Der Gesellschafter.
Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.
Erscheint wöchentlich 3 mal: Dienstag, Donners- > . .. tag und Samstag, und kostet vierteljährlich hier
/»H> z lohne Trägerlohn) 80 in dem Bezirk 1
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Donnerstag den 10. März
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A MLricheS.
Nagold.
Bekanntmachung,
betreffend Maßregeln wider die Schafräude,
Da trotz der bisherigen außerordentlichen Maßregeln zur Unterdrückung der Schasräude diese Seuche immer noch in erheblichem Umfange unter den Schafbeständen des Landes verbreitet ist, so hat das Kgl. Ministerium des Innern in einem Erlasse vom 23. v. M. Z. 1533 zur ferneren Bekämpfung der Schafräude für das laufende Jahr eine Untersuchung sämtlicher Schasbestände in den einzelnen Oberamtsbezir- len Lurch den Oberamtsticrarzt angeordnet und hiebei verfügt, daß, falls bei Untersuchung eines Schaf- bestandcs die Räude fcftgcstellt wird, die kranken Schafe einem besonderen Heilverfahren, welches auf sämtliche zu einer Herde gehörigen Schafe Anwendung finden muß, zu unterziehen sind, und das in einer Radikalbadekur zu bestehen hat, welche unter - Leitung eines approbierten Tierarztes in der Regel nach der Wollschur, in jedem Bezirk thuulichst gleichzeitig bei allen Herden vorzunehmcn ist und jedenfalls bis zum 15. Juni d. I. beendigt sein muß. Es sind hiebei mindestens zwei Bäder in einem Zwischenraum von einer Woche anzuwenden und es müssen bei Gefahr der Wiederholung des Heilverfahrens die Vorschriften der Bekanntmachung des Kgl. Ministeriums des Innern, betreffend die Behandlung räudiger Schasbestände vom 28. März 1885, Amtsblatt S. 90, von welcher Bekanntmachung den Schäf- besitzern je ein Exemplar zugcsicUt werden wird, insbesondere auch hinsichtlich der Wahl der Badeflüssig- keit und hinsichtlich der vorgcschriebcucn Desinfektion beobachtet werden.
Hievon werden nun die Schafbesitzer des Bezirks mit dem Bemerken in Kenntnis gesetzt, daß vor Beendigung der Radikalbadekur und der diese Beendigung konstatierender Untersuchung des beamteten Tierarztes, beziehungsweise vor der Tötung aller räudekrauken Schafe die Verbringung einer Herde, bei der der Ausbruch der Räudelrankheit festgestellt ist, oder einzelner Schafe derselben in einen anderen Gemeindebezirk oder auf die Sommerwcide, von den Fällen der ZK. 126 und 127 der Instruktion zum Neichsviehseuchengesetze abgesehen, nicht gestattet wird.
Die Schafbesitzer haben seiner Zeit dem Oberamt eine Bescheinigung des Tierarztes, welcher das Heilverfahren geleitet hat, über dessen Beendigung vorzulcgen.
Vorstehende Bestimmungen finden nicht blos auf diejenige» Seuchenfälle, welche bei der Frühjahrsvisitation der Schafbestände sestgestellt werden, sondern auch auf diejenigen Fälle entsprechende Anwendung, welche erst später zur Anzeige oder amtlichen Kenntnis gelangen.
Soweit räudige Herden im Laufe dieses Winters wegen Unthunlichkcit der Vornahme der Badekur einer Schmicrkur unterworfen worden sind, müssen dieselben der Radikalbadekur noch unterworfen werden.
Den 7. Mürz 1887.
K. Oberamt. Amtin. Marquart, g. St.-B.
Nagold.
An die Ortsvorsteher.
Dieselben werden unter Bezugnahme auf die Ziffer 3 des Ministerial-Erlasses vom 23. v. M. Z. 1533 (Ministerial-Amtsblatt Nr. 9) aufgefordert, binnen einer Woche dem Oberamt ein Verzeichnis der Schasbestände ihres Gemeindebezirks unter An
gabe der Stückzahl derselben und Bezeichnung derjenigen Herden, welche zur Sommerweide auf eine andere Markung verbracht werden, vorzulegen.
Den 7. Mürz 1887.
K. Oberamt. Amtm. Marquart, g. St.-V.
Die erste Schulstelle in Oeschingen (Rottcnburg) wurde dem Schullehrer Schick iu Gültstcin übertragen.
Infolge abgehaltencr Dicnstprüfnng evangelischer Lehrer sind zur Verschling von Schuldiensten u. a. für befähigt erklärt worden: Friede. Ackermann, Unterlchrer in Pfalzgrase nweiler, Gottlicb Eiscnhardt, Schutamtsvcrweser in Gauge nwald, Simon (9ras, Unterlchrer in Oeschel- bronn.
Stadtförster Pfisterer in Altcnstcig ist zum Waldinspcltor in Freudcnstadt ernannt worden.
Tagsü-RerrigLeiLen.
DeuLiÄeö Reich.
ff Nagold, 7. März. (Geburtsfest Sr. Maj. des Köuigs.) Die Seminarfeier fand nach dem Gottesdienst im Festsaal statt. Die Festrede, von H. Seminarrektor Dr. Brügel gehalten, hatte zum Gegenstand die Charakterbildung in der Schule. Ist dies Thema an sich schon interessant, Zo gewann es durch die wohldurchdachte, gründliche i und zugleich gemeinverständliche Ausführung noch ! mehr au Anziehung. Der geehrte Redner ging da- ! von aus, daß man glücklicherweise, nachdem geraume ! Zeit das Heil der Jugcudbildung in einem einseitig den Verstand bildenden Unterricht gesucht worden, . nachgerade immer allgemeiner zu der Uebcrzeugung komme, daß die Erziehung durch einen charakter- bildenden Unterricht der Kernpunkt der Schulaufgabe sei, wie denn auch die auf Grund der Lehren des Philosophen Herbart von Professor Ziller ins Leben ^ gerufene, neue Methode nicht um ihrer zum Teil . zweifelhaften methodischen Künsteleien sondern hauptsächlich um des Grundsatzes willen soviel Beachtung finde, daß aller Unterricht nur dem Zweck der Erziehung zum Charakter zu dienen habe. Nun handelt es sich zunächst um die Feststellung des Begriffs „Charakter." Das Wort bedeutet nicht, wie ' es im Volk vielfach aufgefaßt wird, ein übergroßes Selbstgefühl, Stolz und Hochmut, sondern nach seiner Ableitung aus dem Griechischen hängt es mit den Begriffen ..einschneiden, „eingraben" zusammen und bedeutet das, was durch die genannten Thätig- keiten entsteht, nämlich die Form und Gestalt, das Gepräge, das ein Gegenstand durch besondere Merkmale oder Kennzeichen erhält, sodann bezeichnet der Name wohl auch die letzteren selbst. In der Anwendung auf den Menschen kann Charakter zunächst etwas Aeußerliches bezeichnen, den Rang oder Stand (z. B. Majorscharakter); bei der Anwendung auf das Jnndre des Menschen unterscheidet man Charakter im weiteren, engeren und engsten Sinn. Im weiteren Sinn bezeichnet Charakter die besondere Eigentümlichkeit, die sich in der natürlichen Gemütsart kundgibt, im engeren Sinn die Beschaffenheit des Willens, die durch sittliche Selbstbestimmung gewordene bleibende Gesinnung (daher guter und schlechter Charakter), im engsten Sinn lediglich die gute Seite des Charakters, so daß in diesem Sinn das Urteil: „Er ist ein Charakter" das höchste Lob enthält. Nach dieser Begriffsbestimmung geht Redner über zu den Merkmalen des Charakters im engsten Sinn. Als solche werden angeführt die Beharrlichkeit und Stetigkeit, die sich unter allem Wechsel der Umstände gleich bleibt; damit hängt zusammen die Entschlossenheit, Zielbewußtheit und Zuverlässigkeit, so daß man
eines Menschen Handlungen im voraus bestimme^ kann, wenn man seinen Charakter kennt (vgl. in Schillers Wallenstein: „Hab ich des Menschen Kern erst untersucht, so weiß ich auch sein Wollen und sein Handeln"). Zu diesen mehr äußerlichen Kennzeichen gesellen sich als innere: ein freibewußtes, selbständiges Handeln nach bestimmten Grundsätzen, gemäß einer zusammenhängenden Lebensanschauung, Widerstandsfähigkeit (vgl. Bismarck) und Wahrung der persönlichen Freiheit, auch wenn die große Masse andrer Meinung ist (vgl. Blücher's Ausspruch: „Mag Fesseln tragen, wer da will, ich nicht") und blindlings gewissenlosen Führern folgt; ferner das Verharren aus seinem Standpunkt, so lang es die Wahrhaftigkeit gegen sich selbst und die innere Ueber- einstimmung mit sich selbst gestattet, während das Verharren auf einem der inneren Entwicklung gemäß nicht mehr zutreffenden Prinzip rein aus Prinzipienreiterei sittlich verwerflich ist (vgl. Bismarck). Daß im Gegenteil die innere Entwicklung durch schroffe Gegensätze hindurch zu einer Aenderung der ganzen Welt- und Lebensanschauung führen kann und daß in diesem Fall die völlige Umkehr gerade ein Beweis von Charakterstärke ist, wurde an den Beispielen von Paulus und Luther überzeugend nachgewiesen. Noch ein Punkt mußte bei einer Abhandlung über den Charakter zur Sprache kommen. Es ist die religiöse Frage, der man hier nicht ausweichen kann. Nach Göthe ist ja der Kampf zwischen Glauben und Unglauben das tiefste Thema der Weltgeschichte, und Redner ist überzeugt, daß es in unsrer Zeit gerade deshalb so an Charaktern fehle, weil so viele an der Religion gleichgültig vorübergehen; da lobt er sich einen Arndt, gewiß unbestritten einen Charakter durch und durch, der da spricht: „Ich weiß, an wen ich glaube; ich weiß, was fest besteht, wenn alles hier im Staube wie Rauch und Staub verweht! Wer auf solcher Glaubenshöhe steht, kann von dieser Warte aus auch die irdischen Dinge klar beurteilen und gewisse Tritte thun. Wenn nun auch Redner zugiebt, daß es auch außerhalb des Christentums schon tüchtige und verehrungswürdige Charaktere gegeben hat, so ist er doch der entschiedenen Ansicht, daß der rechte Charakter zugleich ein christlicher sein müsse, der dann auch in die Erscheinung tritt nicht bloß im aufrichtigen Bekenntnis, son- > dern auch in der mit demselben -übereinstimmenden That (vgl. Paulus und Luther) und nicht zum wenigsten iu dem noch schwereren Leiden und Dulden (vgl. die todesfreudigen Märtyrer), unter denen wiederum zarte Frauen und schwache Kinder, eben durch den Glauben gestärkt, um ihres Heldenmutes und ihrer Standhaftigkeit willen am meisten Bewunderung verdienen. Zum Schluß behandelt Redner noch kurz die Frage: Wie kommt es zu einem solchen Charakter ? und beantwortet sie dahin, daß grundlegend die Erziehung in Schule und Haus wirken müsse, einerseits und hauptsächlich durch gutes Borbild, andrerseits auch durch den Unterricht, namentlich den religiösen. Wie gesagt, kann in dieser Zeit nur von einer grundlegenden Charakterbildung die Rede sein; die Ausbildung geschieht in der ^ Schule des Lebens: der Charakter bildet sich im , Strom der Welt, in dem leider manche auch unter- z gehen, weil sie sich auf sich selbst verlassen und nicht ! nach oben schauen. Freilich meint der Philosoph ! Fichte, wenn man entdecke, daß man einen ^ schleckten Charakter habe, so solle und könne I man sich sofort einen guten anschaffen. Und auch . der Philosoph Kant behauptet: „Du kannst, denn