Der Gesellschafter
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Amts- imd Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.
'Erscheint wöchentlich 3 mal: Dienstag, Donners- , ^ ^tag und Samstag, und kostet vierteljährlich hier
/»o 1 Trägerlohn) 80 4, in dem Bezirk 1 — 4,
^ " * ^ außerhalb des Bezirks 1 20 4. Monats-
abonuement nach Verhältnis.
Donnerstag den 24. November
Jnsertionsgebühr für die Ispaltige Zeile aus gewöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung S 4, bei mehrmaliger je 6 4. Die Inserate müffen j spätestens morgens 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei aufgegeben! lein.
1887.
Amtliches.
Nagold.
An die Gemeinderäte.
Der ortsübliche Taglohn gewöhnlicher Tagearbeiter wurde für das Jahr 1887 nach Vernehmung der Ortsbehörden festgesetzt:
a) für die erwachsenen männlichen auf 1 ^ 50 ^f,
b) für die erwachsenen weiblichen auf 1
v) für die jugendlichen männlichen auf 90 ^s, ä) für die jugendlichen weiblichen auf 75 ,-f.
Der durchschnittliche Taglohn der gewerblichen Arbeiter aä a) b) ä) wie oben, aä v) auf 75
Gemäß K 9 und 21 der Bollzugsverfügung zum Krankenversicherungsgesetz vom 1. Dez. 1883 sind die festgesetzten Beträge der genannten Art alljährlich einer erneuten Prüfung zu unterwerfen, weshalb die Gemeinderätc hiemit veranlaßt werden, binnen der Frist von 8 Tage» hiehcr zu berichten, ob, resp., welche erheblichen Veränderungen bezüglich der genannten Lohnsätze feit der letzten Festsetzung eingetreten sind. >
Den 14. November 1887.
K. Oberamt.
_ Kr. Gugel, A.-V. !
N a g o l d.
An die Ortsvorsteher.
Das Oberamt hat neuerdings wiederholt die ! Wahrnehmung gemacht, daß es bei Neubesetzung von ^ Rechnerstellenzu Beginn des laufenden Etatsjahrs un- ^ terlasfen worden ist, dem Oberamt Aktenvorlage zu ^ machen, sei es behufs der Herbeiführung der Bestätigung des Neugcwählten, sei cs behufs der Beschlußfassung über die zu stellende Kaution.
Die Ortsvorstcher werden angewiesen, sich bei den einzelnen Ortsrechnern alsbald davon zu vergewissern, ob den bestehenden Vorschriften in der angedeuteten Richtung genügt sei; eventuell wäre Versäumtes unverzüglich nachzuholcn.
Den 21. November 1887.
K. Oberamt.
___ Or. Gugel, A.-B.
Dem Baumeister Karl Gräslc von Großgartach wurde der Titel „Rcgierungsbaumeister" verliehen.
Gestorben: Den 21. Nov. in Calw Verwaltungs- Aktuar und Stadtrat Ziegler.
Der Zar und Fürst Bismarck.
Der bedeutungsvollste Augenblick während des Aufenthaltes der russischen Kaiserfamilie in Berlin ist unzweifelhaft der Besuch des deutschen Reichskanzlers im russischen Botschastshotel gewesen. Es ist allenthalben und man darf hinzusetzen, mit Genug- thuung bemerkt worden, daß Fürst Bismarck seinerseits keinen besonderen Eifer bewiesen hat, dem russischen Selbstherrscher seine Huldigung darzubringen. Fürst Bismarck ist auf Befehl unseres Kaisers nach Berlin gekommen. Allein er war bei der Begrüßung des hohen Gastes auf dem Bahnhofe nicht zugegen. Er hat dem Zaren überlassen, falls dieser den Wunsch hegen sollte, mit ihm zu verhandeln, zu diesem Zweck den ersten Schritt zu thun. Demgemäß ist Fürst Bismarck, so schreibt die Voss. Ztg., erst in der russischen Botschaft erschienen, nachdem ihm der Generaladjutant Tscherewin eine persönliche Einladung des Zaren überbracht hatte. Die Unterredung gewann eine bemerkenswerte Ausdehnung; der Besuch des Kanzlers in der russischen Botschaft währte länger als eine Stunde. Bei dem alsdann folgenden feierlichen Mahle im kaiserlichen Palais zeichnete der Zar, wie an anderer Stelle berichtet wird, nach dem Danke
für den Toast des Kaisers den ziemlich entfernt von ^ ihm sitzenden Reichskanzler durch eine fast demon- ! strative Begrüßung aus. Lag in dieser Kundgebung eine Bestätigung für das befriedigende Ergebnis der vorausgegangenen langen Unterredung? Wenn dem so wäre, würde nach allem, was geschehen, der Beweis dafür zunächst von russischer Seite erwartet werden müssen.
Die Berliner Bevölkerung hat es abgclehnt, irgend welche besondere Freude über den Zarenbcsuch an den Tag zu legen, sie war höflich, aber nicht herzlich in ihrer Bewillkommnung. Nicht nur die amtlichen, sondern auch die meisten Privatgebäude hatten es vermieden, den bei solchen Gelegenheiten üblichen Flaggcnschmuck anzulegen. Die Organe, durch welche die Ansichten der Negierung bekannt gegeben werden, unterließen jede Erörterung über den Zarenbesuch überhaupt, oder gaben dieser Erörterung ! eine Richtung, welche von nichts weniger als von Freude und Hoffnung zeugte. Alle diese Thatsachen bilden den laut redenden Hintergrund für die Audienz des Reichskanzlers beim Zaren.
Ob diese Unterredung von nennenswertem Einfluß aus die fernere Haltung der russischen Politik sein werde, kann heute noch Niemand ermessen. Der Zar ist unberechenbar. Kein Herrscher ist weniger selbständig als er, der unumschränkte. Der Zar ist von jeher kein warmer Freund der Deutschen gewesen. Gerade das war cs, was die Panslavisten ermutigte, ihn zu überbieten. Er selbst hat die Geister gerufen, welche er heute nicht los werden kann. Man wird es bei uns mit Befriedigung empfinden, wenn die russische Regierung fortan eine freundlichere Haltung zum deutschen Reiche einnehmen sollte; von irgend welchen Abmachungen, welche am Freitag etwa getroffen sein sollten, kann aber um so weniger gesprochen werden, als der Zar die Begleitung seines verantwortlichen Ministers zurückgewiesen hatte. In jedem Falle kann durch die Besprechung des Zaren mit dem Kanzler weder an der Festigkeit noch an den Zielen des mitteleuropäischen Dreibundes das Geringste gerüttelt worden sein. Deutschland bleibt der Freund seiner Freunde, der zuverlässige Verbündete seiner Verbündeten. Für die nächsten Jahre ist der deutschen Politik durch diese Bündnisse der Weg vorgezeichnet. Was daher auch in Rußland demnächst geschehe, ob sich die persönliche Begegnung ! des Zaren mit dem Fürsten Bismarck von guten Wirkungen zeige oder nicht, so wird Alexander III. sowohl aus den begleitenden Umständen seines Empfanges in der deutschen Hauptstadt, wie durch die Darlegungen des Fürsten Bismarck den Eindruck gewonnen haben, daß Deutschland zwar Rußlands Freund, aber in keinem Falle Rußlands Knecht sein will.
Tages-Neuigkeiten.
Deutsches Reich.
Stuttgart, 20. Nov. Von der Stuttgarter Bienenzuchtausstellung im Herbste d. I. ist dem württ. Landesverein ein Defizit von ca. 1200 ^ erwachsen.
Stuttgart, 21. Nov. Heute wurden seitens der Feuerversicherung die aus dem Brande der Hopfenhalle geretteten Waren ausgenommen. Es sind dies etwa 10 Ztr. Hopfen. Es sei bei dieser Gelegenheit bemerkt, daß die einzelnen Besitzer des Hopfens nicht versichert waren, dagegen hatte die Stadt das in der Hopfcnhalle liegende Quantum auf Grund laufender Police mit 20 000 ^ versichert. Unter dem verbrannten Hopfen war noch mancher Zentner vorjähriger,
der, wie die Hopfenpreise Heuer liegen, nicht mehr
wie 8—10 ^ wert war. Der Vorgang der Auktion legte so recht deutlich Zeugnis ab von dem trostlosen Stande des Hopfenmarktes.
Stuttgart, 22. Okt. In einer heute vormittag stattgehabten Versammlung beschloß der Württ. Brauerbund eine Petition an den Reichstag und die württ. Regierung mit einer Bitte gegen die Erhöhung der Kornzölle einzureichen.
Der Besuch der russischen Kaiserfamilie in Berlin ist ohne jede Störung vorübergegangen. Ein Paar in Berlin lebende Russen nahmen die Gelegenheit wahr, dem Zaren auf der Fahrt eine Bittschrift zu überreichen und wurden dann von der massenhaft aufgebotenen Polizei festgehalten. das war alles. Das Publikum größte meist durch Abnehmen der Kopfbedeckung, während Kaiser Wilhelm auf der Fahrt zur russischen Botschaft mit donnernden Hur- rahrufen empfangen war. Nach dem Abschreiten einer zweiten, vor dem Botschafterhotel aufgestellten Ehrenkompagnie begrüßten die beiden Kaiser einander durch herzliche Umarmung. Nach einer halben Stunde kehrte Kaiser Wilhelm in sein Palais zurück, wo ihm dann der Zar einen Gegenbesuch machte. Um 1 Uhr erschien die Kaiserin mit ihren 5 Kindern im Palais. Vor dem Diner empfing der Zar den Reichskanzler Fürsten Bismarck in mehr als 1 ständiger Audienz.
Berlin, 20. Nov. lieber die Unterredung des Zaren mit dem Fürsten Bismarck bringen Berliner Blätter folgende Mitteilungen: Nach der Erledigung der Repräsentationspflichten sprach der Kaiser von Rußland den Wunsch aus, den Besuch des Fürsten Bismarck zu empfangen. Dieser begab sich ins Botschafterpalais um 3str Uhr und verweilte daselbst Istt Stunde. Er erstattete hierauf über das Resultat seiner Unterredung seinem kaiserlichen Herrn Bericht und beantragte die Verleihung einer hohen Auszeichnung an den russischen Botschafter, Grafen Schuwalow. Kaiser Wilhelm beschloß, demselben den höchsten preußischen Orden, den hohen Orden vom Schwarzen Adler, zu verleihen, eine Dekoration, deren sich selbst die Botschafter der alliierten Mächte j nicht erfreuen. Ein Exemplar dieses Ordens wurde ! eiligst bestellt und dem Kaiser während der Galata- ! fel zugestellt. Bei dem dem Diner folgenden Cercle ! überreichte der Kaiser dem russischen Botschafter die ! für ihn bestimmte A uszeichnung. — Während der ! Tafel ereignete sich der folgende Zwischenfall: Kaiser Alexander beauftragte einen Diener, dem Fürsten Bismarck, der ihm schräg gegenüber saß, mitzuteilen, daß er mit ihm zu trinken wünsche. Dies geschah. Fürst Bismarck erhob sich und senkte grüßend sein Glas gegen das von Seiten des Kaisers Alexander erhobene. Dieselbe Aufmerksamkeit erwies der Zar dem Grafen Moltke. — Am Schluß des Diners stieß Kaiser Wilhelm mit dem Zaren und der Zarin an. Die Musikkapelle intonierte die russische Hymne. Kaiser Wilhelm erhob sich, ebenso alle andern Anwesenden und die Hymne wurde stehend an gehört. Dann reichte Kaiser Wilhelm dem Zaren und der Zarin herzlich die Hand. Die Ge- i sellschaft verließ um halb 7 Uhr das Palais.
Berlin, 20. Nov. Auch ein lustiger Zwischenfall wird beim Kaiserbesuch berichtet. Unter den Linden stand u. a. ein Reisender aus Hamburg, welcher unter dem rechten Arm ein kleines Musterkästchen, in schwarzer Packleinwand eingewickelt, trug. Wohin er sich wendete und wo er stand, wurde er von einem Manne im Zivilanzuge scharf in's Auge