gegeben werden, worauf die Kommission die zweite Lesung vornehmen wird. Dann kommt die Behandlung im Bundesrat und Reichstag an die Reihe. Aus dem ergibt sich, daß das Gesetzbuch höchstens in 6—8 Jahren ins Leben treten kann. Mit Rücksicht hierauf findet der Kammerbeschluß, das landwirtschaftliche Nachbarrecht für Württemberg zu regeln und in Gottes Namen etwaige Abänderungen von Reichswegen abzuwarten, überwiegende Billigung. Er ist denn auch mit stattlicher Mehrheit — 81 gegen 32 Stimmen — gefaßt worden.
Stuttgart, 1. Mai. Wie wir hören, trifft Se. Mas. der König am 14. d. M. wieder in der Residenz ein. Se. Majestät beabsichtigt bis Mitte Juni in Stuttgart zu bleiben und dann das Hoflager nach Friedrichshafen zu verlegen. Die Frühjahrsparade über die verschiedenen Garnisonen gedenkt der König in eigener Person abzunehmen.
Stuttgart, 1. Mai. Die morgen hier statt- fiiidende Generalversammlung des 1882 in Alberweiler bei Biberach gegründeten württemb. Weltsprachvereins, welcher 400 Mitglieder zählt, wurde heute Abend durch eine sehr zahlreich besuchte Vorversammlung eingeleitet, in welcher auch der Erfinder des Volapück, Pfarrer Schleyer von Konstanz anwesend war. Der Altmeister Schleyer, begeistert empfangen, machte einige Mitteilungen über die Ausdehnung, welche Volapück gewonnen. 40000 Korrespondenzen rc. gingen im Jahr durch seine Hände; er korrespondiere mit 3 000 Personen. Die Zahl der Weltsprachlehrer sei auf 424 gestiegen. Schleyer beschwor die Versammlung, doch dazu beizutragen, daß seine Weltsprache sich auch in Deutschland mehr verbreite, damit die anderen Nationen uns nicht zuvorkommen. Der württemb. Verein hat bereits 10 Zweigvereine und zwar in Ulm, Böblingen, Sindelfingen, Dä- chingen, Geislingen, Ravensburg, Heilbronn, Saulgau, Stuttgart, Calw und Kornthal.
Stuttgart, 3. Mai. Soeben ist ein furchtbares Unwetter über Stuttgart niedergegangen. Es fiel Hagel bis zur Eicrgröße. Man befürchtet die Vernichtung der ganzen Obsternte. (Schw. B.)
Der Prinz-Regent von Bayern hat am Samstag nachmittag in Begleitung der Minister v. Lutz und v. Feilitzsch und der Hofstaaten seine zweite Rundreise durch Bayern angetreten und hat zuerst Bamberg besucht. Der Regent ist überall mit großem Enthusiasmus empfangen worden. Bamberg war illuminiert. Weiterhin werden noch Bayreuth, Hof und andere Städte besucht.
Die „Köln. Ztg." schreibt unterm 30. April: Der Bundesrat hat heute eine Plenarsitzung abgehalten und die Branntwein st euervorlage nach den Anträgen der Ausschüsse angenommen. Die letzteren haben gestern ihre Beratungen abgeschlossen. (Die „Frkf. Ztg." will erfahren haben: Der Hauptgedanke der neuen Vorlage besteht in Folgendem: Ein bestimmtes nach dem Konsum in Norddeutschland bemessenes Quantum der Spiritusproduktion soll einer Konsumsteuer von 50 ^ pro Hektoliter unterliegen; die über dieses Quantum hinausgehende Produktion soll mit 70 -,/L pro Hektoliter besteuert werden; auf diese Weise würde also doch eine Art Kontingentierung eingeführt werden. Den süddeutschen Staaten ist gegenüber der Konkurrenz der norddeutschen Brennereien dadurch ein Vorteil zugesichert, daß der Steuersatz für das die geringere Steuer zahlende Quantum niedriger gegriffen ist.)
In der letzten Sitzung der Handelskammer zu Mainz wurde die Mitteilung gemacht, daß sich nunmehr sämtliche deutsche Handelskammern ohne Ausnahme gegen die Einführung weiterer Schutzzölle ausgesprochen haben.
Berlin, 1. Mai. Der Kaiser soll in den letzten Tagen einen Brief an den Papst gerichtet haben, in welchem er seine Freude über die Wiederherstellung des Kirchenfriedens ausspricht.
Berlin, 2. Mai. Es steht außer Zweifel, daß der Reichstag bis Mitte Juni zusammenbleiben muß, wenn das zur Verabschiedung bestimmte Gesetzesmaterial erledigt werden soll. Heute sind dem Reichstage die Novelle zur Gewerbeordnung und das Gesetz betr. die doppelte Anrechnung der Dienstzeit der kaiserlichen Beamten in den deutschen Schutzgebieten zugegangen. Die Branntweinsteuer-Vorlage wird für Donnerstag erwartet; die Zuckersteuer-Vor- lage geht in diesen Tagen dem Bundesrat zu. Ob noch Gesetz-Entwürfe betr. Elsaß-Lothringen in dieser
Session eingebracht werden, steht noch nicht fest. Die Vorbereitung derselben ist noch nicht abgeschlossen.
Berlin. Für den Umbau der deutschen Botschaft in Paris ist dem Bundesrat eine Nachtragsforderung im Betrage von 111300 ^ zugegangen.
Berlin. Folgenden, für das ganze Reich interessanten Antrag hat die konservative Partei durch den Abg. v. Minnigerode im preußischen Abgeordnetenhause eingebracht: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, die kgl. Staarsregierung zu ersuchen, im Bundesrate ihren Einfluß dahin geltend zu machen, daß mit Rücksicht auf die in Folge des erheblichen Preisrückgangs der Produkte bedrohliche Lage der Landwirtschaft eine Vorlage, welche auf Erhöhung der landwirtschaftlichen Schutzzölle gerichtet ist, dem Reichstage baldigst unterbreitet werden möge.
Nach einem Petersburger Telegramm der „Köln. Ztg." kann jetzt die Unsicherheit über das Verbleiben des Ministers Giers im Amte als beseitigt erachtet werden. Herr v. Giers werde auch fernerhin das Auswärtige Ministerium leiten. Die Zuverlässigkeit dieser Nachricht muß sich erst erweisen.
Posen, 30. April. Wegen Einstellung des polnischen Unterrichts in vielen Schulen der Stadt ! und Provinz beraumen die Polen zahlreiche Volks- ! Versammlungen an. !
Die Schnebele-Affaire ist nun endlich ' vorbei; der wegen Landesverrates verhaftete französische Polizeikommissar Schnebele ist wieder freigelassen worden. Der Kaiser hat die Freilassung — trotzdem Schnebele erwiesenermaßen auf deutschem Boden verhaftet und seine Schuld erwiesen ist — verfügt, weil festgestellt worden ist, daß Schnebele sich infolge einer mit dem deutschen Polizeibeamten getroffenen amtlichen Verabredung nach der Stelle begeben hatte, wo seine Verhaftung erfolgte. Derartigen dienstlichen Uebereinkommen ist die Natur eines freien Geleites beizulegen, da ohne eine solche Voraussetzung der laufende amtliche Grenzverkchr nicht aufrecht gehalten werden könnte. Schnebele reiste in der Nacht zum Samstag von Metz über Pagny nach Paris. Er hatte bis zur Abfahrt ganz ungehindert in der Bahnhofsrestauration verkehrt und bestieg dann in Begleitung eines Eisenbahnbeamten den Zug. Es kümmerte sich auf dem Bahnhof niemand um ihn, es waren überhaupt nur sehr wenige Passagiere anwesend. An der Grenze wurde er von dem französischen Präfekten Schürb persönlich abgeholt, der ihn nach Paris brachte. Auf der Durchreise in Pont-L-Mousson wurde Schnebele mit lauten Hochrufen empfangen, im klebrigen blieb aber Alles ruhig. In Paris wurde er vom Ministerpräsidenten Goblet empfangen, der ihm streng verbot, Kundgebungen entgegenzunehmen oder Reportern Mitteilung zu machen. Vorläufig ist er beurlaubt und wird bald pensioniert. Alle französischen Blätter äußern sich über die Beilegung der Angelegenheit hochbefriedigt. Sie rüh- ' men den Minister des Auswärtigen, Flourens, und die Ruhe, welche Frankreich in der ganzen Sache bewiesen und welche die einmütige Anerkennung Eu-, ropa's gefunden. Davon, daß die Affaire die widerwärtige französische Spionagesucht grell beleuchtet, daß gerade Deutschland streng gesetzlich und völkerrechtlich verfahren, sagen sie natürlich keine Silbe. Lassen wir sie!
Straßburg, 2. Mai. Die L.-Ztg. bezeichnet die Nachricht über die beabsichtigte Verhängung des Kriegszustandes in den Reichslanden als völlig unbegründet.
Schweiz.
Chur, 30. April. Seit 11 Uhr vormittags brennt Sils im Domleschg, ein Dorf mit 70 Häusern und 467 Einwohnern, und nt bis auf 5 Firste bereits ganz zerstört.
Italien.
Venedig, 1. Mai. Die Enthüllung des Denkmals Victor Emanuel's hat heute mittag stattgefunden. Um 11 Uhr vormittags begaben sich der König und die Königin in Begleitung der Minister Crispi und Brin und der Spitzen der Behörden nach der Riva degli Schiavoni. Zahlreiche festlich geschmückte Gondeln und Barken folgten den Majestäten, welche von der Menschenmenge mit ent-! husiastischen Hochrufen begrüßt wurden. Als die Hülle von der vom Bildhauer Ferrari gefertigten Reiterstatue fiel, erscholl erneuter Jubel. Der Senator Fernoni und der Bürgermeister von Venedig hielten die Festreden.
Frankreich.
Paris, 1. Mai. Die meisten Morgenblätter sprechen ihren Tadel aus über die von der Zeitung ,,France" zu Ehren Schnebeles eröffnete Subskription zur Beschaffung eines mit Diamanten besetzten Kreuzes der Ehrenlegion. Das „Journal des De- bats" sagt, die Angelegenheit Schnebele müsse als beendigt angesehen werden, Jedermann solle nun endlich einsehen, daß Angelegenheiten dieser Art ernst zu behandeln seien und anständigerweise nicht zu einem Vorwände zu Kundgebungen und Reklamen dienen dürften.
Paris, 2. Mai. Gestern nachmittag fand in der Madelaine eine Predigt und Geldsammlung zu Gunsten der Elsaß-Lothringer statt. Cardinal di Rende selbst leitete die Feier. Pater Allcmand hielt die Predigt. Als Text hatte er gewählt: „Liebet euch untereinander." Elsaß-Lothringen., die beiden verbannten Schwestern, so sagte er, würden später oder früher wieder mit dem Mutterlande vereinigt werden. Einstweilen tragen die abwesenden Brüder als Märtyrer das deutsche Joch, es sei daher billig, daß man in Frankreich Geld sammle, um die physischen und moralischen Leiden der verlorenen Brüder zu erleichtern. Hierauf sammelten die Marschallin Canrobert, die Fürstin Leon und andere Damen Geld. Goldstücke und Bankscheine wurden in die Beutel der Sammlerinnen geworfen. Die ganze hohe Aristokratie hatte sich eingefunden.
Paris, 2. Mai. Schnebele schrieb an den Herausgeber der „France", um ihn zu ersuchen, er möge von der angeregten Subskription für ein Ehrenlegionskreuz in Brillanten Abstand nehmen, da er Geschenke dieser Art weder annehmen wolle noch könne.
Paris, 3. Mai. Prinz Napoleon Bonaparte (Plon-Plon) soll vom Schlage getroffen und schwer erkrankt sein. (N. T.)
Hoffentlich behält Herr Grevy, der Präsident der Republik Recht. Eine befreundete Familie aus der Provinz (aus dem Jura) war nach Paris zum Besuch gekommen und frühstückte bei ihm. Die muntere Provinzialin erzählte ihm von ausgedehnten Baumpslanzungen, die sie auf ihrem Gute vorhabe und sagte, in Zeiten, wie die jetzigen, fürchte man sich freilich etwas Größeres vorzunehmen, man könne Nichtwissen. — „Sie fürchten Krieg?" fragte Grevy. — „Und Sie, fragte die Dame, fürchten Sie ihn nicht?" — Grevy antwortete halb ernst, halb lächelnd: „So viel ich weiß, ist Fürst Bismarck ein sehr überlegender Staatsmann und handelt nur im Interesse seines Landes, welches ganz ebenso wie das unsrigc in der Erhaltung des Friedens besteht. Ich meine, liebe Freundin, daß Sie Ihre Bäume ruhig pflanzen können." So erzählt die Berliner Kreuzztg. Möge der Friedensbaum bis in den Himmel wachsen!
Spanien.
Madrid, 29. April. Einer amtlichen Depesche von den Sulu-Inseln zufolge hat der Gouverneur Avalas mit 900 Mann die Aufständischen in Maiburg vollständig geschlagen und Maiburg unter Schonung des chinesischen Quartiers niedergebrannt. Die Aufständischen hatten sehr große Verluste. England.
London, 30. April. Verschiedene Morgenblätter drücken ihre Befriedigung über den Ausgang des Falles von Pagny aus und zollen der Friedensliebe des deutschen Kaisers volle Anerkennung. „Morning Post" meint, die Großmut des Kaisers trage dazu bei. zu zeigen, daß Frankreich mehr als je verpflichtet sei, seinem mächtigen Nachbarn gegenüber eine loyale und geradsinnige Politik einzuschlagen. „Daily Telegraph" hofft, der Zwischenfall werde für die Sache des Friedens günstige Früchte tragen. Er sollte die Gemüter der Franzosen für immer von dem Argwohn befreien, Fürst Bismarck wolle Frankreich provozieren. Nachdem Deutschland solche auffällige hochherzige Beweise seines auf Vermeidung von Streitigkeiten gerichteten Wunsches gegeben, wäre das mindeste, was Frankreich thun könne, sich der Reproduktion solcher Anlässe zu enthcilten.
Bulgarien.
In Sofia wurde der Tag, an welchem vor acht Jahren Alexander von Battenberg zum Fürsten von Bulgarien gewählt worden war, festlich begangen. Es fand Feldgottesdienst und eine Parade der ganzen Garnison statt, wozu sich eine überaus