rung, bezw. dem Herrn Reichskanzler in Anwendung bringt, im Innersten empört fühlt. Dem größten Staatsmann seiner Zeit verweigert man die nötigen Mittel, um die von ihm als dringend nötig bezeich- nete Unterstützung im auswärtigen Amt zu bekommen! Da will man unter dem Motiv der Sparsamkeit 20000 verweigern, dieselbe Mehrheit, die kurz zuvor Diäten verlangt, welche Hunderttausende verschlungen hätte! Wir sind aber der Ansicht, nicht Sparsamkeitsrücksichten sind es, nein, man will den Reichskanzler ärgern, ihm das Leben sauer machen, das „fort mit Bismarck!" wird in einer andern Form aufs Nene ins Szene gesetzt. — Ein Kreis konservativer Männer bat unter dem Eindruck der tiefen Beschämung und Entrüstung über das Gebühren der Reichstagsmehrheit gestern abend sich gedrungen gefühlt, folgendes Telegramm an den Herrn Reichskanzler abgehen zu lassen: „Im Innersten empört über die feindselige Haltung der Reichstagsmajorität vom 15. d. M. senden wir Ew. Durchlaucht den Ausdruck tiefster Verehrung und des vollsten Vertrauens. Gott stärke und erhalte Ew. Durchlaucht auf Ihrem Posten." — Möge doch überall energisch protestiert werden gegen das Verhalten dieser Reichs- tagsmajoritüt.
In D i l l i n g e n desertierte ein Chevauxleger, geriet in der Nacht bei Höchstädt in einen Sumpf, erfror beide Beine und lag acht Tage und Nächte hilflos. Ein Jäger fand ihn und brachte ihn ins Lazareth, wo dem Unglücklichen beide Beine abge- uommen werden mußten.
Leipzig, 15. Dezbr. (Anarchistcn-Prozeß.) In der heutigen Nachmittagssitzung bestätigten mehrere Zeugen, auch Küchler, daß Reinsdorf den Bachmann angestiftet habe, was Reinsdorf konsequent bestreitet. Im klebrigen könne er es dem armen Weber Bachmann nicht verdenken, wenn dieser sich an der herrschenden Gesellschaft rächen wollte. Aus die Frage, wie er über Attentate gegen gekrönte Häupter denke, bemerkte Reinsdorf, die Geschichte lehre, daß gekrönte Häupter sich viele Verfassungs- und Eidbrüchc haben zu schulden kommen lassen. Reinsdorf ist augenscheinlich willens, hier eine Beleidigung gegen den Kaiser zu begehen, der Präsident verhindert dies jedoch. Auch in der Nachmittagssitzung wurde ausschließlich über das Elberfelder Dynamit - Attentat verhandelt. Gegenüber den schweren belastenden Aussagen der Zeugen, des Polizei-Kommissärs Gottschalk, der Frau Doktor Hartmann, des Kellners Breuke und des Mitangeklagten Küchler, sämmtlich aus Elberfeld, verharrt Reinsdorf bei dem System des Leugncns. Er versucht alle ihm nachteiligen Aussagen als wahrheitswidrig zu verdächtigen, beschuldigt auch den Untersuchungsrichter, die Aussagen von Zeugen in der Voruntersuchung nach Gefallen protokollarisch festgestelll zu haben. Bei der Vernehmung suchte er Darlegung über die Theorien der Anarchisten mir groben Ausfällen gegen die Fürsten zu verbinden, waS der Präsident energisch verhinderte.
Leipzig, 16. Dez. Im Hochverratsprozeß wurde heute vormittag die Beweisaufnahme in dem Bachmann'schen 'Attentat geschlossen. Die Angaben Bachmann'S wurden von allen Zeugen bestätigt und bekundet, daß Reinsdorf den Vorschlag gemacht habe, das auf dem Markt in Elberfeld stehende Kriegerdenkmal in die Lust zu sprengen und im Knrsaale zu Wiesbaden ein Dynamit-Attentat begehen zu wollen. Reinsdorf bestreitet alles.
Leipzig, 17. Dezbr. (Anarchistenprozeß.f Zu der gestrigen Nachmittagssitzung begann die Beweiserhebung über daS Niederwald-Attentat. Sattlergeselle Rupsch erklärt sich nichtschuldig und behauptet daS Attentat verhindert zu lmbcn. Reinsdorf habe ihr, bestimmt, nach Rüdeshcim zu gehen und das Dynamit Attentat auszttführen, um den Kaiser zu löten. Er ging scheinbar darauf ein, wollte aber mit dem ihm gegebenen Geld den Festlichkeiten beiwohnen und das Dynamit in den Rheni werfen. „Ich sollte das Dynamit in die Fahrstraße legen, daß der Kaiser darüber fahren mußte: ich sollte erst allein reisen, da aber genügend Geld vorhanden war, sollte Küchler mit,eisen, was mir unangenehm war, da ich nun einen Aufpasser hatte. In Nüdesheim wollte Küchler mich bestimmen, das Dynamit unter das .Kaiserzelt zu legen, was ich ablehnte, als zu gefährlich; in Wahrheit wollte ich das Attentat verhindern. Rnpsch teilte dann die bekannten Details über das Legen und Durchschneiden der Zündschnur und der Explvsivn bei der Festhalle mit und ver
blieb, trotzdem der Präsident die Unglaubwürdigkeiten der Aussagen betonte, allenthalben bei seinen Behauptungen. Hierauf wurde Küchler vernommen, der sich an Reinsdorf nur scheinbar an^eschlossen haben will, um sein Vorhaben auszuforschen. Nach Rüdesheim sei er gegangen, um das Attentat irgendwie zu verhindern, was dadurch bewirkt wurde, daß ein ungeeigneter Ort zur Legung des Sprengstoffs gewählt wurde.
Leipzig, 17. Dez. (Anarchistenprozeß.) In der Nachmittagssitzung erklärte Reinsdorf, an dem Niederwald-Attentat nicht ganz unbeteiligt gewesen zu sein, sondern die Hand im Spiele gehabt zu haben. Er weist mit heftigen Worten, so daß Präsident und Ober-Rcichsanwalt ihn mehrfach unterbrechen müssen, auf die Lage des Arbeiterstandes hin. Das Werk der Befreiung aus dieser Lage müsse das Werk der Arbeiter selbst sein. Der sozialdemokratischerseits beliebte Stimmzettelkamps,sei Unsinn und Blasphemie. Die von den Anarchisten vorgeschlagene Propaganda der That allein könne helfen, der Zweck heilige die Mittel. Man dürfe nicht sentimental sein, er habe seine Pflicht als Anarchist erfüllt und fürchte den Tod nicht. Angeklagter räumt ein, Rupsch und Küch- lec zu dem Attentat überredet, ihnen Instruktionen und das erforderliche Dynamit gegeben zu haben. Wenn er nicht krank gewesen, hätte er das Attentat wahrscheinlich selbst ausgeführt.
Leipzig, 17. Dez. In der heutigen Sitzung des Hochverraisprozeffes bezeichnet Rupsch alle Angaben des Küchler als Lügen. Holzhauer, Reinbach, Söhngen und Töllner erklärten sich sämtlich für nicht- schuldig, L-ie haben dem Rupsch wohl Geld gegeben, da dieser abreiscn wollte, ahnten aber nicht, daß er ein Verbrechen vvllführen wollte. Töllner weiß von gar nichts, da er, als er am 25. September bei Holzhauer war, sinnlos betrunken gewesen sei.
In Leipzig sollen, wie dem „Berl. Tglb." geschrieben wird, am Hochoerratsprocsse NeinSdorf beteiligte Räte des Reichsgerichts Brand- und Drohbriefe erhalten haben, wonach, ähnlich wie in Elberfeld, ans die Leipziger Gefangsnanstalt Dynamit- Attentate zu besorgen wären.
Der „Köln. Ztq." wird aus Leipzig, 16. Dez., telegraphiert: Ein Viertel nach 5 Uhr wurde ein im Reichsgericht aufgefangener Kassiber (Zettel in Geheimschrift) KüchlerS verlesen, aus dem hervorgeht, daß Küchler entfliehen wollte.
Berlin, 15. Dez. Der Beschluß des Reichstags, die von dem Fürsten Reichskanzler sowie von dem UnterstaatSsekretär Dr. Busch eingehend begründete und als notwendig nachgewieseuc Errichtung einer Direktorstellc im auswärtigen Amt abzillehnen, (119 ja gegen 141 nein), hat zwar angesichts der Stimmung, welche bei der Mehrheit des Reichstags gegen den Reichskanzler herrscht, in keiner Weise überrascht, hat aber sicherlich einen großen Teil des deutschen Volkes höchst unangenehm berührt. Es war die Revanche des Zentrums für die Haltung der preußischen Regierung im kirchenpolitischen Streit. Das Zentrum schickte zwar keinen Redner ins Treffen, beteiligte sich aber desto eifriger bei der Abstimmung, und hat wieder einmal bewiesen, daß es im Reichstag den Ausschlag gibt. Daß die von Hauet u. a. vorgebrachten Sparsamkeitsrücksichten bei'dem Beschluß wirtlich maßgebend gewesen wären, glaubt wohl niemand, denn dieselbe Mehrheit hatte vor einigen Tagen für Diäten gestimmt, deren Gewährung dem Reiche eine hundertmal so hohe Ausgabe anserlegen würde; vom l. bis znm >5. Dez. aber werden sich die Finanzen nicht verschlechtert haben. Wenn ein Redner Klage' führte, daß diese Behandlung der Frage, welche lediglich durch das Ueber- wiegen der Fraktionö Interessen über die sachlichen Erwägungen erklärlich ist, den nationalen Standpunkt vermissen lasse, w wurde er hicfür zwar zur Ordnung gerufen, aber der Ordnungsruf schafft die widerwärtige, im Ausland steilweife mit Schadenfreude, teilweise mit ungläubigem Erstaunen vernommene Thal- fache nicht ans der Welt, daß dem leitenden deutschen Staatsmann, dem Schöpfer des Reichstags, dem Greis, der, nachdem er für die Größe der deutschen Nation seine volle Kraft eingesetzt hat, um Erleichterung in der Arbeit ersucht, vom Reichstag selbst die Snnime von 20000 „lL abgeschlagen wird. Sollte dieser Beschluß im Sinn des deutschen Volkes gefaßt sein? Wir können cs nicht glauben.
Berlin, l 5. Dez. Der Beschluß des Reichstages, Ablehnung der neuen Direktorsstelle im Aus
wärtigen Amte, ist heute Gegenstand der Besprechung aller Blätter. Die „Köln. Ztg." sagt u. a.: „Der Reichskanzler hat unter genauem Nachweis, daß er mit dem jetzigen Hilfspersonal die Geschäfte des deutschen Reiches nicht bewältigen könne, vom deutschen Volke jährlich 20000 rM verlangt, damit er sich einen neuen Direktor halten könne. Und die ultramontandemokratischc Mehrheit des deutschen Reichstags hat ihm diese Forderung abgeschlagen. Es ist empörend und beschämend zugleich, daß der Mann, dem niemand bestreiten kann, daß er das deutsche Reich geschaffen und zwölf gefährliche Jahre lang mit unglaublicher Meisterschaft zwischen Neid und Gefahren glücklich hindurchgebracht hat in eine nach menschlichem Ermessen verbürgte Friedenszeit, der dem Reich soeben eine Stellung auch als Seegroßmacht errungen hat, als siebzigjähriger Greis vor den deutschen Reichstag tritt mit der Erklärung, er wolle die Geschicke des Reiches weiter leiten, wenn man ihm für die notwendigsten Arbeiten, die er nicht zu leisten im Stande sei, eine zuverlässige Arbeitskraft besolden wolle — und daß im deutschen Reichstag sich eine Mehrheit zusammenthnt, die ihm diese Forderung abschlägt, unter nichtigen Vorwänden, lediglich um ihn zu ärgern. Richter und Hänel, die „das Ansehen des Reichstags heben wollen", graben dem Ansehen des Parlamentarismus in Deutschland die Gruft. Noch ein solcher Ehrenpreis von 20 000 und das Maß der Deutsch-Freisinnigen ist voll.
Berlin, 17. Dez. Briefe und Telegramme gehen dem Reichskanzler zu, in denen Private sich bereit erklären, für eine längere Reihe von Jahren die von der demvkratisch-uitramontauen Majorität des Reichstages abgelehuten 20000 für den zweiten Direktor des Auswärtigen Amtes zu bezahlen, darunter ein Deutscher, in Paris lebend, ver gleich für 15 Jahre die Kosten übernehmen will. (Bravo! wenn wahr.)
Berlin, 17. Dez. ^Reichstag.) Tie dritte Lesung des Diätenantrages wurde nach kurzem Protest Windthorslls gegen Beseitigung des gleichen und direkten Wahlrechts angenommen. Ans der Tagesordnung für morgen steht: Präsidentenwahl und Fortsetzung der Etatberatung.
Berlin, 17. Dez. Es bestätigt sich, daß die Durchsuchung der deutschen Soldaten nach Schriftstücken und Papieren, die einen Zusammenhang mit sozialdemokratischer Agitation nachweifen oder wahrscheinlich machen könnten, eine allgemeine war. Oesterreich-Ungarn.
Tomes v a r, 14. Dez. Eine Grnbenkatastrophe im Auinaer Kübeckjchachte geschah infolge der Entwicklung schlagender Wetter; die unmittelbare Untersuchung konnte noch nicht konstatiert werden. Bisher wurden 47 Leichen von Grubenarbeitern zu Tage gefördert: die Verunglückten sind sämtlich Familien-, vätcr; einer derselben hinterläßt 11 unmündige Kinder. 30 Grubenarbeiter werden noch vermißt. Der Jammer der Hinterbliebenen ist unbeschreiblich. Frankreich.
Paris, 16. Dez. Die Niederlage deS Fürsten Bismarck im Reichstag erregt hier die größte Schadenfreude. Die Nachricht wurde hier bereits gestern Abend verbreitet. Jnfvlge dessen wurden in vielen Bierlokalen Hochs auf die Ultramontaueu, auf Eugen Richter und dessen Genüssen, welche behilflich seien, den „Bau des Fürsten Bismarck zu stürzen," anSgcbracht. _
Lsmrksamt siiullsndort' (Laden.) lientüv, den 21- Lsdr. 188!. Loeligssürtsster Ilerr Lrandt! -Pak lür geehrtes Zeürsiiisn vom- l7. d. Ä. IiMs ie!r rin erwidern: Von den von Ihnen hsriogsnsn 8oh>vsmsig>illsn Halis ish higher 3 8ehaehtetn gshranoht und ruvar mit grossem Lr- totg'. öleius Ls-ehwerdeu, wogegen ivi>. diese Lili ni angs- cvondst Iiade, »init tolgends: Ich litt selron über ein halbes .labr nn Kagsuteidsn, starker Kagenvsrsehbümnng, Verbundes mit einem gnätenden Husten, so dass ish durch das starke Husten immer Leiüsim srhrsebsn musste, auch stellte sieh immer Verstostlnng des 8tnhigaug'ss ein. sinn über,- seit dem ish Ihre 8ouwsmsrdillsn gshranshv, hat sieh mein Oesnudheitsmistand 6ott sei Dunk sehr gebessert. Die LlnA'önvsi'setdoimllNA bat antgshort, keinen Husten mehr, der 8tn!üganv' ist wieder in Ordnung' und Habs wis- dsr sinön sein- guten 4xpstit rmm lassen. Iloehachtngs- volt nsiohnend 4.1tbnrgsrmsistsr ziubrla. _' _
Rheinische"^,"pC-tT'Eiseubahn-Pkkoritäteu von 1861, 1864, 186». Di^ nächste Zic-Hnn, d!e;cr Prioritäten findet Ende Dezember statt. Gegen den Eonrs- verlnst von ca. 8 PCI» bei der Anelomng übernimmt das Banklmns Carl Neuburger, Berliu, Französische Straße 18, die Versicherung für eine Prämie van' 7. Pf.
pro 10» Mark.___
Verantwortlicher Äeralkenr Ste rn w a ndel in Nazold. — Drnl Verlag der G. W. Halser-schen Buchhandlung in