erklärte Richter rund heraus, an den Militärkosten werde wenig zu streichen sein. Wenn man nicht parteiisch sei, so müsse man anerkennen, daß das Militär, so wie es bestehe, eine notwendige Einrichtung sei und daß man zugeben müsse, daß im Militär so sparsam gewirtschaftet werde, wie irgend möglich. Würde man das Militär, fügte er hinzu, einer Aktiengesellschaft übergeben, sie könnte nicht so billig wirtschaften. (Bebel will ein Miliz-Heer.)
Die höchsten Beamten des Reiches sind folgendermaßen gestellt: Der Reichskanzler bezieht 54 000 Mk., einschließlich 18 000 Mk. Repräsentationskosten nebst freier Wohnung; Graf Hatzfeld, Staatssecretär des Auswärtigen, einschließlich 14000 Mk. Repräsentativnskosten nebst freier Wohnung 50 000 Mk., Staatssekretär v. Bötticher ist mit 36000 Mk. und freier Dienstwohnung ausgestattet, der Staatssecretär des Reichsjnstizamtes, Or. v. Schelling, bezieht 24000 Mk. außer kreier Dienstwohnung, der Staatssecretär des Reichsschatzamtes, v. Burchard, 20000 Mk. bei freier Wohnung, der Staatssecretär Or. Stephan 24 000 Mk. bei freier Wohnung. Der Kriegsminister Bronsart v. Schellendorf erhält eine Besoldung von 36000 Mk., außerdem freie Dienstwohnung mit Mobiliarausstattung und Feuerungsmaterial, sowie acht Fourage-Ratio- uen. Ebenso stellt sich die Besoldung für den Chef der Admiralität v. Caprivi, welcher gleichfalls neben seinem Gehalt von 36 000 Mk. freie Dienstwohnung hat. Der Chef des Generalstabs der Armee, Ge- neralfeldmarschall Graf v. Moltke, ist im Etat mit 12000 Mk. Gehalt uud 18 000 Mk. Dienstzulage, ferner freier Dienstwohnung mit Mobiliarausstattung und Servis, sowie sechs Fourage-Rationen aufgeführt. Auch die 14 commandirenden Generale sind mit je 12 000 Mk. Gehalt und 18000 Mk. Dienstzulage (aus welcher auch die Kosten für Bureaube- dürfnisse zu bestreiten sind) verzeichnet.
Wer bis jetzt noch an die Möglichkeit des Zusammengehens der Reichsregierung mit dem Zentrum geglaubt hat, der wird durch den letzten Artikel der Norddeutschen Allgemeinen wohl endgiltig eines andern belehrt worden sein. Es heißt darin am Schlüsse: Seit Jahren bereits ist das Zentrum der Kryktallisationspunkt für alle diejenigen Elemente, welche der Reichskanzler fremdländische nannte. Die Polen und die franzosenfreundlichen Elsäßer finden bei ihm offene Ausnahme und entgegenkommende Unterstützung. Dasselbe gilt von den Welfen, den indirekten Mitarbeitern dieser fremdländischen Elemente, zumal der Fübrer der Zentrumspartei Mandatar des Herzogs von Cumberland ist. Das neu- liche Verhalten des Zentrums beweist, daß nunmehr auch eine Bundesgenossenschaft zwischen dem Priestertum und den Republikanern eingegangen ist. Es hat den Anschein, als ob das Wort eines bekannten römischen Prälaten: Uns kann nur noch die Revolution retten, zum politischen Programm des Zentrums geworden ist. Uebrigens sei bei dieser Gelegenheit der Ausspruch Bismarcks, daß ihm die ultramontan- dcutschfreisinnige Majorität dieses Reichstags nicht imponiere, in Erinnerung gebracht.
Ein kürzlich verstorbener Fabrikbesitzer hat in seinem Testamente den Abgeordneten Eugen Richter, Ludolf Parisius und Hugo Hermes gemeinschaftlich eintausend Mark, zahlbar 3 Monate nach seinem Tode, zur Verwendung für Wahlzwecke vermacht. Der „Reicksfreund" begleitet diese Mitteilung mit folgender Aufmunterung: „Wir wünschen, es möchte in Deutschland üblich werden, daß reiche, kinderlose Parteigenossen den Geschäftsführern der deutschen freisinnigen Partei zur Verwendung für dauernde Politische Parteizwecke Geld vermachen. Dergleichen würde für die Partei gut zu verwenden sein." — „Das glauben wir unbesehen", meint dazu die „Nordd. Lllg. Ztg."
Der Herzog von Braunschweig hat in seinem Testament mancherlei vergessen, z. B. auch einen eisernen Schrank in seinem Schloß Hietzing bei Wien. In diesem Schrank fanden die Gerichtsbeamten, als sie das Inventar aufnahmen, 40 000 Stück Dukaten, anderes Gold und Silber und wertvolle englische, österreichische rc. Papiere, zusammen etwas über eine Million Gulden. Der Herzog von Cumberland ist der Erbe des Schlosses und des Schrankes.
Zum Bau des Kaiserpalastes in Straßburg ist in den Reichshausha<ts-Etat für 1885/86 als vierte Tcilsumme der anschlagsmäßigen Kosten von 2 660 000 M. ein Betrag von 300000 M. einge
stellt. In den drei vorhergehenden Jahren waren bereits bezw. 71200, 553 200 und 453 200 M. flüssig gemacht, so daß für künftig noch 1282400 M. nahezu die Hälfte der Anschlagssumme Vorbehalten sind. Nach den Erläuterungen des Etats steht zu erwarten, daß bis zum kommenden Frühjahr, nicht nur das jetzt in Angriff genommene Erdgeschoß des Palastgebäudes, sondern auch der größte Teil seines Hauptgcschosses in Mauerwerk vollendet sein werden. Im Jahr 1885/86 sollen dann die Rohbauarbeiten des Hauptgebäudes, mit Ausschluß der Gewölbe und Putzarbeiten, und die sämtlichen Arbeiten des Nebengebäudes zur Ausführung kommen.
Oesterreich-Ungarn.
Pest, 4. Dez. Helsy interpellierte das Ministerium bezüglich der drohenden illoyalen (?) französischen Zollerhöhung und forderte Vorstellung und Androhung und, wenn erfolglos, Ausführung der entschiedensten Retorsionsmaßregeln (Kampfzölle) gegen die französische Industrie.
Frankreich.
Die zunehmende Arbeitslosigkeit in Paris wird im „Figaro" vielleicht in etwas zu düsteren Farben folgendermaßen geschildert: Obenan steht das Bauhandwerk, welches gewöhnlich 45 000 Maurer beschäftigt. Ueber die Hälfte hat sich schon im Frühjahr nicht eingefunden, von der anderen Hälfte aber, die sich dauernd in Paris aufhält, sind ungefähr 90 000 obdach- und arbeitslos. Die Bauunternehmer, die sich vorgestern bei einem Bankette versammelten, erklärten die Lage für verzweifelt: die Regierung vermag dagegen nichts, und der Gemeinderat, welcher neue Straßen und dergleichen anlegen könnte, ist allzusehr verschuldet, um sich neue Lasten aufzubürden. Die Häuserbauten sind aus dem einfachen Grunde eingestellt, weil viele neue Wohnungen schon lange keine Mieter mehr finden, und so sind auch die Bautischler, beinahe sämtlich Pariser, auf Flickarbeit angewiesen, und 10000 ohne regelmäßige Beschäftigung. Die Zahl der Pflästerer, welche trotz der häufigen Straßenarbeiten feiern müssen, gibt der „Figaro" auf 1500 au. Ferner sollen nach der Statistik der Syndicatskammern von 12 000 Schlossern 3000 und von 15000 Anstreichern 10000 Beschäftigung suchen. Der „Figaro" berechnet, daß im Ganzen 36 350 Pariser Arbeiter ohne Broderwerb sind.
England.
Mutige Mädchen. Während der Lord- mayors-Procession in London wurde einem Berichterstatter der „Times" seine Brieftasche gestohlen. Der Mann bemerkte, was geschah, und rannte dem davoneilenden Gauner nach ; viele Leute schlossen sich ihm an und zwei junge Mädchen, Roda und Kate Moris, ergriffen mutig den Dieb bei den Armen und hielten ihn trotz Gegenwehr fest, bis ein Constabler und der Bestohlene zur Stelle kamen. Bei der am 27. v. M. stattgehabteu Verhandlung überreichte der Richter, Mr. Pelhalm, jeder der jungen Damen ein Geschenk von 2 Pfund Sterling, indem er artig meinte: „Für einen Blumenstrauß." Die schöne achtzehnjährige Roda rief unter dem Jubel der Zu- höerr: „Danke, Mylord, allein rch kaufe mir lieber einen Muff!"
Handel L Verkehr.
(Konkurseröffnungen.) Heinrich Speidel, Schuhmacher in Balingen. Gottlieb Mahle, Wirt und Krämer in Brettheim. Joseph Frick, Kaufmann in Stuttgart, (Weiß- und Kurzwarengcschäft,) Schulstraße Nr. 4. Heinrich Strahlenbcr- ger, Notgerbcr in Winnenden.
Hellbraun, 2. Dez. Die Zufuhren zum Lcdermarkt waren nicht sehr bedeutend. Der Verkauf geht ziemlich lebhaft, besonders in den besseren Sorten.
Ulm, 2. Dez. Der Obstverkchr auf hiesigem Bahnhof war diesen Herbst ein äußerst lcbha fter. Es kamen zus. 487 Wagen an, von denen ia aus Baden, 17 auf Württemberg, 53 auf Bayern, 79 auf Oesterreich und 328 auf die Schweiz entfallen. 224 Wagen Obst wurden hier verkauft, 263 gingen Weiler, die hier abgesctztcn 45 000 Ztr. erzielten einen Umsatz von 207 000 Wandcrlagerst. erhielt die Stadt 1118 Heule nahm die Stägige Wintermesje ihren Anfang. Dieselbe ist weniger stark von Verkäufern bezogen, Schaubuden sind dagegen in größerer Anzahl denn je vorhanden und der Münsterplatz und Judcnhof mit Museen, Panoramas, Menagerien, Karoussels, mit Pferde- und Dampfbetrieb, Schießbuden u. s. w. vollgestcllt, so daß für die Schaulust völlig gesorgt ist.
Nürnberg, 3. Dez. (H.pfen.) Das Geschäft verharrt in unverändert ruhiger Haltung. Württemberg» la. 95 bis 105, dto. 75—85, Badische la. » 95 100, dto. Ila. 75—80, Elsäßer la. 85 90, dto. IIu. 75—78. Für Auswahl wird .4! 5 mehl erzielt!
Allerlei.
— (Jedes Stück an seinen Ort, einen Ort für
jedes Stück.) Unter dieser Ueberschrift veröffentlicht „M. A." folgende Mahnung in der „Ott. Ztg." an solche, die mit mangelhaftem Ordnungssinn begabt sind: „Mit goldenen Buchstaben verdiente diese Lebensregel über der Thür eines jeden Familienzimmers zu prangen, keine Mutter sollte verabsäumen, sie durch Wort und Beispiel ihrer Tochter auf den Lebensweg mitzugeben, denn eine Grundlage häuslicher Glückseligkeit ist darin enthalten. Behaglichkeit und Ruhe fehlen dem Hause, wo man nicht nach diesem Aussprüche verfährt, eine beständige Aufregung herrscht daselbst, hervorgebracht durch daS Suchen nach Dingen, die jeden Augenblick zur Hand sind, nur nicht gerade dann, wenn man ihrer bedarf. Es ist unglaublich, wie viele kostbare Zeit verschwendet, wie viel unnütze Ausgaben veranlaßt werden durch die Nichtbeachtung der Regel: Jedes Stück an seinen Ort, einen Ort für jedes Stück. In süßer Eintracht
— noch öfter freilich in offener Fehde — finden sich, wo man nicht (nach diesem Grundsatz verfährt, in Schränken und Schubfächern die verschiedenartigsten Gegenstände neben einander. Die Besitzerin hat keine Ahnung, wie sie dahin gelangten, obgleich sie dieselben in einem Augenblick der Verlegenheit mit eigener Hand hineingesteckt! Sie weiß nie, wo das zu finden ist, was sie gerade braucht, und so kommt cs, daß viele Dinge in einer ihrer ursprünglichen Bestimmung, völlig widersprechenden Weise verwendet und dadurch natürlich verdorben werden. Der Servietten bedient man sich als Handtücher, der Handtücher zum Staubwischen; die Gabel wird statt des Korkziehers benutzt, das Schirreisen dient als Hammer. Der Schlosser ist in einem solchen Hause eine sehr häufig begehrte Person, denn daS Verlegen der Schlüssel ist an der Tagesordnung. Selten kommt eine Speise wohlschmeckend und zur rechten Zeit auf den Tisch, denn fast immer fehlt etwas von den nötigen Znthaten. Kurz, eine Unordnung, die Frieden und Glück verschlingt, ist die unausbleibliche Folge. Manche Familie, welche wir in Armut und Unfrieden sehen, würde in Wohlstand und Heiterkeit leben, hätte die Hausfrau es verstanden, die Bedeutung des Grundsatzes zu würdigen: Jedes Stück an seinen Ort, einen Ort für jedes Stück."
— (Neuer Kaffeetrichlcr.) Schusterjungen beim Kaffee. Erster Junge: Du, was is deuu das for Kaffee, wie schmeckt denn der? Zweiter Junge: Na, sehrc diunc is er, de» wird de Meestern «voll Widder durch die Sparbüchse haben loofen. lassen._ _ _
Die Reichsgesetze über die Krankenversicherung der Arbeiter, über die eingeschriebenen Hilfs- kafsen und über die Unfallversicherung. Mit den Wurttembergischeu Vollzugsvorschristen, kurzen Noten uud alphabetischen Sachregistern. Hcrausgegebcu von G. Hangen, stv. Amtmann, Gmünd, Verlag von .Friedrich Mauz (G. Schmid'sche Buchhandlung) 1884. Preis kartouniert 1.50.
— Diese Ausgabe des Krankenvcrsicherungs-, Hilfkassen- und
Unfallversicherungsgesetzcs verdankt, wie wir dem Vorwort entnehmen, ihre Entstehung zunächst einem Seitens mehrerer hervorragenden Industriellen dem Herrn Verleger gegenüber ausgesprochenen Wunsche, eine Zusammenstellung der drei für Arbeiter und Arbeitgeber gleich wichtigen Reichsgesetzc samt den einschlägigen Württembergischen Bestimmungen und den notwendigsten Erläuterungen in knapper Form zu erhalten,, teils zu eigener Information, teils um dieselbe ihren Arbeitern an die Hand zu gehen. Der Herausgeber hat nunmehr von diesem Gesichtspunkt ausgehend unter entsprechender Erweiterung des urspringlichtn Rahmens das Buch inhaltlich so gestaltet, daß es zugleich auch für Behörden und Rechtsanwälte als rasch orientierendes und bequemes Nachschlagebuch sich eignet. Die unter dem 16. Oktober ds. Is. vom Bundesrat herausgegebenen Formulare für die Uebersichtcu und Rechnungsabschlüsse der Krankenkassen und eingeschriebenen Hitss- kassen sind in dem Werk noch aufgenommen und dürfte dasselbe, abgesehen von seiner großen Reichhaltigkeit und praktischen Einteilung auch deßhalb zu empfehlen sei», weil cs die erste und bis jetzt einzige Württcmbergische Ausgabe des Uu- fallversichernngsgcsetzes enthält. Das Format des Buches ist sehr handlich, die Ausstattung eine hübsche uud der Preis ein sehr billiger zu nennein_
Bolksbibliothek des Lahrer Hinkenden Bolen.
— Verlag von Mvritz Schauenburg in Lahr. - Preis
jeder Nummer 5 — Eine der lustigsten Erzählungen, die
wir je gelesen haben, ist die in den Nr. 15—19 enthaltene Geschichte vom „Doktor und Apotheker". Albert Bürk- lin, der Verfasser zeigt sich da wieder einmal als Humorist in seiner ganzen Große. Das mit trefflichen Holzschnitten auSgcstattctc Merkchen ist ein zuverlässiger Töter der Langweile und daher bestens zu empfehlen.
Sächsische 4 pEt. Staats-Anleihen von 1852
bis 1869. Die nächste Ziehung dieser Anleihen findet Mitte Dezember statt. Gegen Cvursverlust von ca. pCt. bei der Ausloosnng übernimmt das Bankhaus Carl Nenbnrger, Berlin, Französische Straße 13, die Versicherung für eine Prämie von 4 Pf. pro 199 Mark» _
Auflösung des Rätsels in Nro. 144.
Falsches Geld.
Verantwortlicher Redakteur Steinwandsl in Nagold. — Dcu^ urd Verlag der G. W. Zaiser'fchen Buchhandlung in Nagold.