AZM- und Intelligenz-Blatt für den Oderamts-Bezirk Nagold.

M147.

Erscheint wöchentlich 3mal: Dienstag, Donnerstag und Samstag, und tostet vierteljährlich hier (ohne Trägerlobn) 80 4, in dem Bezirk 1 ^i,

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Samstag den 13. Dezember.

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wöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 «I, bei mehrmaliger je S Die Inserate müssen spätestens morgens 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei aufgegeben sein.

1884.

A mtliche s.

Nagold.

Kekanntuiachrrug.

Kranken-Versicherung der Arbeiter betreffend.

Um Zweifel zu beseitigen, sieht sich die Unter­zeichnete Stelle veranlaßt, bekannt zu machen, daß nach K. 4. Ziff. 7 des von k. Kreisregierung geneh­migten Statuts der gemeinsamen Ortskrankenkassen Nagold und Alteusteig auch Dienstboten und unstän­dig beschäftigte Taglöhner zum Beitritt berechtigt sind.

Den 10. Dezember 1884.

K. Oberamt. Güntn er.

Nagold.

Bekanntnrachrmg.

Kranken-Versicherung der Arbeiter betreffend.

Die Unterzeichnete Stelle sieht sich veranlaßt, darauf aufmerksam zu machen, daß nach H. 60 des Statuts der gemeinsamen Ortskrankenkasse Nagold nicht das Oberamt, sondern die örtlichen Verwal­tungsstellen (Ortsvorsteher), beziehungsweise in der Obecamtsstadt der Vorstand der Kasse oder der Sek­retär und Kassier der Ortskrankenkasse, Oberamts- Pfleger Mnulbetsch, die An- und Abmeldungen der Mitglieder entgegenzunehmen haben.

Den 10. Dezember 1884.

K. Oberamt. Güntner.

Nagold.

A« die Ortsvorsteher.

Die Ortsvorsteher werden zu Folge höherer Anordnung angewiesen, bis 3. Iaimar 188» hic- her anzuzeigen, wie viele polizeiliche Straf-Verfügungen auf Grund tz. 361, Ziff. 4 des Reichsstrafgesetzbuches, also wegen Bettels, von ihnen in jedem der 3 Ka­lenderjahre 1882, 1883 und 1884 rechtskräftig er­gangen sind.

Den 11. Dezember 1884.

K. Oberamt. Güntner.

Tages-Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

Nagold. (Einges.) Ein Beitrag zu unfern Bürger-Abenden." Einsender dieses hat die Ver­anstaltung solcher Bürger-Abende in unserer Stadt durch die, wie wir jetzt wissen, reichstreue Partei auch mit Freuden begrüßt und möchte seinen (wenn nicht Nagoldern, so doch) deutschen Mitbürgern hie- mit dringend ans Herz legen, auch fernerhin ohne Vorurteil diese Bürgerabende fleißig zu besuchen. Denn die Absicht der Urheber dieser Bürger- Versammlungen war sicher eine gute und gemein­nützige. Ja! gewiß hat vor allem ihr warmes Herz für alle Klassen unseres Volkes, also ächte Vaterlandsliebe sie dabei geleitet, weshalb sie für Ihr Hervortreten öffentlichen Dankes würdig sind. Wenn anders aber der Zweck besserer gegenseitiger Aufklärung in vaterländischen Zeitfragen durch solche Zusammenkünfte erreicht werden soll, so wird man in der Wahl der Mittel für diese Aufklär­ungs-Absicht sehr vorsichtig sein müssen. Insbeson­dere dürften drei Klippen ins Auge zu fassen sein, an welchen das wohlgemeinte Vorhaben nach der freilich unmaßgeblichen Ansicht des Einsenders früher oder später scheitern dürfte. Fürs Erste darf keiner glauben, oder wenigstens nicht den Glauben äußern, daß blos seine politische Partei mündig sei und die andern Parteien in der Bürgerschaft bei ihr in Sachen der Politik erst in die Schule gehen müssen, denn jeder Wähler glaubt schon selbst zu wissen, wem er in politischen Fragen zu glauben

und zu folgen habe, und statt bisher politisch Anders­denkende zu bekehren, würde man sie bald nicht einmal mehr belehren können, indem sie, der Rolle als Schüler und Zuhörer überdrüssig, bald von den Bürgerabenden ganz wegblieben. Eben­deshalb sollte man auch fürs Zweite solche Themara für die Vorträge an Bürger-Abenden wäh­len, welche politische Parteifragen' zwar streifen und mitberühren, aber in der Hauptsache sich auf pol i- tisch neutralem Boden bewegen, also Zeit­fragen aus dem reichen Gebiete der Volkswirt­schaft (Handel, Gewerbe, Landwirtschaft), der Gemeinde-Verwaltung, sowie Gegenstände aus der vaterländischen Beschicht e, als unserer besten Lehrmeisterin in der Politik. An solchen Fragen haben alle oder doch fast alle unsre Mit­bürger ein nahes Interesse. Insbesondere könnten aber zu solchen Fragen auch unsrenichtstudierten" Mitbürger aus ihren Erfahrungen sehr wertvolle Beiträge liefern, also eher an der Besprechung sich beteiligen und hätten dann das befriedigende Bewußt­sein, daß dieStudierten" denn doch auch von ihnen noch viel lernen können. Insbesondere bliebe bei Behandlung von nicht rein politischen Parteifragen in Zukunft vermieden, daß ein sonst Reichstreuer durch sein öffentliches Abweichen vom Programm seiner Partei in einer Einzelfrage der politischen Gegenpartei eine gewisse Schadenfreude bereitet. Endlich hätte diese Wahl politisch neutraler Be­sprechungsstoffe den wesentlichen Vorteil, daß unsere in reinpolitischen Fragen heute noch von uns getrennten Mitbürger sich überzeugen müßten, daß es den Reichs­treuen in erster Linie nicht um die Bekehrung der Gegenpartei zu sämtlichen Artikeln des reichs­treuen Programms, sondern um gegenseitige überzeugende Aufklärung über allgemein wichtige patriotische Zeitfragen zu thun sei. Auf diesem indirekten Wege dürfte dann eher zu hoffen sein, daß die politischen Gegner von der Liebe der Reichstreuen zum ganzen Volk sich überzeugen, und so später doch auch noch in politischen Fragen einer andern Ansicht zugänglich gemacht wrüden. Zum Dritten dürfte es sich empfehlen, solche Bürgerabende nicht alle zwei sondern etwa alle vier Wochen zu halten und das Thema des nächsten Vor­trages mindestens acht Tage voraus imGesellschafter" anzukündigen, damit die, welche zum Thema später auch etwas mitsprechen wollen, eher Zeit finden, sich doch ein wenig darauf vorzubereiten.

Stuttgart, 10. Dez. Gestern fand große Theegesellschaft bei dem Ministerpräsidenten v. Mitt­nacht statt, zu der 280 Personen geladen waren. Vom König!. Hofe waren die Prinzen Wilhelm, Weimar und Gemahlin, Herzogin Vera erschienen. Die Soiree dauerte von 811 Uhr.

Stuttgart, 10. Dez. Die Kammer der Standes­herren ist gestern mit allen Stimmen gegen diejenigen des Erbgrafen Neipperg und des Fürsten LLindischgrätz (dessen Stimme jener führt) dem Beschluß der Kammer der Abgeord­neten hinsichtlich der Postsparkassensrage beigetreten. Die Sitzung gewann übrigens ein erhöhtes Interesse dadurch, daß Erbgras Neippcrg Anlaß nahm zu einem heftigen Angriff auf die Reichsregierung, bei der mehr und mehr zentralisierende Tendenzen hcrvortrctcn und die auch nicht die geringste Rück­sicht auf irgend welche Art von Recht nehme. Minister v. Mittnacht legte hicgegen namens der württembergischen Regie­rung entschieden Verwahrung ein, und als Neipperg auf die braunschweigische Erbrechtssrage hinwies und andererseits er­klärte, er meine nicht die württembcrgische, sondern die preu­ßische Regierung, die im Bundesrat vermöge ihrer Stimmen­zahl ein Uebcrgcwicht habe, betonte Herr v. Mittnacht, daß speziell in der braunschweigischen Frage der Beschluß des Bun­desrats einstimmig gefaßt wurde mit Ausnahme von Neuß

ä. L. Der Zwischenfall war damit erledigt und die Sitzung wurde abgebrochen. Die Kammer der Abgeordneten nahm gestern abend wieder die Beratung des Gemcindeangehörigkeits- gesetzes auf. Artikel 3 und ein neuer Artikel 3a (Erwerbung des Bürgerrechts durch Abstammung und Verehelichung) wur­den entsprechend den Anträgen v. Varnbüler und Probst an­genommen. Zu Artikel 5 (anderweitige Erwerbung des Bür- gerrechtss entspann sich eine längere Debatte über einen von Dr. Göz gestellten Antrag, wonach das Bürgerrecht nicht bloß an württembergische Staatsangehörige (wie die Kommission will), sondern auch an alle diejenigen Personen, die im Besitz der Staatsangehörigkeit andrer deutschen Staaten sind, wo Württemberger ebenfalls an den Gemeindewahlcn teilnehmen können (unter den weiteren von dem Artikel bestimmten Be­dingungen, Zurücklegung des 25. Lebensjahrs u. s. w.), soll erteilt werden können. Der Antragsteller wies darauf hin, daß diese Einrichtung bisher bei uns gelte und nun nicht auf- gegeben werden sollte. Dagegen betonten mehrere Redner, insbesondere Minister v. Hölder, die Leichtigkeit, mit der in der Folge das württembergische Bürgerrecht soll erworben werden können. Der Antrag wurde denn auch schließlich abn gelehnt. Bei Artikel K wurde sodann die Beratung abgebro­chen, um heute abend wieder fortgesetzt zu werden.

Bei einem Aergernis erregenden Familienstreit in Cannstatt stach ein Vater seinen Stiefsohn derart in die Brust, daß nach einiger Zeit der Ver­letzte starb.

Von der Strafkammer in Rottweil wur­den wegen Verletzung der Wehrpflicht 17 Militär- Pflichtige zu je 600 M. Geldstrafe oder zu 3 Mo­naten Gefängnis verurtheilt.

Oberndorf, 7. Dez. Der Gerichtsvollzieher von Betzweiler hat sich mit dem Erlös aus einem Zwangsverkauf (etwa 700 -M) flüchtig gemacht.

Brand fälle: In O b er n h e i m (Spaich- ingen) am 9. d. 4 Gebäude.

Dem orkanartigen Sturm, welcher in der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch wütete, grenz in Baden- Baden zwischen 11 und 12 Uhr ein äußerst heftiges Gewitter mit Hagelschlag voraus.

Berlin. 8. Dez. In der heutigen Kom­missionssitzung der Konferenz wurde über die Frei­heit der Schifffahrt auf dem Kongo und dem Niger Üebereinstimmung erzielt, die Neutralisierungsfrage jedoch noch nicht erledigt. Die internationale Kon- trole soll nur für den Kongo eintreten. In Bezug auf den Niger übernehmen England für den unteren Lauf und Frankreich für den oberen Lauf desselben durch eine Deklaration die Verpflichtung, die Frei­heit der Schifffahrt aufrechtzuerhalten ; andere Mächte, die dort ein Territorium erwerben, übernehmen die gleiche Verpflichtung.

Berlin, 8. Dez. (Reichstag.) Tagesordnung: Be­ratung des Militäretals. Auf Anfrage Payer's wegen des Standes der Arbeiten für die Reform der Militärstrasprozetz- ordnung und aus Antrag Richter's (deutsch-freis.) auf Aufhe­bung der Militärgerichtsbarkeit über verabschiedete Offiziere erklärt der Kriegsminister, G.-L. Bronsart v. Schellendorff: der Antrag Richter's könne nur im Zusammenhang mit einer Reform des ganzen Militärstrasprozesses geregelt werden; die bei der Strasprozeßordnung für Zivilpersonen gemachten Er­fahrungen und die in dieser Hinsicht jetzt beabsichtigten Aende- rungen enthielten eine Warnung vor der Uebcrstürzung einer derartigen Reform. Der Angeklagte sei auch jetzt nicht ohne Garantie des Rechtsschutzes; gegen die Oefscntlichkeit des Mi- litärstrafprozeffcs müsse er sich prinzipiell aussprechen. Richter wünscht die Veröffentlichung der Selbstmorde im Heere. Der Kriegsminister legt ziffernmäßig dar, daß die Selbstmordziffer bei der Zivilbevölkerung höher gestiegen sei, als beim Heer; in keinem Heere sei sie niedriger, als im deutschen. Richter erklärt, die Oefscntlichkeit sei der beste Schutz gegen die Miß­handlungen von Soldaten. Der Kriegsminister erwidert, Miß­handlungen würden gewissenhaftest untersucht und die Beschwer­deführer vor der Rache geschützt. Die Abstimmung über den Antrag Richter bleibt der dritten Lesung Vorbehalten, das Ka­pitelMilitärjustizvcrwaltung" wird genehmigt.

Die Wahlprüfungskommission hat die Wahl des Abg. Mayer (Württemberg) für giltig erklärt.

Der schleppende Gang der Reichstagsverhand-