gen Deutschland, die Duldung und Förderung aller antideutschen Bestrebungen von hohen und höchsten Stellen her. Es liege der deutschen Regierung ferne, im jetzigen Augenblick Rußland zu einer Aenderung seiner Politik bereden zu wollen, oder gar, wie der Swjet" schreibe,Rußland durch neue Werbungen auf die Seite Deutschlands hinüberzuziehen", vielmehr werde die deutsche Politik ihr Bestreben ausschließlich der Befestigung der Beziehungen zu denjenigen Mäch­ten zu widmen haben, auf deren Beistand wir ferner­hin angewiesen seien und auf die wir mit Sicherheit rechnen können. Der Artikel macht Aufsehen, weil er am Vorabend der kaiserlichen Besuches in Berlin erschienen ist.

Berlin, 18. Nov. DerNational-Ztg" wird aus San Remo 17. Nov. geschrieben: Als ich heute die Villa Zirto besuchte, wurde ich (der Korrespon­dent) vom Kronprinzen bemerkt und angesprochen. Das Aussehen des Kronprinzen ist vortrefflich, der Blick klar und freundlich, die Gesichtsfarbe gesund, ^ der Ausdruck von herzgewinnender Heiterkeit, die Stimme allerdings verschleiert, doch verständlich. Der Kronprinz erwähnte mit humoristischer Betonung sei­nen leidenden Zustand, dann sagte er mit inniger Bewegung:Sagen Sie den Berlinern, wie gerührt, wie dankbar ich bin über die unzähligen Beweise der Liebe und Teilnahme, die ich von dort und aus ganz Deutschland tagtäglich erhalte." Auf die Bemerkung des Korrespondenten, daß Deutschlands ganzes Herz jetzt in San Remo sei und daß das Gefühl hinge­bender Liebe in der Nation nie so heiß gewesen sei, wie in diesen Tagen, antwortete der Kronprinz: Diese Empfindungen sind gegenseitig". Als Korre­spondent sein Vertrauen aufdie Herstellung der Gesund­heit und auf eine glückliche Heimkehr ins Vaterland aussprach, erwiderte der Kronprinz:Das hoffe ich auch." Der Kronprinz erinnerte nochmals daran: j Vergessen Sie meine Grüße an meine lieben Ber-! liner nicht!" und entfernte sich dann mit freundlichem Lächeln und leichten Schrittes.

Berlin, 18. Nov. Berlin wimmelt von rus­sischen Geheimpolizisten. Der Zar wird bei seinem Einzug völlig hermetisch abgeschlossen durch Spalier und sonstige Vorkehrungen.

Berlin, 18. Nov. Der Kaiser und die Kai­serin von Rußland sind soeben eingefahren. Der Kaiser mit dem Prinzen Wilhelm in russischer Uni­form im offenen vierspännigen Wagen, die Kaiserin mit der Prinzessin Wilhelm in geschlossenem Wagen.

Berlin, 18. Nov. Der Kaiser von Rußland ! machte bei dem Kaiser Wilhelm und den Prinzen des königlichen Hauses Besuche im offenen Wagen, wobei allgemein sein vortreffliches Aussehen bemerkt wurde. Auch die Kaiserin von Rußland machte ver-, schiedentliche Besuche. !

Berlin. 18. Nov. Der Reichskanzler Fürst Bismarck begab sich um 3^/r Uhr zum Kaiser von Rußland in das Botschaftshotel; derselbe hatte im Laufe des Nachmittags den General-Adjutanten des russischen Kaisers, Tscherewin, empfangen.

Berlin, 18. Nov. Das heutige Galadiner , beim Kaiser besteht aus 98 Couverts. An demselben nehmen neben dem Reichskanzler auch die Fürstin Bismarck und Graf Herbert Bismarck Theil. Die Abreise der russischen Gäste erfolgt bereits 9 Vs Uhr abends. '

Berlin, 18. Nov. Fürst Bismarck wird be­reits morgen nach Friedrichsruhe zurückkehren.

Berlin, 18. Novbr. Die russische Truppen- ^ schicbung nach der westlichen Grenze, welche hier und in Oesterreich bemerkt worden, wird auf Vorkehrungen wegen unruhiger Bewegungen in Polen zurückgeführt.

Berlin, 18. Nov. Der Bundesrat hat, laut M. A. Z." der Verdoppelung der Kornzölle bereits zugestimmt.

Berlin, 19. Nov. Der Großfürst-Thron­folger besuchte gestern den Kanzler.

Berlin, 19. Nov. Noch gestern abend em­pfing der russische Botschafter Schuwalloff den Schwarzen Adlerordcn. Bei der Tafel trank der Kaiser Alexander dem Fürsten Bismarck noch besonders sehr freundlich zu. Heute vormittag stat­tete Prinz Wilhelm dem Fürsten Bismarck einen Besuch ab.

Berlin, 19. Nov. Wie verlautet, hat der Zar bei seiner Unterredung mit Bismarck sein tiefstes Bedauern über die Krankheit des Kronprinzen aus­gesprochen. Für die Mannschaften des Kaiser Ale­xander-Regiments spendete der Zar 4000 ^

Berlin, 19. Mov. Die Nachsteuer für Brannt­wein hat nicht 18, sondern sogar 24 Millionen er­bracht. was einem Quantum von 800 000 Hektoliter entspricht.

In Berliner finanziellen Kreisen ging man mit der Absicht um, auch gegen den Willen des Reichskanzlers eine neue russische Anleihe in Deutsch­land unterzubringen, es soll diesem Vorgang beson­ders von Seiten eines bekannten großen Bankhauses in Frankfurt a. M. Vorschub geleistet worden sein. Dasselbe suchte das Geschäft durch drei mit ihm in enger Verbindung stehende Berliner Geschäfte zur Ausführung zu bringen, um sich öffentlich nicht selbst als Urheber bezeichnen zu müssen. Die Anleihe, welche Rußland zu dem gemeinsam mit Frankreich gegen Deutschland in Aussicht genommenen Feldzug braucht, wurde durch die überraschend plötzlich erlassene Ver­ordnung des Reichskanzlers verhindert, nach der die deutsche Reichsbank russische Wertpapiere vom 11. November d. I. ab nicht mehr beleihen darf. In­folge dieser Maßregel stürzten die russischen Papiere an den Börsen um volle 2 Prozent, und die Anleihe war undurchführbar geworden. Die Reise des russi­schen Kaisers nach Berlin sollte, wie man sagt, mit der geplant gewesenen Anleihe in Zusammenhang stehen.

Ein Professor aus Odessa hat nach der Frkf. Ztg. an die Kronprinzessin telegraphiert und die An­wendung von Terpentin von Chios bei dem Kron­prinzen innerlich und als Dampfinhalation empfohlen.

Dem kommenden Reichstag wird bekanntlich j auch der Gesetzentwurf wegen Verlängerung des So- , zialistengcsetzes wieder vorgelegt werden. Diesmal wird eine dreijährige Verlängerung beantragt werden.

In der Denkschrift zu den Grundzügen über die Ar- beiteralterSversorgung heißt es bezüglich des Kostenpunktes: Die Kosten sind für den Jahresdurchschnitt überschläglich auf 166 Millionen veranschlagt, woran das Reich, der Arbeit­geber und der Arbeiter mit je einem Drittel zu beteiligen sein dürften. Ohne Reichsznschuß wird die Alters- und In­validenversicherung nicht durchzuführcn sein. Werden die Ko­sten annähernd jene Höhe erreichen, so entfällt auf den Kopf der Versicherten im Durchschnitt ein Gesamtbeitrag von jähr­lich 18 oder bei 300 Arbeitstagen ein Betrag von weni­ger als täglich 5 Pfennigen, ausschließlich der Vcrwaltungs- kosten. Bei Drittelung dieses Betrags würde also sowohl der Arbeitgeber, wie der Arbeiter im Durchschnitt 2 Pfg. für den Arbeitstag zu entrichten haben. Bei diesen Rechnungen ist zur größeren Sicherheit im Zweifelsfalle stets das Ungün­stigere zu Grunde gelegt worden. Voraussichtlich werden sich die Kosten noch etwas niedriger stellen. Das Gesetz hat Gil­tigkeit für alle Arbeiter, Arbeiterinnen, Lehrlinge und Dienst­boten, sowie für Handlungsgehilfen mit Gehalt unter 2000 .or Die Altersversorgung beginnt mit dem 1. Tage des 71. Le­bensjahres, die Jnvalidcnvcrsorgnng mit dem Eintritt völ­liger Erwerbsunfähigkeit. Als Wartezeit gilt bei der Al­tersversorgung ein Zeitraum von dreißig, bei der Jnvalideu- versorgung von fünf Jahren, doch fällt diese Zeit fort, wenn die Erwerbsunfähigkeit ans der Arbeit entstanden ist. Das Gleiche gilt bezüglich der Altersversorgung für Personen, welche bei Inkrafttreten des Gesetzes mehr als 40 Jahre sind. Die Altersrente beträgt jährlich 120 ^., die Invalidenrente kann bei längerer Zugehörigkeit zur Versicherung von 120 auf 250 ^ pro Jahr steigen. j

Unerwartet und überraschend ist, wie derAnz. ^ f. d. Havelland" meldet, der Befehl ergangen, daß j auf der Gewehrfabrik in Spandau der Betrieb im vollen Umfange ihrer ganzen Leistungsfähigkeit wieder ausgenommen werde. Es werden im ganzen wohl 1000 Mann eingestellt. Viele Arbeiter, welche feit dem Sommer brotlos geblieben sind, konnten jetzt wieder die Arbeit aufnehmen.

Breslau, 17. Nov. In dem Tozialistenpro- zesse wurden durch das heute publizierte Urteil 8 Angeklagte freigesprocheu, 29 zu Gefängnisstrafen von 4 Wochen bis zu einem Jahre verurteilt. Bezüglich von 5 Angeklagten wurden die erkannten Strafen als durch die Untersuchungshaft verbüßt erachtet. Der Gerichtshof beschloß, sämtliche Angeklagte bis auf 3, aus der Haft zu entlassen.

Der Mordprozeß Ziethen-Wilhelm gelangt in der am 5. Dez. beginnenden Schwurgerichtssession in Elberfeld von Neuem zur Verhandlung.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 16. Okt. Wie verlautet, sprach sich der Kaiser mißliebig aus über die publizistische Verwer­tung der Gutachten seitens der hiesigen Aerzte über die Krankheit des deutschen Kronprinzen, insbesondere seitens Störk's.

Die ungarische Delegation in Wien hat am Mittwoch in herzlicher Weise ihre Teilnahme an der Krankheit des deutschen Kronprinzen und ihren Wunsch auf Genesung des hohen Patienten ausgesprochen.

Frankreich.

In Frankreich jagt ein Skandal den andern.

So soll, wie es jetzt heißt, der langjährige Kabinets- chef verschiedener Minister des Jflnern, Foubert, der erst durch Sarrien verjagt wurde, von den geheimen Fonds nicht weniger wie eine Million veruntreut haben.

Paris. Die Anzeichen eines Sturmes, dem der Präsident und vermutlich noch manch anderer zum Opfer fallen dürfte, werden iknmer stärker. Die Zeitungsläden bedecken sich trotz des Gesetzes, das die Beleidigung des Staatschefs verbietet, mit Karrika- turen des Herrn Grsvy; in den Kneipen liegen Pe­titionen um Entlassung des Präsidenten auf und werden von Tausenden unterschrieben. Beschwichtigen wird sich die Aufregung nicht mehr lassen.

Paris, 17. Nov. Die Kammer genehmigte auf einstimmigen Antrag des Ausschusses die Verfol­gung Wilsons mit 527 gegen 3 Stimmen. Das Entlassungsgesuch des Justizministers ist angenommen worden.-

Paris, 18. Nov. Es herrscht große Aufre­gung in der Kammer; man will Grevy zum Rücktritt zwingen. Wie es scheint, hat Sadi Carnot die meisten Aussichten auf die Präsidentschaft, da auch die Radikalen für ihn eintreten.

Paris, 19. Nov.Debats" meldet, Grevy erklärte die unweigerliche Absicht auf seinem Posten zu verbleiben, um kein Vorurteil gegen eine jederzeit widerrufliche Präsidentschaft zu schaffen.

Paris, 20. Nov. Wie ich aus sicherer Quelle erfahr?, hat Freycinet dem Präsidenten Grevy zuge­sagt, die Neubildung eines Kabinets zu versuchen.

Italien.

San Remo, 17. Nov. Die Aerzte erklären nach genauerer Untersuchung des vor­gestrigen Auswurfs heute die Prognose für wesentlich verschlimmert, indem unzweifelhaft sogenaunter weicher Krebs vorliege. Die ausgeworfenen Teile sind Krebszellen schlim­mer Natur, es ist möglich, daß durch starken Auswurf der Ausbreitung des Krebses eini­germaßen Einhalt gethan wird, aber solche Ausscheidung der Krebszellen ist häufig von anderen unabwendbaren schlimmen Folgen be­gleitet.

San Remo, 17. Nov. Fürst Bismarck wird hier mit Bestimmtheit erwartet, um mit dem Kron­prinzen über Staatsangelegenheiten zu sprechen. (?) Für den Aufenthalt des Fürsten werden die Zimmer im Hotel Mediterranse" reserviert, welche vom Prinzen Wrlhelm bei dessen Anwesenheit hier bewohnt worden waren. Auch Prof. Dr. v. Bergmann wird hier er­wartet.

England.

Ganz London ist dem Polizeidirektor Oberst Warren zu großem, großem Dank verpflichtet. Die Sozialisten, Anarchisten und das Korps der Arbeits­losen hatten für Sonntag einen großen Plünderungs­zug vom Trafalgar-Square aus geplant und nament­lich das Westend der Stadt würde fürchterlich mit­genommen sein, wenn dieser Haufen von 30000 Köpfen zusammen vorgedrungen wäre. Oberst War­ren hatte als erfahrener Militär ganz besondere Vor­sichtsmaßregeln getroffen. Die Strafen der zahlreich verhafteten Rädelsführer waren diesmal streng. Die meisten erhielten 6 Monate bis zu einem Jahre Ge­fängnis. Der mitverhaftete, aber später freigelassene Abg. Graham wird in einigen Tagen abgeurteilt werden. Sogar Gladstone rühmt die Londoner Polizei. Radikale Versammlungen hatten eine Adresse an ihn gerichtet, in welcher sic gegen das Einschrei­ten der Polizei austraten, aber Gladstone ließ die Herren höflich ablaufen und nahm die Polizei in London in Schutz, während er freilich die in Irland scharf tadelte.

Sogar die LondonerTimes" zeiht, den Or. Mackenzie des Leichtsinns, er habe, sagt sie, die Be­handlung der betr. Wucherung als eine nicht bös­artige über Gebühr verlängert und wahrscheinlich sich und Ande>e über das Hebel geiämcht. Seine takt­losen Aeußsrungen gegenüber amerikanischen Bericht­erstattern (New Dort Herald) über die Kronprinzes­sin und die Berliner Aerzte Tobold, Bergmann, Gerhardt und Virchow, stellen ihn noch mehr blos.

Rußland.

Der Zar wird auf seiner Heimreise durch ein Spalier fahren, wie's noch keines gegeben hat. Von