Der Gesellschafter.

Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oderamts-Bezirk Nagold.

82.

Erscheint wöchentlich 3mal: Dienstag, Donnerstag und Samstag, und kostet vierteljährlich hier (ohne Trägcrlohn) 80 -l, in dem Bezirk l X außerhalb des Bezirks 1 20 Monats-

abonncment nach Verhältnis.

den 15. Juli

Jnsertionsgebühr für die Ispalttge Zeile aus ge­wöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 bei mehrmaliger je S Die Inserate müffen spätestens morgens 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei aufgegeben sein.

1884.

i Die Schuistelle in Fünsbron» wurde dem Unterlchrcr

Hahn in Aspcrg und die in Röthenbach (Calw) dem Provisor. Schullehr er Massa daselbst definitiv übertragen. _

Tages-Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

** Nagold, 14. Juli. Noch wenige Wochen, dann wird wie bereits bekannt in unserer Stadt ein Verein tagen, der seither meist größere Städte des Landes zu seinen jährlichen Zusammenkünften gewählt harte. Es ist die Jahresversammlung des Volksschullehrervereins. Vorbereitungen hie­zu werden bereits in ausgedehnter Weise getroffen. Mehrere Kommissionen sind in Thätigkeit, den Lehrern Württembergs einen freundlichen Willkomm zu be­reiten. Im Laufe dieser Woche wird besonders die Quartierkommission bemüht sein, sowohl in den Gast­häusern als in Privatwohnungen für etwa 200 über­nachtende Lehrer die nötigen Quartiere zu suchen. Den in dieser Richtung bereits gesammelten Erfah­rungen nach zu schließen, ist mit gutem Grund zu hoffen, daß die Seminarstadt Nagold, sowohl was die städtischen Behörden als die Bürger betrifft, allem ausbieten wird, sich der ihr zugedachten Ehre in jeder Beziehung würdig zu zeigen. Die Lehrer des Bezirks und der Umgegend werden noch beson- , ders gebeten, sich am Haupttage, der in Bälde be­kannt werden wird, zum freundlichen Empfang der Kollegen hier rechtzeitig einfinden zu wollen.

L Nagold, 14. Juli. Am 10. d. M. brach im obere» Dachraum der Schmiedewerkstätte des Au­gust Luz in Schietigen Feuer aus, das den Dachstuhl derselben zerstörte. Der Schaden beläuft sich auf ca. 200 v/L Die Entstehungsursache ist bis jetzt nicht ermittelt.

/V Spielberg, 12. Juli. Ein tüchtiger und würdiger Kämpfer für das Wohl seiner Gemeinde, Gemeinderat, Stiftungspfleger und Acciser Teufel dahier, hat heute früh sein langes, wirkungsvolles Leben von nahezu 80 Jahren beschlossen. Am Nach­mittage zuvor erquickte er sich noch durch einen kleinen Spaziergang auf ein naheliegendes Grundstück, fühlte aber bei der Heimkunft, daß er recht bald von der Welt scheiden müsse. Trotz eines langwierigen Siech­tums hatte er bis zur letzten Frühstunde volle geistige Klarheit bewahrt. Vor wenigen Wochen durfte der jetzt Verstorbene noch die Freude erleben, seinen seit vielen Jahren in Amerika befindlichen Sohn wieder­zusehen. Letzterer reiste vor etwa drei Wochen wie­der in sein fernes Heim ab.

' /x Horn derg, 12. Juli. Trotz aller Polizei - - thätigkeit blüht das Unfugsgetriebe junger Leute na- i meutlich an den Sonntagen da und dort üppig fort. So mißhandelten am letzten Sonntag zwei in Alten­steig arbeitende Handwerksgesellen einen hiesigen gleich­falls dort in Arbeit stehenden jungen Schuhmacher durch das Hinabwerfen über eine hohe Brüstungs- j mauer in der Nähe des Spitals derart, daß er dahin

! in Pflege und ärztliche Behandlung gebracht werden

mußte. Die Raufbolde sind gefänglich eingezogen, auch war der Untersuchungsrichter mit dem Ober- ! amtswundarzt am Donnerstag zur Erhebung des ! Thatbestandes und der Verletzungen an Ort und Stelle.

Calw. Der heutige Nachmittag brachte uns den längst ersehnten Regen, aber auch starken Ha­gel, der an Hopfen, Gerste und Gartengewächsen nicht unerheblichen Schaden anrichtete, doch überwiegt den letztern der Nutzen, den unfern Sommer- und Brachfrüchten der erfrischende Regen brachte.

In Salzstetten (Horb) war bei einem Straßenwart ein Sjähriges Mädchen in Kost unter­

gebracht und wurde das Kostgeld von der Amtskor­poration bezahlt. Das Kind wurde seit längerer Zeit schwer mißhandelt und mußte sogar im Winter im Viehstall schlafen. Am 8. ds. starb dasselbe, ohne vorher krank gewesen zu sein, und es wird nun be­hauptet, das Kind sei morgens von der Tochter des Straßenwarts schwer mißhandelt worden und an den Folgen dieser Mißhandlung gestorben. Gerichtliche Untersuchung ist cingcleitet.

lieber die Wahl des Rechtsanwalts Tafel zum Landtagsabgeordneten für Stuttgart schreibt die Württ. Landeszeitung: Was vorauszusehen war, ist eingetroffen, die Stuttgarter Bürgerschaft hat bei der gestern stattgehabten Stichwahl energisch gegen die Kandidatur Wächter protestiert, teils durch Wahl­enthaltung, teils dadurch, daß die Mehrzahl der zwi­schen den Parteien Stehenden für Rechtsanwalt Tafel gestimmt haben. Es wäre irrig, anzunehmen, daß die Sozialdemokraten den Ausschlag gegeben hätten, denn sie habe», wie von allen Seiten bestä­tigt wird, nur spärlich abgestimmt. Dem Festhalten an der unpopulären Kandidatur Wächter Seitens der deutschen Partei hat der von der Volkspartei unterstützte Kandidat seinen Sieg zu verdanken. Möge die Volkspartei nicht vergessen, daß die Wahl Tafels kein Sieg der Partei als solcher ist, sondern ein Sieg der freisinnigen Elemente Stuttgarts, die sich von der pietistischen Beeinflussung und Bevor­mundung emancipiert haben.

Eßlingen, 11. Juli. Wir sehen den schreck­lichen Gast, die Cholera, näherrücken, so daß hier- selbst in der gestrigen Sitzung des Gemeinderats u. s. w. die Polizei-Abteilung zur Ergreifung und Ueber- wachung energischer Schutzmaßregeln gegen die Ver­breitung der Cholera auch auf unsere Stadt ange­wiesen wurden, welche Maßregeln hauptsächlich in der gründlichen und anhaltenden Desinfektion der Dohlen und Aborte u. s. w. bestehen. Die aus Obigem er­wachsenden Kosten wurden in der Ausgabe genehmigt.

Oehringen, 11. Juli. Ans hiesige Ober­amt wurde heute laut H. B. ein in Eckartsweiler wegen Bettels verhafteter Stromer eingeliefert, der im Besitze von baren 323 80 ^ war.

Gaildorf, 10. Juli. Wie ich eben erfahre, hat der Blitz beim heutigen Gewitter in dem be­nachbarten Orte Winsenweiler 2 verheiratete Frauen erschlagen, während das Kind der einen Frau, wel­ches sich in unmittelbarer Nähe der Mutter aufhielt, ganz unversehrt blieb. (Schw. M.)

Für die Dampfervorlage hat sich auch die Ulmer Handelskammer erklärt und eine dahin­gehende Resolution beschlossen.

Brandfälle: In Reutlingen am 11. Juli die Lederfabrik von Ernst Dorn er.

Der am Dienstag abends nach der schwurge­richtlichen Verurteilung verhaftete Redakteur des Bayer. Vaterland", Herr Dr. Sigl in München, wurde gemäß eines gestern Abend erlassenen Gerichts­beschlusses gegen Erlegung einer Kautionssumme von 20000 Mark in Freiheit gesetzt.

Ueberdas geplante Niederwal d- Attentat wird aus d e s h e i m, 8. Juli, ge­schrieben : Der Erste Staatsanwalt des Landgerichts in Elberfeld, Lützeler, der Landrichter Schäfer, der Gerichtsschreiber Flastig, mehrere Sicherheitsbeamte, ein Geometer und der verhaftete Anarchist Rupsch besichtigten am Samstag und Sonntag den Ort am Denkmal und die Stelle hier unten bei Rüdesheim, wo auf dem vorjährigen Festplatze noch jene kleine Explosion erfolgte, welche damals in dem Freuden­

lärm unbeachtet verhallte. Zugelassen zn diesen Orts­aufnahmen wurde selbstredend niemand; in einem Umkreise von etwa 40 Meter war das Terrain jedes­mal abgesperrt. Was man darüber hört, ist folgen­des. Als der Plan gefaßt war, wurde Reinsdorff. ein anarchistischer Schriftsetzer, mit der Ausführung desselben beauftragt. Er hatte nach jeder Richtung hin die Vorbereitungen zu treffen und insbesondere auch die ihm geeignet erscheinenden Leute aus den vom Exekutivkomite ihm zur Verfügung gestellten aus­zuwählen. Nicht dem Denkmale galt der Anschlag, auf den kaiserlichen Zug war er berechnet. Eine Mine mußte gelegt werden an einer Stelle möglichst nahe dem Platze des Denkmals am Wege, den der kaiserliche Zug zu passieren hatte, und doch weitab genug, um unbemerkt von der Menge das Attentat vollführen zu können. Die Jubelrufe der Festteil­nehmer sollten kaum verhallt, der kaiserliche Zug kaum in Bewegung sich gesetzt haben, da sollte oas Schreck­lichste sich vollziehen. Wer die That verüben sollte, das überließ Reinsdorff, nachdem er selbst alle Fä­den gespannt hatte, dem Los. Der Schriftsetzer Küchlcr und der Sattler Rupsch waren es, welchen die Aufgabe zusiel. Rupsch. welcher, wie bereits ge­meldet, geständig ist, wurde in Naumburg verhaftet und ist nun in Elberfeld im Gefängnis. Ueberlistet von einem Beamten, hat derselbe alsbald ohne Um­schweife vollends bekannt. Aus dem Geständnis des Rupsch geht hervor, daß die Sprengung nicht am Denkmal selbst, sondern in der von Rüdesheim her­aufführenden Straße gegenüber der Zahnradbahn auf der andern Seite geplant wurde. Die Verbre­cher ersahen den an der Südseite der Straße ent­lang laufenden übermauerten Graben, an welchen der Wald dicht herantritt, für ihr Vorhaben aus. Am Tage des Festes lag die Mine fix und fertig zur That von Rupsch gelegt. Die 9 Meter lange Zünd­schnur führte vom Gesträuch verdeckt hinein in den Wald, wo Küchler des Augenblicks harrte, sie zu ent­zünden. Und er entzündete sie auch frevelnden Mu­tes. Weiter und weiter glimmte der Faden, lang­sam, aber sicher. Minute auf Minute verrann, er­neuter Jubel dort oben verkündete dem waldeinwärts fliehenden Küchler, daß das Fest zu Ende, die von Mund zu Mund sich fortpflanzenden Hochrufe , daß der Kaiser auf dem Wege zurück. Doch noch immer kein Knall! Küchler eilt hinab nach Rüdesheim, zu­sammenzutreffen mit Rupsch. Wohlbehalten ist auch der Festzug unten angelangt, das Attentat mißglückt. Ja, der Himmel hatte es anders gelenkt. In der Brust des Rupsch, als er die Mine legte, hat das letzte Fünkchen eines besseren Sinnes gesiegt; rasch wie der Blitz, daß nur Küchler es nicht merke, hat er die Zündschnur unter dem Gewölbe entzwei ge­schnitten. Nun aber, nachdem der Plan also geschei­tert, überkam ihn heftige Angst vor seinen Auftrag­gebern. Um den Schein des Verdachts von sich ab­zuwenden, half er am Nachmittage eifrig mit an den Vorbereitungen zu jenem (anfänglich wohl gar nicht geplanten) Attentat an dem einen der Restaurations­zelte, die Ursache aber, warum die Mine oben auf dem Berge nicht zündete, suchten die anderen darin, daß der Regen das Feuer an der Zündschnur aus­gelöscht habe. So ungefähr stellt Rupsch selber den Fall dar. Ob er die Wahrheit redet? Küchler zum wenigsten, welcher dem Gericht wie erklärlich ein sehr wertvoller Zeuge war, bestreitet es. Hingegen steht der hier gemachte Ortsbefund den Aussagen Rupschs nicht im Wege. Und jedenfalls liegen die im Pro­zeß aufzuklärcnden Zweifel nicht bei der Thatsache