Der Gesellschafter

Amts- und Intelligenz-Blatt für de« Oberamts-Bezirk Nagold.

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Dienstag den 31. Januar

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1888 .

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Tages-Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

Unterjettingen, 27. Jan. In der Nacht vom 25. auf 26. ds. wurde hier um 1 Uhr früh ein Erdstoß von bedeutender Heftigkeit verspürt. Derselbe dauerte einige Sekunden und rückte sogar leicht bewegliche Gegenstände von ihrem Standorte. Ein dumpfes Dröhnen begleitete den Stoß. (W. Ldztg.)

Stuttgart. Die Infanterie-Truppenteile des König!. Armeekorps erhalten gegenwärtig an Stelle des Infanterie-Seitengewehrs Äs 71 das mit dem neuen Gewehr eingcführte kurze Seitengewehr N/7I.84.

Stuttgart. 25. Jan. An dem großen Ballfest, wel­ches heute beim Prinzen Wilhelm zur Einweihung des Wil­helmspalastes stattfand, nahmen etwa 400 Personen Teil. Me hier weilenden Mitglieder der kgl. Familie, die Minister, die Generalität, zahlreiche Kammer-Mitglieder, Offiziere aus allen Garnisonen des württ. Armeekorps, sowie viele Mit­glieder des Adels aus dem ganzen Lande hatten sich in den prachtvollen Räumen des Wilhelmspalastes, welche seit lan­gen Jahren keine so glänzende Gesellschaft gesehen, eingefun­den. Eine besondere Aufmerksamkeit ließen die prinzlichen Herrschaften ihren Gästen durch Ueberreichung einer reizenden Ballgabe zu Teil werden. Dieselbe bestand für die Damen in einem Visitenkartentäschchen, für die Herren in einem Zi- garrcn-Etui. Diese reich ausgestatteten Gegenstände, welche aus dem Atelier von Rudolph Polt hier hervorgcgangcn find, tragen auf der einen Seite unter einer Königskronc ein ver­schlungenes W. C. (Wilhelm und Charlotte), auf der anderen die InschriftWilhelmspalast, 25. Januar 1888."

Stuttgart, 20. Jan. Die bereits bekannte Be­leidigungsklage des Journalisten Nötiger in Mainz gegen den verantwortlichen Chefredakteur desSchwäbischen Mer­kur" Dr. Otto Elben wurde heute vor der Strafkammer des Landgerichts als Berufungsinstanz verhandelt. Die hiesige Strafkammer erkannte heute gleichfalls auf Bestätigung des schöffengerichtlichen Urteils, wonach der Beklagte zu 10 4L Geldbuße und in sämtliche Kosten verurteilt worden ist.

Crailsheim, 22. Janr. Die Ortsvorstcher des Oberamtsbezirks haben in einer gestern gehalte­nen Versammlung über die Ausführung der soge­nannten Kirchengesetze beraten. Es verlautet über das Ergebnis der Besprechung. daß die Mehrzahl der Gemeinden, dem Vorgänge der Oberamtsstadt folgend, von der Ausnahmebestimmung des Artikel 92 des Gesetzes Gebrauch machen und eine Ausschei­dung des Ortskirchenvermögens unterlassen, bezw. um die entsprechende Genehmigung nachsuchen wird. (Das Gleiche wird von Kirchheim u. T. gemeldet).

Straßburg, 23. Jan. Der Bierbrauerssohn Wagner aus Mutzig, der unter dem Verdachte des Landesverrats verhaftet worden war, ist gegen Bürg­schaft von 50 000 ^ auf freien Fuß gesetzt worden.

Straß bürg, 26. Jan. Der Statthalter er­öffnte den Landesausschuß, betonte die günstige Finanzlage, welche für das Schulwesen, die Verkehrs­mittel und Landesmelioration größere Mittel aufzu­wenden gestatte und sprach die Hoffnung auf ein ge­deihliches Zusammenwirken des Ausschusses mit der Regierung aus. Der bisherige Präsident wurde wie­der gewählt. Die Versammlung beschloß ein Tele­gramm an den Kaiser, welches die warme Teilnahme an der Krankheit des Kronprinzen ausspricht.

Frankfurt, 27. Jan. Hinweisend auf die Unklarheit der politischen Situation, erklärt die Franks. Ztg.", dieselbe werde nächste Woche eine grelle Be­

leuchtung erfahren, wo Fürst Bismarck, zur Wehr­vorlage redend, Darlegungen über die äußere Lage geben werde. (W. Ldsztg.)

Darm stadt, 25. Jan. Der Großherzog reist morgen mit der Prinzessin Irene nach San Remo.

(Deutscher Reichstag.) Der Reichstag hatte am Dienstag einen Teil des Militäretats ganz nach den Kom­missionsanträgen angenommen. Am Mittwoch war das Haus äußerst schwach besetzt. Zur Beratung standen die Anträge Hitze (Zentrum). Ackermann (kons.) auf Einführung des Be­fähigungsnachweises für de.: Handwerksbetrieb. Die Antrag­steller baten, doch endlich eine Entscheidung in dieser Frage hcrbcizuführen. Es handle sich nur um Bekämpfung des Pfuschertums, und den Schutz des Handwerkes, nicht um Wiedereinführung alter Mißbräuche. Bei dem Befähigungs­nachweis könne sich auch der Arbeiter, der sein Fach verstehe, selbständig machen. Abg. v. Czegielski (Pole) war aus po­litischen Gründen gegen die Anträge. Abgg. Goldschmidt (freist), Mayer-Jena (natlib.), Grillenberger waren dagegen, weil das Handwerk von dem Befähigungsnachweis nur Be­lästigungen, aber keinen Vorteil haben werde. Abg. Lohren (frcikons.) hält 3jährige Lehrzeit und 2jährige Gehilfenzeit für genügend, eine Meisterprüfung sei unnötig. Abgg. Gehler (freikons.), v. Klcist-Retzow (kons.) befürworteten dagegen die Anträge im Interesse der Hebung des Handwerkes. Die zweite Lesung erfolgt im Plenum. (Donnerstag). Der Gesetzent­wurf betr. die Aufhebung der Witwen- und Waisengeldbei­träge der Reichsbeamteu wird in zweiter Lesung unverändert angenommen und dann die Etatsberatung beim Kapitel: Ka- dcttcnanstaltcn fortgesetzt. Für eine neu zu errichtende Ka­dettenanstalt in Karlsruhe werden 750000 .L gefordert. Abg. v. Bcnda (natlib.) ist dafür, weil die neue Wchrvorlage eine Vermehrung der Offiziersstcllcn erforderlich mache. Abg. Richter-Hagen ist dagegen, weil bei den hohen Unkosten der Wehrvorlagc die äußerste Sparsamkeit geboten sei. Abg. Kropatschek (kons.) tritt für die Vorlage ein, ebenso der Kriegs­minister aus militärischen Rücksichten. Abg. Windthorst ist aus Sparsamkeitsrücksichtcn dagegen. Die Forderung wird indessen bewilligt.

Berlin, 26. Janr. Ein Komite, an dessen Spitze General-Adjutant Graf Bismarck, der Herzog von Ratibor und General Freiherr von Wrangel stehen, fordert dazu auf, dem Kaiser zu seinem 91. Geburtstag am 22. März ein Geschenk darzubringen, welches Tausende von Privatpersonen, möglichst jeden Soldaten der Armee, in den Besitz eines Andenkens an diesen Tag setzen soll. Das Andenken soll in einer von höheren Offizieren bearbeiteten biographi­schen Denkschrift des militärischen Dienstlebens des Kaisers bestehen, die völlig zuverlässig ist, von dem Kaiser wiederholt geprüft und ergänzt wurde und mit einem guten photographischen Bildnis des Kai­sers ausgestaltet ist. Das oben bezeichnte Komite rät, daß in jeder Stadt und jedem Orte einige pa­triotische Personen zusammentreten, um einen Orts­ausschuß zu bilden und für die weitere Verbreitung der Aufforderung zu wirken; denn sonst dürste es dem Berliner Komite kaum möglich sein, in der kur­zen Zeit in alle Kreise zu dringen, die sich gern an einer so patriotischen Kundgebung beteiligen möchten.

Eine großartige Einholung plant man für den Tag der Rückkehr des Kronprinzen nach Berlin. Der Gedanke ist zuerst von In­nungen und Kricgervereinen angeregt und hat leb­haften Anklang gefunden. In jedem Falle würde eine derartige Einholung eine glänzende Kundgebung für den Kroprinzen werden.

Noch vor der Wirksamkeit des Getreide-Schutz­zolles sind ungeheure Massen ausländischen Ge­treides in Deutschland eingeführt worden. In München allein lagern 600000 Ztr.

Die Pol. Korr, teilt mit, der Frachtverkehr auf den südrussischen Bahnen sei im vollen Umfange wie­der ausgenommen. Bon Truppensendungen ist mo­mentan also keine Rede. Dagegen dauern die Ka-

sernementsbauten in den westlichen Bezirken eifrig fort.

Berlin, 26. Jan. Herr Dr. Virchow wird Mitte Februar in Gesellschaft Schliemann's eine wis­senschaftliche Reise nach Oberegypten antreten und erst zum Beginn des Sommersemesters nach Berlin zurückkehren.

Berlin, 27. Jan. Die zweite Lesung des Wehrgesetzes wird am Freitag den 3. Febr. er­wartet, es heißt, unter Teilnahme des Fürsten Bis­marck.

Berlin, 27. Jan. Das Zentrum und die nationalliberale Partei stimmen geschlossen gegen die Verschärfung des Sozialistengesetzes; die Reichs­partei stimmt in überwiegender Mehrheit dagegen; Redner für letztere ist v. Kardorff.

Berlin, 27. Jan. Bei dem Empfange des Prinzen Ferdinand von Coburg in Philippopel haben sich, wie entgegen anderen Nachrichten hieher gemeldet wird, die fremden Konsuln sämtlich fernge­halten, was auf Weisung ihrer Regierungen erfolgte.

Ein großer Strike ist nach langer Pause wieder in Berlin ausgebrochen. In mehreren Mi- litäreffektenfabriken haben an taufend Sattlergesellen die Arbeit eingestellt, um eine Lohnerhöhung zu er­zielen.

Potsdam, 27. Jan. Prinz Wilhelm wurde anläßlich seines heutigen Geburtstages zum Generalmajor und Kommandeur der zweiten Garde- Jnfanterie-Brigade ernannt.

In Norddeutschland wird's Aufsehen und Geschrei machen, daß die Statthalterschaft in Nieder­österreich die heimischen Frauen und Mädchen warnt, sich für Norddeutschland als Sängerinnen, Tänzerin­nen und Kellnerinnen anwerben zu lassen; denn das Ende solcher Dienstbarkeit sei gewöhnlich Verführung, Laster und Elend.

Aus Elberfeld wird der Frkf. Ztg. gemel­det : Die bekannten, in fast allen frequenten Lokalen aufgestellten automatischen Wagen wurden polizeilich beschlagnahmt, weil sie nicht geeicht sind. Dabei stellte es sich heraus, daß fast alle ein falsches Ge­wicht zeigten, welches bei 200 Kilo Tragfähigkeit sogar 8 Kilo betrug.

Der Polizeibericht von Liegnitz zählt bisher 654 Typhusfälle auf, davon 33 mit rötlichem Verlauf.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 25. Jan. Das Ereignis des Tages bildet der Antrag des Prinzen Liechtenstein, welcher ein vollständig ausgearbeitetes Gesetz auf Einführung der konfessionellen Schule enthält. Die Klerikalen verlangen nicht nur konfessionellen Unterricht, sondern reklamieren auch die Schulaufsicht für die Kirche. Die Linke begleitete die Vorlesung des Antrages mit Heiterkeit.

In Oesterreich sind die von der czechischen Seite gemachten Annäherungsversuche an die Deut­schen von letzteren abgelehnt worden, und darüber ist man in Regierungskreisen sehr mißgestimmt, weil die Versuche von der Regierung unter der Hand veran­laßt worden waren und zwar auf Wunsch des Kai­sers, der des langen Haders müde ist. Die Deutschen, von deren Wünschen nicht einmal andeutungsweise die Rede gewesen, zweifelten eben an der Ehrlichkeit des Entgegenkommens. Nach dem Wiederbeginn der Reichs­ratssession wird es an stürmisch bewegten Tagen nicht fehlen. Ein schwarzer Punkt ist bereits der von dem Fürsten Liechtenstein in Kaindorf eingebrachte Antrag auf Wiederherstellung der konfessionellen Schulen.

Graf And rassy. der frühere österreichische