Der bekannte Hnngerkünstler Succi hat dieser Tage ein besonderes Jubiläum gefeiert, er hat zum 25. Mal 30 Tage lang gefastet. Nachdem er zuerst von seinem wunderthätigen Kränterligneur zu sich genommen, fastete er 30 Tage unter der strengen Observanz eines aus 7 Aerzten bestehenden Komites und trank täglich nur einige Gläser kohlcnsäurehal- tigen Wassers. Er hat die 30 Tage, ohne seinen guten Humor zu verlieren, glücklich übcrstanden und am Abend des letzten Tages mit seinen Freunden ein copiöses Mahl eingenommen, ohne den Magen vorher an Nahrung zu gewöhnen. Er will nun das Geheimnis seines wunderthätigen Ligucurs bekannt geben und sich vorher nur noch ein Patent gegen Nachahmungen erwirken.
Ueber den Einfluß, beziehungsweise den Schutz, den die Pockenimpfung gewährt, geben statistische Erhebungen, die bei einer jüngst in Sheffield in England herrschenden Pockencpidemie vorgenommen worden find, interessante Aufschlüsse. Von 95000 geimpften Kindern find nur 2, dagegen von den nicht geimpften 5000 Kindern sind 70 gestorben. Im Allgemeinen war das Verhältnis der Sterblichkeit der ge-