Prinzessinnen empfangen. Die Begrüßung der Herr­schaften war sehr herzlich. Zu Ehren der Kaiserin fand nachmittags 4 Uhr bei dem Kaiser ein Gala- diner statt. Ist bereits wieder abgereist.

Berlin, 4. Juni. Der Reichsanzeiger meldet: An der Grundsteinlegung des Reichstagsgebäudes werden auf Befehl des Kaisers auch sämtliche Gene­rale und Regimentskommandeure des Gardekorps (Berlin, Potsdam und Spandau) teilnehmen.

Der kürzlich verstorbene Dr. Strousberg in Berlin war 66 Jahre alt. Geboren als Jude, trat er später zum Protestantismus über und lebte längere Zeit in England als Journalist. Seine Thätigkeit auf finanziellem Gebiete, insbesondere seine hervor­ragenden Eisenbahnbauten in Deutschland, Oesterreich, Rumänien u. s. w. sind bekannt. Zahlreiche Gegner­schaften, mit denen er fortwährend zu kämpfen hatte, brachten ihn endlich zum Falle. Er verlor sein ganzes Vermögen und geriet endlich in Konkurs. Er sah sich genötigt, vor ungefähr drei Jahren Deutschland wieder den Rücken zu kehren, lebte dann in England, kam jedoch vor wenigen Monaten wieder nach Berlin zurück und lebte daselbst in sehr bescheidenen Ver­hältnissen, vorzugsweise mit der Vollendung eines politisch-literarischen Werkes beschäftigt.

In einem kleinen Orte bei Guben hat ein unnatürlicher Sohn seine 70jährige Mutter 6 Jahre lang in einem engen Raum, eine Art Stall, einge­sperrt gehalten. Er hatte sie für verschollen oder dergl. ausgegeben und sie wurde von den Nachbars­leuten für tot gehalten. Ein Gubener Bürger machte aber die Polizei auf das unerklärliche Verschwinden aufmerksam und so kam die greuliche Geschichte ans Tageslicht. Die alte Frau war blödsinnig geworden und befand sich überhaupt in einem unbeschreiblichen Zustand. Sie wurde, nachdem sie gereinigt war, in das Gubener Krankenhaus gebracht.

Oesterreich-Ünganl.

In Wien hat sich ein junger Mann dadurch, daß er seine Kleider mit Terpentin oder Petroleum tränkte und solche anzündete, selbst den Tod gegeben.

Pest, 4. Juni. Durch Uebereinstimmung der Thatumstände mit dem Geständnisse des Anarchisten Fried wird konstatiert, daß dieser bei dem Eisert'- fchen Raubmord als Aufpasser fungierte. Fried be­zeichnet als unmittelbare Thäter Kämmerer und Stellmacher. Der Plan wurde in Pest gefaßt, wo­hin Fried einen Teil der geraubten Wertpapiere brachte.

In Pest stellten 400 Schmiedgesellen die Ar­beit ein. Ihre Forderungen sind Sonntagsruhe, zwölfstündige Arbeitszeit und 7 Gulden Minimal- Wochenlohn.

Ein Paradies für Schuldenmacher dürfte nach derBanaler Post" die ungarische Gemeinde Erlau sein. Ein dortiger Bürger begab sich in einen Fleischer­laden, um Wurst zu kaufen und wollte sich mit der Ware entfernen, ohne den entfallenden Betrag von 1 fl. 20 kr. zu entrichten. Der Fleischer erklärte, er sei nicht geneigt, ihm zu borgen; er möge bezahlen oder die Wurst dort lassen. Der Bürger ließ die Wurst zurück, begab sich aber stracks zum Bezirks­richter, um ihm den Fall anzuzeigen. Der Bezirks­richter fällte nun das salamonische Urteil: Das Nicht­borgen drückt einen Zweifel an dem Charakter des Entlehners aus, ist daher eine Ehrenbeleidigung. Die Strafe lautete auf 20 Gulden wegen Ehrenbe­leidigung. Schweiz.

Genf, 2. Juni. Das für den General Du- four errichtete Denkmal ist heute unter sehr zahlrei­cher Beteiligung der Bevölkerung feierlich enthüllt worden. Die Kantone, welche s. Z. dem Sonder­bunde angehörten, waren bei der Feier nicht vertreten. Frankreich.

Paris, 30. Mai. Vor den Pariser Geschwo­renen stand eine Frau Gennyt de Beaulieu un­ter der Anklage des Mordversuchs gegen ihren Gatten. Der Herr Gemahl führte einen recht lüder- lichen Lebenswandel. Daraus entstand ein Auftritt, der damit endete, daß Frau Gennyt eine Pistole auf den Treulosen abfeuerte, dem die Kugel jetzt noch in einer Rippe sitzt. Vor Gericht benahm er sich wie ein Geck, und da seine eigenen Verwandten u. a. versicherten, er hätte ihnen die Photographien seiner Maitressen gezeigt und auf ihre Vorstellungen erwidert, er benehme sich nur wie alle Ehemänner und sei in seinem Rechte, denn nur die Frau habe die Pflicht, treu zu sein, erkannten die Geschworenen auf Nichtschuldig. Die Zuhörerschaft brach in Bei­fall aus, als die Freisprechung verkündet wurde. (!)

Belgien.

Antwerpen, 2. Juni. Die belgischejRegierung hat dieser Tage alle auswärtigen Regierungen ein­geladen, sich an der am 2. Mai 1885 in Antwerpen zu eröffnenden Weltausstellung zu beteiligen. Die riesenhaften Bauten, welche diesen Hafen zu einem der wichtigsten und besteingerichteten der Welt machen, können alsdann beendet und eröffnet werden. Dies hat Belgien veranlaßt, an diesem Zeitpunkte zum ersten mal eine große Ausstellung der modernen In­dustrie zu eröffnen. Schon jetzt langen zahlreiche sympathische Zustimmungen aus allen Ländern Eu­ropas an. Amerika, der äußerste Orient, die Ko­lonien im allgemeinen, sogar Afrika werden in der großen Handelsmetropole vertreten sein.

England.

London, 3. Juni. Nach einem Telegramm desStandard" aus Teheran hat auf der Insel Kischem (l5 000 Einwohner) im persischen Meerbusen am 19. Mai ein heftiges Erdbeben stattgefunden, wo­bei 12 Dörfer zerstört und 200 Menschen getötet wurden.

London, 4. Juni. Ein Teil des Zuges von Salisbury nach Wimborne ist einen Damm hinab­gefallen. 4 Personen sind tot, 24 verwundet, davon 68 schwer.

London kommt nicht zur Ruhe. Kurz vor den Feiertagen fanden an vier verschiedenen Stellen Dynamitexplosionen statt, eine davon im Polizeibu­reau. Im ganzen wurden 13 Personen verletzt.

London, 3. Juni. Die Scenen der jüngsten Dynamitexplosionen waren während der letzten zwei Tage beständig von dichten Menschenmengen umla­gert. Die furchtbare Gewalt der Explosion ist bei der näheren baulichen Untersuchung der beschädigten Gebäude erst recht offenbar geworden, und es müssen, dem Urteile der Sachverständigen nach, sehr bedeu­tende Mengen Sprengstoffe zur Verwendung gelangt sein. Von den Thätern hat man bisher leider keine Spur. Die Regierung wird, wie es heißt, eine Be­lohnung von 5000 Pf. St. und einen Generalpar­don für den Angeber, wenn er sonst nicht Thäter war, ausschreiben, um der Attentäter babhaft zu wer­den. In den irischen Kreisen New-Iorks rief, wie derDaily News" gemeldet wird, die Nachricht von den Explosionen ungeheuren Jubel hervor. O'Dono- van Rossa erklärt, er habe die Nachricht erwartet und sei von den Arrangements unterichtet gewesen. Niemand glaubt ihm, allein demKriegsfonds" be­gannen sofort neue Beiträge zuzufließen. Die,,Jrisy World" verfügt jetzt abermals über 11 000 Doll, zu diesem Behufe.

In unterrichteten Kreisen verlautet, wie die Post schreibt, daß die englische Regierung sich Frank­reich gegenüber verpflichtet hat, die Besetzung Egyp­tens auf zwei Jahre zu beschränken.

Rußland.

Petersburg, 2. Juni. Nach einer Meldung aus Taschkent ist in dem Kreise Kuramin ein großer, eine Länge von 23 km und eine Breite von 12 km einnehmender Heuschreckenschwarm mit dem Aufgebote von mehr als 20 000 Menschen vernichtet worden. Türkei.

Aus Pera 31. Mai. Der Brand von Bey- Bazar ist ein Unglücksfall, weit bedeutender als die Zerstörung durch das Erdbeben von Tschesmeh und der Brand des nahen Haskioi. Die Flammen haben ca. 240 Häuser, 7 Moscheen, 9 Schulen u. s. w. vernichtet, der Schaden beläuft sich auf 700 000Pfd. ( 16 100 000 Frcs.) Elf Menschen kamen bei dem Brande ums Leben, 8 Türken und 3 Christen. China.

Aus Saigun wird gemeldet, daß am 28. Mai in Pnum-Penh, der Hauptstadt von Kambodscha, ein ganzes Stadtviertel abbrannte, 105 Backstein- und 150 Strohhäuser. 3 Chinesen kamen in dem Flammen um. Der Verlust wird auf 1 400 000 Fr. geschätzt.

Amerika.

Nach amerikanischen Berichten will eine größere Anzahl deutscher Lehrer Cincinnatis die diesjährigen Sommerferien zu einem Ausflug nach der alten Hei­mat benutzen und hat zu diesem Zwecke schon für Hin- und Rückfahrt die Plätze auf dem Hamburger Dampfer Suevia belegt. (Müssen viel Geld übrig haben.)

New York, 2. Juni. Eine in Albany woh­nende deutsche Frau, welche durch den Verlust ihres Bankbuches wahnsinnig geworden, tötete fünf ihrer Kinder und warf sich, mit ihrem sechsten Kinde in

den Armen, vor einem vorüberfahrenden Bahnzuge auf die Schienen. Mutter und Kind wurden zer­malmt. Eine Wasserhose ertränkte 10 Personen in einer Heerdenstation bei Colorado. Das Segel­schiffConfederate" mit einer Besatzung von 79 Personen ist in der Bucht von Notre Dame vom Eise eingeschlossen. Die Lage des Schiffes gibt zu großen Besorgnissen Anlaß und Hilfe wurde abgesandt.

Philadelphia, 29. Mai. Die Atlantic Pet­roleum Raffinerie wurde von einem Blitzschlag ge­troffen, welcher zündete und alsbald 40000 Fässer Petroleum in Brand steckte. 12 Bassins sprangen und das brennende Oel ergoß sich über die Straßen, wodurch die Gaswerke und die Stadt überhaupt in die größte Gefahr gerieten. Schließlich gelang es jedoch, des Feuers Herr zu werden. Der verursachte Schaden wird auf 500 000 Doll, geschätzt.

Handel ch Verkehr.

(Konkurseröffnungen.) Karl Knoch, Kaufmann in Cannstatt. Karl Keller, Kaufmann in Hall. Jakob Beug, Bauer in Alsdorf.

Nagold, 6. Juni. Der gestrige Vichmarkt war schwach befahren, trotzdem die Bahn 7 Wagen Vieh aller Gattung her und hin beförderte und der Bahnhof selbst einem großen Bieh- markt glich; Grund hiefiir war, daß in Altensteig ebenfalls ein V ieh- und K ra mcrma rkl statt hatte.

Altvatrrs )ehn Versichernngsgebote.

Das erste Gebot. Du sollst dein Hab' und Gut, HauS und Hof und Alles was dein ist, gegen Feuerschaden und Blitzschlag versichern, denn Brauch vor Unglück Kopf und Hand,

Dazu gab dir Gott Verstand!

Das zweite Gebot. Du sollst nicht mehr ver­sichern, als du besitzest, denn das Versichern ist kein Geschäft, bei dem verdient wird, sondern nur deine Pflicht, um Alles, was du erworben, zu erhal­ten und

Erwerben ist ehrlich, Erhalten ist schwerlich!

Das dritte Gebot. Du sollst auch nicht we­niger versichern, als du besitzest, denn was du nicht versicherst, wird dir beim Brandunglück nicht ver­gütet und

wer viel verliert, bald Armut spürt!

Das vierte Gebot. Du sollst auch keine leicht­fertigen Angaben bei der Versicherung machen, son­dern Alles, was dein ist, fein ehrlich und genau aufführen, damit dir nach dem Brande kein Prozeß, noch üble Nachrede entstehe, denn:

Ehrlich währt am längsten!

Das fünfte Gebot. Du sollst auch deinen Nachbar, Freund und Verwandten zur Versicherung anhalten und bereden, auf daß sie nicht in Schaden kommen und, durch Brandunglück veramt, dir zur Last fallen.

Das sechste Gebot. Du sollst auch deine Ernte gegen Hagelschlag versichern, auf daß du ruhig in deinem Kämmerlein schlafen magst, wenn Gott schwere Gewitter über deine Fluren schickt; denn bedenke, daß eine verlorene Ernte dich zum Bettler machen kann.

Das siebente Gebot. Du sollst ebensowenig vergessen, sowohl Lebens- als Unfallversicherungen abzuschließen, denn so gewiß der Herr dich jede Stunde von dieser Welt abrufen kann, sei es nun in Folge einer Krankheit oder eines Unfalles, so da beim Gehen, Reiten und Fahren Vorkommen, so ge­wiß ist dein Leben noch ein kostbareres Gut, denn Haus, Hof und Ernte und dieses geht für deine weinende Frau und Kinder verloren, so du nicht weislich gesorgt hast, daß dasselbe so weit wie mög­lich durch Auszahlung der Lebens- oder Unfallver­sicherungssumme ersetzt werde.

Das achte Gebot. Du sollst keine Ausflüchte und andern keine Hindernisse gegen all' diese Ver­sicherung bereiten, denn die so leichtsinnig sind und nicht versichern, trifft das Unglück am ersten, kein Mensch hat Mitleid mit ihnen.

Das neunte Gebot. Du sollst dir keine Aus­rede ob der Ausgabe für die Versicherung machen, denn solche ist je nach deinen Verhältnissen gering und lege stets so viel zurück, als du Schöpplein trinkest, so hast du genug für alle Versicherung und pünktlich Pflicht erfüllt, heißt auch den Durst gestillt.

Das zehnte Gebot. Du sollst die Ausgabe für Versicherung betrachten, wie solche für Essen uvd Trinken und so gewiß du letzteres nicht aufschiebest, weil du Hunger und Durst hast, so schiebe auch keine Versicherung auf, denn sie verschafft dir Ruhe und Sicherheit, Trost und Hülfe.