zu vermeiden, was einem Druck auf die französischen Politiker auch nur von Ferne gleichsehen könnte. Die „eiserne Rüstung", welche Deutschlands Schultern tragen, macht sich wieder einmal als „Pfand der Sicherheit" unseres Landes fühlbar.
Der Bresl. Ztig. wird aus Berlin gemeldet, daß Finanzminister v. Scholz es abgelehnt habe, die Deputation der schlesischen Spiritus-Interessenten, welche eine Eingabe gegen die Branntweinsteuer überreichen wollte, zu empfangen.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 23. Mai. Die Pforte hat eine Zirkularnote erlassen, in welcher sie die Mächte zu einem Gedankenaustausch über die Lösung der bulgarischen Frage, namentlich zur Nennung von 1 oder 2 Kandidaten für den Bulgarenthron, ouffordert.
Aus Klagenfurt wird vom 21. Mai dichter anhaltender Schneefall bei 3" Kälte gemeldet.
Eine Erklärung, welche der ungarische Ministerpräsident, Herr von Tisza, am Samstag im Pester Abgeordnetenhause abgab, bestätigt in allen Punkten die thatsächlichsten Angaben der „Nordd. Allg. Ztg." über die Vorgeschichte der Besetzung Bosniens und der Herzegowina durch Oesterreich- Ungarn. Der von verschiedenen Seiten so heftig bestrittene Vertrag zwischen Rußland und Oesterreich voin 15. Januar 1877 wurde von Tisza als That- sache eingeräumt; aus den Erklärungen des ungarischen Ministerprädenteu geht auf das Bestimmteste hervor, daß in diesem Vertrage die Zustimmung Rußlands zur eventuellen Besetzung Bosniens und der Herzegowina die Bedingung für die Neutralität Oesterreichs im Jahre 1877 gewesen ist. Die Regelung der Bosnischen Frage war also thatsächlich schon vor dem Berliner Kongresse erfolgt; nicht Deutschland hat Oesterreich-Ungarn die beiden türkischen Provinzen überantwortet, sondern Rußland. Dieses ist unter allen Mächten die erste gewesen, welche — aus guten Gründen — der Okkupation zustimmte, und mit Recht darf man es daher höchst sonderbar finden, wenn man gerade in Rußland noch immer wegen dieser Okkupation grollt und sich den Anschein gibt, als wäre damit den russischen Interessen Gewalt angethan worden. Der Hauptpunkt der Polemik zwischen der „Nordd. Allg. Ztg." der russischen und einem Teil der ungarischen Presse ist durch die Erklärungen Tisza's zu Gunsten des Berliner Organs entschieden.
Frankreich.
Paris, 19. Mai. Bei der Versteigerung der Krondiamanten wurde gestern, am 6. Auktionstage, die höchste Summe 839 500 Fr. erzielt. Hr. Jakoby aus Dresden kaufte ein großes Perlendiadem für 78100 Fr.; ein Halsband, bestehend aus 542 Perlen, wurde in 8 Teile zerlegt und für 332 600 Fr. von mehreren Juwelieren, darunter Hr. Friedberg aus Berlin, erstanden. Die Gesamteinnahme beträgt bis zur Stunde 3640000 Fr.
Paris, 24. Mai. Der heute beendete Verkauf der Krondiamanten ergab insgesamt 6 864000 Franks.
Paris, 24. Mai. Die Bemühungen Floquets und Rouviers, Freycinet von seinem Entschluß, keine Kabinetsbildung zu übernehmen, wieder abzubringen, dürften diesmal von Erfolg sein. Freycinet hat sich zwar noch nicht bestimmt ausgesprochen, er wird aber voraussichtlich mit Floquet ein gesamtrepublikanisches Ministerium bilden, in welchem Boulanger als Kriegs- ministcr bleiben wird.
Cassagnac versichert in seinem Blatte „Au- torite", Boulanger habe den Gesamtbetrag des dem Kriegsminister gewährten geheimen Fonds, zwischen 400 000 und 500000 Fr., welche seine Vorgänger stets für Spionendienste in Kriegszeiten reserviert hielten, für Preßzwecke verwendet, außerdem alle bezüglichen Ersparnisse der früheren Minister aufgebraucht, um im Inlands und Auslande Beziehungen mit den Journalen unterhalten und seinen Ruhm verkünden zu lassen. Falls Boulanger wirklich beseitigt wird, dürften wohl weitere pikante Enthüllungen zu erwarten sein.
Belgien-
Mons, 23, Mai. Gestern wurde eine Dynamitpatrone in das Erdgeschoß des Hotel Commerce in La Louvistre geschleudert. Ein Oberstlieutenant und ein Arzt wurden verwundet. Der Schaden ist beträchtlich. 3 Männer bedrohten die Schildwache bei dem Telcgraphenbureau; die Schildwache feuerte und tötete eineu der Angreifer.
Italien.
Rom. Wie verlautet, habe der Papst den Brief Kaiser Wilhelms beantwortet und betont, er habe sich einzig im Interesse des Friedens in die deutschen Wahlen eingemischt.
Rom. Die diesjährige Feier des Todestages Garibaldi's (2. Juni) inCaprera wird großartige Dimensionen annehmeu. Ein halbes Hundert Deputierter wird teilnehmen, um damit gegen die auswärtige Politik zu demonstrieren.
Rußland.
Petersburg, 23. Mai. Das Kaiscrpaar und die Großfürstin sind gestern wieder in Gatschina eingetroffen.
Der „Herold" begleitet den Abdruck des neuesten Hetzartikels der „Mosk. Ztg." gegen den deutschen Reichskanzler mit folgender, die Haltung der russischen Tagespresse charakterisierender Bemerkung: „Fast sämtliche Residenzblätter, in erster Reihe natürlich die „Nowosti", wüten gegen Deutschland und würden am liebsten, wenn sie könnten, das „verräterische" Deutschland mit Krieg überziehen. Nach unserm Dafürhalten ist auf Jahre hinaus keine Aussicht, daß unsere national-russische Presse Deutschland Gerechtigkeit widerfahren läßt; darüber täusche man sich in Deutschland nicht. Alles, was Deutschland macht oder nicht macht, sagt oder nicht sagt, denkt oder nicht denkt, ist in den Augen unserer Presse ein Verbrechen gegen Rußland, ja, daß überhaupt eine deutsche Sprache vorhanden, daß es überhaupt Deutsche gibt oder jemals gegeben, ist ein Verbrechen gegen Rußland. Kurz und gut, mit diesen Wahnsinnigen ist nicht zu reden — die Tollwut, die doch sonst gewöhnlich eine akute, unter Paroxysmen schnell endigende Krankheit ist. ist hier eben in chronische Raserei ausgeartet."
Türkei.
Konstantinopel, 22. Mai. Die englisch- türkische Uebereinkunft wegen Egyptens wurde heute hier unterzeichnet. Nach der Konvention sollen die englischen Truppen Egypten nach 3 Jahren verlassen, falls dem nicht besondere Umstände entgcgen- stehen.
Amerika.
Philadelphia, 17. Mai. Die massenhafte Einwanderung dauert noch immerfort und man erwartet, daß sie dieses Jahr 1000000 überschreiten ! wird. Die Zahl der deutschen und irischen Einwanderer ist geringer als in früheren Jahren, aber die der russischen, österreichischen und italienischen hat stark zugenommen. Die Russen stammen meist aus den Getreidegegenden am schwarzen Meer.
Asien.
Auch die japanische Regierung hat den Beschluß gefaßt, an der Pariser Weltausstellung von 1889 sich nicht zu beteiligen. _
Kleinere Mitteilungen.
Marbach, 23. Mai. Heute nachmittag 4yzUhr wurde auf der Landstraße zwischen hier und Murr während eines starken Gewitters der Fuhrmann Brosi von Kleinbottwar vom Blitz getroffen; nicht allein er, sondern auch seine beiden Pferde wurden sofort getötet und der Wagen zertrümmert. Der mitfahrende Bauer Leibbrandt von Murr wurde sehr schwer verletzt. Der Getötete ist 21 Jahre alt und dieses Frühjahr zu den Ulanen ausgehoben worden.
Vom Blitz erschlagen. Ein auf dem Wege nach der Musterschule begriffener ISjähriger Schüler, der Sohn des Ingenieurs Ullmicher in Frankfurt, ist vom Blitz erschlagen worden. Der Schlag traf den Knaben, der mit aufgespanntem Regenschirm, die Bücher unter dem Arm, sorglos dahinwauderte, am Kopf, fuhr die linke Wange hinab, die Uhrkette entlang in die Uhr und so fort durch den Körper des Unglücklichen.
In Leipzig erschoß cm eifersüchtiger Schreiber Gattin und Kind und machte dann einen Selbstmordversuch.
Unter der Anklage, eine Kiste mit Wein gestohlen zu haben, stand das gesamte Personal eines Eisenbahnznges in i Köln vor Gericht. Der Zugführer erhielt 1 Jahr Gefängnis, desgleichen 2 Schaffner. Der dritte kam mit 6 Monaten davon.
Aus Linz wird gemeldet: Gestern hat im Fabrikorte Traun bei Linz ein unmenschlicher Vater sein Kind, einen vier Wochen alten Säugling, in ein mit siedend heißem Wasser gefülltes Bad gelegt, so daß dasselbe total verbrühte und sogleich starb. Gegen den Unmenschen wurde die gerichtliche Untersuchung eingeleitet.
Was den Czaren zittern macht! Gelegentlich der letzten Reise des russischen Kaiscrpaares zu den Don-Ko- faken hielt der Hofzug in einer kleinen Station und eine, der auf dem Perron befindlichen Damen, die den Kaiser erkannt hatte, warf ihm mit einer graziösen Verbeugung einen Flicder- strauß zu. Als der Czar plötzlich etwas durch die^ Luft schwirren sah, fuhr er im Moment entsetzt zurück, im nächsten Augenblick hatte er allerdings schon die Ungefährlichkeit des Wurfgeschosses erkannt und nickte der Spenderin freundlich zn. Dieser kleine Vorfall beweist, in welchem Seelen-Zustand sich der allmächtige Beherrscher aller „Neusten" befindet.
Handel L Verkehr.
Stuttgart, 24. Mai. Der Verkehr auf der Möbcl- messe war gestern ein außergewöhnlich starker. Die in großer Auswahl zu Markt gebrachten Schreinerwaren wurden gestern schon zu 3 Vierteilen von den zahlreich hier eingc- troffenen badischen und hessischen Händlern angekauft. Auch der Verkehr auf der Warenmesse soll trotz der Ungunst des Wetters befriedigend gewesen sein.
Konkurseröffnungen. Gottlieb Ludwig, Rotgerber in Backnang. Gottlieb Grün, Rotgerber in Backnang. Moritz Schmid, Spediteur in Stuttgart, wohnhaft Uhlandstr. 17, Geschäftslokal Brunnenstraße 1. Kasp. Schmidt, Weber in Markertshofen, Gemeinde Gründelhardt (Crailsheim). Franz Anton Geiger, Bäcker in Donzdorf (Geislingen).
Ansbach, 16. Mai. Bei der heutigen Ziehung des Ansbach-Gunzenhausener Eisenbahnanleheus wurden folgende Serien gezogen: 39 278 410 552 709 739 809 983 1290 1399 1537 1571 1700 1794 1807 1981 2026 2036 2104 2158 2353 2391 2458 2658 2846 2981 3252 3294 3426 3574 3689 3700 4056 4146 4203 4352 4460 4603 4682 4691 4774 4872. Gewinnziehung am 15. Juni.
! Unterm Schleier der Nacht.
! (Fortsetzung.)
> Ormond wurde wieder einen Schatten blasser.
- „Wollen Sie nicht mein Besitztum einmal an- j sehen, Herr Descamps?" fragte er mit einem selt- ! samen Zucken seines Blickes, das dem jungen Manne
nicht entging und ihm Charles' Warnung in's Ge-
> dächtnis rief. Dasselbe Gefühl, wie den Bedienten,
! beschlich auch ihn jetzt diesem Menschen gegenüber.
! „Später, Herr Ormond", entgegnete er. ich ^sehe, Sie sind beschäftigt, denn sie wollten ohne
Zweifel Ihre Beete bearbeiten; oder sind Sie schon mit Ihrer Arbeit fertig?"
! Der Gefragte zuckte zusammen und wieder traf ein unheimlich stechender Blick den jungen Mann, der wie in leiser Andeutung auf die Gegend hinschaute, wo Charles wartete.
„Nun denn" , fuhr Francois fort, „so thun Sie Ihre Arbeit, während ich mit Ihrer Erlaubnis mich nach den Damen erkundige."
Damit wollte er sich empfehlen und den Weg zum Hause einschlagen; aber plötzlich, wie von wildem Schrecken erfaßt, sprang Ormond vor ihn hin und rief:
„Nein, nein, jetzt noch nicht, — es geht nicht,
! nein — hören Sie nur, wir werden schon fertig ! werden mit einander; ich will Sie recht gern — Sie sollen Claire —"
! Francois fiel diese urplötzliche Bestürzung na- ! türlich auf und obwohl er sich den Grund derselben nicht erklären konnte, beschlich ihn doch eine leise Ahnung von etwas Schlimmem, das sich hier ereignet haben mochte. Dazu die offenbare Unwahrheit Ormonds in Bezug auf seine Thätigkeit während der ^ letzten Nacht —."
Gleichviel, er suchte ihn zu beruhigen.
„Gewiß, Herr Ormond, wir werden uns ver- ^ ständigen, für jetzt will ich auch nur Ihre Mündel und Ihre Tochter begrüßen, was Sie mir wohl gestatten werden."
^ „Sie wollen Else sehen? das geht nicht, nein,
! wahrhaftig nicht, es kann nicht sein" , stieß Jener wieder hervor.
„Aber weshalb denn nicht, Herr Ormond?" „Else, — ich — ich muß Ihnen mitteilen, — kommen Sie, hören Sie nur. — Ach, wie unglücklich bin ich, lieber Herr Descamps."
„Sie? unglücklich? warum denn? Was ist denn vorgefallen?"
„Hören Sie nur, es muß ja doch herauskommen. O, diese Schmach! Aber werden Sie schweigen.
„Gewiß; wenn es sein muß, rechnen Sie selbst auf meinen Beistand, ich habe ohnedies bemerkt, daß Sie sehr erregt sind; Sie sind blaß und zittern; Ihre Augen sind matt; weshalb schauen Sie immer jenes Gehölz an? von dorther kann Ihnen keine Gefahr drohen, denn mein Charles wartet dort und hat die Augen offen."
„Ach, Sie sind so gut und Sie werden mir gewiß beistehen."
„Ganz sicher." — „Nun so erfahren Sie" fuhr er mit gedämpfterem Tone fort, „es hat sich hier,
^ ein schweres Unglück ereignet, das zugleich eine ! Schande auf meinen guten Namen wirft."
! „Mein Gott, mit wem denn? doch nicht mit Claire?" rief Francois erschrocken.
„Gott sei lausend Dank, nein", entgegnete Herr Ormond, der sich langsamm wieder aufraffte; „nein, Claire wird während des schmählichen Vorfalles ruhig geschlafen haben und sich auch jetzt noch in ihrem Zimmer befinden. Aber hören Sie nur