durch Uebersendung der 40 000 FrkS. als »lrauäeur« bekennt, einen Prozeß gegen ihn einzuleiten und min­destens die gesetzliche dreifache Portozahlung für die 200000 Briefe zu verlangen, welche der Schwieger­sohn des Präsidenten zugibt, unerlaubter Weise mit dem Stempel der Präsidentschaft versehen zu haben. In diesem Falle müßte Herr Wilson also noch 50000 Frks. nachzahlen.

Paris, 30. Okt. DerVoltaire" schreibt: Wir wissen nun, daß ein Schutz- und Trutzbündnis zwischen Deutschland und Italien geschlossen ist und daß unsere alten Bundesgenossen von Magenta und Solserino bei dem ersten Kanonenschuß in den Vo­gesen einen Alpenübergang versuchen werden. Da müssen wir der Freundschaft, mit der Herr Crispi Frankreich beehrt, und seinen Fliedensversicherungen die verdiente Würdigung angedeihen lassen und den Rat des Zaren befolgen:Seid stark!" Was die Erneuerung des Handelsvertrages betrifft, den Herr Crispi mühelos von der Republik zu erlangen hofft, so meinen wir, unsere Regierung wäre wohl beraten, wenn sic sich nicht daraus einließe, ohne zuvor die nötigen Maßregeln getroffen zu haben, um sich von den doppelsinnigen Phrasen, dem berechneten Schwei­gen und den schwunghaften Beteuerungen Herrn Crispis nicht täuschen zu lassen."

Paris. 31. Okt. DerFigaro" spricht heute eingehend über die Rüstungen Rußlands zu dem Rie­senkampf mit Deutschland.Der Krieg ist unver­meidlich, und an dem Tage, wo er ausbricht, sind wir (die Franzosen) Herren der Lage." Die Fran­zosen wünschen, daß Rußland den Tanz beginne, dann sind sie Herren der Lage; die Russen dagegen wün­schen nichts sehnlicher, als daß Frankreich anfange, dann glauben sie Herren der Lage zu sein.

Paris, 31. Okt. Der Kriegsminister Ferron hat den wöchentlichen, mit Musik begleiteten Zapfen­streich in Clermont-Ferraud wegen der Kundgebun­gen zu Gunsten des Generals Boulanger verboten.

Paris, 1. Nov. Nicht nur der Besuch des Zaren in Berlin, sondern auch die Reise des Herrn v. Giers nach Berlin wird für wahrscheinlich ge­halten.

Frankreich hat seit Erklärung der Republik am 4. Sept. 1870 bis heute nicht weniger als 22 verschiedene Ministerien gehabt.

Belgien.

Das Brüsseler JournalNord", welches im Solde der Petersburger Regierung steht, läßt sich folgendermaßen vernehmen:Die maßgebenden russischen Kreise betrachten das europäische Gleichge­wicht in Folge der Tripel-Allianz, welche Crispi in Turin offen eingestand, zu Ungunsten Rußlands ver­schoben. Diesem Zustande könne nur durch ein ge­meinsames Handeln Rußlands und Frankreichs in allen europäischen Fragen abgeholfen werden. Eine formelle Allianz mit Frankreich sei aber unthunlich, weil man nicht wissen könne, ob die Regierung Frank­reichs nicht morgen in die Hände eines nach Aben­teuern lüsternen Herrschers geraten werde. Deshalb sei der formellen Allianz eine Verständigung von Fall zu Fall vorzuziehen." Glücklicherweise sind die übrigen europäischen Mächte bereits ein und der­selben Ansicht und brauchen sich nicht mehr zu ver­ständigen.

Italien.

Der Korrespondent desGaulois" in Tnrin telegraphiert seinem Blatt über eine Unterredung, die dieser nach dem Bankett mir dem Ministerpräsi­denten Crispi gehabt hat.Versichern Sie die Fran­zosen", sagte Herr Crispi,daß meine Neigung für sie stets dieselbe geblieben ist. Was mich an diese edle Nation knüpft, ist nicht nur die Gemeinsamkeit der Prinzipien und die Stammverwandtschost, son­dern noch mehr ein Gefühl der Dankbarkeit. Nie­mals winde ich' mich an einer Beraubung oder einer Niederlage Frankreichs beteiligen. Ich hoffe die Lei­denschaften des Augenblicks, welche die Franzosen mißtraut ch stimmen, werden sich zum Besten beider Völker bald legen, Worte des Friedens, Beweise der Freundschaft kommen nie zu spät. Die Presse, welche sich zum Echo dieser Gefühle macht , wird sich um beide Schwesternationen ein Verdienst erwerben."

England

Die beschäftigungslosen Arbeiter in London haben jetzt unter allerlei Tumulten vom Ministerium für öffentliche Arbeiten die Veranstaltung von Nvtbauten gefordert. Sic drohen mit Gewalt, wenn ihren Anforderungen nicht entsprochen wird.

Das Ministerium will zu Anfang dieser Woche Ant­wort geben.

London, 1. Nov. O'Brien wurde nach heftigem Kampfe mit der Polizei unter militärischem Geleite ins Gefängnis nach Cork gebracht.

Rußland.

Die russischen Antisemitenblätter, denen es eine sehr große Zahl giebt, sollen von jetzt ab auch einen anderen Faden spinnen. Es ist ihnen von der Preß-Censurbehörde die bestimmte Weisung zuge­gangen , die Semitcnfrage überhaupt nicht mehr zu berühren, in Wort und Bild über die Juden zu schwei­gen! Dieses Verbot soll finanzpolitischer Natur sein und vom Finanzminister Wischnegradsky selbst ausge­gangen sein. Gegen wen sollen nun diese Blätter von jetzt ab Hetzen? Gegen die Deutschen!

Dem Petersburger Korrespondenten der Times" ist mitgeteilt worden, es sei nunmehr als wahrscheinlich", daß der Zar über Berlin nach Hause fahren und in Berlin ein oder zwei Stunden mit dem deutschen Kaiser verbringen werde. Die Zusammenkunft mit dem Kaiser Wilhelm werde eine rein private sein und gar keine politische Bedeutung haben. Diesem Korrespondenten zufolge wird der Zar ein oder höchstens zwei Tage in Berlin verwei­len und in der russischen Botschaft wohnen.

Die Petersburger Regierung beschäftigt sich jetzt mit der Russifizierung der deutschen Uni­versität in Dorpat. Es heißt, der vernichtende Schlag soll in aller Kürze erfolgen.

Bulgarien.

Die Gerüchte von einem vollführten oder ge­planten Attentat auf den Fürsten Ferdi­nand von Bulgarien haben sich als völlig un­begründet herausgestellt. Es ist nichts passiert, wo­rauf Wert zu legen wäre. Falsch sind auch die Nach­richten von einer bevorstehenden Zusammenkunft des Fürsten mit dem König von Serbien.

Fürst Ferdinand hat seinen Hofmarschall, einen Franzosen, in besonderer Mission nach Paris geschickt.

Sofia, 1. Nov. Die Sobranje nahm ein­stimmig die Adresse an, welche inniger Dankbarkeit gegen den Prinzen Ferdinand Ausdruck giebt und mit Genugthuung die Sympathien des Sultans der Mächte für Bulgarien hernoryebt. Die Deputierten, heißt es, werden vor keinem Opfer zurückschrecken, um das von dem Prinzen Ferdinand im Interesse des Vaterlandes und zum Schutze der Rechte Bul­gariens unternommene Werk zu vollenden.

Afrika.

Der Sultan von Sansibar hat den Dr. Karl Peters mit mehreren Herren der deutschen ost­afrikanischen Gesellschaft empfangen. Die Audienz verlief in der liebenswürdigsten Weise. Der Sultan unterhielt sich längere Zeit mit Dr. Karl Peters und erkundigte sich in eingehender Weise nach dem Stande der Gesellschaftsunternehmungen. Auch die übrigen Herren wurden mit Ansprachen beehrt. Während der halbstündigen Audienz saß der Sultan mit den Her­ren um einen Tisch herum und ließ Schorbet und Kaffee servieren.

Kleinere Mitteilungen-

Ebingen, 29. Okt. Wie derAlb. B." erfährt, ha­ben die Rekruten bei ihrem gestrigen Umgang von der Bür­gerschaft die schöne Summe von 1112 erhalten.

Eine Folge des Krachs der Leipziger Diskontogesell­schaft wird aus Leipzig gemeldet: Einen Selbstmordversuch unternahm der Pfarrer einer benachbarten Gemeinde, well er sowohl sein eigenes Vermögen, wie das der Kirche in Aktien der Diskontogesellschaft angelegt hat. Der Versuch mißglückte aber und der Bedauernswerte wird dem Leben erhalten blei­ben. Trauriger gestaltete sich das Schicksal eines Rentiers in Grimino, welcher beim Empfang der Nachricht vom Zu­sammenbruch der Gesellschaft durch einen Schlaganfall ge­tötet wurde. Eine 72jährige Frau verlor nach derGr. Ztg." ihre ganzen Ersparnisse, die sie sich in mühsamer Ar­beit erworben und gewissermaßen abgedarbt, um im Alter einen Notgroschen zu haben. Wie viele ähnliche Fälle mögen der Ocffentlichkeit verborgen bleiben?

Der berühmte Arzt und Operateur Dr. Nnßbanm in München teilt seine Erfahrungen gern in populären Schriften und Vorträgen mit. Das that er auch dieser Tage im Kaufmännischen Verein in einem sehr lebendigen Vortrag über plötzliche Erkrankungen und unnatürliche Todesarten." Oft sei es der. Fall, daß Jemand auf der Straße oder an einem öffentlichen Ort ohnmächtig werde, ans. einem Fenster stürze' oder einem ein schwerer Gegenstand auf den Kopf fällt, und wohl Jeder möchte da gern dem bewußtlos am Boden liegenden helfen. In allen diesen Fällen ist das Schädlichste, den Bewußtlosen, dessen Bewußtlosigkeit durch Blutleere im' Gehirn eingctrcten ist, aufzurichten. Man lege ihn. so, daß der Kopf abwärts liegt und so das Blut schneller wieder ins Gehirn eintreten kann. Das Gleicht sei bei Epileptischkran­

ken der Fall. Bei einem derartigen Vorkommnis habe man nur dafür zu sorgen, daß sich der Epileptische nicht verletze, man müsse die Krämpfe austoben lassen, da sie sich sonst als­bald wiederholen. Anders sei es bei einem Schlaganfall; hier müsse die betreffende Person sofort aufgerichtet werden, um einen größeren Bluteintritt in das Gehirn zu verhindern. Bei Erstickten, sei cs durch Erhängen, Erwürgen, Ertrinken, durch Gase u. s. w., sei das einzige Mittel die künstliche Re­spiration. Man lege den Scheintoten auf einen Tisch und drücke mit beiden Händen fest den Brustkorb desselben zusam­men, lasse dann schnell los und wiederhole die Manipulation alle zwei Sekunden. Bei Indigestionen in Folge von Ueber- ladung durch Speisen sei das beste Mittel starke Muskclbe- wegnng und Einreiben des Magens mit irgend einer ätheri­schen Flüssigkeit: bei allen Vergiftungen aber die Verdünnung des in den Leib gebrachten Giftes durch große Mengen schwar­zen Thce's. Bei Bissen giftiger Fliege», Schlangen, wüten­der Hunde sei das Hauptaugenmerk darauf zu richten, daß die Blutzirkulation mit dem Herzen und den verletzten Stel­len durch Unterbinden gehindert werde, und dann solle man ebenfalls nach Reinigung der Wunde schwarzen Thee trinken. Bei Verbrennungen könne der Laie wenig thnn, nur solle ein Verbrannter erst nach Anlegung eines Verbandes transpor­tiert werden. Bei Erfrorenen müsse man das Hauptaugen­merk darauf richten, die Herzthätigkeit wieder zu beleben und den Körper zu erwärmen, das letztere dürfe aber nur ganz succesive geschehen, da sonst höchste Gefahr für den Schein­toten entsteht. Plötzliches Uebelbefinden in Folge Ueberau- strengungen, Erkältungen rc. lasse sich am schnellsten durch gleichmäßige Erwärmung des Körpers, gute Gymnastik rc. behehen. Die im knappen Zeitraum von einer Stunde mit großer höchst erfreulicher Lebendigkeit vorgebrachten Ausfüh­rungen riefen selbstverständlich den lautesten Beifall des dank­baren Auditoriums wach.

Schrecklich. Ein Gothaer Herr, der mit überflüssi­ger Zeit gesegnet ist, hat folgendes zeitgemäße, aus 85 Buch­staben zusammengesetzte Wort konstruiert:Branntweinnach- verstenerungsrevisionsverhandlungsprotokollabschriftsbcglaubi- gnngsvermcrk!"

Sämtliche Reisende, die in dem Gasthof des Städtchens A. bei Greifswald übernachtet hatten, machten früh Mor­gens gemeinsam dem Hotelbesitzer ihre Aufwartung. Sie lach­ten. aber nicht ein einziger hatte Hosen und Stiefel an; denn diese waren gestohlen worden. Der Wirt erschrack, dankte für den guten Humor seiner Gäste, versorgte sie sofort aus den Kleider- und Schuhläden auf seine Kosten und gab ihnen ein solennes Frühstück obendrein.

Berlin, 26. Okt. Folgendes angebliche Scherzwort des Fürsten Bismarck macht gegenwärtig die Runde durch die Blätter: Gelegentlich einer leichten Erkältung, die sich Fürst Bismarck vor einigen Tagen in Friedrichsruh bei seinen Wan­derungen über Land zugezogen hatte, richtete er an seinen Arzt die Frage, was er thnn solle, um dieselbe rasch los zu werden.Nehmen Sie ein russisches Bad, Durchlaucht!" riet der Jünger Aesculaps.Das Ware unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht ratsam, da würde ich ein römisches Bad vorziehen," cntgegnete prompt der Reichskanzler.

Der Kampf mit dem Adler. Aus Preußisch- Schlcsicn wird herichtct: Als dieser Tage ein Hirt in Krieb- lowitz seine Schafe hütete, stürzte sich ein mächtiger Adler auf ein großes ausgewachsenes Tier, um cs zu entführen. Im Augenblicke, da er sich mit seiner Beute wieder erheben wollte, fuhr der Hirt mit wuchtigen Schlägen dazwischen, wor­auf der Adler von seinem Opfer ablieb und sich auf seinen Angreifer stürzte. Diesem gelang es erst nach heftigem Kampfe, wobei er schwere Kratzwundcn davoutrug, den Vogel zu erle­gen, der eine Flügelspannung von 2 Meter 45 Zentimeter hatte.

Budapest. In jüngster Zeit haben einige in verschie­denen Orten Syrmiens vorgekommenen Fälle plötzlichen To­des von jungen lebenskräftigen Männern die Aufmerksamkeit der Behörden erregt. Die in Folge dessen eingeleiteten Un­tersuchungen haben ein eigentümliches, haarsträubendes Resul­tat zu Tage gefördert. Es wurde als unzweifelhaft erwie­sen, daß junge Weiber ihre Männer vergifteten, um auf dem hinterlassenen Besitz ein angenehmes Witwcnleben zu führen. In einzelnen Fällen sollen die betreffenden Weiber blos aus dem Grunde die Ehe eingegangen sein, um sich ihrer Män­ner bald entledigen und in den Besitz der Hinterlassenschaft treten zu jkönnen. In dem Dorfe Bingula wurden sieben junge Witwen unter dem Verdacht des Gattenmordes ver­haftet und den Gerichten überliefert. Außerdem bemächtigte sich die Gendarmerie eines alten Weibes, welches den jungen Frauen das tötliche Gift zusammcnbraut.

Die Ermordung eines Wahnsinnigen durch Bewohner einer Nebenzelle in einer Heilanstalt zu Versailles hat Paris in große Aufregung versetzt. Ein Weinhändlcr Jean Petit aus Paris, ein sehr geachteter Mann, mußte wegen Tobsucht in genannter Anstalt gebracht werden. Der Direk­tor der Anstalt ließ, wie dasXIX. Siscle" mitteilt, den Tobsüchtigen über Nacht in einer Zwangsjacke steckend, liegen. Der in der benachbarten Zelle befindliche wahnsinnige Kerni- viou erwachte von dem Schreien, stand auf, erbrach die Thür der Nebenzelle und schlug, selbst tobsüchtig werdend, mit einen: aus dem Bett gerissenen Brett unausgesetzt auf das in der Zwangsjacke steckende Opfer los, so daß Blut und Gehirn ! umherspritzten. Als Petit tot war, verfiel Keruivion in völlige Schwermut.

Einen Beitrag zum Kapitel von der Höhe der Tcno- ! risten-Gagen liefert der Kontrakt, welchen der Tenor T a- magno, der Schöpfer des Verdi'schcrOthello" und der Abgott des Mailänder Publikums, mit dem Impresario Fcr- ! rari abgeschlossen hat. Der Säuger soll in Südamerika den ^ Othello singen und soll für 5Vmaliges Auftreten ein Honorar , von 700000 Fr., also 1400 Fr. per Abend, erhalten.

> London,22. Okt. Als die Schulkinder der St. Pauls­

kirche in Newport Pagnill sich am Donnerstag eben auf dem ! großen Schulspielplatz zum Antritt zur Nachmittagsschnle ver­sammelt hatten, stürzte plötzlich ein wild gewordener Stier ^ von der Straße ans durch das offene Thor in ihre Mette, stieß oder trat ^ mehrere der Kleinen zu Böden und stürzte sich ; dann mit gesenkten Hörnern und hochgehobcirem Schweife