Der Gesellschafter
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Amts- und Intelligenz-Blatt für de« Oberamts-Bezirk Nagold.
Erscheint wöchentlich 3 mal: Dienstag, Donners- i A/» — tag und Samstag, und kostet vierteljährlich hier
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Dienstag den 28. Juni
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1887.
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auf den
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Mit dem 1. Juli beginnt ein neues Quartaloder Halbjahrs-Abonnement und bitten wir sämtliche Abonnenten um sofortige Erneuerung ihrer Bestellungen.
Die manchfachen zustimmenden Zuschriften über die Haltung und Tendenz des Blattes mit der wöchentlichen Beigabe des „Plauderstü-chens", läßt uns hoffen, auch in dem neuen Quartal nicht nur die seitherigen Leser wiederzufinden, sondern daß recht viele neue Freunde sich dem Leserkreise anschließen. Wir werden uns bestreben, alle wichtigeren Tagesbegebenheiten in thunlichster Kürze mitteilen, so daß unsere Leser in politischen Dingen stets vertraut sich finden und nicht nötig haben, größere, teuere Zeitungen zu halten. Auch unter der Rubrik „Allerlei" werden die Leser manches finden, das sie unterhalten und belehren wird.
Wie sehr das Blatt aber auch zu
Inseraten
aller Art geeignet ist, mag die Verbreitung desselben in 1400 Exemplaren in und außerhalb des Bezirks beweisen.
In Betreff der Jusertivns- und Abonnementsgebühren siehe oben am Kopfe des Blattes.
Redaktion und Expedition.
Tages-Neuigkeiten.
j V ^ Deutsches Reich.
)( Simmersfeld, 23. Juni. Aus Anlaß des Kirchenbaues dahier ereignete sich heute nachmittag ein sehr bedauerlicher Unglücksfall. Nachdem das zweite Thurmgerüst, an welchem seither gearbeitet wurde, bereits fertig war, wurde aus der Höhe an einem Seile ein Balken herabgelasfim, welcher mit dem einen Ende bereits auf dem Boden stand, aber dadurch, daß das umschlingende Seil sich löste, seitwärts fiel und den auf dem unteren Thurmgerüste stehenden Zweitältesten Sohn des Bauunternehmers Gaiser so unglücklich traf, daß er herunterstürzte und mit dem Hinterhaupte in voller Wucht auf den Boden auffiel. Durch die starke Gehirnerschütterung trat Bewußtlosigkeit und bereits nach ca. einer halben Stunde der Tod ein. Die Teilnahme an dem traurigen Geschick des hoffnungsvollen, so jäh dem Leben entrissenen jungen Mannes wie an dem Leide der Angehörigen ist allgemein. Möge der Bau, so Gott will, ohne ferneres Unglück vollendet werden.
Stuttgart, 23. Juni. Man schreibt uns von dort: Der soeben publizierte städtische Etat schließt bei einer Einnahme von 2600000 mit einem chronisch gewordenen Defizit von nicht weniger wie 1700 000 ^6 Unter den Einnahmen sind Posten, die nicht allein nicht steigerungsfähig, sondern über deren Zulässigkeit in neuerer Zeit ernste Bedenken erhoben worden sind. So bringt der Wasserzins allein 400000 die Latrinen-Anstalt 352000 Mark. (M. Jeder Stuttgarter hat das Vergnügen, hiezu 2 Vs ^ beizusteuern.) — Die Verbrauchsabgaben ergeben jetzt 900000 Trotz dieser enormen Summen wird das Defizit von Jahr zu Jahr größer, der Steuerbeutel des Einzelnen immer erheblicher in Anspruch genommen. Und dazu noch die neuen Kataster. Glückliches Stuttgart.
Stuttgart, 25. Juni. Wie wir hören, wird zur Zeit der diesjährigen Schul- und Gerichtsferien
ein Extrazug mit erheblich ermäßigten Fahrpreisen von Berlin nach Stuttgart und Friedrichshafen, sowie von Stuttgart nach Berlin ausgeführt werden.
Stuttgart. (Traubenblüte.) Die prächtige Witterung hat die Vegetation so gefördert, daß unsere Reben nächster Tage in voller Blüte stehen werden. Erleidet die Blüte keinerlei Störungen, so ist immer noch ein halber Herbst zu erhoffen, da, wie wir schon früher mitteilten, die Traubenstöcke Heuer spärlicher als seit einer Reihe von Jahren angesetzt haben. Weit geringere Hoffnungen als auf die Weinernte muß man leider auf die Obsternte bauen.
Brandfälle: Am 23. Juni in Ebingen 15 Gebäude, wodurch 20 Familien obdachlos wurden; das Feuer kam in dem Schuhmacher Streich'schen Hause in der Langmatte aus.
Leipzig, 23. Juni. Der Antrag der Verteidigung auf vorläufige Haftentlassung der im Köchlinprozeß vier Verurteilten ist vom Reichsgericht abgelehnt worden.
Leipzig, 23. Juni. Am 4. Juli beginnt vor dem Reichsgericht der durch die Affaire l Schnebele bekannt gewordene Landesverrats- ^ Prozeß gegen Handelsagent Klein (Straßburg),
I Fabrikant Grebert (Schiltigheim) und Wirt Erhärt ! (Straßburg), welche angeklagt sind, der französischen I Regierung Festungspläne mitgeteilt zu haben.
! In Leipzig wird trotz des ungünstigen ! Ausgangs, welchen vor 2 Jahren der Streik nahm,
! eine großartige Arbeitseinstellung der Maurer und Zimmerer vorbereitet, dafern nicht die hohe Forderung eines Stundenlohns von 40 L von den Meistern bewilligt wird. In der That ist die Bauthätigkeit im ganzen Lande eine sehr lebhafte, so daß eine Arbeitseinstellung zu großen Verlegenheiten führen würde.
Hengstei bei Hagen i. W., 22. Juni. Heutk mittag fuhren in der hiesigen Station zwei Güterzüge auf einander. Gutem Vernehmen nach ist vom Zugpersonal keiner gefährlich verletzt, dagegen viel Material zertrümmert.
Berlin, 24. Juni. Die „Kreuzztg." beschäftigt sich in einem Artikel mit dem wirtschaftlichen Kampf Rußlands gegen Deutschland und kommt dabei zu dem Schluß, daß der deutsche Kapitalist sich gegen das Vorgehen Rußlands schon aus Gründen der Selbsterhaltung wehren sollte. Engländer und j Franzosen hätten schon früher fast alle russischen ! Werte abgeschüttelt, die Deutschen säßen dagegen ! noch mit zwei bis drei Milliarden fest. „Was soll j man nun aber sagen, wenn neuerdings wieder eine neue Konvertierung von 100 Millionen Rubel rus- ^ sifcher Boden-Kredit-Pfandbriefe von den Firmen ! Rothschild und Bleichröder übernommen worden ist ! und zur Realisierung ausgelegt werden wird. Soll ! man sich mehr über die Unverfrorenheit wundern,
, mit welcher der Russe mit der einen Hand bettelt, während er mit der andern die Knute handhabt.
^ oder über den Patriotismus der Berliner Börse ^ staunen, oder endlich über die Vertrauensseligkeit —
^ um nicht ein stärkeres Wort zu brauchen — des deutschen Publikums sich ärgern, welches wiederum ; lammfromm sein Geld auf die Schlachtbank legen wird.
Berlin, 25. Juni. Der Kaiser hat' das
> Branntweinsteuergesetz gestern vollzogen. Dasselbe
> gelangt heute zur Publikation.
Berlin. Die Grundzüge der Alters- und Jnvalidenversorgung der Arbeiter liegen ! augenblicklich dem Reichskanzler vor. Sobald dieser ! seine Zustimmung gegeben, werden dieselben den
Bundesregierungen zur Begutachtung mitgeteilt werden. — Die „Post" enthält einen bedeutsamen Leitartikel, welcher dem Papst den Rat gibt, von dem Streben nach Wiedererlangung eines weltlichen Besitzes abzusehen.
Berlin, 25. Juni. Bon den im Hochverratsprozeß verurteilten Elsaß-Lothringern haben Köchlin und Blech vergeblich eine Kaution von 50000 bezw. 100000 ^ für ihre vorläufige Freilassung angeboten. Ihr Gesuch, in Straßburg interniert zu werden, wurde abgelehnt, und sie sind heute nach Magdeburg überführt worden.
Der Kaiser befindet sich jetzt wieder so weit wohl, daß seine Abreise nach Ems für den 2. Juli festgesetzt ist. Die Kaiserin hat am Donnerstag Baden-Baden verlassen und sich nach Koblenz begeben.
Kaiser Wilhelm soll dem englischen Arzt Mackenzie für seine dreimalige Reise von London nach Berlin, für die Konsultationen und Operationen 10000 ^ aus seiner Schatulle habe auszahlen lassen.
Wer an den Reichskanzler zu schreiben hat, der verschiebe das lieber bis später. Jetzt in Friedrichsruh will er Ruh' haben, auch ist ihm ! von seinem Arzt, Dr. Schweninger, geraten worden, sich soviel als möglich von den Geschäften zu enthalten. Es werden dem Fürsten Bismarck von Berlin aus deshalb nur die wichtigsten Schriftstücke nachgesandt und vorgelegt.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 25. Juni. Auf morgen ist der Besuch des Königs Milan angekündigt. Demselben legen die Blätter große Bedeutung bei.
Wien, 25. Juni. Die Königin Natalie von Serbien wies alle Briefe Milans uneröffnet zurück. Sie reist nächster Tage nach Petersburg, um sich bei dem Zarenpaar Rats zu erholen wegen der Forderung Milans auf Scheidung der Ehe.
Schweiz.
Die beiden eidgenössischen Räte bewilligten diskussionslos 840000 Frk. für Neubewaffnung des Auszuges der Artillerie und beauftragten den Bundesrat. auch für Neubewaffnung der Landwehr- Artillerie Anträge vorzulegen.
Zürich, 22. Juni. Die Polizei entlarvte eine internationale Fälscherbande und verhaftete 7 Personen, (darunter 2 Schweizer, kein Deutscher), welche beabsichtigten, für 5 AMwnen 3rks. russische Banknoten anzufertigen. Fünf vollständig präparierte lithographische Steine wurden beschlagnahmt. Der Hauptbeteiligte ist vor 3 Monaten in England aus dem Zuchthaus entlassen worden.
Frankreich.
Paris. Der „Matin" kündigt die Absicht der Anarchisten an, das heute abend stattfindende Meeting der Patriotenliga gewaltsam zu sprengen. Es gilt als wahrscheinlich, daß deshalb das Meeting unterbleibt.
Paris, 25. Juni. Die Patriotenliga hielt gestern eine stürmische Sitzung ab, worin Protestreden gegen das neulich vom Leipziger Reichsgericht gefällte Urteil gehalten wurden. Frankreich, so wurde gesagt, solle nicht zugeben, daß man die Elsässer wegen ihrer Sympathien für Frankreich verfolge.
Paris, 25. Juni. Die Verhandlungen mit der Berliner Regierung um Freilassung Köchlins ! sind vorderhand wegen der Haltung der Patrioten- ! liga abgebrochen worden. Die französische Regierung ! hofft jedoch vom deutschen Reichskanzler die baldige