mehr befriedigen. Auch die Brunnen sind in man­chen Orten am Versiegen.

Laupheim, 15. Nov. In Baltringen wurde gestern der 73 Jahre alte Maurer B. wegen Verdachts der Blut­schande, verübt mit seiner leiblichen 50 Jahre alten verheira­teten Tochter, festgcnommen und an das hiesige Amtsgericht eingeliefcrt.

München, II. Nov. Die Aburteilung der Bierbrauer, welche Surrogate und sonstige Pantsch­mittel von dem Handlungshause Wich. u. Co. be­zogen, nimmt ihren Fortgang. Im Ganzen sollen über 400 Brauer in Anklagestand versetzt werden, welche jedoch nicht alle ihre Materialien von Wich u. Co. bezogen, sondern auch von anderen, besonders Nürnberger Häusern. Die bayerischen Strafgerichte werden in dieser Angelegenheit viel zu thun haben.

(Sieben Jahre lang in falschem Verdacht.) Ein Vorfall, der auch für weite Kreise von Inte­resse ist, macht in Lahr von sich reden. Im Jahr 1877 brannte dort das Volksschulhaus total nieder und da dasselbe an allen 4 Ecken zu gleicher Zeit zu brennen angefangen hatte, wurde allgemein ange­nommen, daß das Feuer nur durch Brandstiftung entstanden sein konnte. Die polizeilichen Recherchen hatten anfangs keinen Erfolg, bis Plötzlich der Ver­dacht aus einen 9jährigen Knaben siel, der das Feuer zuerst gesehen haben wollte. Der Knabe konnte sei­ner Jugend wegen nicht vor Gericht gestellt werden und schickte man ihn, trotzdem er eigentlich nie un­umwunden die That eingestanden (d. h. bald leug­nete er, bald gab er zu, das Feuer angelegt zu ha­ben und man kann sich lebhaft denken, wie leicht ein so junges Kind zu einem solchen Geständnis gezwun­gen werden kann) in eine Besserungsanstalt. Die Eltern waren gestorben, ein alter gebrechlicher Groß­vater war nicht im Stande, sich des Jungen anzu­nehmen und so wurde die Geschichte vergessen. In­zwischen sind Jahre verstrichen, das Schulhaus ist größer und stattlicher als früher erbaut; jener Knabe ist bereits konfirmiert und in der Buchdruckerei von Moritz Schauenburg als Setzer Plaziert, aber noch immer lastet auf demselben der Verdacht der Brand­stiftung. Da erkrankte vor kurzer Zeit in Dur­lach ein Glasergeselle und als er sein letztes Ständ­lein gekommen glaubt, erwacht das Gewissen und reumütig legte er das Geständnis ab, daß nicht jener Knabe, sondern er, der zur Zeit Lehrling in Lahr war, das Schulhaus mit Zündschnur in Brand ge­steckt habe. Der arme Junge wird für seine in der Besserungsanstalt unschuldig verbrachte Zeit von kei­ner Seite entschädigt werden; doch wird es für den­selben eine moralische Genugthuung sein, endlich von jenem scheußlichen Verdacht gereinigt zu werden.

DieNeue Freie Presse" weist auf die Wahr­scheinlichkeit hin, daß von Seiten Bayernsund Würt­tembergs gegen die Postsparkassen-Vorlage mit Rücksicht auf das verfassungsmäßige Postreser­vat dieser Staaten Bedenken erhoben werden dürf­ten und das österreichische Blatt bemerkt:Nament­lich Pflegte bisher die Anwesenheit des gewandten württembergischen Ministers von Mittnacht in Ber­lin stets ein Symptom dafür zu sein, daß die Mit­telstaaten für ein berechtigtes Interesse entschieden einzutreten gewillt seien, denn wirklich nationalen Plänen liehen dieselben bisher stets ihre Unterstütz­ung, bei der Justizresorm ergriff Württemberg so­gar die Initiative."

DieKöln. Zeitung" schreibt: Wie haben die Socialdemokraten in den Stichwahlen gewählt? Je nach den Umständen für alle linksstehenden Par­teien, nur nicht für nationalliberale Candidaten. Wie hat das Centrum gestimmt? Für alle Candidaten links und rechts, ob Freunde der Sozialreform oder Gegner, ob Protestanten oder Atheisten, nur nicht für Nationalliberale. Für wen sind die Deutschfrei- finnigen und Demokraten eingetreten? Für Cent­rum und Sozialdemokraten mit Vorliebe und in ver­einzelten Ausnahmen und dann gegen den Willen ihrer Führer für Nationalliberale. Wie haben end­lich die Nationalliberalen gewählt? Unter allen Umständen gegen die erklärten Feinde der Socialre­form und der auswärtigen Politik des Fürsten Bis­marck. Und im Ganzen kann man die Haltung der Cvnservativen derjenigen der Nationnalliberalen gleich bezeichnen. In allen Fällen, wo ein deutsch­freisinniger Gegner der Socialreform und extremer Manchestermann gegen einen gemäßigt liberalen oder cvnservativen Candidaten stand, hat das Centrum für den Manchestermann gestimmt, und wir wüßten keinen Wahlkreis, in welchem das Centrum einem

Mittrlparteiler gegen den Demokraten oder Social­demokraten auch nur durch Stimmenthaltung zur Wahl verholfen hätte. Das Schlagwort des Cent­rums war: wir lassen keine Mittelpartei auikom- men, mit welcher Bismarck regieren könnte.

Wenn Leute Geld haben! Bekanntlich beziehen die fortschrittlichen Reichstagsabgeordneten aus ihrer wohlgesüllteu Parteikasse eine Subvention von 500 Mark für die Reichstagssession. Außer diesem hübschen Taschengeld erfreuten sich die Her­ren auch noch einer Freifahrkarte , welche ihnen das Recht gewährte, während der Dauer der Session so­wie acht Tage vor Beginn und acht Tage nach Schluß derselben auf sämtlichen Staats- und Pri­vateisenbahnen nach allen Richtungen und in beliebi­gen Wagenklassen frei zu fahren. Durch Gesetz vom 18. Februar 1874 war den deutschen Privateisenbah­nen ein Betrag aus Neichsfonds als Entschädigung bewilligt worden. Schon seit längerer Zeit war es in Abgeordnetenkreisen öffentliches Geheimnis, daß einzelne Mitglieder mit dieser Berechtigung Miß­brauch trieben, indem sie davon nicht nur zu Wahl­reisen, sondern auch zu privaten Geschäftsreisen aus­gedehnten Gebrauch machten. Jetzt hat der Reichs­kanzler, wie es heißt, nach vorheriger Beratung mit dem Bundesrate, angeordnet,daß diese Freifahrt­karten für die neue Legislaturperiode in der Weise ausgestellt werden, daß sie den Inhabern die freie Fahrt auf den in den Karten bezeichneten, den Ver­kehr zwischen Berlin und dem Wohnort der Inhaber vermittelnden Eisenbahnstrecken und also nicht weitere Extrafahrteu gewähren." DasBerl. Tageblatt" widmet nun dieser Maßnahme eingehende Betrach­tungen, teilt mit, daß u. A. der sozialdemokratische Abgeordnete Bebel seine Freifahrkarte dazu benützte, um in Deutschland umherreisend Thürklinkcn zu verkaufen und richtet zuletzt einen Aufruf an die Wählerschaft, den armen Reichstagsabgeordneten den Ausfall, den sie durch die Beschränkung der Fahr­karte erleiden in barem Gelds zu ersetzen.

Berlin, 15. Nov. Nachmittags 2 Uhr er- öffnete der Reichskanzler, Fürst Bismarck, im Fest­saale seines Palastes die erste, voraussichtlich nur der Konstituirung gewidmete Sitzung der westafrika­nischen Konferenz. Die Bevollmächtigten der vier­zehn auf der Konferenz vertretenen Staaten sitzen an einem hufeisenförmigen offenen Tisch nach alpha­betischer Reihenfolge. Im Saale hängt eine 5 Me­ter hohe Karte Afrikas. Die Tische sind mit Bro­schüren, Büchern und Karten, betreffend Afrika, reich bedeckt.

DieKöln. Ztg." erfährt von der ersten Kou- ferenzsitzung: Fürst Bismarck erösinete die Konfe­renz mit einer kurzen Ansprache, welche sich, mit ei­nem Rückblick auf die Vorverhandlungen beginnend, über die Zwecke und Ziele der Konferenz verbreitete und mit dem Wunsch eines gedeihlichen Erfolges der Verhandlungen schloß. Daraus nahm als Doyen des hiesigen diplomatischen Korps der italienische Botschafter Graf de Launay das Wort zu einem Danke für die gehörte Begrüßung und schlug der Versammlung vor, den Fürsten Bismarck zum Vor­sitzenden zu ernennen. Dieser Vorschlag wurde ein­stimmig genehmigt und demnächst das Sekretariat gebildet. Fürst Bismarck gab darauf eine kurze Dar­legung des Planes der Verhandlungen und damit schloß die Sitzung; die nächste wird voraussichtlich am Dienstag stattfinden. Unter den Mitgliedern macht sich die Ueberzeugung laut, daß die Dauer der Konferenz sich erheblich in die Länge ziehen werde, da man voraussichtlich häufig in der Lage sein werde, wegen Einholung erforderlicher Auskunft größere Pausen zwischen den einzelnen Sitzungen eintreten zu lassen. Die Hauptarbeit wird den beigeordneten Sachverständigen der Mitglieder zufallen, welche zu gesonderten Sitzungen zusammentreten wollen. Die Befragung des Afrikaforschers Stanley ist beschlossene Sache; ob seitens der Sachverständigen oder durch die Konferenz selbst, steht vorläufig noch nicht fest.

Die Parteien werden sich im neuen Reichstag annähernd wie folgt stellen: Konservative 100 (im letzten Reichstag 78), Zentrum 100 (1881 ebenfalls 100), Freisinnige 68 (106), Nationalliberale 56 (46) Sozialdemokraten 25 (12), Polen 16 (18), Elsäßer 15 (15), Welsen 9 (10), Volkspartei 7 (9) Dänen 1 ( 2 ).

Frankfurt. Ein Metzgermeister verlor heute morgen auf der Obermainbrücke seine Brieftasche mit 500 cM Inhalt. Unfern des Viehhofs gewahrte er

seinen Verlust und eilte in größter Bestürzung den Weg, welchen er gekommen war, bis zur Bibliothek wieder zurück. Dort erblickte er zwei kleine Kinder, ein Bübchen und ein Mädchen, welche auf der Treppe saßen und sich die Papierscheine betrachteten. Der Mann nahm natürlich den Kleinen sein Eigentum wieder ab und drückte mit den Worten:Da, gebt das eurer Mutter", dem Buben 20 cM in die Hand.

Die Leipziger wollen von demHerrn" bei Adressirung von Postsendungen an Kaufleute nichts mehr wissen und künftig nur nochAn die Firma" schreiben. Mögen sie dann auch einen Schritt weiter gehen und das Ergebenst, Gehorsamst, Hochachtungsvoll rc. abschaffen, wie es die Englän­der längst gethan haben.

Ueber das Vermögen der weltbekannten Eis­maschinenfabrik Oskar Kropf in Nordhausen ist der Konkurs eröffnet worden, nachdem die Arbeiter, 120 an der Zahl, vor 10 Tagen entlassen worden waren.

Berlin, 14. Nov. Der Bundesrat bewilligte gestern 180000für einen Küstcndampfer für den Gouverneur Kameruns, welcher Posten Dr. Nachti- gal übertragen werden soll.

Berlin, 14. Nov. Der Magistrat beschloß, angesichts der Cholera in Paris einen Kredit von 150 000 ^6 zu beantragen behufs Errichtung neuer Desinfectionsanstalten.

Berlin, 16. Nov. Dem Bundesrat ist ein Gesetzentwurf zugegangen, betreffs Aufnahme einer Anleihe bis zu 10 055 000 ^ für Zwecke der Ver­waltungen des Reichsheeres, der Marine und der Reichseisenbahnen.

Berlin, 17. Nov. Nachdem Fürst Bismarck in seiner Eröffnungsrede als die Ziele der Konferenz erstens freie Schifffahrt und Handel auf dem Kongo, zweitens freie Schifffahrt auf dem Niger, drittens Festsetzung der Formen zukünftiger Besitzergreifungen auf dem afrikanischen Festlands hingestellt und erklärt hatte, die Konferenz werde sich mit augenblicklichen Souveränetätssragen nicht beschäftigen, und nachdem eine französische Denkschrift verlesen worden war, antwortete der englische Vertreter Malet, England teile die philanthropischen Bestrebungen Bismarcks und genehmige die drei Konferenzziele, mache aber einen Vorbehalt in Betreff des Nigers und erwarte, daß die Ueberwachnng der obigen Grundsätze nicht durch einen internationalen Ausschuß erfolge, indem England als Haupt- oder vielmehr alleiniger Eigen­tümer des untern Kongos die Ueberwachung als eigene Pflicht und eigenes Recht ansehe.

Berlin, 18. Nov. Der Kaiser wird den Reichstag persönlich eröffnen, weil es eine neue Le­gislaturperiode ist. Als Antwort auf den ange­kündigten Antrag der Sozialisten, betreffend die Auf­hebung des Sozialistengesetzes, verlautet, die Regie­rung wolle durch Abänderung des Strafgesetzbuchs das Sozialgesetz überflüssig machen.

Niemals ist Jemand ehrenvoller aus einer Un­tersuchung hervorgegangen als der Capitän Cochius, der Commandeur der jüngst an der jütländischen Küste gestrandeten Brigg Undine. Er wurde nicht nur einstimmig von jeder Schuld freigesprochen, son­dern auch seine Umsicht und sein Mut in dem furcht­baren Sturm glänzend anerkannt, ebenso die brave Haltung seiner Mannschaft. Die letztere wurde von dem Kaiser in einem Kabinetsbefehl ehrenvoll aner­kannt, der Obermatrose wurde befördert, zwei Mat­rosen erhielten Ehrenzeichen. Der Lieutenant Zanke erhielt einen Orden und der Capitän Cochius die Beförderung zum Commandeur der Brigg Lover.

Bremerhaven, 16. Nov. Der Schooner Minna" Kapitän Nijahr, mit 800 Barrel Petro­leum nach Stralsund bestimmt, ist gestern Abend auf der Rhede in Brand geraten. Die Mannschaft wurde gerettet, das Schiff brennt noch.

Hanau, 15. Nov. Die Zahl der Toten und Verwundeten ist leider erheblich größer als gestern angenommen werden konnte. Dreizehn Personen sind sofort bei der Katastrophe getötet worden, fünf Personen ferner sind bis jetzt im Hanauer Kranken­hause ihren schweren Verletzungen erlegen. Außer­dem liegen im Krankenhause noch 17 Personen, zum Teil sehr schwer verletzt. Die Namen der Toten sind bis auf zwei bekannt, diese letzteren konnten bisher nicht agnosciert werden, da der Kopf vom Rumpfe getrennt worden ist. Die ersten dreizehn Leichen sind in der Leichenhalle des Hanauer Kirch­hofs untergebracht, eine große Menschenmenge strömt fortwährend dorthin. Die meisten Verletzungen der