Wolff, entgegenzunehmen hatte. Das Gesuch wurde genehmigt und der Zurücktretende des lebhaften Dan­kes der Partei für seine fünfjährige opferwillige Hingabe versichert. Mit sehr großer Mehrheit wurde sodann der Vicepräsident der Abgeordnetenkammer, Rechtsanwalt Dr. Götz, als Vorstand erwählt. Man verspricht sich von dieser Entscheidung eine ebenso umsichtige als thätige Vorstandschaft, welche die Par­tei im Lande in enger Fühlung mit dem Kammerklub der Deutschen Partei erhalten wird.

Stuttgart, 25. April. Das heute abend un Festsaale der Liederhalle abgehaltene Festkonzert nahm einen glänzenden Verlauf; inmitten der zahl­reichen Zuhörerschaft bemerkten wir beinahe alle An­gehörige des Hofs. Das Konzert wurde mit der Lachner'schen Ouvertüre überDas ist der Tag des Herrn" eröffnet. Die Festrede hielt Oberstudienrat Dr. Klaiber. Der Text der Gesänge war nur Uh- lands Werken entnommen.

Stuttgart, 25. April. Nach dem N. T. finden die Detachementsübungen der 51. Jnfanterie- brigade zwischen Oberndorf, Balingen, Tuttlingen, die der 52. Brigade zwischen Freudenstadt, Horb, Oberndorf, Balingen, die Uebungen der 26. Divi­sion zwischen Horb, Oberndorf, Balingen statt. Zum Schluß der Herbstübungen werden am 20. und 21. September in der Gegend von Balingen und Schöm­berg Corpsmanöver stattfinden.

Stuttgart, 26. April. Die Uhlandfeier hat auf dem reichgeschmückten Marktplatz unter all­gemeiner Teilnahme der Bevölkerung einen imposan­ten Verlauf genommen. Nach der Huldigung am Uhland-Denkmal bewegte sich der Festzug zum Markt­platz, wo 1300 Singer Chöre nach Uhland'schen Dich­tungen sangen und Oberpostmeister Steidle die Fest­rede hielt, in welcher er Uhland's Verdienste um das deutsche Lied feierte. Die Königin und der ganze Hof sahen der Feier von den Fenstern des Neef'schen Hauses zu. Abends wird ein großes Bankett in der Liederhalle die Feier beschließen.

Uhlandfeiern werden landauf landab von den Gesangvereinen und Schulen veranstaltet.

Vom mittleren Neckar, 22. April. Zu den Sel­tenheiten auf dem landwirtschaftl. Gebiet gehört wohl der Hühnerpferch. Einen solchen hat H. Hehr, ein sehr strebsamer Landwirt und Pächter des Freiherrlich v. Polni­schen Schloßguts in Mühlhausen a. N. eingerichtet. Das hiezu benützte Gut ist zwar nicht arrondiert, besteht aber aus größeren Güterstücken von 48 Morgen Fläche. Im Früh­jahr werden in 2 großen Wagen, die das Aussehen von gro­ßen (aber mit Stroh eingeflochtenen) Möbelwagen haben, etwa 4M Stück Hühner aufs Feld gebracht. Im Innern der Wagen befinden sich Sitzstangen und Legetröge. Emsig sucht sich das gackernde Hühnervolk das um den Wagen her aus- gebreitcte Futter. Dieses besteht neben Mais und Gerste meist aus Abfällen von Gedärmen rc., welche H. Hehr gegen geringe Entschädigung täglich vom Stuttgarter Schlachthause bezieht. Die Hühner merken bald, welches das für sie be­stimmte Terrain ist und überschreiten selten die Grenzen. Die Eier werden meist in die Wagen, selten ins freie Feld ge­legt. Ein Knabe ist Hirte der befiederten Herde, und ein zu diesem Zwecke trefflich abgerichteter Hund unterstützt ihn in seinem Geschäfte. Nicht selten ist die gackernde Schaar letzte­rem allein anvertraut; er versieht sein Amt gut und beschützt seine Pflegbefohlenen auch vor dem lüsternen Feind, dem Fuchs u. s. w. Kreist ein Raubvogel gierig über der munte­ren Herde, so flieht sie erschreckt und laut gackernd unter das schützende Dach ihres Wagens. Das ganze Unternehmen ren­tiert sich recht gut. Die Hühner sind fleißige Eierlegerinnen. Nicht selten werden täglich 300 und mehr Stück abgeliefert. Da die Empfänger stets versickert sind, daß sie frische Ware erhalten, so erzielt H- Hehr immer höhere Preise (im Durch­schnitt 1 st pro Stück mehr) als die Tagespreise der Eier sind. Dann aber werden die Felder sowohl vom Hühner­dung als auch von den nichtaufgezehrten Futterresten trefflich gedüngt und man sieht es an den üppigen, dunkclgrauen Saaten und Futtergewächsen schon von ferne, wo die Hühner ihr Quartier und ihren Weidebezirk hatten. Wer ähnlich günstige Feldstücke und gute Gelegenheit zum Futterbczug hat, wird seine Einnahmen, die ja bei unseren Landwirten gegenwärtig nicht ohne Grund zu klagen Veranlassung geben, durch ein ähnliches Unternehmen etwas steigern, denn so lange noch ganze Wagenladungen Eier aus dem Auslande bezogen werden müssen, ist eine Ueberprodnktion und Entwer­tung derselben nicht zu befürchten.

Brandfälle: In Grunbach (Neuenbürg) am 21. d. M. ein Wohn- und Oekonomiegebäude; in Frittlingen (Spaichingen) die Scheuer des Steinhauers Wenzler; in Aulendorf (Waldsee) am 23. d. M. das Wohn- und Oekonomiegebäude des Schmieds Maier; in D i s ch i n g e n (Neresheim) am 22. d. M. ein Wohn- und Oekonomiegebäude; in Achstetten (Laupheim) am 22. d. M. einWohn- und Oekonomiegebäude.

Heute begann vor der Strafkammer zu Würz­burg die Verhandlung gegen das Eisenbahnperso­nal, welches beschuldigt ist, das furchtbare Eisenbahn­

unglück am Faulenberg vom 1. Juli v. I. verur­sacht zu haben. Auf der Anklagebank sind 5 Perso­nen und 35 Zeugen und 4 Sachverständige vorge­laden. Die Staatsanwaltschaft beantragte für Ober­kondukteur Dörr 1 I. 6 Mon., Oberstationsmeister Oberlechner und Lokomotivführer Weidner je 1 I., Wagenwärter Sauer 4 Mon., Wcchselwärter Meix- ner, Ermel, Krapf und Rambacher je 4 Wochen Ge­fängnis. Die Verteidigung beantragt Freisprechung.

Die Franks. Ztg. meldet aus Mainz: Gestern wurden hier abermals zahlreiche Sozialisten verhaftet.

Berlin, 25. April. Das Abgeordnetenhaus genehmigte die Kirchenvorlage in zweiter Lesung nach den Beschlüssen des Herrenhauses. Der Arti­kel, betreffend Zulassung von Orden, wurde in na­mentlicher Abstimmung mit 230 gegen 117 Stimmen angenommen.

Berlin, 25. April. Der Reichstag trat in die erste Beratung des Nachtragsetats ein. Der Kriegsminister rechtfertigt die Ausgaben als durch das Militärgesetz unvermeidlich und verhältnismäßig nicht zu hoch. Die Regierung ist in jeder Beziehung bereit, nachzuweisen, daß die Forderungen unerläßlich sind. Bennigsen ist für Kommissionsberatung, da es sich zum Teil um Angelegenheiten handle, welche sich öffentlicher Verhandlung entziehen. Die Finanz­lage des Reichs sei verhältnismäßig nicht ungünstig. Die Steuerkraft sei noch unerschöpft. Es sei be­dauerlich, daß die Steuervorlagen so lange verzögert würden. Schatzsekretär Jakobi bezeichnet das Ge­rücht der Vertagung der Zuckersteuer als unbegrün­det. Die Regierung sei fortdauernd mit Prüfung der Vorlage beschäftigt. Der Kriegsminister erklärt, die Forderungen hätten sich nicht früher übersehen und fixieren lassen. Was gefordert werde, sei zur Erhöhung der Schlagfertigkeit unerläßlich. Durch Reichstagsbeschluß wird nach weiterer wenig erheb­licher Debatte der Nachtragsetat und das Anleihe­gesetz der Butdgetkommission überwiesen, vie Gesetze über Quartierleistung, Naturalleistung für die be­waffnete Macht im Frieden nach kurzer Debatte an eine einundzwanziggliedrige Kommission verwiesen.

Die Einverleibung des Fürstentums Waldeck in Preußen wird in preußischen Blättern wie­der einnial erörtert; bekanntlich steht das sehr arme Land schon unter finanzieller Oberverwaltung Preu­ßens. An eine Annexion, obwohl Waldeck nicht da­gegen wäre, ist aber kaum zu denken, da der Fürst den gesamten Domanialbesitz für sich fordert und andererseits eine Aenderung der Reichsverfassung nötig sein würde, die die Reichsregierung selbst nicht wünscht.

In der auswärtigen Presse, zumal in der französischen, sind seit einigen Tagen schlimme Nachrichten über den Zustand des deutschen Konprin- zen verbreitet, dem eine ernstere Krankheit angedichtet wird. Auf Grund sorgfältigster ärztlicher Erkundi­gung kann die Köln. Ztg. von neuem versichern, daß diese Nachrichten jeder Begründung entbehren. Der Kronprinz leidet ausschließlich an den ganz un­bedenklichen Nachwirkungen eines hartnäckigen Bron- chialkatarrh's, dem er vielleicht von Anfang an nicht ^ mit der erforderlichen Entschiedenheit entgegengetreten ! ist und der sich jetzt etwas länger geltend macht, als gerade erwünscht ist.

Die Bundesratsausschüsse haben am Sonnabend die Beratung der Branntweinsteuervor­lage begonnen, zu welcher auch der bayerische Finanz- ! minister v. Riedel eingetroffen ist. Die Berhand- i lungen werden streng geheim gehalten. Von einzel -1 nen Bundesstaaten sollen Einwände gegen die Fas-! sung des Gesetzes erhoben worden sein, doch wird im , Laufe dieser Woche noch die Einigung erzielt werden.!

Die Kunstbutterkommission des Reichs- ^ tag es hat bei Beratung des §. 1 einen Antrag des! Abg. Grafen Holstein auf Färbung der Kunstbutter I mit 12 gegen 12 Stimmen abgelehnt. Auf Antrag des Abg. Gottburgsen wurde beschlossen, den Namen Butter" durchMagarin" zu ersetzen. !

Im preußischen Abgeordnetenhaus^ hat Abg. Graf Kanitz den Antrag eingebracht, das! Haus wolle beschließen, die königl. Staatsregierung zu ersuchen, im Bundesrat dahin wirken zu wollen, daß der Einfuhrzoll auf gekämmte Wolle von 2 auf 20 ^ pro Doppelzentner erhöht werde.

DieGermania" erhielt aus Nom ein Tele­gramm, in welchem es heißt:Der Vatikan richtete einen Brief an den Abg. Dr. Windthorst, in welchem ^

er die Verdienste des Zentrums vollkommen aner­kennt und seinem Wunsche nach Fortbestand dessel­ben als Wächter für die Zukunft erneut Ausdruck giebt."

Das Schächten. Me wir aus zuverlässiger Quelle erfahren, hat die Petitionskommission des Reichstags ein­stimmig beschlossen, in ihrem Bericht über die Petition des Verbands deutscher Tierschutzvereine" ausdrücklich zu betonen, daß die rituelle Schlichtung durchaus keinerlei Tierquälerei sei u. zu gesetzlichem Einschreiten keinen Anlaß biete. (Frkf. I.)

Nachdem, wie bekannt, Dr. Peters in Rom die Zusage erhalten hat, daß 12 katholische Missio­nare nach Ostafrika geschickt werden sollen, regte sich in den evangelischen Kreisen der Wunsch, den Katho­liken nachzueifern. Pastor Distelcamp in Berlin organisierte Sammlungen und macht jetzt bekannt, daß er Aussicht hat, bald 50000 ^ zusammenzu­bringen und dann 12 evangelische Missionare nach Ostafrika schicken wird.

Nach den an Ort und Stelle eingezogenen Nachrichten über die Verhaftung des französischen Polizeikommissärs Schnebele hat dieselbe ans Requi­sition der Staatsanwaltschaft und des Untersuchungs­richters stattgefunden, sobald sich Schnebele auf deut­schem Gebiete betreten ließ. Derselbe hat den ihm die Verhaftung ankündigenden deutschen Polizeibe­amten zu Boden geworfen und einen Fluchtversuch gegen die Grenze gemacht, ist aber diesseits der Grenze wieder eingeholt und dingfest gemacht wor­den. Die Anklage gegen ihn bezieht sich auf Betei­ligung an landesverräterischen Umtrieben in den Reichslanden unter Mißbrauch seiner amtlichen Stel­lung zur Beförderung derselben. Die Verhaftung ist gerichtlich nicht beschlossen worden, ohne daß über­zeugende Beweisstücke für die Schuld des Verhafte­ten Vorlagen.

Wie dieLothr. Ztg." aus Noveant meldet, fand am 23. d. morgens unter Leitung einer Ge­richtskommission die photographische Aufnahme der Stelle, wo Schnäbelc verhaftet wurde, durch den Photographen Jacoby statt. Bei derselben wurde, durch Personen markiert, die wirkliche Stellung des Schnäbele, der Geheimpolizisten und der Zeugen (Rvttenarbeiter) ebenfalls mit ausgenommen. So­wohl der örtliche Befund als auch die Aussagen der Geheimpolizisten und der in Verhör genommenen Eisenbahnarbeiter, welche aus einiger Entfernung Zeugen des Vorganges waren, bestätigen, daß die Verhaftung auf deutschem Boden erfolgt ist.

Zu Kabis s Tod bringt der russischeSswjet" einen Kommentar, wie er nur diesem ärgsten aller panslavistiichen Hetzblätter möglich ist. Das Blatt spricht offen aus, daß der Tod Kablß's auf gewaltsame Weise erfolgt sei, und zwar auf Anstiften der deutschen Regierung. Wie kann man es wenigstens anders verstehen, wenn der Generalstabsoberst a. D., Herr Komarow, der Herausgeber desSswjet", wörtlich schreibt:Welche staunenswerte Reihe wunderbarer Zufällig­keiten! Alle hervorragenden Gegner der deutschen Hegemonie sterben immer gerade an dem Tage und zu der Stunde, wenn sie eine gefährliche, Deutschland feindliche Kraft darstellen. So starb Skobelew plötzlich, bald nach seiner berühmten Pa­riser Rede; so starb König Ludwig von Bayern gerade zu der Zeit, als dem Reiche ein heftiger Kampf mit dem süd­deutschen Partikularismus drohte; jetzt stirbt der französische Patriot, bald nachdem er, ungeachtet aller Anstrengungen der deutschen Regierung, mit hervorragender Stimmenmehrheit gewählt worden war. Und alles dies geschieht plötzlich, un­erwartet, aber mit den deutlichen Beweisen dämonischer Hin­tergedanken."

Italien.

Rom, 23. April. Monsignore Galimberti, welcher zum Nuntius in Wien ernannt wurde, wird sich im Juni dahin begeben, um seinen neuen Po­sten anzutreten.

Nom, 26. April. General Saletta hat tele­graphisch die Entsendung zweier weiteren Bataillone Infanterie und einer Anzahl Kanonen verlangt. Die Expeditionen erfolge in den ersten Tagen des Mo­nats Mai.

Frankreich.

AusMarseille langen sehr ernste Nachrich­ten über Feindseligkeiten zwischen französischen und italienischen Arbeitern an. Es herrscht riesige Er­bitterung. Dreimal kam es bereits zu bewaffneten Zusammenstößen mit beiderseitigen zahlreichen Ver­wundeten.

Die Begeisterung für die Pasteur'schen Tollwut­kuren hat seit einigen Monaten eine starke Abkühlung er­fahren. Seitdem die englischen, holländischen, viele russischen Aerzte rc. Zweifel an der Pastcm'schen Jmpfmethode zu er­kennen gegeben haben und in Paris selbst Prof. Peters aur das entschiedenste gegen das genannte Heilverfahren Partei ergriffen hat, sind die eifrigsten Pasteurbewundercr stutzig geworden.