wohl die Nationolzeitung meldet, daß der Kronprinz gestern einen ziemlich guten Tag gehabt und sich auf dem Balkon gezeigt habe. Das Tageblatt verzeichnet Gerüchte von einer bis zu Zänkereien ausartenden Un­einigkeit, welche zwischen den Aerzten bestehe, und ein Gerücht von der nahe bevorstehenden Rückreise des Kronprinzen nach Berlin. Wahr soll sein, daß der Auswurf in den letzten Tagen mehr bräunlich gefärbt war als bisher. Das Tageblatt erklärt zum Schluß, daß die Hoffnungen, den Kronprinzen noch für längere Zeit erhalten zu sehen, fast auf ein Minimum her­abgedrückt seien.

Berlin. In hiesigen mit dem Hofe in naher Fühlung stehenden Kreisen neigt man seit den letzten Tagen einer tiefschmerzlichen und düsteren, schier hoff­nungslosen Auffassung der Dinge zu. So verbreitet ein Lokal-Korrespondent, der über Ereignisse in Hof­kreisen sich recht oft sehr verläßlich informiert erwiesen hat, folgende Meldung:Jetzt tritt auch die Hofge­sellschaft aus der Reserve heraus, welche sie bisher angesichts des Leidens unseres Kronprinzen sich auf­erlegt hatte. Man macht in diesen Kreisen kein Hehl mehr daraus, daß wir nach Luge der Krankheit auf alles gefaßt sein müssen. Namentlich erfährt man, daß ganz abgesehen von der wirklichen Natur des Leidens, der Kräftezustand des Thronfolgers bei Wei­tem nicht so günstig ist, wie er selbst noch in letzter Zeit vielfach geschildert wurde. Hiermit in Ueberein- stimmung ist die außerordentliche Abnahme des Kör­pergewichts , das in gesunden Tagen ca. 90 Kilo, Anfang November 72 Kilo und Mitte Februar nur noch 58 Kilo betragen haben soll. Dieser Gewichts­einbuße entsprechend soll auch das Aeußere des teuren Prinzen sich verändert haben. Der Körper ist stark abgemagert und erscheint nicht mehr so groß, das bleiche Gesicht ist um Wangen und Mund eingefallen. Haupthaar und Bart sind grauer als zuvor, und die einst so stolze Haltung ist gebückt. Zu dem Bilde des gealterten Mannes trägt auch das Fehlen sämt­licher Vorderzähne bei, die entfernt wurden, um einen freieren Blick in den Kehlkopf und eine leichtere Be­handlung des örtlichen Leidens zu ermöglichen."

^Berlin, 2. März. Nach demBerl. Tgbl." m heute in Berlin Gerüchte, wonach Prof, mann an den Generalarzt v. Lauer ein : gerichtet habe, worin er ihn ersucht, den Wilhelm auf die nahe Auflösung des Kronprinzen vorzubereiten. Prof. v. Bergmann soll ferner erklärt haben, daß er die Bulletins nur deshalb nicht mehr unterzeichne, weil er den Inhalt derselben nicht verantworten könne.

Berlin, 2. März. Wie ein Berliner Kor­respondent des Kopenhagener BlattesPolitiken" mel­det, rechnet der Kronprinz selbst so stark mit jeder Möglichkeit, daß er in diesen Tagen seinen letzten Willen niedergeschrieben hat, in Verbindung mit einem politischen Testament an den Prinzen Wilhelm.

Berlin, 2. März. Das Gerücht erhält sich, wonach der Kaiser eine Kabinettsordre unterzeichnet habe, welche den Prinzen Wilhelm im Falle vorüber­gehender Behinderung des Kaisers durch Krankheit ermächtigt, namens des Monarchen mit seiner Unter­schrift zu zeichnen.

Berlin, 2. März. Prinz Wilhelm traf in Begleitung des Prinzen Heinrich, der ihm entgegen­gefahren war, nach derBoss. Ztg." heute morgen in San Remo ein.

Berlin, 3. März. Der Börsen-Courier giebt an, daß die Verweigerung weiterer Informationen über das Befinden des deutschen Kronprinzen an Zeitungen seitens der Aerzte in San Remo lediglich die Folge der alarmierenden, sensalionssüchtigen Bericht­erstattung einzelner Korrespondenten gewesen. Das Blatt erklärt, daß den loyalen Berichterstattern nach wie vor gute Quellen offen stehen, und behauptet an­geblich auf Grund bevorzugter Informationen, daß der Zustand des Kronprinzen keineswegs besonders Schlimmes befürchten lasse, daß im Gegenteil fort­schreitende, anhaltende Besserung in dessen Befinden zu konstatieren sei. Sonst beschränkt sich die Bericht­erstattung auf das rührende Schauspiel, das die An­wesenheit des Kronprinzen im Kreise seiner Familie auf dem Balkon gegeben habe. Prinz Wilhelm, welcher Ueberbringer verschiedener Familienkorrespon­denzen war, begrüßte seinen Vater beim Erscheinen auf dem Balkon durch eine herzliche Umarmung. Prinz Wilhelm sagte bei seiner Ankunft in San Remo zu dem deutschen Konsul:Ich dachte nicht, daß wir uns unter so traurigen Umständen Wiedersehen werden.

Berlin, 3. März. Ueber das Befinden des Kronprinzen wird derNat.-Ztg." aus San Remo telegraphiert: Der gestrige Tag verlief gut. Auch die letzte Nacht war gut. Da keine Schlafmittel mehr 'angewendet werden, ist wieder eine Zunahme der Kräfte und ein besseres Befinden des Pattenten be­merkbar. Der Auswurf ist gering, der Husten nicht mehr so quälend. Der Kronprinz befand sich heute wieder längere Zeit auf dem Balkon.

Berlin, 3. März. Nach einer derKreuz­zeitung" zugehenden Mitteilung steht eine nicht un­bedeutende Verstärkung der Garnison von Belfort in nächster Aussicht.

Oesterreich-Ungarn.

Einen großen Skandal hat es in Wien gege­ben. Im Abgeordnetenhause hatte der Abg. Pernes- storfer eine Rede gehalten, in welcher er geradezu gemeine, aber thatsächlich feststehende Rohheiten aus der hohen österreichischen Aristokratie zur Sprache brachte, die kolossales Aufsehen erregten. Ein paar Tage später wurde der Abgeordnete in seiner Woh­nung von ein paar unbekannten Männern überfallen, die mit Stöcken auf ihn loshieben. Er erwehrte sich seiner Angreifer, so daß diese flohen und die Stöcke zurückließen. Im Parlament herrschte Helle Entrü­stung über den Bubenstreich. Man nimmt an, daß die Attentäter gedungen waren.

Frankreich.

Paris, 1. März. In der Begründung des Urteils im Prozeß Wilson heißt es: Wilson habe das öffentliche Rechtsbcwußtsein, die öffentliche Moral verletzt. Ribaudeau ist zu achtmonatlichem, Dubreuil zu viermonatlichem, Hebert zu einmonatlichem Ge­fängnis verurteilt. Die Ratazzi wurde freigesprochen.

Paris, 2. März. Die radikalen Blätter bil­ligen das Urteil gegen Wilson. Die opportunistischen l Journale beobachten Zurückhaltung, lassen aber zum ! Teil durchblicken, daß sie das Urteil ungerecht finden. Wilson ist bis jetzt nicht verhaftet. Grevy empfing zahlreiche Kondolenz-Besuche; er ist nach wie vor von der Unschuld Wilson's überzeugt und erwartet von dem Appellgericht die Freisprechung desselben.

Paris, 2. März. DemTemps" wird aus San Remo telegraphiert: Das Allgemeinbefinden des Kronprinzen ist nicht befriedigend. Die Mattigkeit nimmt zu und der Auswurf ist reichlicher. Die Verdauungsorgane fungieren nicht mehr regel­mäßig und in den Eingeweiden machen sich Störun­gen bemerkbar. Die Kanüle muß fortwährend ge­wechselt werden, da der massenhafte Auswurf dieselbe verstopft.

Paris, 3. März. DerGaulois" meldet, Ruß­land beabsichtige den Berliner Vertrag zu kündigen, da die Konferenz voraussichtlich resullatlos wäre.

Italien.

In Rom herrscht allerorten lebhafte Bewegung, während auf der einen Seite der Tarifkrieg mit Frankreich drohte und nun auch wirklich eingetre- ten ist, meldeten Depeschen aus Afrika, daß der Ne- gus alle Bewaffneten einberufen habe, um gegen die Italiener zu ziehen. Gleichzeitig aber mit dieser Nachricht teilen italienische Blätter mit Berufung auf ein angebliches Wiener Telgramm mit, die österreichisch­ungarische und die deutsche Regierung hätten dem italienischen Kabinett den freundschaftlichen Rat erteilt, seine Stellung in Afrika aufzugeben und seine Trup­pen von dort zurückzuziehen, da demnächst bevorstehende kriegerische Ereignisse in Europa das Eintreten Ita­liens in die Aktion mit seiner ganzen Macht notwen­dig machen würden. DasWiener Fremdenbl." be­eilt sich, nunmehr in einem zweifellos offiziös-öster­reichischen Kommunique, welches allerdings aus Rom datiert ist, zu erklären, daß diese Nachricht von An­fang bis zu Ende erfunden sei und daß man sowohl in Berlin als auch in Wien die Aktion Italiens in Afrika als eine rein innere Angelegenheit Italiens betrachte, in die sich einznmischen selbst einer intim befreundeten Regierung nicht zustehen würde.

Nachdem der Zollkrieg zwischen Frankreich und Italien am heutigen Tage zu einer Thatsache geworden ist, kommt es nur darauf an, welche Na­tion die unvermeidlichen Folgen eines solchen Zu­standes am leichtesten ertragen wird. Im allgemei­nen scheint auf beiden Seiten die Absicht vorhanden zu sein, den gegenwärtigen Kampfzustand nicht zu verewigen, und es ist sehr wahrscheinlich, daß in kurzer Zeit die Verhandlungen wieder ausgenommen werden; ob mit größerem Erfolg als bisher, dürfte

von der Wirkung abhängen, welche die Kampfzölle äußern werden.

Rom, 1. März. Die Blätter jeder Richtung sprechen Frankreich die ganze Schuld an der Eröff­nung des Tarifkrieges zu.Die Annäherung zwischen Crispi, Nicotera und Cairoli wird von den liberalen Blättern äußerst symphatisch begrüßt. Es knüpfen sich an dieselbe weitgehende Hoffnungen.

Rom, 1. März. Seit gestern abend wieder­holen sich hier stürmische Arbeiterunruhen; mehrere Bäckerläden wurden von arbeitslosen Maurern, deren Zahl 10000 erreichte, geplündert; gestern floß bei Zusammenstößen mit der Polizei und Militär mehr­mals Blut.

Rom, 1. März. DieTribuna" meldet, daß Bleichröder-Berlin der hiesigen Regierung ein Ange­bot gemacht habe, den Bau des neuen Justizpalastes zu übernehmen und zu beschleunigen. Wegeu der neuerlichen Arbeiterunruhen beschloß die Regierung, um den durch die Baukrise brotlos gewordenen Maurern Arbeit zu verschaffen, verschiedene Bauten, Tiberarbeiterz und Ausgrabungen sofort in Angriff zu nehmen.

Rom, 3. März. Die Verheerungen der La­winen im Valseana stellen sich immer größer heraus. Im Valprato sind mehrere Ortsflecken vollständig zerstört.

Triest, 3. März. Ganze Dörfer und Thäler in der italienischen Schweiz sind durch Lawinen verschüttet. 1000 von Menschenopfer sind zu bekla­gen. In Ribordeno wurden 6 Familien verschüttet. England.

London, 1. März. Der Prinz von Wales wird morgen hier zurückerwartet. Die Vorbereitun­gen zu Festlichkeiten anläßlich der Feier seiner silber­nen Hochzeit (10. März) wurden angesichts der ern­sten Lage der Dinge in San Remo sistiert.

Englische Blätter (selbst solche, die mit Macken­zie auf vertrautem Fuße stehen) enthalten die trau­rige Ankündigung, daß auch nicht die geringste Hoff­nung für des Kronprinzen Genesung vorhanden sei; es sei sogar überaus zweifelhaft, ob er noch länger als ein paar Wochen zu leben habe. Die amtlich ausqeqebenen Krankheitsberichte seien eitel Märchen. Rußland.

i Aus Petersburg wird telegraphiert: In An­betracht der neuerdings mehrfach ausgesprochenen Wünsche jüngerer Großfürsten, morganatische Ehen einzugehen, glaubt man, daß der Zar die Familien­satzungen dahin ergänzen werde, daß morganatische Ehen unter gewissen Umständen gestattet sein sollen, aber nur unter Ablegung des Großfürstenranges und Verzichtleistung auf alle staatlichen Einkünfte.

Nowosti" machen Deutschland für die schlechte finanzielle Situation in Rußland verantwortlich, und derGrashdanin" droht, wenn bis zum 1. April der Rubel nicht wieder 200 wert sei, so müsse die Zinszahlung eingestellt werden! Das erstere Blatt schreibt sogar an die Adresse der Berliner Börse: Er­höht den Rubelkurs, oder der Krieg kommt! Nun gestern ist der Rubel wieder um 1,s°/o gestiegen.

Petersburg, 3. März. Es heißt, Rußland werde, falls die Pforte die geforderte Jllegalitätser- klärung abgiebt und der Coburger sich weigert, das Land zu räumen, eine Blokade der Häfen von Bur­gas und Varna durch eine kombinierte russisch-türkische Flotte Vorschlägen.

Bulgarien.

Wie Reuters Bureau meldet, haben nunmehr alle Mächte auf die bekannten russischen Vorschläge wegen Bulgarien geantwortet. England hat sich dahin geäußert, es könne dem Sultan nicht anraten, irgend einen Schritt zur Entfernung des Prinzen Ferdinand zu unternehmen, so lange nicht festgesetzt wäre, was nach des Koburgers Abreise geschehen solle. Dem Sinne nach ebenso hat sich Italien geäußert, während Deutschland und Frankreich den russischen Vorschlag auf Ungiltigkeitserklärung der Regierung des Koburgers unterstützen. Nun stehen also die Dinge noch ganz genau auf derselben sStelle, wo sie sich vor den russischen Vorschlägen befanden.

Kleinere Mitteilungen.

Karlsruhe, 28. Febr. Ueber das Leben des ver­ewigten Prinzen Ludwig werden derN. Fr. Pr." von hier folgende Einzelheiten mitgeteilt: Seinen Religionsunterricht > erhielt er, wie seine anderen Geschwister, bis zu seinem 9.

! Lebensjahre ausschließlich von der Mutter und der Elemen- , tarunterricht wurde ihni von Volksschullehrern erteilt, die der ! Großherzog selbst nach mehrfachen persönlichen Besuchen in den Karlsruher Volksschulen ausgewäylt hatte. Dann trat