sicheren Hafen vor Sturm und Not bewahrt hat. Ich frage Euch, was hat der Mann, der sich kaum Ruhe gönnt, Tag und Nacht über Deutschlands Frieden sinnt und alle die vielen Schmähreden ruhig über sich ergehen läßt, von seinen Forderungen? Thut er es nicht des geliebten Vaterlandes wegen? Ein anderer an seiner Stelle hätte die Flinte längst in's Korn geworfen. Er hätte es auch gethan, wenn er nicht eben der eiserne Bismarck, unser Bismarck wäre, um den uns alle Völker beneiden, von Vater­landsliebe durchdrungen, ein echter, deutscher Mann. Sagt es Euch nicht jeder Herzschlag, daß unsere drei größten Männer, unser geliebter Kaiser, Bismarck und Moltke, besser wissen müssen, was zum Frieden und Wohl des Vaterlandes gehört, als Windthorst und Richter? Ihr Mütter, bewegt Eure Söhne, Ihr Frauen, bittet Eure Gatten, auf Bismarck's, auf des Kaisers Seite zu treten, und Ihr Bräute, verlangt von Euren Geliebten, daß sie als echte Deutsche zur Wahlurne treten. Wohlauf, reichen wir uns schwesterlich die Hand. Die Nachwelt soll nicht sagen dürfen, das 19. Jahrhundert habe keine patriotischen Frauen aufzuweisen. Wirket für Kaiser und Reich und haltet unseren Bismarck, unseren großen, einzigen Bismarck hoch in Ehren.

Anna R."

Musterhaft unparteilich zeigt sich das ultramoutan ge­sinnteMainzer Journal." In seinem Bericht über die Rcichstagssitzung, in welchem die Reden v. Stauffenbergs und Windthorsts den breitesten Raum cinnahmen, thut es die in ganz Europa Aufsehen erregende Rede Bismarcks mit 7 Zeilen ab. Das steht wohl einzig da und zeigt, was ein ultramontanes Blatt seinen Lesern bieten darf.

Berlin, 19. Jan. Der Bundesrat hat sich damit einverstanden erklärt, daß ein weiterer Betrag von Einpfennigstücken in Höhe von etwa 400 000 Mark ausgeprägt werde.

Berlin, 20. Jan. Sowohl L-töcker als Prof. Wagner erklärten gestern im konservativen Wahlverein, daß sie, um jede Schwierigkeit zu be­seitigen, diesmal in Berlin nicht kandidieren werden.

Berlin, 20. Jan. Es dringen jetzt einzelne Nachrichten in die Oesfentlichkeit, welche es sehr zweifelhaft erscheinen lassen, ob die Reichstagsmehr­heit in allen ihren Mitgliedern das nächste Mal an ihremPrinzip" gegenüber dem Septennat festhalten wird, ja ob sie es schon bei den jüngsten Verhand­lungen gethan haben würde, wenn es zu einer dritten Lesung gekommen wäre. Bon einigen ultramontanen Abgeordneten wird berichtet, sie machten aus ihrer abweichenden Gesinnung in dieser Frage gar kein Hehl und würden ihren Wählern offen erklären, das nächste Mal für das Septennat stimmen zu wollen. Auch noch von anderen Zentrumsmitgliedern werden derartige Aeußcrungen berichtet. Man darf nun ge­spannt sein, ob diese Herren wegen Unbotmäßigkeit gegen Herrn Windthorst fallen gelassen werden, oder ob es ihnen gestattet wird, im nächsten Reichstag die Spaltung im Zentrum zum öffentlichen Ausdruck zu bringen. Auch das deutsch-freisinnige Lager dürfte eine derartige Spaltung erfahren.

Berlin, 20. Jan. Die angestellten Erhebun­gen über die Pferdeaussuhr scheinen einen Zustand ergeben zu haben, der dazu nötigt, in allernächster Zeit ein Ausfuhrverbot zu erlassen.

Berlin, 20. Jan. Im Abgeordnetenhause wird ein Antrag ans Erlaß einer Adresse nicht ein­gebracht werden.

Berlin, 21. Jan. Der Kaiser erwi­derte nach Verlesen der Adresse des Herren­hauses:Ich glaubte, nach so detaillierter Darlegung des Bedürfnisses auf die Annahme der Militärvorlage von seiten des Reichs­tags bestimmt rechnen zu können und habe Meine Stellung darum kundgethan; hoffen wir, daß es jetzt besser wird. Die Ereig­nisse haben mich tief geschmerzt. Die neuen Maßregeln, wodurch die Armee gekraftigt wird, sollen jede Kriegsgefahr mindern. Ich sage den Herren nochmals meinen tiefgefühlten Dank."

Berlin, 21. Jan. DieNordd. Allg. Ztg." teilt mit:Gegenwärtig finden in Zabern und Ro­mansweiler und im Breuschthale seitens französcher " olzhändler bedeutende Ankäufe von Brettern und alten statt, welche von der französischen Regierung bestellt und zur Errichtung von Militärbaracken an der deutschen Grenze bestimmt sein sollen. Mit der Eisenbahn sind bereits von Romansweiler fünf Wa­

gen nach Nancy, vier Wagen nach Verdun abge­gangen; weitere Wagen sind zur Beladung bestellt. Auch in Rosheim und Oberehnheim finden gleiche Verladungen statt. Es kann hiernach keinem Zwei­fel unterliegen, daß Frankreich an seiner Grenze größere Trupenmassen zusammenzieht, als in den Festungen und Garnisonen daselbst untergebracht werden können."

Berlin, 21. Jan. Der Papst hat die Zu­mutung, Windthorst zu dessen 75. Geburtstag seinen apostolischen Segen zu erteilen, abgelehnt.

In der dritten Sitzung des preußischen Herrenhauses erklärte Fürst Anton Radziwill, daß er in der Sitzung am Montag nicht gegen, son­dern für den Erlaß einer Adresse an den Kaiser und König gestimmt habe.

Im ganzen haben 106 Herrenhausmitglieder nicht 60, wie dieGermania meldet, die Adresse an den Kaiser unterzeichnet. Unter diesen 106 befinden sich 16 Katholiken.

Einen für Windthorst und seine Freunde sehr schmeichelhaften Artikel hat der PariserFigaro" unter dem TitelDer Gegner Bismarck's" veröffent­licht.Ein kleiner Mann", heißt es darin,ein ganz kleiner Mann, häßlich, unglaublich häßlich, mit Froschaugen und einem riesigen Sprechwerkzeug, das das ganze Gesicht von einem Ohr zum andern durch­schneidet." Dann wird festgestellt, daß Windthorst in erster Linie Katholik und dann erst Deutscher ist. Der Schluß lautet wörtlich:Ich gestehe ganz offen, daß meine Sympathien nicht auf seiten des trium­phierenden Reichskanzlers sind. Unwillkürlich hat man doch immer eine geheime Bewunoerung für das Schoßhündchen, das den Mut hat, den Löwen är­gern zu wollen."

. Japan hat seine Thore dem Handel und der Industrie Deutschlands und selbst der Wissenschaft weit und vertrauensvoll geöffnet und das kommt beiden Teilen zu gut. Der Kaiser von Japan hat kürzlich seinen Prinzen Akihito nach Deutschland ge­schickt, um Land und Leute zu studieren und, was gut ist, zu lernen und heimzubringen. Er über­brachte dem Prinzen Wilhelm den höchsten Orden Japans, Chrysanthemum oder Goldblume. Bei der Uebergabe am Dienstag im Stadtschloß in Potsdam war das Trompeterkorps der Gardehusaren aufge­stellt und schmetterte seine Fanfaren, daß man sie beinahe bis nach Japan hinüber hörte. Die Eng­länder und andere Leute, die mit Japan nicht auf so gutem Fuß stehen, hielten sich beide Ohren zu.

Eine Nacht voll Angst und Schrecken machte eine Dame in Berlin durch. Mitten in der Nacht trat ihr Dienst­mädchen an ihr Bett und befahl ihr, beten Sie mit mir, ich bin eine arge Sünderin! Leg Dich nieder, Emma, sagte die Dame, Du träumst! Bald aber kam das Mädchen zurück mit rollenden Augen und sagte: Drei Mörder sind eingebro­chen, helfen Sie! Nun wurde der Dame Angst, sie erkannte, daß sie es mit einer Wahnsinnigen zu thun habe. Sic wurde von dieser gepackt und am Hals gewürgt und nur schwer ge­lang cs ihr, sich loszureiben und um Hülfe zu rufen. Die Nachbarn eilten endlich herbei und überwältigten die am Verfolgungswahn Leidende.

Die Höflichkeit ist mitunter fast eben so teuer als die Grobheit. Die Neujahrsglückwünsche am 1. Januar haben Deutschland allein an Briefen und Postkarten llyz Millionen Mark gekostet, schlecht gerechnet, wie die Statistiker behaupten. Streng genommen hätten wir das sparen können; denn lieb haben wir uns ja alle, auch ohne Karten.

Eine seltene Mißgeburt hat kürzlich Prof. v. Berg­mann in Berlin der Medizinischen Gesellschaft vorgestellt: Ein Kind, daS ohne Arme geboren ist und welchem die Hände unmittelbar an die Schultern angewachsen sind.

Italien.

Rom, 20. Jan. Der Papst hat die Entlas­sung des Kardinalstaatssekretärs Jacobini angenom­men und dabei demselben als Zeichen seiner Zunei­gung und Hochachtung die bisher von ihm bewohn­ten Appartements im Vatikan belassen.

Frankreich.

Ueber einen Mord auf Verlangen wird aus Paris unterm 14. d. M. berichtet. Gestern abend fuhren zwei be­trunkene Kerle in einem Fiaker bei dem Polizei-Kommissariat der Rue du Mont-Tabor vor und beschuldigten einander ver­schiedener Missethaten. Der eine sagte von dem anderen, er hätte ihn bestohlen, und dieser erzählte wieder, sein Gefährte wäre durch einen Mord zu Geld gekommen. Ueber die letz­tere Angelegenheit meldete der Beschuldigte, Karl P., folgen­des: Er war ohne Arbeit und lungerte vor einigen Tagen in den Hallen herum, um eine Schüssel Suppe zu erhaschen, und traf da mit einem Unbekannten zusammen, der ihn fragte, ob er 30 000 Franken verdienen wolle. Nichts wäre leichter: P. sollte des Nachmittags zu ihm in seine Wohnung kommen und ihn ermorden. P. dachte, der Mann wäre verrückt, nahm die angebotene Suppe und 10 Franken an, welche dieser ihm reichte und begab sich nicht zu dem Rendez-vous. Tags darauf wiederholte sich die Begegnung und das Gespräch. Diesmal erhielt P. 50 Franken und suchte den Kauz in sei­

ner Wohnung auf. Dieser legte 5000 Franken vor ihn auf den Tisch, bewaffnete den P. mit einem geschliffenen Messer und forderte ihn auf, ihm die Waffe ins Herz zu stoßen. P. hatte wohl Lust, sich die Summe anzucignen, aber die That widerstrebte ihm; er erbat sich abermals Bedenkzeit und 100 Franken als Abschlagszahlung. Dasselbe trug sich in den nächsten Tagen zu; P. hatte noch immer Vorurteile, obwohl der Mann ibm eindringlich zuredcte. Mit dem An- gelde betrank P. sich und als er einen ehemaligen Kamera­den antraf, nahm er ihn zum Zechen mit, worauf unter den beiden Kerlen ein Streit entstand, der sie zum Polizeikom­missar führte. Die angestellten Nachforschungen ergaben, daß der Mann, der sich für 30 000 Franken wollte erstechen las­sen, in der That vorhanden war. Herr I. hatte ein Ver­hältnis mit einer ehemaligen Hallenhändlcrin gehabt und ihr 150 000 Franken abgeschwindelt, wegen deren sie gegen ihn klagbar werden wollte. Er beschwichtigte sie aber durch das Versprechen, das Geld zurückzuerstatten und gedachte dies mittels einer Lebensversicherung zu thnn. Er kaufte sich für 200 000 Franken ein, mußte nun aber Jemand finden, der seinen Lebensfaden abschnitt, denn wenn er es selbst gethan hätte, so wäre die Summe nicht ausgezahlt worden. Er verfiel daher auf den erwähnten Plan, welcher mißlang.

Paris. 19. Jan. Der dem Kriegsminister nahestehende Progres militaire spricht die Ueberzeu- gung aus, die Kammer werde die Kreditforderung des Generals Boulanger bewilligen,ohne Zaudern und ohne die unpatriotischen Debatten des Reichstags zu wiederholen". Es ist dies die zweite Lektion, welche von dieser französischen Militärzeitung unserer ! Reichstagsmehrheit erteilt wird, das erste Mal hatte ! der Progros militaire von dentraurigen Szenen"

^ in der Militärdebatte des Reichstags gesprochen.

, Paris, 21. Januar. Das Organ Clomenceaus, dieJustice" entwirft von den französischen Finan­zen folgendes Bild: Die Passiven Frankreichs ver­mehren sich jedes Jahr um 500 Millionen, niedrig gerechnet. Wenn man so fortmacht, muß man jedes Jahr mindestens eine halbe Milliarde aufnehmen, und dabei darf es keinen Krieg, keine Expedition, überhaupt keine unvorhergesehene Ausgabe geben. Die ! Fortsetzung einer solchen Finanzwirtschaft wäre der Bankerott.

Paris, 21. Jan. DieRepublik franyaise" fordert, Boulanger solle einen gestern von Rochefort veröffentlichten Artikel brandmarken, der, falls eine ^ Verschwörung Herbette's und Freycinet's den Sturz ! Boulanger's bewirke, eine Volkserhebung in Aussicht ! stellt, bei welcher die Truppen vielleicht das Volk i unterstützen würden. Die orleanistische Presse ver- , langt die sofortige Beseitigung Boulangers. i Paris, 22. Jan. DasJournal des Debats"

! bezeichnet Boulanger als Gefahr für Staat und Republik. Ferry agitirt gegen Boulanger.

Ein ungewöhnlicher Diebsfang spielte sich jüngst auf ! dem Nont-Neuf in Paris ab. Ein Gauner hatte einem Herrn Uhr und Kette entwendet und ergriff damit die Flucht. Der Beraubte schlug Lärm und cs begann nun eine aligc- ' meine Jagd auf den Räuber. Auf dem Pont-Neuf sah die- ^ ser sich gestellt. Zum Entsetzen der Leute schwang er sich ! plötzlich über daS Brückengeländer und begann stromabwärts j zu schwimmen. Ein Herr jedoch, welcher mit einem riesigen ! Neufundländer die Brücke passierte, zeigte diesem den Schwim- ! mcnden und rief ihm zu:Apports!" Mit einem mächtigen ! Satz sprang der Hund ins Wasser und schwamm dem Gau- ! ner nach. Eine große Menschenmenge sammelte sich an bei- ! den Ufern und folgte mit Spannung dem aufregenden Schau- ! spiel. Als sich der Flüchtling umsah und den unerwarteten Verfolger erblickte, tauchte er mehrmals unter, um den Hund irrezuführen. Doch dieser erreichte ihn in wenigen Augen­blicken, als der Gauner wieder emportauchte, faßte ihn der Hund mit seinem weiten Rachen am Arm und ließ ihn nicht mehr los. Um nun nicht unterzusinken, ließ sich der Festge­nommene ruhig von dem klugen Tier ans Land bringen, wo ihn 2 Polizisten sofort festnahmen. Uhr und Kette hatte er in den Strom versenkt und behauptete nun kühn, er habe Beides nicht gestohlen. Unter großem Halloh wurde er ab­geführt.

England.

! London, 22. Jan. Hier eingetroffene Tele- ! gramme melden: Die Franzosen senden ansehnliche ^ Artillerie-Verstärkungen nach der Ostgrenze; sechs ! Feldbatterien wurden per Eisenbahn von Rennes und ^Le Mans abgesandt. DieMoruing Post" mel­det aus Wien: Graf Kalnoky habe am Freitag im i Laufe einer Unterhaltung mit einem fremden Diplo- > maten gesagt, die Lösung der bulgarischen Frage mache ziemliche Fortschritte. Die bulgarische Frage wäre indeß weniger wichtig für Oesterreich, als ein deutsch-französischer Krieg sein würde, da Rußland einen solchen direkt benutzen werde, um sich der Kon- trole des Fürsten Bismarck zu entledigen.

London, 22. Jan.Morning Post" meint: i Wenn Frankreich wirklich friedliche Absichten habe, wie seine Leiter und seine Presse vorgeben, so könnte es Europa leicht einen unverkennbaren Beweis hier­für geben. Friedliche Erklärungen allein hätten kei­nen praktischen Nutzen. wenn große Opfer gebracht