Trinken von Brannwein, sowie anderer geistiger Ge­tränke überhaupt, zu beschränken. Die Einrichtung von Kaffeeschcnken, in welchen wohlfeile, gut znbe- reitete, nicht spirituose Getränke zu haben sind, wurde in dem Berichte des Herrn Geh.-Rt. Dr. Böhmert- Dresden als das geeignetste Mittel hiezu bezeichnet, welches sich nicht blos in anderen Ländern, sondern auch in verschiedenen deutschen Städten erprobt hat. (Auch in Stuttgart sollen solche Volks-CaffsS ge­gründet und das erste derselben im Laufe des Som­mers eröffnet werden.) Zugleich sollen die größeren Fabrikanten, die Bauunternehmer, und auch die Staatsverwaltungen, welche gleichfalls regelmäßig eine größere Anzahl von Arbeitern beschäftigen, er­sucht werden, ähnliche Einrichtungen zu treffen. Für die allgemeine Versammlung des nächsten Jahres wurden in erster Linie die Frage der Bestrafung öf­fentlicher Trunkenheit, die Bestrafung von Wirten, welche an Trunkene und Kinder Schnaps u. dergl. ausschenke», die Entmündigung erklärter Trinker und die Zwangseinweisung derselben in Trinkerasyle, auf die Tagesordnung gestellt. Durch diese Beschlüsse ist der Verein von seiner seitherigen mehr theoreti­schen Thätigkeit auf das praktische Gebiet überge- gangen, und darf wohl gehofft werden, daß, je mehr auf diesem Wege weitergeschritten wird, die Beteili­gung an dem Verein in ganz Deutschland eine immer allgemeinere werden wird. (Für Württemberg nimmt das Vorstandsmitglied, Eduard Elben in Stuttgart, Bcitrittsanmeldnngen zum Verein entgegen^

Stuttgart. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, gegen 12 Uhr, wurden hier zwei Erdstöße, ein stärkerer und kurz darauf ein schwäche­rer, in der Richtung von Nord nach Süd beobach­tet. Dieselbe Erscheinung ist auch in verschiedenen Orten der Umgegend wahrgenommen worden. So schreibt man uns aus Cannstatt unterm Gestrigen: In vergangener Nacht, kurz vor ^ auf 12 Uhr, wurde hier ein Erdbeben verspürt. Die Fenster klirrten, die Möbel und Bettladen krachten, so daß mehrere Personen aus dem Schlaf geweckt wurden. In der Reparaturwerkstätte Cannstatt soll der Stoß so stark gewesen sein, daß die Schraubstöcke klirrten; in Untertürkheim sollen leichtstehende Gegenstände zum Teil umgefallen sein. Ebenso wird aus Eß­lingen vom 22. Mai berichtet: Vergangene Nacht, wenige Minuten vor 12 Uhr, wurde an verschiede­nen Stellen ein ziemlich heftiger Erdstoß verspürt, der mehrere Sekunden lang andauerte und das Mo­biliar ins Schwanken brachte. (S. M.)

In derSchwarzw. Kreisztg." wird aus An­laß des in Reutlingen projektierten Maienfestcs vor dem übertriebenen Luxus in der Bekleidung der festfciernden Kinder und vor dem Unfug deS über­mäßigen Zuckerstraußgebens an die Kinder wohl mit Recht gewarnt.

Stationskommandant Schüler von Heiden­heim hat dem Baumverderber in Bvlheim, welcher einige Hundert Stämmchen aus einer Baumschule vernichtete, cifrigst nachgeforscht und denselben auch in der Person eines verheirateten Mannes entdeckt. Die That geschah aus Rache. Als die Frau des ThäterS die Sache entdeckt sah, sprang sie der Brenz zu, um sich zu ertränken, wurde aber von einem Mann daran gehindert.

In Ulm wurde am Mittwoch ein Paar ge­traut, das zusammen gegen 60 Vorstrafen in Zucht­haus, Gefängnis und Haft erstanden hat. Nach­mittags wurde spazierengefahcen und in entsprechen­der Gesellschaft lustig gelebt; aber schon abends er­hielt das saubere Ehepaar Stadtvcrbot. Das Paar ist hierauf abgezogen, hat aber Wirt und Kutscher zu bezahlen vergessen.

In einer Zeit, in der so häufig Klagen laut werden über die vorzeitige Schwächung des Augen­lichtes bei Leuten jugendlichen Alters, dürfte es nicht übel angebracht sein, die Wachsamkeit von Eltern und Erziehern auf eine Gewohnheit hinzulenken, welche zweifelsohne bei längerer ungestörter Ucbung nicht ohne nachteilige Wirkung auf die Sehkraft bleiben kann, nemlich das Lesen und Schreiben, während das volle, grelle Sonnenlicht auf das weiße Papier fällt. Einsender dieses hat schon häufig Kinder angetroffen, welche während des Gehens oder auf Ruhebänken unter de» oben genannten Umständen längere Zeit hindurch in sog. Geschichtcnbüchern, d. h. Erzählungs­schriften lasen, und bekam auf etwaige Anfragen, ob ihnen denn in der Schule nicht gesagt werde, wie schädlich für die Augen ein solches Lesen sei, regel­

mäßig die Antwort: Nein! Wenn dies nun auch in vielen Fällen lose Ausflucht gewesen sein mag, um eine Zurechtweisung zu vermeiden, so wäre es viel­leicht doch nicht ohne Nutzen, wenn Eltern und Leh­rer, namentlich in der Sommerszeit häufiger, als es wohl bisher geschehen, vor dieser augenverderbenden Unsitte warnen wollte». Auch das Lesen während des Gehens wird von den Augenhcilkundigen als sehr schädlich betrachtet. Ebenso das Lesen bis in die späte Dümmerungsstundc aus ungezügelter Untcrhal- tungsgicr. Die einfachsten Wahrheiten und Regeln werden bekanntlich am häufigsten vergessen und miß­achtet.

Brandfälle: In Bernried (Tettnang) am 20. ds. 2 Wohnhäuser.

(Agitation gegen die Gewerbcfreiheit.) Trotz der Erklärung vom Ministertische in der zweiten ba­dischen Kammer, daß die Regierung die Herbeifüh­rung von Zuständen, wie sie vor Einführung der Gewcrbefreihcit bestanden, nicht befürworten könne, ist, wie uns aus Baden berichtet wird, in Freiburg für die nächste Zeit eine allgemeine Versammlung von Handwerkern einberufen, die sich darüber schlüs­sig machen soll, welche Schritte sich empfehlen,um die schrankenlose Gewerbcfreiheit und ihre nachteili­gen Wirkungen auf den Handwerkerstand zu beseiti­gen." Die Petition der Mannheimer Handwerker an die zweite Kammer hatte unverkennbar gleichfalls den Zweck, die der unbedingten Gewcrbefreihcit ab­geneigten Volksvertreter in die Lage zu versetzen, ihrer Ansicht Ausdruck zu geben. Daß Bestrebungen nach dieser Richtung auf irgend welchen Erfolg Aussicht hätten, ist kaum anzunehmeu.

München, 22. Mai. In Betreff des vier­fachen Mords und Selbstmords erfährt man, daß der Photograph Schildknecht, ein überspannter Me: s h, der früher einmal ohne Glück an verschiedenen Büh­nen sich als Opernsänger versucht hat, hier ein Lie­besverhältnis mit einer in seinem Geschäft arbei­tenden Retoucheurin unterhielt, mit welcher er seinen keineswegs kärglichen Verdienst durchbrachte, während Frau und Kinder darben mußten. Frau Schildknecht, Tochter einer angesehenen Familie, wurde als gänz­lich unverdächtig aus der Haft entlassen.

Dr. Dyrenfurth teilt derTägl. Rundschau" mit, daß in der Würzburger chirurgischen Klinik nach der Methode, welche Dr. Redard in Genf in 111 Fällen erprobt gefunden hatte, die ausgezogencn Zähne antiseptisch behandelt und mit gutem Erfolg in dem sorgfältig gereinigten Kiefcrbodeu wieder ein- gepflanzt werden. Der Verlauf sei stets günstig und nach 8 Tagen können die ehemaligen Zahnweh-Pa- tienren ohne Schmerzen feste Speisen kauen.

Frankfurt, 19. Mai. Eine Dame besuchte jüngst den Zoologischen Garten und vergnügte sich mit ihren Kindern damit, die Zicklein zu füttern. Sie bückte sich dabei einmal, um ein Stückchen Brot besser den jungen Tierlein zu reichen und das mochte die Alte die Ziegenemlich für einen Angriff auf ihre Jun­gen halten, denn Plötzlich packte sie den Hut der Dame geradeda, wo eine 30 Mark kostende Straußenfeder befe­stigt war, riß diese samt einem Stück Strohhut her­unter und fraß beides zur allgemeinen Heiterkeit des Publikums auf! Die Ziege befindet sich wohl.

Numpeuheim, 21. Mai. Der Bermählungs- feier der Prinzessin Elisabeth von Hessen mit dem Erbprinzen Leopold von Anhalt am 26. d. M. wer­den auch die Kaiserin von Rußland, die Königin und der Prinz Waldemar von Dänemark, der Kron­prinz des deutschen Reiches beiwohnen.

Schlettstadt, 22. Mai. Gestern früh hat in der Nähe der Stadt ein Pistolen-Duell zwischen zwei Offizieren des hier in Garnison liegenden Ba­taillons des 8. Württ. Jnf.-Regiments Nro. 126 stattgefunden, und zwar leider mit traurigem Ansgang. Nach derEls.-Lothr. Ztg." ist der eine der Duel­lanten, Gr. v. D., leicht, der andere dagegen, Hauptm. G., sehr schwer verwundet worden. Die kriegsgericht­liche Untersuchung wird die Beweggründe feststcllen.

Bremen, 18. Mai. (Der Deutsche Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke), dessen Wiege am Rheine gestanden hat und dessen augenblicklicher Sitz hier ist, hält übermorgen in Berlin seine Jahres­versammlung ab, um sich dem Osten thunlichst nahe zu bringen. In der Neichshauptstadt selbst ist seit einem halben Jahre ein lebenskräftiger Zwcigvercin entstanden. Auch Württemberg hat dem nationalen Mäßigkeitsvercin schon zahlreiche Einzelmitglieder ge­

stellt, darunter Hrn. v. Varnbüler, den Prälaten Karl Gerok, die praktischen Armcnpfleger Eduard Elben, Oberamtmann Huzel und Dekan Kemmler. Die Zahl der Vereinsmitglieder steigt stark in die Tausende, denen jetzt allmonatlich eine gedruckteMit­teilung" des Geschäftsführers zugeht. Daneben wird in Berlin wohl die letzte Hand an die geplante wis­senschaftliche Zeitschrift oder Schriftenfolge gelegt werden.

Berlin, 21. Mai. Die Kaiserin von Ruß­land traf hier abends auf dem Bahnhof Friedrich­straße ein, wo Kaiser Wilhelm dieselbe im Salon­wagen herzlichst begrüßte. Nach einem Aufenthalte von zehn Minuten verabschiedete sich der Kaiser und setzte die Kaiserin ihre Reise fort.

Wie dieF. Z." erführt, telegraphierte die Kaiserin von Rußland au den Czaren und ihren Vater den König von Dänemark über die gänzlich unerwartete Überraschung, die Kaiser Wilhelm ihr durch seine Begrüßung auf dem Zentralbahnhofe in Berlin erwiesen. Die Kaiserin war äußerst ange­nehm berührt durch die Worte, mit denen der Kai­ser sein Bedauern darüber ausdrückte, daß er nicht bereits auf der Durchreise der Czarewna nach Rum- penheim durch deren Besuch in Berlin erfreut sei.

DerKönigsb. Hart. Ztg." zufolge soll der Schluß des Reichstages nach den vorläufig getrof­fenen Dispositionen in der ersten Juliwoche, die Neuwahl im Oktober stattfindeu.

Fürst Bismarck würde nach einer Versiche­rung des D. Tgbl. auch ferner Ministerpräsident bleiben und nur das Portefeuille des Handels und des Auswärtigen (für Preußen) abgeben.

Berlin, 19. Mai. Gestern abend wurde auf der Oberspree ein Kahn, in welchem sich 6 Herren und 2 Damen befanden, von einem Lastkahn, der von einem Gewittersturm erfaßt und mit größter Schnelligkeit vorwärts getrieben wurde, überfahren und geriet unter den Lastkahu. Nur die beiden Frauen, die von ihren Kleidern notdürftig über Was­ser gehalten wurden, und einer der Männer konnten gerettet werden. Die anderen 5 Personen verschwan­den spurlos und haben in den Wellen den Tod ge­funden.

Berlin, 20. Mai. Es steht nun fest, daß die Grundsteinlegung des Reichstagsgebäudcs erst nach dem Wiederznsammentritt des Reichstags etwa Mitte Juni erfolgt.

Berlin, 23. Mai. Kraszcwski, für welchen die Festung Magdeburg oder Glatz bestimmt gewesen war, suchte durch seinen Verteidiger Saul nach, ihm die Festung Köuigstein anzuwcisen, welche durch Höhenlage seiner Gesundheit besser zusage. Er wurde aus seinem Hotel vorläufig in das Leipziger Gefäng­nis übergeführt.

(Die Deutsch-Freisinnigen in Nöten.) Die deutsch-freisinnige Partei ruiniert sich selber schneller als es ihre aufrichtigsten Gegner gekonnt hätten. Entweder muß diesewahrhaft liberale" Partei den zweiten großen Beschluß, den sie gefaßt hat, nämlich gegen die Unterstützung der asiatischen Dampferlinien zu stimmen, schleunigst aufheben und die Abstimmung abermalsfreigeben", wie beim Sozalistengesetz, oder aber sie zeigt diesmal, daß sie wirklich auch einmal einig sein kann und bleibt bei ihrem Beschlüsse der Ablehnung, dann hat sie in ihrer ureigensten Domäne, in ihrer Wiege und Heimatstütte, in Bremen und Hamburg, ausgespielt. Denn die Bewohner unserer großen Hafenstädte sind vernünftige Leute, die den Herren Rickert und Richter die Wege weisen würden, wenn sie alscharakterfeste" Manchesterleute für die staatliche Hebung unserer überseeischen Schifffahrt gar kein 'Verständnis beweisen. Die Freisinnigen haben viel Unglück! (Fr. I.)

Aus der Proviu z S a ch s e n, 20. Mai. In dem Dorfe Grabitz bei Weißenfels erschlug gestern nachmittag im Streite der Ökonom Ködderitzsch sei­nen eigenen Vater. Kurze Zeit hierauf fand man den Thätcr selbst tot vor; er hatte sich in einem benachbarten Gehölze erhängt.

Leipzig, 22. Mai. Der Prozeß Hentsch- Kraszewski ist in einer Weise entschieden worden, welche der Schwere deS Verbrechens entspricht. Hcntsch bat nach den Plaidoyers des Staatsanwalts und der Verteidiger, indem er die Schwere seiner Verbrechen reumütig zngab, weinend um eine Festungsstrafe, man möge ihn nur nicht ins Zuchthans schicken, seine Bitte war vergeblich, die ganze Strenge des Gesetzes kam im Urteil zum Ausdruck und mit Recht,