Lin Kind der Urmuth.
Erzählung von M. Gerbrand t. (L. Calm.)
(Fortsetzung.)
Gab Erich sich durch die Freundlichkeit gegen die schöne Frau nicht eine Blöße, die um so mehr hätte vermieden werden müssen, da — Adele sagte es sich kopfschüttelnd — ein Rest früherer Neigung gewiß noch vorhanden war? Za, es war geradezu eine Verblendung von ihm, unter den Augen des eifersüchtigen Vaters liebenswürdig gegen seine Stiefmutter zu sein.
Auch im Uebrigen erschien Erich seiner Stief mutter gegenüber nicht als der gerechte und ruhige Beurtheiler der Zerwürfnisse, die sich so oft im Hause ereigneten. Denn obwohl Erich wissen mußte, daß seine Stiefmutter durch ibr launisches und eigensinniges, ja an Ungerechtigkeit streifendes Wesen manchen Anlaß zu Streitigkeiten und heftigen Auftritten gab, so schien er es doch nie über sich zu gewienen, seiner Stiefmutter, die doch jünger und unerfahrener als er war, einmal die wahre Ursache ihrer Fehler und Mißgriffe klar zu machen. Es kam sogar nicht selten vor, daß Erich den Launen und Ungerechtigkeiten seiner Stiefmutter mit Nachgiebigkeit begegnete, wie folgender Vorfall zeigt.
Eines Tages wollte der alte Hardenberg mit seinem zweiten Sohne Felix Geschäfte halber nach der Stadt fahren. Als der Wagen vor der Thür stand und Felix herauskam, fand er den Sitz bereits mit seinen Fiäulein Schwestern bepflanzt, die in Alltagskleidern, ohne Hüte und große Klettenblätter als Sonnenschirme in der Hand, im Geiste bereits der Stadl Zufuhren.
Felix machte ihnen begreiflich, daß sie nicht mit nach der Stadt fahren könnten und als Minchen darauf nur mit höhnischem Lachen antwortete, Winchen und Linchen aber gar respectwidrigen und eigenthüm lichen Gebrauch von ihrer Zunge machten, erstieg Felix stillschweigend den Wagentritt und mit der Ruhe, die ihm in solchen Momenten eigen war, setzte er die jungen Damen eine nach der anderen etwas unsanft auf den Rasen. Linchen blieb gleich schreiend daselbst liegen, Winchen, eine thatkräftige Natur, bearbeitete Felix's Rücken mit ihren Fäusten und Minchen lief Erich, der eben aus dem Hause trat, entgegen und rief, mit den Füßen stampfend:
„Wir wollen auch mitfahren, der Wagen gehört Euch nicht allein, Mama sagt, wir sind nicht schlechter als Ihr und Du sollst uns gleich mitnehmen!"
„Geh' nur hinein zur Mama und laß Dich erst anders ankleiden," sagte Erich besänftigend.
„Als aber Minchen und Winchen den Versuch machten, sich an die Wagenräder zu klammern, ergriff Erich jede mit einer Hand und wollte sie eben einer herzueilenden alten Wartefrau, der Mutter Augustin, übergeben, doch da erschien die Mutter der Kinder in der Thüröffnung und rief in gekränktem Tone:
„Erich, was sehe ich? Kommt, meine Kinder, was hat man Euch schon wieder gethan?"
„Felix warf uns vom Wagen und Erich hat uns gestoßen," heulten die verzärtelten Lieblinge.
„Ihr armen Würmchen, seid Ihr denn Jedermann ein Dorn im Auge? Ich weiß es längst, Erich,, daß Du kein Herz für meine Kinder hast und" —
sie brach in Thränen aus und drückte ihre Töchter an sich, als müsse sie dieselben vor Tyrannen schützen.
Anstatt daß nun Erich, wie Adele beinahe wünschte, der unverständigen Mutter den Standpunkt klar machte, sagte er nur ganz freundlich:
„Wenn Du es wünschest, mögen die Kinder mitfahren. Mutter Augustin wird sie ankleiden, nicht wahr?"
Adele besaß ein sehr stark ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl, es war also kein Wunder, daß sie ein solches Verfahren höchst unbillig fand und, als Erich nun endlich davonfuhr und grüßend nach Ade lens Fenster binüberwinkte, zog sie es vor, den Kopf nicht zu erheben.
Trotzdem aber fühlte sie sich keineswegs befriedigt, als Hardenberg, an dessen Stelle Erich nach der Stadt gefahren war, in das Hans trat und in heftigster Weise über Erich zu schelten begann. Ja, sie frohlockte ordentlich, als Mutter Augustin, die im Nebenraum Kartoffeln schälte, wo auch der alte Hardenberg eingetrcten war, des Angegriffenen Partei nahm. Mutter Augustin war jetzt eigentlich Pflegebefohlene des Gemeindehauses, aber sie war oft Tage lang hier, um, wie sie sagte, in der Wirtschaft zu helfen, obgleich Niemand sich an sie kehrte und ihre Thätigkeit gleich Null zu achten mar. Sie war die Amme des Erstgeborenen und die Wärterin der andern Kinder gewesen und daher rührte wohl die Duldsamkeit, mit der selbst der alte Hardenberg ihre Gegenwart ertrug.
„Herr Hardenberg, Sie haben nur immer etwas gegen den jungen Herrn," sagte sie nachdrücklich, „er kann es Ihnen nie recht machen und es ist eine Schande, wie Sie ihn behandeln. So lange hat er sich in der Fremde Herumstoßen müsse» —"
„Seine Schwester ist ebenso gut in der Fremve! Darum hat sich Niemand zu kümmern, versteht Sie?" polterte der alte Hardenberg hervor.
„Es sagt auch Niemand, daß Sie mit den andern Kindern nicht recht thun, aber mit dem jungen Herrn ist's ja eine wahre Ausnahme. So würde kein Vater an seinem Sohne handeln. Erst nahmen Sie ihm die Braut —"
„Stecken Sie Ihre lange Nase in Sachen, die Sie etwas angehen!"
„Meine Nas' habe ich vom lieben Gott, wissen Sie das? Und ich sag', Sie haben dem Herrn Erich schon so wie so genug Unrecht gethan, daß Sie ihm nicht jetzt noch jeden Tag verbittern dürfen, wissen Sie das? Mrine Nase soll ich nicht hineinstecken? Wer denn sonst, wenn nicht ich? Aber es wär' Ihnen schon recht, wenn ich arme Frau dahin käme, wo Niemand ausplaudern kann, dann müßt' es doch Keiner als Sie, wie —"
Hier sank die kreischende Stimme der Alten im Flüsterton herab, daß Adele, deren Aufmerksamkeit bei den letzten Worten plötzlich rege geworden, den Rest nicht verstand. Sie erwartete nach dieser Herausforderung einen heftigen Zornausbruch des Onkels, aber er stieß nur einen zischenden Laut wie „Hexe" oder dergleichen aus und gleich darauf öffnete sich die Thür und er trat in das Zimmer, wo sich Adele befand.
„Was hast Du hier zu suchen?" herrschte er
Abelen an. „Was stehst Du an den Thüren herum und horchst? Was hast Du nun erspäht, he? Heraus damit!"
Er war dicht vor sie getreten, seine Lippen zitterten vor Wuth und aus dem graugelben Antlitz funkelten die Augen in drohendem Haß.
(Forts, folgt.)
— Die „Landwirthschiftlichc Zeitschrift für Elsaß-Lothringen" empfiehlt folgendes Mittel, das Spatzenvolk vom Getreide und von den Weintrauben abzuhalten. Man hefte zwei Spiegelscheiben mit dem Rücken zusammen und hänge den Doppelspiegel an passender Stelle auf; das Weitere überlasse man dem Winde und der Sonne. Der Spiegeltanz schreckt die Vögel mit seinem grell nach allen Seiten blitzenden Lichte.
— sEin neues Mittel gegen die Seekrankheit.) Die Wr. Med. Blätter melden: Nach Angabe des Dr. James aus Boston leiden die Taubstummen weder an Schwindel, noch an Seekrankheit. Demnach würde es nach James rathsam sein, daß solche Individuen, welche an Seekrankheit leiden, sich die Ohren mit Watte zustopfen, sobald sie auf der See sind. Die Geschichte von Ulysses, welcher seine Gefährten zwang, sich die Ohren mit Wachs zuzustopfen, als sie auf die stark bewegte See kamen , steht vielleicht in Beziehung mit der Angabe des Dr. James.
— (Schädlichkeit des in Krankenzimmern stehen gelassenen Wassers.) Das Wasser nimmt verschiedene in der Luft befindliche Stoffe, namentlich auch die fauligen und die Ansteckungsstoffe in sich auf. Es ist daher nicht auzurathen, sich deS Wassers, das in einem Krankenzimmer stand. zu bedienen, besonders wenn es in einem unbedeckten Gefäße war. Selbst das Wasser, das über Nacht im Schlafzimmer stand, kann in manchen Fällen schädliche Theile aufgenommen haben. Mau hat mehrere Beispiele, daß durch Trinkwasser, das, damit es überschlagen sollte, in Krankenzimmer gestellt wurde, ansteckende Krankheiten verbreitet wurden.
(Amerikanischer Humor.) In einem Konnektikuter Gefängnis; brach unter den Gefangenen jüngst ein religiöses „Revival" aus, welches sich namentlich in begeistertem Hymnensingen äußerte. In einer Zelle begann der Gesang und wurde von den Insassen der übrigen Zellen mit einer Heftigkeit ausgenommen, welche das ganze Gebäude mit Klang erfüllte. Die Wärter, welche darin ein gutes Zeichen für die Besserung der ihrer Bewachung anvertrauten Misse- thäter erblickten, förderten die erfreuliche Erscheinung so bereitwillig, daß sie zuletzt mitsangen. Wie staunten sie aber, als sie eines Morgens, nachdem am vorhergehenden Abend noch ganz besonders laut gesungen worden, die Entdeckung machten, daß während dieser Gesangsübungen in einer Zelle die Fenster durchgesägt worden und sechs der lautestsingenden ihrer Galgenvögel durch dieselben entflohen waren!
sEin Kind unserer Zeit.) Die kleine Elsa ist von der Mama bestraft worden. Voll bitteren Zornes zieht sie ihren Mantel an und will fortgchen. — Wo willst Du hin, Elsa? — N ach — Amerika, Mama!
Verantwortlicher Redakteur Steinwandel in Nagold. — Druck und
Verlag der G. W. Z aiser'schen Buchhandlung in Nagold.
Stadtgemrinde Nagold.
Stangen- und Brennholz-Verkauf
-LN SS"- am Mittwoch
den 27. Februar im Distrikt Lemberg Abth. oberer Teichelwa l d: 17 Stück roth- tannene Gerüstsiangen;
420 Rm. Nadelholz-Scheiter und Prügel;
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Günstige Abfuhr für die Gäu-Orte und nach Nagold.
Zusammenkunft Morgens 9 Uhr oben auf der alten Staige von Nagold nach Haiterbach.
Gemeinderath.
Amtliche und Krinnt-Wekomntnrnchnngen.
I s e l s h a u s e n.
Fang-, Kg- und KtknnhoWetkäuft.
am Freitag den 29. Februar kommen aus hiesigem Gemeindewald Abth. Sperber und Brenntenberg 142 Stück Lang- und Sägholz I., II., III., IV. u. V. Kl. mit zusammen 133 Fm.; L. am Donnerstag den 28. Februar 117 Rm. Scheiter und 3300 gebundene Reiswellen zum Verkauf, wozu Liebhaber eingeladen werden.
Zusammenkunft an beiden Tagen Morgens 9 Ubr auf der Mötzinger Straße beim Bahnwarthäusle.
Jselshausen, 20. Febr. 1884. __ Gem ei nderath.
Nagold.
Alle Sorten Stahlfedern
stets vorräthig bei G. W. Zaiser.
Eb ers Hardt.
Hopfenstangen- Verkailf.
-t", Freitag den 29.
d. M. werden aus dem Gemeindewald Führet 1140 Stück von 5— 7 u. 7—9 in
lange rvthtannene Hopfenstangen und 235 St. 9—13 in lange Derbstangen, welche sich vortrefflich zu Drahtanlagen eignen, verkauft. Zusammenkunft Vorm. 10 Uhr beim Rathaus.
MlMgtt-Ailsllls!
In der Verlassenschaftssache des Michael Friedrich Morlock, gewes. Taglöhners in Poppelthal, ist die Erb
schaft nur unter der Rechtswohlthat des Inventars angetreten worden, es ergeht deßhalb an die Erbschaftsgläu- biger die Aufforderung, ihre Ansprüche binnen
zwei Wochen
diesseits geltend zu machen und zu erweisen, widrigenfalls diejenigen, welche die Anmeldung versäumen, bei der im Auseinandersetzungsverfahren sich vollziehenden Befriedigung der bekannten Gläubiger nicht berücksichtigt werden u. ihnen nach Durchführung des Verfahrens lediglich noch das gesetzliche Absonderungsrecht (Art. 40 des Pfandgesetzes) Vorbehalten bleiben würde. Altensteig, 20. Febr. 1884.
Für die Theilungsbebörde:
K. Amtsnotariat.
Ass. Mann.
«WM»Wi Aolzloos-Zettel MMMM
vorräthig bei G. W. Zaiser.